Gedanken beim Anblick einer Schnitterszene

Jakob Wirz


 


Die Proben des Glaubens und die mancherlei Läuterungen zur Vollendung eines Christen, unter dem Gleichnisse von Korn, Mehl und Brot dargestellt.

Juni 1836 - Jakob Wirz

Vorwort - (Der ersten Auflage im Jahre 1838 vorgedruckt.)

   
Vor einigen Jahren sah ich auf einem Spaziergang Leute beschäftigt, einen Acker Korn zu schneiden. Ich stand still und betrachtete, wie die Fruchthalme unter der Sichel des Schnitters dahin sanken. Bald erhob sich in mir der Gedanke: Da liegst du nun, edles Korn, mit dem Halme zur Erde hingestreckt! Auf Hoffnung gesät, hast du den herben Frost des verflossenen Winters und im Frühjahr viel Ungemach erduldet, und bist endlich diesen Sommer unter Hitze und manchem Ungewitter zur Reife gelangt.

    Da liegst du nun, edles Korn, zur Erde hingestreckt! Wie bald könnte auch ich hingemäht werden! Du scheinst nun zur Ruhe gelangt zu sein und ahnst nicht, dass noch Vieles mit dir vorgehen muss, ehe du uns Menschen dienen kannst.

    Bei der Betrachtung des Materiellen konnte ich aber nicht lange stehen bleiben, sondern mein Gemüt ergriff bald den geistigen Sinn in dieser Sache, besonders gab mir das Wort unseres Heilandes Ev. Joh. 12,24: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bleibet es allein; wenn es aber erstirbt, so bringt es viel Frucht.“ – Stoff genug, das Materielle auf das Geistige zu beziehen und auf den Gang eines in der Gnade fortschreitenden Christen anzuwenden.

    In diese Gedanken vertieft, kam ich nach Hause. In einem Briefe an einen Freund auf dem Lande flossen mir im Laufe der schriftlichen Unterredung die Betrachtungen ein, die in diesem Schriftchen enthalten sind. Ich schrieb dieselben zu meiner eigenen Belehrung ab und teilte sie später anderen Freunden als Manuskript mit. Sie machten überall einen guten Eindruck und man wünschte, dieses Gespräch gedruckt zu bekommen.

    Diesem Wunsche habe ich nun nach zwei Jahren durch Aufmunterung eines Freundes zu entsprechen mich gedrungen gefühlt. Die Gedanken sind mir in einer originellen Sprache gleichsam unwillkürlich in die Feder geflossen. Ich gebe sie, wie sie sind, und hoffe, dass diejenigen Leser, welche den geistigen Sinn und Zweck dieser kleinen Schrift recht ins Auge fassen, sich nicht an der eigentümlichen Einkleidung stoßen, sondern aus der anschaulichen Darstellung einer der wichtigsten Lehren des Christentums einigen Segen empfangen werden.

Wer es fassen mag, der fasse es!

   
Der Glaube muss durch viele und mannigfaltige Proben gehen, ehe er auf die unerschütterlichen Pfeiler der Gnade und der Kraft Gottes gegründet ist. Das Weizenkörnlein muss nach der Ordnung der göttlichen Natur zuerst in die Erde fallen und ersterben, ehe es Früchte des Glaubens bringen kann.

    Auch nach den Gesetzen der irdischen Natur muss das Weizenkörnlein im Winter manchen Frost, Schnee und Eis, und die langen Winternächte aushalten. Ja, es wird sogar, wenn es im Frühjahr in die Halme emportreiben will, gar oft durch kalte, frostige Winde wieder erschreckt, und muss sich wie eine Gebärerin ängstigen und fast verzagen, ob es ihm möglich werden könne, seine in ihm liegende Geburt zu entwickeln und an das Tageslicht zu bringen. Und ist das auch geschehen, so muss es im Sommer noch manchen Sturm und manches Ungewitter bestehen, und es muss ihm noch heiß werden, ehe seine ausgeborene Frucht zur Reife gelangt.

    Ist nun die Frucht, die aus dem gesäten Körnlein entsprossen, wirklich reif geworden, so kommt der unbarmherzige Schnitter und streckt sie mit seiner Sichel zur Erde hin.

    Nun wird sie gebunden und in die Scheuer gebracht. Da könnte sie dann glauben: Jetzt kann ich einmal von meiner Arbeit und meinen Leiden ausruhen. Aber sie irrt sich sehr; denn bald wird sie wieder auseinander gebreitet, um gedroschen zu werden, und da kommt dann mancher grobe Flegel und gibt ihr hier einen Schlag und dort einen Hieb, bis der Kern aus seinem Kleide herausgeht.

    Wenn das geschehen ist, so glaubt das Korn: Nun aber kann ich gewiss ruhen, denn die groben Leute haben an mir getan, was sie wollten; sie haben ihren Willen an mir ausgeübt.

    Das merkt ein Drescher und spricht: Nein, liebes Körnlein, du darfst noch nicht ruhen. Du hast dich zwar aus deinem groben Gewande herausschlagen lassen, und dazu waren auch grobe Drescher erforderlich; merke dir dieses: aber du hast noch ein feines Kleid, das dir auch noch ausgezogen werden muss. Deshalb mußt du jetzt zunächst gewannet werden. Was dann weiter mit dir vorgehen muss, das mag ich dir jetzt nicht sagen, du möchtest es noch nicht ertragen. Gehe jetzt geduldig in die Wannmühle und lass dich darin recht schütteln und rütteln, damit alles, was du von Staub und Hülsen noch an dir hast, davonfliege und du ein sauberes Körnlein werdest.

    Das Korn gehorchte diesem Rate und ließ in der Vormühle mit sich spielen, sich herumjagen und werfen, nach Herzenslust dessen, der diese Arbeit versieht, dass ihm dabei schwindlig wird.

    Darauf wird das Korn in Haufen geschüttet, oder in Säcke gefasst und bleibt oft geraume Zeit auf einem Speicher liegen. Nachdem es in diesem Zustande der Ruhe eine geheime Gärung durchgegangen hat, spricht es: Hier ist gut sein; wir haben hier eine trockene Hütte und der Speicher ist verschlossen; darum kann auch Niemand zu uns kommen, der uns Körnlein etwas zu Leide tun könnte. Kommt, spricht die Menge der Körnlein zueinander, kommt, lasset uns Psalmen singen und ein Loblied anstimmen; denn wir haben überwunden und sind nun zur Ruhe gelangt.*1)

*1) So geht es. Wenn der von der Gnade Erweckte als Anfänger im Christentum einige Leiden durchgegangen, bei gewissen abgelegten Proben der Treue gnadenreiche Erfahrungen gemacht und dabei ein Gefühl des göttlichen Wohlgefallens verspürt hat, so fühlt er sich dadurch zum Lobe Gottes angeregt. Aber dieses Lob ist noch nicht rein, weil die in allem sich selbst suchende Natur sich so gern dareinmischt, durch welche der Mensch verleitet wird, sich über seinen wirklich erlangten Stand zu erheben und sich weiter in der Gnade gefördert zu glauben, als er es dem Wesen nach ist. Dadurch wird Gott veranlasst, einer solchen Seele, teils unmittelbar durch seinen Geist, teils auf mittelbarem Wege zu zeigen, dass sie sich noch nicht da befindet, wo sie zu stehen glaubt, um sie zur Demut und zur Selbstvernichtigung zu führen.

    Allein zu dieser Zeit schleicht ein menschliches Wesen auf den Speicher, hört mit Erstaunen, wie die Körner zu vier Stimmen ein herrliches Lob- und Triumphlied von der Überwindung und der erlangten Ruhe singen, und spricht: Was ist das für ein Gesang von der Ruhe und der Überwindung? Schweiget doch stille und haltet eure Zünglein im Zaum. Eure Ruhe ist zwar wohl vorhanden, aber bei weitem noch nicht da; denn jetzt erst geht der Kampf, den ihr zu bestehen habt, recht an. Höret, ihr müsst noch unter einem harten Stein gerieben werden! Ich merke gar wohl, was ihr im Sinne habt: ihr wollt auf eurer faulen Haut liegen bleiben und nur für euch selbst leben. Dazu seid ihr aber nicht gesät worden, und da ist keineswegs eure Bestimmung; sondern ihr sollt den Menschen zur Speise dienen. Hierzu seid ihr aber noch nicht geschickt; denn ihr seid noch zu hart und daher zur Verdauung unbequem. Kommt nun mit mir, ich will euch in meine Arbeit nehmen.

    Nun verstummte auf einmal aller Freudengesang der Körner über der unerwarteten Weissagung dieses Propheten und alles hielt sich mausestill. Sie lassen sich endlich, weil sie nicht anders können, geduldig von dem Speicher tragen und erwarten, was das für ein Stein sein möge, unter dem sie gerieben werden sollen.

    Unterwegs schöpfen sie doch noch eine Hoffnung, dieser ihnen verheißene Stein sei vielleicht der Stein der Weisen, durch den sie nur bestrichen werden sollten und dann doch ganz bleiben könnten.

    Ja, spricht Eines zum andern, das mag wohl sein. Ach, wie gut ist es, wenn man in solchen Fällen einander trösten und aufheitern kann. Wie leicht könnte da nicht ein Missverständnis obwalten von Seiten dieses Propheten, der als ein Ungelehrter keine Sprachkenntnis besitzt und daher wahrscheinlich das Wort Bestreichen mit dem schaudererregenden Worte Reiben oder Mahlen verwechselt hat.

    Ja, richtig, spricht ein Anderes, das wird´s sein; er wird Tingiren oder Bestreichen gemeint haben. Siehe, haben wir nicht an unserm Leibe schon eine halbe Goldfarbe, und ein schöne, weiße Tinktur in uns, die dem Stein der Weisen einigermaßen nahe kommt? Wenn dann dieser edle Stein über uns kommt, so werden wir alsbald verwandelt werden und so schön erscheinen, dass wir glänzen werden wie die Engel im Himmel.*2)

*2) Dieser Wahn, durch andere, leichtere Mittel, als durch Leiden in der Nachfolge Jesu, die Erneuerung und Wiedergeburt zu erlangen, ist leider vielen Seelen, die nach dem Reiche Gottes trachten, sehr gemein. Sie wollen die Verdienste Jesu bloß über sich streichen lassen und vergessen die wesentliche Anwendung derselben zu ihrer Wiedergeburt.

    Wahr, ich bin so schön weiß wie der gefallene Schnee? Das andere spricht: Ja wohl, aber siehe nur, ich bin eben so schön wie du.

    Ja, spricht ein Drittes, ja, siehe mich doch nur recht an in meinem schönen goldfarbenen Häutlein! O wie schön werde ich erst sein, wenn ich vom Steine der Weisen tingiert bin. Darum lasset uns gutes Mutes sein.

    Der Müller hört diesem Gespräche mit lächelndem Munde zu und spricht: O ihr Thoren, ihr täuschet euch sehr. Gerade um euer schönes, goldfarbenes Häutchen, auf das ihr euch so viel einbildet, ist es mir zu tun; das müsst ihr nun lassen. Ihr möchtet gern überkleidet, aber nicht entkleidet werden, und bedenket nicht, dass dieses Letztere dem Ersteren vorangehen muss. Kommt, kommt, ich will euch den echten Stein der Weisen zeigen in der Gestalt von zwei groben, harten Mühlsteinen; auch sollt ihr erfahren, wie die Chemiker und Alchimisten ihre Arbeit anfangen, um das Grobe vom Feinen und das Reine vom Unreinen zu scheiden.

    Kaum hat der Müller diese Worte gesprochen, so wirft er mit einem Male die Körnlein oben in ein Loch hinein, durch welches sie ohne Ruh´ und Rast zwischen zwei harte Steine geraten, die so unbarmherzig mit ihnen verfahren, dass ihnen die fünf Sinne vergehen und sie nicht mehr im Stande sind, nur an den Stein der Weisen zu denken, ja, dass sie gar nicht wissen, wohin sie geraten sind.

    Nun springen nach und nach die schönen, goldfarbenen Häutlein davon, die bisher jedem Körnlein zu einem besonderen Häuslein gedient hatten, in welchem es, als in seinem Eigentum, ruhte und dadurch eine abgesonderte Stellung vor den andern einnahm. Diese abgesonderte Stellung, die das eine Körnlein von dem andern trennte, hinderte bis dahin ihre gänzliche Einheit; denn jedes verließ sich auf seine eigene Haut. Nun aber, nachdem sie zerrieben, zermahlen und unter einander geworfen sind, spricht keines mehr von seinem Eigentum. Die sonst harten Körnlein sind nun zu feinen, weißen Stäublein geworden und liegen so unter einander gemischt, dass keines mehr weiß, was es gewesen ist. Dieses Nichtwissen eben dient hauptsächlich zur Erhaltung des Friedens.

    Nun fasst der Müller die Stäublein in einen Sack, und da kommen sie wieder ein wenig zur Ruhe. Sobald sie aber der Ruhe genießen, kehren auch ihre fünf Sinne wieder zurück, die indes durch die erlittene Läuterung viel geistiger geworden sind als vorher. Da betrachten sich die Stäublein einander und gewahren, wie sie aus großen Männern Kinder geworden sind. Des freuen sie sich, und ein spricht zu dem andern: Nicht wahr, liebes Brüderlein, „Nicht wahr, liebes Brüderlein, nicht wahr, ich bin so schön weiß wie der gefallene Schnee?“ Das andere spricht: „Ja wohl, aber siehe nur, ich bin ebenso schön wie du.“

Der Müller hört diesem Gespräche mit Erstaunen zu und spricht: Habe ich doch geglaubt, ihr wäret jetzt in eurer Eigenheit ganz tot und vernichtigt, und siehe da, ihr lebet noch immer darin. Aber wartet nur, ich will euch die Eigenheit doch noch vertreiben; denn nun will ich euch zum Bäcker tragen, der soll euch in einer Mulde mit Wasser also zusammenschlagen, dass ihr nicht mehr wisset, er ihr seid. Dann nimmt er sie auf den Rücken und trägt sie oder fährt sie auf einem Wagen zum Bäcker.

Der Bäcker nimmt die Stäublein, wirft sie in eine Mulde, gießt etwas Wasser hinzu und fängt an, sie, die so unschuldig wie Kinder erscheinen, so unbarmherzig und ohne Gnade untereinander und durcheinander zu klopfen, dass keines mehr ein Wort zu dem andern sagen kann.

Ihre schöne Gestalt verliert sich nun; denn sie sind zu einem Teig geworden, der mehr gelb als weiß aussieht. Zu dem vielen Schlagen und Stoßen ist den guten Stäubchen noch eine andere Widerwärtigkeit begegnet. Der Bäcker hatte nämlich ein gewisses Maß von Sauerteig zu ihnen in die Mulde gelegt, der nun, da sie vor dem Bäcker ein wenig Ruhe zu haben glauben, sie als ein saurer und widerwärtiger Bruder sehr quälet und ihnen eine saure Brühe zu trinken gibt. Davor entsetzen sie sich, und suchen zu fliehen, und machen sich immer höher hinauf und wollen gar zur Mulde hinausgehen.*)

*) Die Weisheit von oben lässt es gar oft zu, dass sich in eine Gemeinschaft von Seelen, die sich um eines guten, göttlichen Zweckes willen verbunden haben, ein Bruder von widerwärtigen, unleidlichen Eigenschaften einschleicht, der die übrigen Glieder gewaltig in der Geduld übt.

    Der Bäcker, der mittlerweile seinen Ofen geheizt und in Glut gebracht hat, sieht, da sie zur Mulde hinaus fliehen wollen und spricht: „Ha, ich sehe, dass ihr eure Eigenheit noch nicht ganz abgelegt habet; denn ihr wollt dem Kreuz entlaufen und euch nicht ganz durchsäuern lassen. Kommt, ihr müsset nun in den heißen Ofen der Trübsal. Da werdet ihr zusammen gebacken werden, damit jedes Stäubchen fest an dem andern hange. Nachdem er den Teig in verschiedene Teile abgeteilt hat, nimmt er dann eine Schaufel und schiebt damit einen Teil nach dem andern in den glühenden Ofen, und macht den Ofen zu. Doch ist die Glut wohl abgemessen, damit die Brote nicht verbrennen.

    Nun schweigen alle besonderen Stäubchen, und keines will mehr etwas Eigenes sein, und keines rühmt sich mehr seiner Schönheit. Sie schmiegen sich nun in der heißen Glut gar fest aneinander, und jeder vom Bäcker zusammengewirkte Teil wird zu einem festen Brotkörper.

    Wenn es Zeit ist, so öffnet der Bäcker den Ofen, nimmt die Brote wieder heraus und legt sie auf einen Tisch. Sind die Brote nun ein wenig dagelegen und haben sie sich von der heißen Anfechtung etwas erholt, so schauen sie sich an und sprechen zu einander: Nun sind wir aus der Hölle erlöset und haben nun gewiss überwunden; denn wir sind nun zu einem Brote geworden, das in verschiedene Gesellschaften abgeteilt ist und an welchem Gott und die Menschen gewiss ein Wohlgefallen haben werden.

    Wir wollen nun, obgleich in verschiedene Korporationen geteilt, in Frieden und Einigkeit leben; denn wir sind ja aus einem Teige gemacht. Sonst, wenn wir das nicht tun, so kommt vielleicht der Bäcker und wirft uns noch einmal in den Ofen. Aber nun wird der Bäcker, der Müller und der Drescher schweigen müssen, denn wir haben aus uns machen lassen, was man gewollt hat.

    Nun ist uns wegen unsrer in den Leiden bewiesenen Geduld der verheißene herrliche Siegeskranz zu Teil geworden und wir werden bald in dem neuen Tempel auf dem heiligen Altar zur Schau vor der ganzen Gemeinde ausgesetzt werden, und die ganze Gemeinde wird sprechen: Siehe, diese haben überwunden und sind durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingegangen. Ja, die ganze Gemeinde der Auserwählten wird bei unsrer Ankunft ein herrliches Triumphlied anstimmen.

    Der Bäcker, der diesem Gespräche eine Weile zugehört hat, spricht endlich zu den Broten: O sprechet doch nicht so hoch von euch selbst, und wartet doch, bis der Herr des Tempels es zu euch saget. Wahrlich, eure hohe Sprache zeigt deutlich an, dass ihr, obgleich in verschiedene Körper abgeteilt, nun in Frieden und Einigkeit miteinander leben wollet; aber ihr rühmet euch noch immer selbst und wollt noch etwas sein. Ihr meinet, Gott und die Menschen sollen euch bloß ansehen und ohne weiteren Nutzen mit dem Anschauen vorlieb nehmen. Nein, ihr lieben Brote, dem ist nicht also.

    Ich muss euch jetzt abermals prophezeien und euch sagen, dass ihr nun noch den letzten Prozess, den Prozess der gänzlichen Vernichtung, aushalten müsset. Wisset, ihr werdet wieder getrennt und der Bund, den ihr miteinander geschlossen habt, wird aufgelöst werden. Ihr werdet in Stücke zerschnitten werden. Dann werdet ihr den Leuten noch in die Mäuler kommen; sie werden euch mit ihren bösen Zungen drücken, mit ihren Zähnen zermalmen und endlich in ihren Magen hinunterschlucken. Hier, im Magen der Menschen, geschieht eure erste Auflösung. Von da fallet ihr noch tiefer hinunter, so dass ihr glauben werdet, ihr fallet in die Hölle hinab. So werdet ihr von einer Verdauungskraft des Menschen in die andere gesandt, bis ihr durch diese Vernichtung von all eurem groben, irdischen Wesen befreiet und erlöset seid.

    In dieser Scheidungs- und Vernichtungsanstalt werdet ihr dann schweigen lernen und keine so hohen Gedanken mehr von euch selbst haben. Das grobe Wesen an euch, mit dem ihr noch so sehr pranget und womit ihr in das Reich Gottes glaubet eingehen zu können, wird durch einen besondern Kanal des Menschen hinausgeschafft und als mist angesehen. Aber der feine Teil, als die erste Quintessenz in euch, geht in das Blut und die Säfte des Menschen über und dient dazu, seinen natürlichen Lebensgeist zu erhalten; ja, ihr werdet ganz in sein Blut und Leben verwandelt.

    Es liegt indes noch eine zweite Quintessenz in euch verborgen, die unauflöslich ist. In ihr gibt sich Christus, das lebendige Wort, der gläubigen Seele zur Speise. Diese Quintessenz, das reingeistige Wesen in euch, ist es, die da bleiben wird als ein unvergänglicher Geistleib, der aus dem Tode ersteht, weil er, als das eigentliche Leben, vom Tode nicht gehalten werden kann. Dieser Geistleib ist auch der echte Stein der Weisen, zum neuen, lebendigen Tempel Gottes brauchbar.

    Sehet also, fuhr der Bäcker fort, wie ihr euch geirrt habt, indem ihr glaubtet, ihr würdet mit euerm groben Leibe in das Reich Gottes eingehen und auf dem Altare als ein Heiligtum prangen können, weil ihr schon durch viele Leiden gegangen seiet. Ihr habt nicht bedacht, dass nichts Unreines in das Reich Gottes eingehen kann. Wenn ihr einmal von euerm materiellen Wesen erlöset und nach euerm eigenen Leben ganz vernichtigt worden seid, dann wird das geschehen, wonach ihr euch sehnet. Vorher aber müsset ihr hienieden noch dienen. Bis dahin habt ihr noch keine Dienste zum Nutzen der Menschen geleistet; vielmehr hat man Mühe und Arbeit mit euch gehabt, bis etwas aus euch geworden ist. Von nun an aber werdet ihr Dienste leisten. Den gläubigen Menschen werdet ihr nicht eine bloß leibliche, sondern eine geistige Speise sein, während die Gottlosen, die nicht Buße tun, an euch das Gericht essen werden.

    Als der Bäcker diese Rede beendet hatte, so sprachen die Brote einmütig zu ihm. Nun redest du frei heraus und nicht mehr in Gleichnissen. Nun erkennen wir, dass wir unweislich gesprochen haben. Nur eine einzige Bedingung möchten wir dir doch demütigst vorlegen: Lass uns doch nicht unter die Zähne der Gottlosen kommen, damit wir ihnen nicht noch gar zum Gericht dienen müssen. Der Bäcker antwortet: Höret, ihr Brote, bei diesem letzten Prozesse darf keine Bedingung mehr stattfinden.

    Durch ein gänzliches Schweigen vor Gott müsset ihr eure demutsvolle Ergebung beweisen und euch von Ihm gebrauchen lassen, wo und wie es Ihm gefällt. Darin besteht der Stempel eurer Vollendung. Merket aber zu euerm Troste: die Gottlosen, vor denen ihr euch so sehr fürchtet, essen von euch nur den groben Leib, der doch sterben muss; den in euerm Leibe verborgenen Geist, die innerste Lichttinktur, bekommen sie nicht zu essen, weil sie keinen geistigen Glaubensmagen besitzen, der diesen Geist aus dem groben Leibe auflösen könnte.

    Diese eure reine Tinktur scheidet sich von ihrer bösen, finsteren Tinktur und schwingt sich von ihnen auf in die oberen Lichtregionen, dem Himmel zu, aus dem sie als eine göttliche Kraft geflossen ist. Der Herr des Himmels und der Erde kann dann damit schalten, wie Er will, und sie wieder senden, wohin es Ihm gefällt. Sehet, das Geheimnis ist groß; ich sage es aber auf Christum und auf die Gemeinde, die da ist sein Leib.

    Jetzt schwiegen die Brote und erstaunten über das ihnen näher enthüllte Geheimnis. Sie ergaben sich nun unbedingt dem letzten, für die Natur schauderhaften Prozesse der gänzlichen Vernichtigung und überließen sich der freien Wahl des Bäckers, wohin er sie auch immer senden wollte. Und damit hatte auch das Gespräch ein Ende. Denn wo alles schweigt und kein Widerstand mehr stattfindet, da kann Gott frei reden und da hat aller Prozess ein Ende!

    Was nun ihr, die ihr dieses leset, aus diesem Gespräche mit dem Korne, dem Mehle und dem Brote machen sollet, das kann und will euch gewiss der Geist der göttlichen Weisheit durch Erfahrung lehren. Groß ist das Geheimnis, das im Brote enthalten ist. Nicht ohne Ursache hat sich Christus, unser Herr, selbst mit dem Brote verglichen. Wer es fassen mag, der fasse es!

    Jede Seele, der es ernstlich um ihr Heil zu tun ist, die sich nicht mit einem bloß oberflächlichen Christentum und mit einer von außen zugerechneten Gerechtigkeit begnüget, wird das oben dargestellte Bild gar bald verstehen. Sie hat schon erfahren, was es kostet, bis man sich dem göttlichen Macher nur einigermaßen im Gehorsam ergeben kann, damit Er mit uns schalten und walten könne nach seinem Wohlgefallen, und damit er auch selbst in uns das lebendige Brot werden könne.

    Aber mehr noch kostet es, bis eine Seele durch eine ganz unbedingte Übergabe an Gott und durch ein gänzliches Entwerden ihrer selbst, worauf diese der Natur entnommene Gleichnisse hindeuten, als ein Mehl- oder Sonnenstäubchen in das Meer der ewigen Gottheit, als in ihren Ursprung, wieder einfließen kann, damit auch in ihr Gott in Jesu Christo wieder Alles in Allem werde.

    Nun, der Herr wolle uns alle zu geduldigen Körnlein machen, die sich zu einem schönen Mehl und endlich auch zu einem brauchbaren Brot bereiten lassen. Er wolle uns auch die Weisheit schenken, aus diesen der Natur entzogenen Gleichnissen seine göttliche Gnadenordnung zu erkennen und die wunderbare Zubereitung unseres Heils einzusehen.

    Aus dem hier vorgetragenen Bilde leuchten die mancherlei Stufen der von Gott eingeführten Gnadenordnung deutlich hervor, die man nicht überschreiten darf, auch nicht durch Laufen oder Rennen, noch weniger durch Fliegen, zurücklegen kann. Es gehört dazu eine beständige Treue im unausgesetzten Aufblick auf Jesum der allein uns zu diesem allen tüchtig machen und uns Kraft geben kann, täglich in seiner Gnade fortzuschreiten.

    Besonders stark spricht der oben beschriebene Prozess mit dem Korn, dem Mehl und dem Brot zu solchen Seelen, die nach vielen Erfahrungen und Leiden sich den unglücklichen Gedanken einfallen lassen möchten: Nun ist doch etwas aus mir geworden. Diese sollen die Rede des Bäckers von der Hauptvernichtigung, die mit dem Brote vorgehen muss, wohl beherzigen, damit sie eines Besseren belehrt werden.

    Viele sprechen zwar von der Vollkommenheit; aber seht verschieden sind die Begriffe von derselben. Die Meisten überschlagen die dazu erforderlichen Kosten sehr übel, und finden sich am Ende betrogen. Sie wollen gern vollkommen sein, aber sich nicht dazu schicken, jedes Kreuz, das Gott ihnen zu ihrer Zubereitung sendet, willig anzunehmen.

    Wollen wir mit Christo überkleidet werden, so müssen wir uns zuvor von allem, was Ihm unähnlich ist, entblößen lassen. Wir möchten uns auch zu Zeiten gern im Gebete üben und dabei uns in dem Genuss einer gewissen Beschaulichkeit erfreuen; aber leiden und uns selbst verleugnen wollen wir nicht. Das Gebet, sagt der gottselige Bernieres Louvigny, fördert zwar unsre Heiligung, aber durch Leiden werden wir erst vollendet.

    So wolle uns denn der Herr die Heilige Weisheit verleihen, die in der kindlichen Einfalt verborgen liegt, damit wir auch in einem groben Mühlsteine, obgleich er unsre Natur oft sehr hart drückt, doch den Stein der Weisen und das rechte Mittel der Zubereitung zu unserm Heile erkennen mögen. Dazu bedarf es aber eines unbeschränkten Glaubens. Doch der unbedingte Glaube ist es ja, der uns nicht nur selig macht, sondern uns auch durch die Gnade Jesu zur wesentlichen Vereinigung mit Gott führt.

Der Herr Segne diese unvollkommenen Worte und leite uns auf richtiger Bahn. Amen