DIE NATÜRLICHE SONNE

Mitteilungen über unsere Sonne und ihre natürlichen Verhältnisse.

Durch das Innere Wort empfangen von Jakob Lorber.

Nach der 6. Auflage 1980.

Lorber-Verlag – Hindenburgstraße 5 – D-74321 Bietigheim-Bissingen.

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Die Sonne

[NS.01_000,01] Der Wesen Millionen um die Strahlenmutter kreisen / und hocherfreut in lichter Wärme Mich, den Schöpfer, preisen. / Nicht unbekannt ist auch der Vater manchen Strahlengästen, / auch nicht so manchen ausgedienten alten Weltenresten, / die da in jenen weitgedehnten Sonnenmeerestiefen / von eingesog'nem Strahlensegen wonneruhend triefen! –

[NS.01_000,02] Die Sonnenerde, nicht so hart wie viele ihrer Kinder, / ist lebend gleich des Weibes Brust und kennet ihren Gründer. / Es ist da sanft der Boden und gar weich die weiten Triften, / die höchsten Berge ohne Fels und tiefgeritzte Klüften, / und ist der Boden, wie die Berge, vollbelebt von Wesen, / die durch des Lichtes Macht der Erden Todesbande lösen! –

[NS.01_000,03] Die Strahlenwelt der Sonne kreist in Äthers leicht'sten Fluten; / wie hell und stark das Licht allda, mag niemand wohl vermuten, / und wer in diesem höchsten Strahlenglanze pflegt zu leben, / das war zu schauen keinem fleisch'gen Auge noch gegeben. – / Ja – ungeahnte Wundertiefen in dem Lichte wallen, / die nimmerdar hinaus auf klein'rer Welten Triften fallen! –

[NS.01_000,04] Wer kann mit seinem Aug' allhier das Licht der Sonne tragen, / und wer, woher dies mächt'ge Licht, Mir wohl recht kundig sagen? / O sieh, auf dieser lichten Sphäre ist gar hehr zu wohnen! – / Nur allerreinster Kindlein Geister pflegen hier zu thronen, – / und eine allerhöchste Mutter thront in ihrer Mitte / und lehret diese da des Vaters Lieb' und Weisheits Sitte! –

[NS.01_000,05] O Sonne, Sonne, Trägerin der tiefsten Wundergrößen, / die nie noch hat des größten Engels Geist erschöpft bemessen! / Da sieh hinab zur dritten Tochter, deiner kleinen Erde, / da weidet sich auf mag'ren Triften eine arme Herde; / Ich will darum aus deines Lichtes überreichen Tiefen / belassen einen Tropfen nur hinab zur Tochter triefen!

[NS.01_000,06] Und dieser Tropfen wird da wohl zu reichlich nur genügen, / daß alle Kindlein deiner Tochter in den stärksten Zügen / daran zu trinken sollen haben für all' Zeit der Zeiten / und sollen sich darum nicht mehr ums Lebenswasser streiten. / O sieh die Tagesmutter, wie ihr leuchtend Haupt sie neiget / und Mir dadurch gehorsamlichst die alte Treu' bezeiget! –

[NS.01_000,07] O freue dich, du ganze Erde, auf das Licht der Sonne! / In diesem Lichte wohnt fürwahr der Weisheit höchste Wonne! / Es freut ja schon die Kindlein, in ein kunstvoll's Werk zu blicken; / Ich weiß, wie sehr die Räder einer Uhr sie all' entzücken. / Darum will Ich auch hier ein gar kunstvolles Werk euch zeigen / und will das Schönste und das Größte darum nicht verschweigen!

[NS.01_000,08] Da werd't ihr schauen, was zuallermeist euch wird beglücken, / wie sich da eure Kindlein hehr mit Lieb' und Weisheit schmücken, / und wie sie sich da gegenseitig pflegen zu belehren; / auch dies sollt ihr so gut wie mit den eig'nen Ohren hören. – / Und endlich will Ich euch den hehren Trost auch nicht entziehen, / wie eure Kindlein hier um euer Heil sich stets bemühen! –

[NS.01_000,09] Doch solches wird euch erst der größ're Sonnenfunke bringen, / mit ihm werd't ihr erst dann in all die Wundertiefen dringen; / dies Lied ist nur ein Vorgesang zu jenen großen Gaben, / an deren Fülle ihr euch stärken werd't und wonnigst laben! / Darum nehmt dieses Vorlied an mit wahren Liebesfreuden, / denn Ich, – der Vater, pflege euch ja solches zu bescheiden.

 

1. Kapitel – Die Sonne als Vollbegriff der Planetenwelten. – Allgemeines über Erdreich und Pflanzenwachstum.

(Den 8. August 1842)

[NS.01_001,01] Es wird hier nicht nötig sein, wie allenfalls bei der Darstellung eines andern Sterns, den Standort eben dieses leuchtenden Sterns näher zu bestimmen, da solches ja jeder Tag ohnedies überaugenscheinlich tut. Daher wollen wir zuerst die Frage geben und lösen: Was ist die Sonne? Nach der Löse dieser Frage wird sich alles leicht ordnen und gewiß wunderklärlich dartun lassen. Und somit stellen wir diese Frage noch einmal und fragen: Was ist die Sonne?

[NS.01_001,02] Die Sonne ist wohl in Hinsicht auf die um sie kreisenden Planeten ein Fixstern; für sich selbst aber ist sie nur ein vollkommener Planet, indem auch sie (wie die Erde mit ihrem Monde um eben diese Sonne kreist) um den euch schon bekannten Zentral-Sonnenkörper mit allen ihren sie umkreisenden Planeten sich bewegt, eine Reise, welche aber freilich etwas länger dauert, als die der Erde um die Sonne; denn sie braucht zur Vollendung dieser großen Bahn beinahe 28000 Erdjahre.

[NS.01_001,03] Somit wüßten wir, daß die Sonne nicht nur pur Sonne ist, sondern daß sie vielmehr ein vollkommener Planet ist, der da im Verhältnis zu seiner weltkörperlichen Größe auch in eben dem Verhältnis mit mehr Licht umflossen ist, als jeder ihn umkreisende, bei weitem kleinere Planet.

[NS.01_001,04] Wenn die Sonne aber selbst an und für sich ein vollkommener Planet ist, so muß sie auch ganz sicher alle jene planetarischen Bestandteile im vollkommensten Maße in sich fassen, welche auf all den andern kleineren sie umkreisenden Planeten in sehr verminderten Potenzen vorkommen. Und so muß in der Sonne in großer Vollkommenheit zu finden sein, was in viel kleinerer Form und somit auch viel unvollkommener entweder im Planeten Merkur, Venus, Erde und ihrem Monde, im Mars, in den vier kleinen Partikularplaneten Pallas, Ceres, Juno und Vesta, im Jupiter und dessen vier Monden, im Saturn, dessen Ringen und sieben Monden, im Uranus und dessen fünf Monden und in einem noch entfernteren Planeten und dessen drei Monden, und endlich in all den bei zwölftausend Millionen Kometen vorkommt, welche in weitesten Distanzen sich noch um diese Sonne bewegen.

[NS.01_001,05] Oder mit kürzeren Worten gesagt: Der vollkommene Planet Sonne ist der naturmäßig vollkommene Inbegriff aller seiner Weltkinder; oder: in diesem vollkommenen Planeten kommt alles dieses selbst in naturmäßiger Hinsicht lebendig vollkommener vor, als es da vorkommt in was immer für einem Planeten, Mond und Kometen. – So wollen wir sogleich des besseren Verständnisses wegen einige Beispiele hinzufügen.

[NS.01_001,06] Das Erdreich eures Planeten ist tot, hart, steinig und ist nicht fähig, ohne das Licht der Sonne etwas hervorzubringen. Das Erdreich der Sonne hingegen ist sanft und mild, ist nicht steinig und nicht sandig, sondern es ist so weich, wie da ist das Fleisch eines Menschen. Oder damit ihr es noch besser versteht, es ist fast allenthalben elastisch, so daß da niemand, der allenfalls am Boden hinfallen würde, sich irgend schmerzlich beschädigen möchte; denn er fiele da gerade so, als fiele er über mit Luft gefüllte Polster. Dieses Erdreich ist aber bei dieser Beschaffenheit nicht etwa also zähe wie bei euch allenfalls das sogenannte Gummi elasticum, sondern es ist ganz locker, und ist nicht nur im ganzen so elastisch, sondern in dessen kleinsten Teilen schon, welche an und für sich lauter mit dem wahrhaften Lebensäther gefüllte Hülschen sind.

[NS.01_001,07] Solches ist zwar wohl bei dem Erdreich eures Planeten auch der Fall; aber die Hülschen sind an und für sich zu spröde und geben bei einem Stoß oder Fall nicht nach, sondern pressen sich dadurch nur fester aneinander; und wenn sie viele Jahre hintereinander ungestört also neben- und übereinander geschichtet liegen, so ergreifen sie sich endlich so hartnäckig, daß sie dann zufolge ebendieser gegenseitigen Ergreifung gänzlich zu Stein werden und in diesem Zustande dann auch natürlicherweise noch einen bei weitem hartnäckigeren Widerstand leisten als zuvor, da sie noch gesondert lockerer übereinander lagen; aus welchem Grunde dann auch die Vegetation auf einem Planeten viel kümmerlicher sein muß als auf dem vollkommenen Sonnenplaneten.

[NS.01_001,08] Denn auf einem Planetenerdkörper, wie zum Beispiel eure Erde es ist, muß ein mit einem lebendigen Keime versehener gröberer Same erst im Erdreich verwesen, und muß eben durch diesen Akt die ihn umgebenden Erdhülschen zur Mitverwesung oder vielmehr zur Weichwerdung nötigen, damit dann der freigewordene, lebendige Keim alsbald aus diesen erweichten Erdhülschen seine ihm zusagende ätherische Nahrung saugen kann. Sodann aber muß er alsbald eine Menge Wurzeln zwischen die Erdhülschen hineintreiben, diese dadurch erweichen, dann durch sein Zunehmen in seinem Volumen hartnäckig zerdrücken, um dadurch die fernere nötige Nahrung zu seinem Pflanzenwachstum zu gewinnen.

[NS.01_001,09] Ist solches auch auf dem vollkommenen Sonnenplaneten nötig? – Sehet, da herrscht ein großer Unterschied. Weil das Erdreich dieses Planeten so sanft, zart und mild ist, so ergreifen sich die zu einer Pflanze gehörigen Teile ohne Samen schon unmittelbar im Erdreiche selbst und sprießen über dasselbe in den zahllosesten, verschiedenartigsten und nützlichsten Gewächsen empor, deren Schönheit, Güte und Nützlichkeit alles Erdenkliche auf allen andern Planeten ums so Vielfache übertrifft, als die Sonne mit ihrem Licht und mit ihrer Größe alle diese ihre Weltkinder überragt.

[NS.01_001,10] In der Sonne hat dann weder ein Baum, welcher Art er auch immer sein möge, noch ein Gesträuch, noch eine Pflanze Wurzeln und Samen, sondern alles wächst und entsteht nahe auf die Art, wie bei euch das ursprüngliche Steinmoos, die Schimmelpflanze und die Schwämme. Nur sind diese Gewächse nicht also vergänglich und von so kurzer Dauer, wie die früher benannten auf eurem Erdkörper; sondern wo solche Kräfte irgend etwas erwachsen lassen, da wächst es dann immerwährend fort. Und wenn solches Gewächs auch von den natürlichen Sonnenbewohnern gewisserart abgehauen wird, so wird es dadurch nicht getötet, sondern der abgehauene Baum oder die abgenommene Pflanze erneut sich bald wieder. Denn da die Wurzeln eines solchen Gewächses nicht so grobmateriell sondern nur gleich sind feurigen Äther-Adern, so ergreift sich nach der früheren Wegnahme solche vegetative Kraft wieder und wächst in neuer Pracht und Herrlichkeit empor.

[NS.01_001,11] Es dürfte sich hier mancher denken und sagen: Ja, wenn da die Gewächse auf diese Weise nicht ausrottbar sind, werden sie da nicht bald jeden Flächenraum dieses Planeten so stark in Beschlag nehmen, daß dann neben ihnen kein anderes, frei wandelndes Wesen wird bestehen können?

[NS.01_001,12] Solches aber ist allda durchaus nicht der Fall, denn die naturmäßigen Menschen dieses vollkommenen Planeten haben auch eine noch viel stärkere Willenskraft, als da ist die vegetative Triebkraft des Sonnenerdbodens. Aus diesem Grunde wächst dann auf der Sonne auch weder ein Baum, noch ein Gesträuch, noch eine Pflanze oder ein Grashalm ohne das Hinzutun des menschlichen Willens. Der menschliche Wille ist dort sonach das alleinige, unendlich viel- und verschiedenartige Samenkorn für alle Vegetation auf diesem vollkommenen Planeten. Daher wächst nur da zum Beispiel ein Baum oder eine Pflanze aus dem Erdboden der Sonne, wo ihn ein Sonnenmensch haben will, und wie gestaltet er ihn haben will. Daher auch gibt es auf diesem vollkommenen Planeten durchaus keine bleibende, gleichförmig vorkommende Art im Reiche alles Pflanzentums, sondern diese richtet sich allzeit nach dem jeweiligen Wollen eines Menschen. – Wann aber ein Mensch irgend einen Baum oder eine Pflanze durch seinen Willen aus dem Boden gerufen hat, so kann sie kein anderer vertilgen, außer nur derjenige, der sie hervorgerufen hat; oder ein anderer nur dann, wenn er von dem Zeuger willensbevollmächtigt wurde.

[NS.01_001,13] Aus eben diesem Grunde herrscht dann auch auf der Sonnenerde eine wahrhaft unendliche Mannigfaltigkeit im Reiche des Pflanzentums. Denn bei zwei nächsten Nachbarn schon finden sich nicht zwei gleichartige Pflanzen vor, sondern ein jeder entlockt auf dem Boden, den er bewohnt, auch andere Pflanzen. Und so möchte einer von euch viele tausend Jahre die weiten Flächen der Sonnenerde durchwandern, so wird er zwar wohl auf immer neue und wunderherrliche Pflanzenarten und Formen kommen; aber zwei Arten würde er auch auf dieser langen Reise nicht auffinden, die sich vollkommen gleichsehen möchten. – Sehet, aus diesem Beispiel könnt ihr euch schon einen kleinen Vorbegriff machen, warum die Sonne ein vollkommener Planet ist. Denn es kommt auf jedem Weltkörper oder kleineren Planeten Ähnliches vor, nur unvollkommen.

[NS.01_001,14] So können auch auf eurer Erde bestehende Pflanzen verändert und veredelt werden, aber auf eine viel mühsamere und bei weitem gebundenere Art. – Nur im Geiste ist ähnliche Vollkommenheit bei den Menschen auch auf den andern Planeten ersichtlich, wie zum Beispiel die Früchte der dichterischen Phantasie, sei es in der Sprache der Begriffe, welche durch Worte ausgedrückt werden, oder in der Sprache der Bildnerei, welche durch entsprechende Bilder ausgedrückt wird mit Hilfe der Farben oder anderer, für die Bildnerei tauglicher Gegenstände; ganz besonders aber durch die Sprache der Töne, worin ein solcher Tondichter die größte Mannigfaltigkeit entfalten kann, wenn er in diesem Fach vollends geweckten Geistes ist. Aber alles dessen ungeachtet ist selbst diese erscheinliche Vollkommenheit auf den Planeten nur ein mattes Abbild von allem dem, was sich da in jeder erdenklichen Hinsicht vorfindet auf dem vollkommenen Planeten der Sonne.

[NS.01_001,15] Daß die Sonne ein vollkommener Planet ist und somit alles Planetarische in sich fassen muß, läßt sich aus dem ersehen, daß alles auf den Planeten durch das ausstrahlende Licht der Sonne geformt wird. Der Unterschied zwischen dem vollkommenen und den unvollkommenen Planeten ist nur daraus ersichtbar, daß auf den letzteren alle Formen, welche dem Lichte der Sonne entstammen, notwendige und bestimmte, nicht leicht abänderliche Formen sind und sich sogar noch zählen lassen, während auf dem vollkommenen Sonnenplaneten alle Formen frei sind und kein anderes Band haben, als das Band des Willens der Menschen dort, und daher auch unzählbar und ins Unendliche verschieden sind.

[NS.01_001,16] Dann und wann geschieht es wohl auch, daß selbst auf den unvollkommenen Planeten eben durch die Einwirkung der Sonne manche ältere Wesenformen untergehen, und dafür ganz andere ins Dasein treten. Allein solches geschieht auf den Planeten nur selten, und die Veränderungs- und Übergangsperiode bedarf eines viel längeren Zeitraums, als auf dem vollkommenen Sonnenplaneten.

[NS.01_001,17] So sind auf eurem Erdkörper zwar wohl schon einige tausend Baum-, Gesträuch-, Pflanzen- und Grasarten untergegangen, davon hie und da zwischen Steinlagen noch Abdrücke vorgefunden werden. Auch mehrere Gattungen von Urriesenbäumen sind untergegangen, und ihr Holz wird nun nur noch als schwarze Steinkohle aufgefunden. Im gleichen Fall sind auch eine Menge riesiger Tiere vollkommen aus dem Dasein getreten, wie zum Beispiel das Mamelhud und eine große Menge jener großen beflügelten Amphibien, die da jetzt noch unter dem Namen ‚Echsen‘ bekannt sind.

[NS.01_001,18] So sind untergegangen sogar die riesigen Leiber mancher Menschen, die da in der Urzeit unter dem Namen Riesen bekannt waren, ingleichen auch mehrere große Vogelgattungen, wie nicht minder viele Fische, die jetzt unter all den bekannten nirgend mehr zu finden sind, außer höchst selten hie und da in den Steinen, wo sie manchmal, was die Form betrifft, als noch recht gut erhalten zum Vorschein kommen.

[NS.01_001,19] Aber, wie gesagt, alle diese Veränderungen auf einem unvollkommenen Planeten gehen fürs erste sehr langsam vor sich und weichen von den ihnen nachfolgenden Formen nicht so sehr ab wie die stets vorkommenden Veränderungen auf dem vollkommenen Sonnenplaneten.

[NS.01_001,20] Eben aus diesem Grunde kann also die Sonne ein vollkommener Planet genannt werden, weil alles, was nur immer auf all den Planeten vorhanden ist, auch auf ihrem Erdboden im vollkommensten Sinne in der größten, stets wechselnden Mannigfaltigkeit wie lebendig vorhanden ist. Aus diesem bis jetzt Gesagten muß einem jeden einzuleuchten anfangen, daß die Sonne wahrhaft ein vollkommener Planet sein muß, weil sie ein vollkommener Inbegriff alles dessen ist, was da nur immer einen Planeten selbst, von seinem Mittelpunkte angefangen, in allen seinen Teilen ausmacht, und was alles auf der Oberfläche desselben zum Vorschein kommt. Denn wäre solches nicht der Fall, wie könnten da wohl die Strahlen der Sonne Ähnliches auf den Erdkörpern hervorrufen?

 

2. Kapitel – Der Sonnenmensch im allgemeinen.

[NS.01_002,01] Also wüßten wir, daß die Sonne ein vollkommener Planet ist. Daher wollen wir uns auch nicht länger bei den Vergleichungen aufhalten, sondern uns sogleich, wie ihr zu sagen pflegt, mit Sack und Pack in die Sonne verfügen und sie von Pol zu Pol beschauen, jedoch nicht in der Ordnung wie bei einem unvollkommenen Planeten, sondern gerade in der umgekehrten.

[NS.01_002,02] Ihr werdet fragen: Warum denn? – Die Antwort wird Mir gar nicht schwer. Auch dürftet ihr sie sogar selbst finden, wenn euer Geist sich schon mehr seine Faulenzerei abgewöhnt hätte. – Die Ursache ist diese: Auf den unvollkommenen Planeten progeneriert alles bis zum Menschen hinauf, und der Mensch bildet da die letzte, vollkommenste Stufe der Dinge und Wesen. – Auf dem vollkommenen Sonnenplaneten aber fängt der Mensch die Reihe der Wesen an als ein Grund derselben – darum, da sie allesamt und sämtlich aus ihm hervorgehen. Und zwar nach der Ordnung seines Willens werden dann die untersten und letzten Potenzen durch die Strahlen des Sonnenlichtes transzendent in die andern Planeten, wo sie dann mit den atomistischen Tierchen und Wesen wie auch mit den alleisesten Ätherschimmelpflänzchen, die bis jetzt noch jedem Naturforscher unbekannt sind, ihren Anfang nehmen und sich sodann, wie schon bekannt, bis zum Menschen hinauf progenerieren.

[NS.01_002,03] Wenn ihr nun die Sache so recht bei Lichte betrachtet, so seid ihr in einer Hinsicht Kinder der Menschen der Sonne. Freilich, was da wieder betrifft den allein wahrhaft lebendigen Geist, der da in euch wohnet, da seid, wenn schon dem Außen nach betrachtet, ihr Kinder der Sonnenmenschen wieder umgekehrt so gut als ihre Eltern. Denn der unsterbliche Geist in euch ist Mir näher als der Geist der Sonnenmenschen, da er ein zurückkehrender ist, während der der Sonnenmenschen wie ein ausgehender ist.

[NS.01_002,04] Ihr werdet hier euch notwendig fragen müssen: Muß demnach etwa der Geist der Sonnenmenschen auch übergehen und ein Geist im Planetenmenschen werden? – Sehet, solches ist wohl ein gar großes Geheimnis und wurde bis jetzt noch von keinem Menschen geahnt. Ich will euch aber dennoch darauf führen.

[NS.01_002,05] Sehet, ihr wißt, wie zuerst alle Planeten nach der gerichteten Ordnung aus der Sonne ihren Ursprung nahmen – also wie diese selbst den ihrigen genommen hat aus den Zentralgrund- und Fundamentalsonnen. Ihr wisset aber auch durch schon so manche Mitteilungen, was da im Grunde alle Materie eines Planeten ist, nämlich nichts anderes als der sichtbare Ausdruck gefangener Urkräfte oder Geister. – Wo sind denn diese hergekommen?

[NS.01_002,06] Wenn der ganze Planet, wie er leibt und lebt, aus der Sonne hervorgegangen ist, da wird wohl etwa sein eigener Inhalt auch keinen andern Ursprung haben, da er und der Planet, auf ein Atom genommen, eines und dasselbe sind. Es handelt sich nun nur noch darum, daß ihr wisset, wie im Sonnenkörper ein Planet seinen Ursprung genommen hat, oder dann und wann noch nimmt, so wird euch ganz einleuchtend sein, was da für ein Los wartet auf so manche Geister der Sonnenmenschen.

[NS.01_002,07] Damit ihr aber solches noch vollkommener einzusehen imstande seid, so muß euch vorerst ein wenig der körperliche Bau der Sonne selbst gezeigt werden.

[NS.01_002,08] Die Sonne als planetarischer Körper ist so gebaut, daß sie in sich eigentlich aus sieben Sonnen besteht, von denen immer eine kleinere in der größeren steckt wie eine hohle Kugel in der andern. Und nur die inwendigste, als gleichsam das Herz des Sonnenplaneten, ist, wenn schon organisch, aber dennoch von der Oberfläche bis zum Mittelpunkte konkret.

[NS.01_002,09] Alle diese sieben Sonnen sind allenthalben bewohnt. Und es ist darum auch zwischen jeder Sonne ein freier Zwischenraum von ein-, zwei- bis dreitausend Meilen, aus welchem Grunde auch jede inwendigere Sonne vollkommen bewohnbar ist.

[NS.01_002,10] Ähnliche Beschaffenheit haben zwar wohl auch die unvollkommenen Planeten, aber solches natürlicherweise viel unvollkommener sowohl der Zahl wie auch der Beschaffenheit nach.

[NS.01_002,11] Da aber nun der vollkommene Sonnenplanet bei seiner außerordentlichen Räumlichkeit für eine außerordentlich große Menge von menschlichen Wesen faßbar ist, so darf euch auch gar nicht wundernehmen, wenn Ich euch sage, daß die Menschen auf der Sonne zusammengenommen ein tausendfach größeres Volumen bilden, als alle die der Planeten, Monde und Kometen, welche um die Sonne kreisen, zu einem Volumen zusammengenommen; und das zwar gerade, als wenn das räumliche Körpervolumen der einzelnen Sonnenmenschen um nichts größer wäre, als das Volumen eines Menschen auf eurem Erdkörper.

[NS.01_002,12] Nun werden wir bald dort sein, wo wir sein wollen; nur müssen wir zuerst noch wissen, woraus eigentlich die Materie des Sonnenkörpers selbst und sonach auch das gesamte Wesen ihrer Menschen besteht.

[NS.01_002,13] Die Materie des Sonnenkörpers ist eigentlich, was das Äußere betrifft, ein etwas fester gehaltenes seelisches Organ, in welchem zahllose Geister gewisserart in geringerer Haft gehalten werden. – Auf dem Sonnenkörper ist von Meiner Liebgnade aus aber auch ein zweiter, noch festerer substantieller Leib geschaffen worden, welcher zur Aufnahme dieser in der Sonnenmaterie haftenden Geister gar wohl tauglich ist. Wenn nun dieser Leib oder vielmehr ein wirklicher Sonnenmensch gezeugt wird durch den Willensakt eines Vormenschen, so wird alsobald auch ein Geist von diesem also gezeugten Menschen zur ferneren Freiheitsprobe aufgenommen. Ist die Aufnahme geschehen, welches allzeit sogleich nach der Zeugung geschieht, so ist der Sonnenmensch auch schon vollkommen lebendig da. Alsdann werden ihm Meine Willensbedingungen kundgegeben, und werden ihm seine eigenen Willensvollkommenheiten gezeigt, vermöge welcher er eine wahrhaft schöpferische Kraft besitzt und nichts braucht, als nur fest zu wollen, so gibt ihm der Boden der Sonne auch das, was er will.

[NS.01_002,14] Bei eben dieser Willensvollkommenheit aber wird dem Sonnenmenschen auch die Ordnung Meines Willens bekanntgegeben und zugleich das sanktionierte Gebot hinzu, daß er mit der schöpferischen Vollkommenheit seines Willens der ewigen Ordnung Meines Willens durchaus nicht entgegenhandeln solle. – Daß dann bei dieser sehr freien Willensanstalt auch sehr viele unordentliche Begegnungen gegen Meinen Willen gemacht werden, das kann ein jeder darum um so sicherer annehmen; denn ein jeder Wille, je freier und ungerichteter er ist, desto leichter und desto möglicher ist es ihm auch, über die gesetzlichen Schranken Meines Willens zu treten.

 

3. Kapitel – Die Entwicklungswege der Sonnenmenschen – entgegen oder gemäß der Gottesordnung.

[NS.01_003,01] Was geschieht denn nun aber mit denen, die da nicht beachtet haben das Gesetz der Ordnung Meines Willens? – Diese verlassen dann ihre Leiber und gehen in eine andere Sonnensphäre und zwar in die erste innere Sonne, allda sie wieder von gehörig vorbereiteten Leibern aufgenommen werden, – und zwar mit vollem Bewußtsein ihres früheren Seins, damit sie dadurch gewahr werden, daß solcher Zustand eine sicher erfolgte Strafe ist, da sie wider das lebendige Gesetz Meines Willens gehandelt haben. Übrigens aber haben sie auch hier ihre vollkommene, mächtige Willensfreiheit und können tun wie zuvor. Treten sie hier wieder aus Meiner Ordnung, so kommen sie dann wieder in eine noch innerere Sonne, und bei gleichen fortgesetzten Übertretungsfällen Meiner Ordnung bis zur innersten Sonne selbst, welche zugleich auch die materiellste und festeste ist.

[NS.01_003,02] Die sich da fügen in die Ordnung, diese steigen dann wieder auf zur höheren Vollendung. – Im Gegenteil aber werden sie da in feste Haft genommen und als ein Volumen vom Sonnenkörper hinausgestoßen in den weiten Planeten- und Kometenraum.

[NS.01_003,03] Bei dieser Gelegenheit dürft ihr nur einen Rückblick auf die ‚Fliege‘ machen. Allda werdet ihr sobald ersehen, was es mit diesen ausgestoßenen geistigen Potenzen mit der Zeit für eine Folge hat. Es ist manchmal wohl der Fall, daß diese ersten planetarischen Anlagen als noch ziemlich ungefestete geistige Potenzen, wenn sie vermöge des ihnen belassenen Bewußtseins sich zur Ordnung wenden, bei ihrer Umkehr wieder von der Sonne zur ferneren Vollendung aufgenommen werden. Im Gegenteil aber werden sie zur überlang andauernden, unordentlichen Komet-Umherirrung verwiesen, wo sie dann immer hartnäckiger gefangengenommen und endlich in die gerichtete Ordnung eines Planeten oder am Ende gar eines Mondes zu treten genötigt werden.

[NS.01_003,04] Jetzt haben wir schon genug, was zur vorbedingten Erklärung taugt, aus der da hervorgeht, wessen Geistes Kinder ihr selbst seid, und es auch sicher ersichtlich wird, wie ihr da gewisserart Kinder der Sonnenmenschen seid.

[NS.01_003,05] Aber wie ihr im umgekehrten Fall auch ihre Eltern sein könnt, wird wohl eben nicht zu schwer zu erraten sein. Ich sage euch: Ihr könnt das sein in doppelter Hinsicht. Eine Hinsicht ist diese: Wenn allenfalls eure Kinder frühzeitig sterben, so tritt hier der Fall ein, daß solche Geister, wenn sie besserer Art und in sich willensfügig sind, eher zurückkehren, – so wie ihr ehedem gehört habt, daß manche aus der Sonne ausgestoßene Geisterbündel, wenn sie willensfügig werden in der Form eines anfänglichen Kometen, wieder von der Sonne aufgenommen werden, ohne eine vollkommene planetarische, harte Prüfungsreife durchzumachen.

[NS.01_003,06] In diesem Falle seid ihr schon zum ersten Eltern solcher frühzeitig zur Sonne zurückgekehrten Kinder. Zweitens aber könnt ihr in noch viel vollkommenerem Sinne Eltern der gesamten solarischen Menschheit sein, und das zwar dann, wenn ihr mit Paulus sagen könnt: „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!“

[NS.01_003,07] Sehet, nun wird euch dieser scheinbare Widerspruch sicher einleuchtend sein, und ihr werdet daraus auch um so vollkommener erschauen können, was das heißt: „Unser Vater, der Du in dem Himmel wohnest, Dein Name werde geheiliget, und Dein Wille geschehe!“ – Denn wo immer des Vaters Wille erfüllt wird, oder wenn nur die vorwiegende Willenerfüllungsneigung da ist, so braucht es bei einem Wesen keine grobmateriell-planetarische Vollreife, um in das Reich des wahren Lebens zurückzukehren, oder im Geiste sagen zu können: „Dein Reich komme!“

[NS.01_003,08] Wenn ihr das bisher Gesagte nur ein wenig überdenkt, so werdet ihr selbst keine Unzweckmäßigkeit mehr darin erschauen, wenn ihr eine Menge Blüten und unreif gewordener Früchte von den Bäumen fallen sehet. Wollt ihr wissen, warum und wohin, so machet nur einen Blick in die Sonne; sie wird es euch sogleich sagen, warum und wohin; nämlich: ein Planet braucht nicht allzeit materiell vollreif zu werden, um geistig wieder dahin zurückzukehren, von wannen er ausgegangen ist. – Was da ferner für Verhältnisse in unserm vollkommenen Sonnenplaneten sind, werden wir nächstens beschauen. –

[NS.01_003,09] Es ist hier eine Frage zu setzen, und diese lautet also: „Was geschieht denn aber mit denjenigen Geistern der Sonne, welche sich im Gebrauch ihres sehr vollkommen freien Willens also betragen haben, daß sie mit ihrem Willen stets im Einklange standen mit Meinem Willen? – Und gibt es viele solche vollendete Geister in der Sonne, die da nicht nötig haben, eine weitere Degradation durchzumachen, um dann wieder zur Vollendung mühsam emporzuklimmen?“

[NS.01_003,10] Diese schon in der Sonne vollendeten Geister, deren es sehr viele gibt, verbleiben nach ihrer Vollendung nicht in der Sonne, sondern steigen aufwärts zu einer höheren Zentralsonne, von der sie einstmals ausgegangen sind samt der Sonne. Allda werden sie erst in der Demut befestigt und steigen dann wieder höher bis zu einer noch tieferen Urzentralsonne, welche die frühere an Größe, Licht und Herrlichkeit ums Unaussprechliche übertrifft.

[NS.01_003,11] Wenn diese Geister aus der früheren Sonne noch so durchleuchtet und durchglüht in dieser zweiten Urzentralsonne ankommen, so kommen sie sich da aber dennoch nicht anders vor, als wären sie nahe ganz dunkel und völlig lichtlos. Daher werden sie hier wieder von Stufe zu Stufe eingeführt und von den dort waltenden Geistern wieder also durchleuchtet, daß sie dadurch fähig werden, wieder zu einer noch tieferen und nahe endlos größeren Zentralsonne aufzusteigen. Diese Sonne ist auch zugleich die letzte materielle Vorschule für den eigentlichen Himmel, welcher da ist die Urheimat aller vollkommenen Geister. Aber in dieser letzten und zugleich auch allergrößten Mittelsonne einer Hülsenglobe gibt es sehr viele Stufen, welche die Geister mit ätherischen Leibern angetan durchzumachen haben, bevor sie erst fähig werden, in die geistige Sonnenwelt, welche da heißt der Himmel, aufgenommen zu werden. Das ist sonach mit wenigen Worten angedeutet der Weg für die in der Sonne vollendeten Geister.

[NS.01_003,12] So da jemand aber fragen möchte: Warum denn ein so weitgedehnter Weg? – Da ist auch die Antwort schon so gut wie fertig; denn solche Geister haben ja eben auch degradatim diesen Weg von der letztgenannten, innersten, allergrößten Zentralsonne ausgehend gemacht und haben auf jeder solchen Sonnenstufe noch mehr Materielles in sich aufgenommen. Aus eben dem Grunde müssen sie jetzt diesen Weg wieder zurückmachen, um auf ihm von Stufe zu Stufe das letzte materielle Atom abzulegen, bis sie dann erst fähig werden, vollkommen wieder in die wahrhafte, allerreinste, himmlische Sonnenwelt für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten überzugehen.

[NS.01_003,13] Solches wüßten wir jetzt. Aber Ich sehe schon wieder eine verborgene Frage in euch, und diese lautet also: „Müssen denn auch die Geister der Planetarmenschen diesen zwar sehr lichten, aber dennoch auch sehr weiten Weg machen, bis sie in den eigentlichen Himmel gelangen?“

[NS.01_003,14] Diese Frage kann weder mit Ja noch mit Nein beantwortet werden, wenn man darüber sogleich eine allgemeine Antwort verlangen würde; sondern es kommt dabei auf drei Umstände an: Kinder und solche Menschen, welche nach dem Ableben auf der Erde noch eine weitere Reinigung nötig haben, müssen ohne weiteres diesen Weg machen; so auch zuallermeist solche große gelehrte Männer der Welt, in denen sehr viel Eigendünkels und selbstsüchtigen Stolzes stecken, müssen ebenfalls diesen Weg machen und manches Mal von dieser Erde angefangen noch viel umständlicher, indem sie noch zuvor in den verschiedenen andern Planeten eine läuternde Vorschule durchmachen müssen, bis sie erst in die Sonne gelangen.

[NS.01_003,15] Zwischen den frühzeitig verstorbenen Kindern, welche alsogleich in die Sonne aufgenommen werden, und den nachbenannten Menschen, welche erst später in die Schule der Sonne aufgenommen werden, ist aber der Unterschied, daß die in der Sonne großgezogenen Geister der Kinder alsogleich in einen oder den andern Engelsverein des eigentlichen wahren Himmels aufgenommen werden, während die auf den Planeten reif gewordenen Menschen ohne Ausnahme den ganzen vorgeschriebenen Weg durchmachen müssen.

[NS.01_003,16] Jene Menschen aber, welche besonders auf dieser Erde in die reine Liebe zu Mir übergegangen sind und aus dieser Liebe heraus alles Weltliche und Materielle abgelegt haben und nichts anderes wollten als nur allein Mich, diese haben sich dadurch den weiten Weg überaus stark abgekürzt: denn diese sind wahrhaft Meine Kinder und wahrhaft Meine Brüder und Schwestern und kommen daher nach der ihnen freudigen Ablegung dieses materiellen Leibes alsogleich vollends zu Mir – und zwar die in aller Liebe zu Mir sogleich in den obersten, allerhöchsten Himmel, allda Ich Selbst wohne wesenhaft.

[NS.01_003,17] Sehet, das ist sonach der Unterschied, der sich da ergibt mit den Geistern besonders dieses Erdplaneten nach der Ablegung des Leibes. Ähnliches, wenn schon bei weitem seltener, kann auch mit den Bewohnern des Planeten Jupiter wie auch noch etwas seltener mit den Einwohnern der Planeten Saturn, Uranus und noch des dritten, unbekannten Planeten der Fall sein. Jedoch von keinem dieser nachbenannten Planeten kommen die Geister etwa alsogleich in den obersten Himmel, sondern nur in den ersten Weisheitshimmel.

[NS.01_003,18] Jetzt sind euch auch diese Wege kundgegeben, und wir können darum, da uns solche Außenverhältnisse der Sonne bekannt sind, nun zur inneren Einrichtung der Sonne und zur Anschauung ihrer Herrlichkeiten schreiten, allda ihr Dinge schauen werdet, von denen euch noch nie etwas in irgend einen Sinn gekommen ist. – Jedoch damit die Anschauung nicht zu bald eine Unterbrechung erleide, so wollen wir dieses alles für die nächstkommenden Mitteilungen aufbewahren. Und somit gut für heute!

 

4. Kapitel – Lehre vom Sonnenlicht. – Der Luftkreis als Lichthülle.

[NS.01_004,01] Vorerst wollen wir bei der Anschauung der Sonne ihre Lichthülle in Augenschein nehmen, und das aus dem Grunde, weil der vollkommene Sonnenplanet mit eben dieser seiner äußeren Umfassung erst zur Sonne wird.

[NS.01_004,02] Was ist denn diese Lichthülle in naturmäßiger Hinsicht betrachtet? Diese Lichthülle ist der eigentliche, atmosphärische Luftkreis um den eigentlichen Sonnenplaneten herum und ist nur an der äußersten Oberfläche so stark glänzend; gegen den Planeten selbst aber wird er immer dunkler, so zwar, daß von dem eigentlichen Sonnenplaneten durch diesen Lichtstoffkreis ebenso ungehindert in den freien Weltenraum hinausgesehen werden kann, als von irgendeinem andern Planeten. Und eben diese Lichthülle, durch welche von keinem Planeten aus auf den eigentlichen Sonnenkörper zu schauen möglich ist, ist vom Sonnenplaneten selbst aus im höchsten Grade durchsichtig.

[NS.01_004,03] Ihr werdet hier notwendigerweise fragen: Wie ist denn solches möglich, daß man durch diese allerintensivste Lichtmasse vom eigentlichen Sonnenplaneten aus könne ungehindert in die endlos weiten Fernen hinausschauen, während es doch die allerplatteste Unmöglichkeit ist, durch eben diese Lichtmasse von außen her auf den inneren Sonnenplaneten selbst hineinzuschauen?

[NS.01_004,04] Die Ursache dieser Erscheinung ist sehr einfach und liegt euch näher, als ihr es glauben möchtet. Ein ganz einfaches, euch wohlbekanntes Naturbeispiel wird euch die Sache völlig aufklären. Setzen wir den Fall, ihr stündet vor dem Fenster irgendeines Hauses, von welchem sich gerade die dahin fallenden Sonnenstrahlen auf euer Auge zurückwerfen; was seht ihr da? – Nichts als den grellen Widerschein der Sonne aus dem Fenster, welcher euch ein unbesiegbares Hindernis ist, zu entdecken, was sich da hinter dem Fenster befindet. Wird dasselbe Hindernis auch für denjenigen, der hinter dem Fenster steht, ein Hindernis sein, zum Fenster hinauszuschauen und alles recht genau zu beobachten, was in der Nähe und in der Ferne sich außerhalb des Fensters befindet; vorausgesetzt, daß das Glas des Fensters vollkommen gereinigt ist? – O nein, nicht im geringsten! Während ihr außerhalb des Fensters stehend nichts als die weißglänzende Glasscheibe erblicken werdet, wird der innerhalb des Fensters Stehende recht bequem eure Haare zählen können.

[NS.01_004,05] Sehet, gerade also ist es auch mit der Sonne der Fall, da ihr eigentlicher Lichtglanz nichts anderes ist als zuerst eine Aufnahme aller der Strahlen von einer Milliarde Sonnen, die sich auf dieser überweitgedehnten Sonnenluft-Spiegeloberfläche nahe unendlichfältig jede für sich abspiegeln; gerade also, wie sich die Sonne selbst auf einem andern Planeten zahllosfältig abspiegelt, sowohl auf den festen Landes-Gegenständen, besonders aber auf der Oberfläche der Wasserfluten und zuallermeist auf der kontinuierlichen Luftoberfläche, welche da einen Planeten umgibt.

[NS.01_004,06] Ihr werdet hier fragen und sagen: Warum ist denn unser Planet, die Erde, wie auch manche andere Planeten, die wir sehen, nicht auch von dem starken Lichtglanze umgeben wie die Sonne, da doch jeder Planet sich, so gut wie die Sonne, in der Mitte aller dieser Milliarden Sonnen befindet? Wenn es denn also wäre, da müßte der Mond ja mit einem ebenso starken Licht leuchten wie die Sonne, da auch er die Strahlen von all denselben Milliarden Sonnen aufnehmen kann?

[NS.01_004,07] Damit ihr den Ungrund dieser Behauptung recht klar vollends einsehen möget, so will Ich euch wieder durch ein Beispiel zurechtführen. Nehmt einmal allerlei Glaskügelchen, von denen das kleinste nicht größer sein solle als ein größtes Sandkörnchen; dann wieder eins, so groß wie ein Hanfkorn; wieder eins, so groß wie eine Erbse; und wieder ein anderes, so groß wie eine Haselnuß; und wieder eins, so groß wie eine rechte Nuß; eins wie ein mäßiger Apfel; eins wieder wie eine doppelte Faust; eins in der Größe eines Menschenkopfes; und so aufwärts bis zur Kugelgröße, die da hätte eine Klafter im Durchmesser. – Alle diese Kugeln stellet auf einen Platz hin, der von der Sonne beschienen wird, und prüfet dann das zurückstrahlende Bild der Sonne auf jeder dieser verschieden großen Glaskugeln. – Auf dem kleinsten Kügelchen werdet ihr kaum eines Schimmerpünktchens gewahr werden; auf dem zweiten werdet ihr schon ein etwas mehr leuchtendes Pünktlein entdecken; auf dem dritten wird euch das Fünklein schon heftiger am Auge berühren. Das Bild der Sonne am vierten Kügelchen wird für euer Auge sogar schon einen merkbaren Durchmesser bekommen, und ihr werdet es eben nicht zu lange anschauen können. Von ferneren Kügelchen wird das Licht schon wieder greller werden und der Durchmesser des verkleinerten Sonnenbildes bei weitem merklicher. Wann ihr mit dieser Betrachtung zu der menschenkopfgroßen Kugel fortkommen werdet, da wird das Sonnenbild schon den Durchmesser einer großen Linse haben, und ihr werdet nicht mehr imstande sein, es mit freiem Auge anzusehen. Auf der letzten und größten Kugel aber wird das Bild der Sonne schon einen Durchmesser von einem Zoll bekommen, allda ihr es dann um so weniger werdet mit freiem Auge anzusehen imstande sein.

[NS.01_004,08] Nun sehet, wie es sich mit diesen Glaskügelchen verhält bezüglich der Aufnahme des Lichtes aus der Sonne, gerade also verhält es sich mit den verschiedenen Weltkörpern. Diejenigen Fixsterne oder entfernteren Sonnen, die ihr bloß als Schimmerpünktchen von eurer Erde aus erschauet, diese selben Pünktchen, besonders diejenigen darunter, welche ihr von eurer Erde aus als Fixsterne erster, zweiter und dritter Größe kennt, erscheinen den Jupiterbewohnern schon so groß, als bei euch da ist ein silbernes Zwanzigkreuzerstück und ein Zehnkreuzerstück und ein Fünfkreuzerstück. – Warum denn also?

[NS.01_004,09] Weil der Planet Jupiter schon eine um nahezu viertausendmal größere Glaskugel ist als eure Erde, und daher auch das Bild der fernen Sonnen notwendigerweise in einem größeren Maßstab aufnehmen muß als euer viel kleinerer Erdplanet; aus welchem Grunde der Jupiter trotz seiner bei weitem größeren Entfernung von der Sonne aber dennoch ein viel stärkeres Licht hat, als der bei weitem näher stehende Planet Mars, und so auch eure Erde selbst.

[NS.01_004,10] Nehmet ihr nun an, daß die Sonne über eine Million Mal größer ist als eure Erde, so leuchtet es ja von selbst ein, daß dadurch alle noch so ferne stehenden Sonnen dieses Sonnenalls auf der weiten Luftoberfläche dieser Sonne ein bedeutendes Lichtbild hervorrufen müssen, so zwar, daß da selbst die Sonnen ferne stehender Sonnengebiete, die auf eurer Erde selbst dem scharf bewaffneten Auge als ein Nebelfleck erscheinen, einen Durchmesser von ein, zwei bis drei Zoll erlangen und so stark leuchten, daß ihr ein solches Bild vermöge des starken Glanzes nicht eine Sekunde lang mit freiem Auge anzuschauen vermöchtet.

[NS.01_004,11] Nun denket euch erst die Abbilder näherstehender Sonnen, welche nicht selten einen Durchmesser von hundert bis tausend Quadratmeilen einnehmen; vervielfacht diese zahllosen Sonnenlichtbilder auf der weiten Sonnenluft-Kugeloberfläche, so werdet ihr dadurch zu einer solchen Lichtintensität gelangen, vor welcher euer ganzes Gemüt erschauern wird.

[NS.01_004,12] Sehet, das ist der eigentliche Grund des tagtäglich euren Planeten erleuchtenden Sonnenlichtes. Diese Erklärung aber wird euch das Frühere doch notwendigerweise erhellen, und ihr werdet leicht einsehen, wie die Bewohner des Sonnenplaneten durch die scheinbare Lichthülle der Sonne recht wohl (hin-)durchschauen können, während das Hineinschauen für jedes fleischliche Auge eine allerbarste Unmöglichkeit ist.

[NS.01_004,13] Solches wüßten wir demnach. Dessenungeachtet aber sehe Ich doch eine ganz versteckte Frage in euch, und diese lautet also: Diese aufgestellte Sonnenlichtglanz-Theorie scheint für sich ganz vollkommen richtig zu sein, daß nämlich dadurch die Sonnen in ihrer Gesamtheit sich also erleuchten. Aber wenn jede Sonne also leuchtet, so fragt es sich, woher denn eigentlich dann alle zusammengenommen das Licht hernehmen, – wenn jede ihr Licht nur durch die Aufnahme der Strahlen von andern Sonnen bekommt, welches mit andern Worten eben so viel sagen will als, daß keine Sonne für sich selbst ein Licht hat, sondern jede nur mit dem Widerscheine des Lichtes anderer Sonnen prangt. – Woher haben dann diese andern Sonnen ihr Licht? – Denn wenn die vorbenannte Lichttheorie vollkommen richtig ist, so ist jede Sonne an und für sich vollkommen finster. Woher dann das Gegenstrahlen?

[NS.01_004,14] Sehet, das ist eine ganz gute Frage. – Da aber die Beantwortung dieser Frage für euer Verständnis etwas umständlicher sein muß, so soll sie erst in der nächsten Mitteilung erfolgen. Und somit gut für heute!

 

5. Kapitel – Die selbstleuchtende Hauptmittelsonne. – Das Spiegellicht der Untersonnen.

[NS.01_005,01] Auf welche Art alle Sonnen zusammengenommen und wieder jede einzeln für sich so leuchtend werden, daß das Licht einer Sonne sich auf der Luftoberfläche einer andern Sonne abspiegelt, soll euch ebenfalls durch ein leicht faßliches Beispiel kundgegeben werden. Nehmet an ein Zimmer, dessen Wände da wären aus lauter hell poliertem Spiegelglas, welches schon mit der Metallmischung belegt ist und sonach einen vollkommen reinen Spiegel abgibt. Denket euch aber noch dazu den Raum dieses Zimmers inwendig als vollkommen rund, so zwar, als wäre das Zimmer eine große, hohle Kugel. Nun behängt dieses Zimmer oder vielmehr diese hohle Spiegelkugel mit allerlei großen und kleinen spiegelblank polierten Glas- oder Metallkugeln. In die genaue Mitte dieses hohlen Raumes aber bringet einen Lüster an, der da hätte ein starkes Licht. Wenn solches alles dargetan ist, dann sehet all die kleinen polierten Kugeln an, welche in diesem hohlen Raume hängen, wie sie samt und sämtlich von allen Seiten also beleuchtet sind, als wären sie selbstleuchtende Körper. – Woher rührt denn das?

[NS.01_005,02] Solches ist ja gar leicht einzusehen. – Die Wände, welche da spiegelblank sind, werfen von allen Seiten das Licht, welches vom Lüster ausgeht, nicht etwa geschwächt, sondern angesammelt und somit potenziert gegen den Lüster wieder zurück. Auf diese Weise sind alle in dem hohlen Raume aufgehängten Kugeln ja von allen Seiten vielfach erleuchtet: erstens vom wirklich selbständigen Lichte des Lüsters; sodann vom zurückgeworfenen Licht von den Spiegelwänden, welche zusammengenommen einen kontinuierlichen Hohlspiegel bilden, der seine Brennweite genau im Zentrum seines eigenen Raumes hat. Und drittens werden diese freihängenden Kugeln durch ihr gegenseitiges Widerstrahlen und durch das Widerstrahlen ihres aufgenommenen Lichtes, welches ebenfalls von den Spiegelwänden aufgenommen und wieder zurückgeworfen wird, und endlich noch durch das allgemeine Gegenstrahlen des Lichtes von den Wänden des Spiegels zu den entgegengesetzten Spiegelwänden erleuchtet.

[NS.01_005,03] Nun sehet, dieses Bild ist mehr als genügend zur Beantwortung der vorliegenden Frage; denn wie sich die Sache des Leuchtens verhält in unserer hohlen Kugel, also verhält sich die Sache auch in der großen Wirklichkeit. – Denket euch statt der großen Spiegelkugel die euch bekannte Hülsenglobe, welche da besteht in ihrer, wenn schon für eure Begriffe unendlichen Umfassung aus einer Art ätherischen Wassermasse. Und denket euch dann in der Mitte der Hülsenglobe die für eure Begriffe wirklich endlos große Zentralsonne, welche auf allen ihren endlos weiten Flächen von den immerwährend allerintensivst leuchtenden Feuerflammen umgeben ist (welche da herrühren von den Geistern, die entweder hier ihre Reinigung ausgehend beginnen, oder welche dieselbe rückkehrend vollenden), so habt ihr dann auch schon alles, was da zur vollkommenen Beantwortung der gegebenen Frage nötig ist. Das Licht dieser großen Zentralsonne dringt bis zu den vorbenannten Wänden dieser Hülsenglobe, von da wird es wieder zurückgeworfen durch freilich für eure Begriffe nahe endlos weite Räume und Sonnengebiete. Aber was euch noch so weit und groß dünkt, ist vor Meinen Augen kaum mehr, als wenn ihr ein Sandkörnchen in eure Hand nehmen würdet, um damit zu spielen.

[NS.01_005,04] Da die Fähigkeit aller Sonnen dargetan wurde, wie sie zufolge ihrer weiten Luftoberfläche gar wohl imstande sind, das diese Oberfläche berührende Lichtbild einer andern Sonne aufzunehmen und es dann wieder von sich zu geben also, wie da ein Spiegel das Licht aufnimmt und es wieder zurückgibt, – so werdet ihr nun das starke Leuchten der Sonne um so mehr begreifen, so ihr wisset, daß sich in einer solchen Hülsenglobe ein allgemeiner, für eure Begriffe endlos großer, selbstleuchtender Sonnenlüster befindet, dessen Licht hinaus bis zu den Wänden der Hülsenglobe dringt und somit auf diesem Wege schon eine jede Sonne zur Hälfte erleuchtet; wann es aber von den äußeren Wänden zurückgeworfen wird, auch sodann die entgegengesetzte Seite vollkommen gleich erhellt; und wenn dann auf diese Weise alle Sonnen einer Hülsenglobe gehörig erleuchtet sind, sie sich dann auch noch dazu zahllosfältig gegenseitig beleuchten.

[NS.01_005,05] Wenn ihr ein wenig nur geordnet zu denken vermöget, so kann euch nun unmöglich mehr undeutlich sein, woher dann eine Sonne ihr starkes Licht nimmt.

[NS.01_005,06] Da wir aber solches wissen, so wird euch das Leuchten einer jeden Sonne dadurch noch gründlicher ersichtlich, so Ich euch sage, daß dessenungeachtet dennoch auch jede Sonne für sich aus dem Bereiche der ihr innewohnenden Geister ihr Eigenlicht hat. Jedoch ist dieses Licht bei weitem nicht von der intensiven Art, wie ihr die Sonne erblickt; sondern dieses Eigenlicht ist vielmehr nur eine stets rege Befähigung der Luftoberfläche des Sonnenkörpers, damit diese das aus der Zentralsonne und aus den Wänden der Hülsenglobe ausgehende Licht und die Ausstrahlungen von andern Sonnen desto lebendiger und vollkommener in sich aufnehmen und sodann wieder von sich geben kann. Aus diesem Grunde bestehen denn auch auf jedem Sonnenkörper eine Menge sogenannter Vulkane, besonders in der Gegend ihres Äquators. Was es jedoch mit diesen Vulkanen, die sich nicht selten dem bewaffneten Auge als schwarze Flecken kundgeben, für eine Bewandtnis hat, und wie durch sie die Sonnenluftatmosphäre zur Aufnahme des Lichtes stets fähig erhalten wird, soll euch in der nächsten Mitteilung kundgetan werden.

 

6. Kapitel – Die ätherische Umfassungshülse der Weltkörper und Weltkörpersysteme. – Die größte Weltkörpergesamtheit, eine Hülsenglobe.

[NS.01_006,01] Nachdem wir nun kennengelernt haben, woher die Sonnen ihr Licht bekommen, und wie sie dann dasselbe wieder weiterspenden, da dürfte so mancher Grübler darauf kommen und sagen: Ich habe meines Teils gegen diese Lichthypothese der Sonne gerade nichts, sie ist annehmbar und läßt sich hören; aber es muß nur gezeigt werden, woher denn die besagte Hauptzentralsonne ihr eigentümliches Flammenlicht hat? Was ist überhaupt das Leuchten dieser angeblichen Flammen? Wodurch werden diese Flammen bewirkt? Was ist denn da der ewige Brennstoff, der von so intensiv heftig leuchtenden Flammen nimmerdar aufgezehrt werden kann?

[NS.01_006,02] Sehet, das sind so recht tüchtige Fragen. Aber es steckt eine noch tüchtigere im Hintergrunde, und diese wäre folgende, da jemand sagen könnte: Obschon die ganze Sache einen sehr wahrscheinlichen Stich hat, so bleibt es aber dessenungeachtet äußerst problematisch, ob da wirklich eine solche Hülsenglobe anzunehmen ist, und ob in ihr wirklich eine solche ungeheure Zentralsonne brennt. Wenn fürs erste solches erwiesen werden kann, so wollen wir Naturkundige und Astronomen die Sache wohl annehmen; aber solange ein solcher Beweis nicht hergestellt werden kann, können wir diese ganze Erleuchtungshypothese als nichts anderes betrachten, als einen recht wohlgelungenen und artigen Sukzeß dichterischer Phantasie.

[NS.01_006,03] Sehet, da habt ihr bei dieser Gelegenheit so nahe ganz buchstäblich die Einwendungen, welche uns auf dem natürlichen Wege begegnen können. – Damit sich aber eben solche kritische Grübler nicht erst an den Verfasser allenfalls wenden möchten, um sich bei ihm ihre verlangten Beweise zu erbitten, sondern damit sie eben dasselbe, was sie hierin zu beanstanden glauben, auch schon hier als erwiesen dargetan finden sollen, so wollen wir allem dem alsogleich auf eine sehr sinnige Weise begegnen.

[NS.01_006,04] Was die Hülsenglobe betrifft, so hat diese zahllose Entsprechungen in jedem kleinsten Geschöpfe, wie in einem Planeten, in einer Sonne und kurz in allem, was ihr nur immer ansehen wollet. Wo ist ein Ding, dessen unendlich viele Teile, aus denen es besteht, außen herum nicht von irgend einer Schale, Rinde oder Haut umgeben wären?

[NS.01_006,05] Betrachtet das Auge eines Menschen oder eines Tieres! – Es entspricht vollkommen einer Hülsenglobe, da ebenfalls in dessen Mitte die Kristallpupille sich befindet, die fürs erste besonders bei vielen Tieren ein eigenes Licht hat und das Licht von andern Gegenständen nahezu ebenso aufnimmt, wie eine Sonne, welcher Art sie auch immer sein möchte, indem sie sich innerhalb der Hülse befindet. Betrachtet dann (von innen) die Wände des Auges, wie sie alle Strahlen, die sie durch die Kristallinse von außen her aufgenommen haben, mit dem eigenen Lichte eben jener Kristallinse unterstützt, alsogleich wieder in jede denkbare Ferne hinauswerfen. Denn solches müßt ihr wissen, daß ihr nicht die Gegenstände selbst sehet, sondern nur deren entsprechende Abbilder, dadurch, daß diese von der rückwärtigen schwarzen Spiegelhaut durch die Kristallinse aufgenommen und alsogleich nach der Aufnahme wieder vollkommen erleuchtet außer euch geworfen werden. Allda erblicket ihr dann erst die Gegenstände an der Stelle, wo sich die Gegenstände an und für sich außer euch in der Natürlichkeit befinden. Denn möchtet ihr die Gegenstände selbst schauen, so könntet ihr dieselben nicht anders, als in ihrer wirklich natürlichen Größe erblicken, wo ihr dann freilich an der Stelle, da ihr jetzt eine Staubmilbe sehet, einen Elefanten, das heißt ein elefantengroßes Tier erschauen würdet, und mit dem geistigen Auge sogar ein planetengroßes Wesen.

[NS.01_006,06] Daß ihr aber alle Dinge eben durch die hülsenglobenartige Beschaffenheit des Auges nur im höchst verkleinerten Maßstab erblickt, beweist ja schon das auf das Allergenügendste, daß sich alle Gegenstände, und mögen sie noch so klein sein, unter den Gläsern eines Mikroskops ins Außerordentliche vergrößern lassen, welche Vergrößerung an und für sich nichts anderes ist, als eine progressive Annäherung des geschauten Gegenstandes oder vielmehr dessen Lichtbildes zur wirklichen Größe des Gegenstandes selbst.

[NS.01_006,07] Wenn es nicht also wäre, so würden sich auf einem solchen vergrößerten Gegenstande auch unmöglich mehrere, ja oft zahllose, vollkommen regelmäßig ausgebildete Teile desselben überraschend entdecken lassen, welche das Auge, wie es ist, nimmerdar entdecken kann. Fragt euch aber selbst, ob solche Entdeckung nicht dartut, daß das freie Auge die Gegenstände unmöglich selbst anschaut, sondern nur ihre äußerst verkleinerten Abbilder auf die vorbesagte Art? (Wie könnten sonst z.B. ganze Heere der Infusions- und anderer Tierchen in einem kaum einen Stecknadelkopf großen Wassertröpfchen entdeckt werden, wenn sie nicht da wären?)

[NS.01_006,08] Wer da nur ein wenig wahrhaft geweckteren Geistes ist, der muß ja hier nahe auf den ersten Blick zwischen dem Auge, einem Planeten, einer Sonne und sonach auch einer Hülsenglobe die Ähnlichkeit entdecken.

[NS.01_006,09] Also ist auch der ganze Mensch entsprechend ähnlich allem dem. Was ist sein Herz in naturmäßiger Hinsicht? Ist es nicht eine Zentralsonne des ganzen Leibes? Und alle die zahllosen Nerven und Fasern – Nebensonnen usw.? Die äußere Haut als die Hülse aber umspannt den ganzen lebendigen Organismus. Könnte aber ein Mensch bestehen ohne diese äußere Umfassung, welche da ist eine gute und wohltaugliche Schutzwehr für den ganzen lebensfähigen innern Organismus des Leibes eines Menschen wie auch des jeden Tieres? – Also hätten wir wieder ein entsprechendes Bild einer Hülsenglobe!

[NS.01_006,10] Betrachtet ferner das Ei eines Vogels. – Was ist es? – In weitester Bedeutung ein Abbild einer ganzen Hülsenglobe, einer Zentralsonne für sich, wie einer Nebensonne, eines Planeten, und so auch eines jeden andern für sich bestehenden ganzen Gegenstandes. – Desgleichen könnt ihr selbst einen Planeten betrachten, und wenn ihr nur ein wenig nachdenken wollt, so werdet ihr doch sogleich finden müssen, daß ohne eine äußere Umfassung am Ende der ganze Planet gar nicht als bestandsfähig zu denken ist. Denn nehmt nur ein Äußeres um das andere hinweg, so werdet ihr dadurch doch am Ende genötigt sein, den letzten Punkt eines Planeten hinwegzuschaffen, indem auch dieser selbst, so lange er da ist, zu seiner Existenz eine äußere Umfassung haben muß, durch welche noch seine Teile eingeschlossen und zusammengehalten werden.

[NS.01_006,11] Kurz und gut, überall, wo sich irgend ein Leben äußert, muß zu eben dieser Lebensäußerung ein tauglicher Organismus vorhanden sein, dessen Teile also gestellt sind, daß da in höchster Ordnung eines in das andere greift, und also auch ein organischer Teil den andern treibt, zieht und erweckt; also wie bei einer Uhr, da ein Rad in das andere Rad greift, es zieht, treibt und erweckt.

[NS.01_006,12] Würden die Räder einer Uhr wohl auch an und für sich das bewirken, was sie eben bewirken, wenn ihre Spindeln fürs erste nicht eine feste Ober- und Unterlage hätten, gleichsam eine Umfassung, innerhalb welcher sie zur Bewegung geordnet gestellt oder gesteckt werden? Wenn aber dieses alles schon da ist, was geht dann noch ab, damit sich die Räder ordentlich bewegen? – Eine Zentralsonne geht da noch ab, und diese ist in der Uhr die Feder. Also könnte die Uhr nicht bestehen, wenn fürs erste alle Räder keine Umfassung und dann keine innere Triebkraft hätten.

[NS.01_006,13] Also verhält es sich auch mit dem Organismus der unbedeutendsten Pflanze, die da fürs erste eine äußere Umfassung haben muß, innerhalb welcher erst ein tauglicher Organismus gestellt werden kann, und zwar wieder wirksam aus dem Zentrum der Pflanze, wo die belebende Kraft, wie das Licht der Zentralsonne, durch den ganzen Organismus belebend durchwirkt bis zur äußeren Umfassung, allda sich diese nach außen wirkende Kraft wieder selbst gefangennimmt und gegen das Zentrum zurückkehrt. Könnte dieses wohl bewirkt werden ohne die äußere Umfassung? Sicher nicht. Denn ohne ein Gefäß läßt sich auch nicht ein Tropfen Wasser ins Haus bringen, geschweige erst ein organisches Leben erhalten.

[NS.01_006,14] Also muß auch der Organismus eines Tieres sowie eines Menschen mit einer äußeren Hülse umfaßt sein, innerhalb welcher dann erst der Organismus geordnet und vom Zentralpunkte aus auch belebt werden kann.

[NS.01_006,15] Dasselbe ist der Fall mit einem Planeten, ohne welche Einrichtung fürs erste kein Planet denkbar wäre, noch weniger aber also beeigenschaftet, daß er fähig wäre, einem vielfach gestalteten Leben den Unterhalt zu verschaffen. – Noch mehr wäre dies der Fall bei einer Sonne, welche schon ein Zentralpunkt eines ganzen Planetarorganismus ist und daher ebenso eine mehrfache Umfassung haben muß, wie das Herz selbst im Menschenleibe, – weil ihr Organismus für die größere Wirkung viel mannigfaltiger und vollkommener sein muß, als der eines andern Planeten. – Und so hat denn auch sogar jedes Planetensystem, mit seiner Sonne in der Mitte, eine eigene ätherische Umfassung, innerhalb welcher sich das ganze Planetensystem bewegt, lebt, und sich gegenseitig zieht, treibt und erweckt.

[NS.01_006,16] Noch mehr ist dieses der Fall bei einer nächsten Zentralsonne, um welche sich schon manchmal mehrere Millionen kleinerer Sonnen mit ihren Planeten bewegen, und welche daher schon einen viel großartigeren und mannigfaltiger wirkenden Organismus darstellen, als da ist derjenige einer kleineren Sonne mit ihren Planeten. Sehet, auch alle diese Millionen Sonnen haben für sich eine ätherische Umfassung, aus welchem Grunde solche ferne abstehende Sonnengebiete auch als ziemlich scharf abgegrenzte Nebelflecke zu erschauen sind, welches wohl nicht möglich wäre, wenn ein solches Sonnengebiet gewisserart nicht mit einer ätherischen Haut umgeben wäre; was eben dem zu vergleichen ist, wie da auch im menschlichen oder tierischen Leibe ein jeder einzelne Nerv mit einem eigenen Häutchen umgeben ist, ohne welches er weder bestehen noch lebendig wirken könnte.

[NS.01_006,17] Ihr wisset, daß solche einzelne Sonnengebiete wieder einen Zentralkörper haben, um welchen sie sich bewegen und lebendig wirken durch die Kraft dieses Zentralkörpers. Also haben auch wieder im weiteren Sinne solche Sonnengebiete selbst eine weitere äußere Hülse oder abgeschlossene ätherische Haut. Einen solchen Sonnengebietleib, das heißt, wo mehrere, ja sehr viele solche Sonnengebiete um einen noch größeren Zentralkörper ein gewisses Sonnen-All ausmachen, umgibt abermals eine noch größere ätherische Haut. – Und endlich solche großen Sonnenall-Leiber drehen sich in großer Anzahl um einen gemeinsamen größten Zentralpunkt, nämlich um die wirklich selbstleuchtende Zentralsonne, und sind samt und sämtlich unter einer allgemeinen, überaus weitgedehnten Umfassung oder Haut lebendig wirkend rege. – Und das ist eben dann eine Hülsenglobe oder ein vollkommener, für sich bestehender Sonnenleib.

[NS.01_006,18] Was würde mit diesem Leibe wohl geschehen, wenn man ihm diese allernotwendigste, äußere, ätherische Wasserhaut wegnehmen würde? – Es würde mit ihm nichts anderes geschehen und somit auch am Ende mit jedem einzelnen Teil dieses großen Sonnenleibes, als was da geschehen würde fürs erste mit einem Auge, wenn man ihm die äußere Hornhaut wegnähme, oder einem Ei die Schale, oder einer Pflanze alle äußere Rinde, oder einem tierischen Leib die Haut, oder endlich einem Planeten die äußere Kruste. Dasselbe auch, wie gesagt, würde mit einem ganzen Sonnenleib der Fall sein, daß er dadurch zum Teil zerrinnen, zum Teil verdorren, zum Teil sich ins Unendliche zerstreuen und am Ende ganz erlöschen und vergehen würde. – Also hätten wir nun den Beweis geführt, daß da eine solche Hülsenglobe als ein vollkommener Sonnenleib notwendig dasein muß und somit auch eine innere Triebfeder, ein Herz oder eine allgemeine Zentralsonne haben muß. Und unsere krittelnden Naturforscher sollen nun noch einen Versuch machen, ob sie diese Theorie auch als eine Hypothese gelungen poetischer Art darzustellen vermögen.

[NS.01_006,19] Somit bleibt uns nur noch das Leuchten und flammende Brennen der Zentralsonne zu beweisen übrig. Haben wir das, so können wir uns dann ganz ruhig und wohlgemut auf den Gefilden und um die Vulkane unserer Sonne herum lagern und dort ruhig all die Herrlichkeiten und Wunder derselben beschauen.

 

7. Kapitel – Das Eigenlicht der Sonnen.

[NS.01_007,01] Was da der Grund des Leuchtens einer Flamme ist, ist zwar schon in der Mitteilung über ‚Die Fliege‘ kundgegeben worden. Dessenungeachtet aber mag doch hier noch zur größeren Deutlichkeit des Verständnisses dieser Erscheinung folgender Nachtrag dienen.

[NS.01_007,02] Ihr wisset, daß das Geistige, als absolut betrachtet, nicht bestehen kann ohne irgendeine äußere Umfassung oder ohne irgendein Organ, durch welches es sich erst dann zu äußern imstande ist. Was aber diese äußere Umfassung betrifft, so ist diese wieder an und für sich nichts anderes als Mein Liebewille, welcher das Geistige umgibt und durch dessen Erbarmung dasselbe auch innerlich richtet und es dadurch in irgendeine Ordnung setzt, damit es dann da sei zur Verrichtung irgendeines Teiles Meines großen Willens und somit auch zur Erreichung irgendeines Zweckes, welcher da entspricht der Absicht Meiner ewigen Ordnung. Sehet, also verhält sich diese Sache!

[NS.01_007,03] Was geschieht denn nun, wenn irgendeine Kraft, die da verborgen ist unter der Hülse Meines Liebewillens (wenn sie auch noch so geringfügig ist), durch was immer für Umstände oder Wirkungen angeregt, gerüttelt oder gestoßen wird? – Sie wird dadurch aus ihrer Ordnung, oder was ebensoviel besagen will, aus ihrem Gleichgewicht gebracht, fühlt sich dadurch beengt und beeinträchtigt, und sucht sich dann entweder ihre erträgliche frühere Lage wiederherzustellen oder, wenn sie zu sehr erregt worden ist, auch sobald ihr ganzes Organ zu zerreißen und dadurch in den absoluten Zustand überzugehen.

[NS.01_007,04] Nun denket euch, wenn der Durchmesser dieser Hauptzentralsonne schon eine so lange Linie bildet, daß, um dieselbe zu überwandern, selbst das Licht bei mehr als einer Trillion Jahre zu tun hätte, so wird das ganze Volumen eines solchen Körpers doch sicher etwas sehr Bedeutendes in Hinsicht der naturmäßigen Größe ausmachen müssen. Wenn aber dieser Körper für eure Begriffe schon so endlos kolossal ist, wird da nicht auch dieses große Volumen der Materie gegen den Mittelpunkt zu von allen möglichen Außenpunkten einen für euch unbegreiflich schweren Druck ausüben?

[NS.01_007,05] Ja, solches ganz sicher; denn denket nur einmal auf eurem nichtigen Weltkörper die Schwere eines einzelnen Berges; dann denket euch die Schwere des Weltkörpers selbst; dann denket euch erst eure ganze Sonne, die fürs erste um eine ganze Million Mal größer ist als eure Erde, und somit auch eine Million Mal größere Anziehungskraft in sich birgt, als die da ist eurer Erde zu eigen. Denn wäre solches nicht der Fall, so vermöchte sie wohl nicht noch ganze Weltkörper, die manchesmal sogar viele tausend Millionen Meilen von ihr entfernt sind, also anzuziehen, daß sie sich nicht entfernen können aus ihrem Gebiete. Wie aber da ist auf einem Körper die Anziehung, also ist auch die Schwere im Verhältnis mit solch einer potenzierten Anziehungskraft solch eines großen Weltkörpers.

[NS.01_007,06] Nehmet ihr aber nun an, daß alle Sonnen, Zentralsonnen, Planeten und Kometen zusammengenommen kaum den millionsten Teil einer solchen Hauptzentralsonne ausmachen möchten, wie groß und wie mächtig muß da auch ihre Anziehungskraft sein, und wie mächtig stark der Druck gegen ihr Zentrum?!

[NS.01_007,07] Woraus besteht denn die Materie? Ihr wißt, daß die Materie nichts ist als eine Gefangenschaft des Geistigen oder der Geister. Wenn aber schon auf dem Erdkörper durch das Zusammenschlagen zweier Steine oft mehrere hart gefangene geistige Potenzen zum Ausbruch kommen und, wo irgend im Innern der Erde der Druck von außen her zu mächtig wird, dann auch alsobald oder wenigstens nach nicht gar langer Zeit sich so heftige Explosionen erheben, daß durch deren feuriges Wirken oft ganze, große Berge und weitausgedehnte Ländereien zerrüttet und zerstört werden; und wenn ihr auf den Grund zurückgehen wollet, so werdet ihr kaum mehr als einen einige Kubikklafter großen Raum finden, in welchem die in der Materie eingeschlossenen geistigen Potenzen zu sehr gedrückt, – ihre Schranken zerrissen haben und sich einen Ausweg gesucht und dann auf diesem Wege eine Menge solcher Geister mit zum Ausbruche genötigt haben. – Wenn alsdann solches mit der Erde und auf und in der Erde der Fall ist (was hier gleich schon früher zur vergleichenden Erklärung bedingend angezeigt wurde), so übertraget nun dieses Miniaturverhältnis eures Planeten auf die Zentralsonne. Allda erst werdet ihr erschauen, welche Bedrückungen deren gefangene Geister beständig zu ertragen haben, und das zwar aus dem erbarmenden Grunde, daß sie als mächtige Gefangene auch wieder durch den mächtigen Druck fortwährend wieder zum Leben erweckt werden.

[NS.01_007,08] Aus diesem Grunde ist dann auch diese Zentralsonne überfüllt von den größten sogenannten Vulkanen oder Feuerspeiern, von denen der kleinste einen solchen Durchmesser hat, daß in seinem Krater mehr denn dreißigtausend Millionen eurer Sonnen Platz hätten; – der größeren und des größten Kraters dieser Zentralsonne gar nicht zu gedenken!

[NS.01_007,09] Nun, ihr wißt, daß das Leuchten durch die Zuckungen oder Vibrationen der geistigen Kraft innerhalb der Hülse, in welcher sie eingeschlossen ist, bewirkt wird. Je heftiger irgendein solcher, innerhalb der bekannten Hülse gefangener Geist angeregt wird durch einen äußeren Druck, Stoß oder Schlag, in desto heftigere Vibrationen geht er auch über, und desto greller und intensiver wird auch die Erscheinlichkeit dieser Vibrationen, welche da ist das Leuchten einer Flamme oder eines Funkens. Wo aber können solche geistige Potenzen heftiger gedrückt, gestoßen und geschlagen werden, als auf dieser Zentralsonne?

[NS.01_007,10] Solchem Verhältnis zufolge leuchtet dort ein Funke so intensiv stark, daß denselben kein menschliches Auge nur einen Augenblick lang ertragen könnte. Ja, Ich sage euch: Wenn da ein Funke in der Größe eines Heidekorns sich bei euch auf der Erde tausend Meilen hoch in der Luft mit derselben Lichtheftigkeit entwickeln würde, wie er sich entwickelt auf eben dieser Hauptzentralsonne, so würde durch die Heftigkeit seiner Ausstrahlung die ganze Erde in einem Augenblick wie ein Wassertropfen auf dem glühendsten Eisen verflüchtigt sein.

[NS.01_007,11] Nun denket euch die ganze ungeheure Hauptzentralsonne mit solchen allerintensivsten Lichtflammen überzogen und urteilet darnach, wie weit wohl ihre Strahlen, als der Ausflug freigewordener Geister, reichen möchten! Da werdet ihr wohl so ziemlich ins klare kommen, wie gestaltet eine solche Sonne gar wohl ein allgemeiner Lüster in dem großen Sonnenwelten-Gemache einer Hülsenglobe sein kann. – Wenn ihr nun solches begriffen habt, so werdet ihr auch gar leicht begreifen, auf welche Weise dann auch jede kleine Planetarsonne, wie auch jeder Planet, für sich ein eigenes Licht entwickeln kann, allda sich dann die Intensität dessen eigentümlichen Lichtes allzeit nach der Größe seines Volumens und somit auch seiner Schwerkraft richtet.

[NS.01_007,12] Auf einem Erdkörper zum Beispiel könnt ihr gar leicht die Flamme einer Kerze betrachten. Warum denn? – Weil durch ihr Verbrennen die in ihrem Dochte und ihrer fetten Materie gebundenen Geister nur auf eine geringere Weise angeregt werden und durch einen geringen Grad der Vibrationen ihre sie umgebenden Hülsen gar leicht zerstören und sodann in ein freieres Walten übergehen. – In eine Schmiede-Esse könnt ihr nicht mehr so leicht schauen, weil die in der Kohle noch zurückgebliebenen Geister schon einer heftigeren Anregung bedürfen, um sich durch heftigere Vibrationen aus ihren Kerkern loszumachen. – Noch schwerer werdet ihr das Licht derjenigen Flammen ertragen, welche da einem feuerspeienden Berge entlodern und entsprühen, weil sie einer viel mächtigeren Anregung, welche die Geister in dem Innern der Erde überkommen, ihre Entstehung verdanken.

[NS.01_007,13] Übertraget solches auf die Sonne, wo jedes Verhältnis ums Millionenfache gesteigert wird, so werdet ihr gar bald und gar leicht finden, in welchem Grade auch jede Sonne ein eigenes Licht durch ihre Vulkane zu entwickeln imstande ist. Dieses eigene Licht einer Sonne aber wäre dennoch viel zu gering, um fernstehende Planeten vollkommen zu erleuchten und zu erwärmen. Dessenungeachtet aber dient dieses eigene Licht der Sonne doch ganz vorzüglich dazu, daß dadurch die Oberfläche der Sonnenluft im stets allergereinigtesten und, wie ihr zu sagen pflegt, spiegelblanksten Zustande erhalten wird, um dadurch stets vollkommen fähig zu sein, das Licht der Hauptzentralsonne und somit auch das aller, durch eben diese Sonne erleuchteten Sonnen aufzunehmen.

[NS.01_007,14] Somit hätten wir auch diese Hauptschwierigkeit besiegt und die im vorhinein aufgestellten Fragen beantwortet. Und somit können wir uns denn auch, wie schon vorhin bemerkt, ganz ruhig auf unserer Sonne herumzubewegen und ihre Wunderherrlichkeiten anzustaunen anfangen.

[NS.01_007,15] Machet euch aber ja gefaßt, – denn wahrlich, ihr werdet da durchaus an keine sogenannten Kinderspielereien kommen. Denn alles, was sich euch auf diesem vollkommenen Planeten zur Beschauung darstellt, wird ausgezeichnet sein an Größe, Erhabenheit und tiefem Ernste! – Jedoch nicht mehr heute, sondern nächstens weiter davon!

 

8. Kapitel – Ursache und Wesen der Sonnenflecken.

[NS.01_008,01] Ihr werdet schon öfter beobachtet haben, daß die Sonne zumeist auf ihrem Äquator manchmal einen oder mehrere, teils größere, teils kleinere Flecken zeigt, um welche sich dem bewaffneten Auge eine wallartige Verbrämung zeigt, hinter welcher sich dann nach allen Seiten Lichtwellen, von manchen Astronomen „Fackeln“ genannt, ausbreiten. – Unter vielen Weltgelehrten ist gar oft schon die Frage aufgeworfen worden, was diese Flecken doch sein möchten? – Diese Frage hat auch schon ebensoviele hypothetische Antworten bekommen, aber noch nie eine vollends bestimmte darunter.

[NS.01_008,02] Ihr aber sollt diesmal eine ganz bestimmte Antwort bekommen. Wie werden wir es aber anstellen, daß ihr eben über diese Erscheinung eine bestimmte Antwort bekommt? Ihr saget freilich in euch: Auf die leichteste Weise, denn Ich darf es euch ja nur sagen, wie es ist, und ihr werdet Mir vollends glauben. Solches ist wohl wahr; aber was Ich hier sage, möchte einmal doch auch unter die Augen der Weltgelehrtheit gelangen. Werden es diese auch also unbedingt glauben, was Ich euch da sagen möchte in dieser Hinsicht? – O nein, diese Art hat keinen Glauben. Sie glaubt nicht einmal so ganz unbedingt oder vom Herzen weg, daß Ich es bin, oder daß es überhaupt einen Gott gebe, wie Ihn die Offenbarung zeigt, sondern höchstens also, wie Ihn ihre hochweise Vernunft erfindet. Daher also auch, wie gesagt, sie einer bloßen Erzählung nicht glauben würden, sondern würden alles als das Produkt einer dichterischen Phantasterei erklären.

[NS.01_008,03] Darum auch müssen wir uns auf ganz andere Füße stellen und solchen Füchsen ein ganz kurioses Schlageisen aufrichten, welches nicht nur allenfalls einen Fuß eines solchen Fuchses klemmen möchte, sondern welches solch ein gescheites Wesen sogleich am ganzen Leibe packt. Wie aber werden wir solches anfangen? – Nur eine kleine Geduld; es soll sogleich dasein!

[NS.01_008,04] Wenn ihr eine Kugel gerade durch den Mittelpunkt durchbohren und diese Kugel sodann auf eine Spindel stecken würdet und möchtet sie dann ins Wasser tauchen und sie im Wasser in eine Rotation setzen (nämlich um diese Spindel herum) und möchtet sie alsdann also rotierend aus dem Wasser heben, – was meinet ihr wohl, auf welchem Teil der Oberfläche diese Kugel die meisten Wassertropfen von sich schleudern wird? – Ihr werdet Mir antworten und sagen: Auf demjenigen Teil der Oberfläche, der von der Spindel am weitesten absteht und daher auch durch die Rotation um die Spindel die meiste Wurfkraft entwickelt.

[NS.01_008,05] Wieder, nehmet ihr eine Glaskugel, welche auf beiden Seiten eine Öffnung hat, so daß man durch die ganze Glaskugel ebenfalls eine Spindel stecken kann; bringt sie in eine horizontale Lage, gebt ein wenig Wasser in die Kugel und drehet sie sodann, – wo wird sich bei der Umdrehung das Wasser wohl hinbegeben? – Sicher wieder dahin, wo es von der Spindel am weitesten entfernt ist.

[NS.01_008,06] Wir haben an diesen zwei Beispielen genug, um unsere Sache so anschaulich als möglich zu machen. – Die Sonne ist ebenfalls eine Kugel, wie ihr wißt, und zwar eine Kugel, die da bei zweimal hunderttausend Meilen im Durchmesser hat. Diese Kugel dreht sich ungefähr binnen neunundzwanzig Tagen um ihre Achse. Bedenket, wie schnell da am Äquator der Sonne die Bewegung sein muß, wenn da ein Punkt in dem vorbenannten Zeitraum von 29 Tagen eine Reise von über 600000 deutschen Meilen machen muß, welches ungefähr die siebenfache Entfernung des Mondes von der Erde ausmacht, und für welche Strecke ein Schnellreiter, so er Tag und Nacht fortreiten möchte, über siebzig Jahre vonnöten hätte.

[NS.01_008,07] Vergleichet jetzt die Schnelligkeit der Bewegung eines Punktes am Äquator der Sonne, und ihr werdet euch groß verwundern, wenn ihr daraus ersehen werdet, wie viele deutsche Meilen er in einer Minute zurücklegt. Wenn ihr aber nun die große Schnelligkeit solcher Bewegung seht, so müßt ihr ja auch notwendigerweise die große Wurfkraft, welche da eben am Äquator der Sonne stattfinden muß, überklar erschauen.

[NS.01_008,08] Wenn ihr aber diese erschaut, so mache Ich euch aufmerksam auf die zweite Glaskugel, wie sich in derselben das Wasser bei deren Umschwung gegen den Äquator hinzu drängte. Was wird also auch vom Innern der Sonne aus gegen den Äquator derselben vor sich gehen müssen? Werden sich da nicht auch alle etwas flüchtigeren Teile unter den Äquator drängen und allda zufolge der großen Wurfkraft das Bestreben haben, die oberste Kruste der Sonne durchzubrechen und sich dann mit der unglaublichsten Wurfheftigkeit und Schnelligkeit ins Unendliche hinaus von der Sonne zu entfernen?

[NS.01_008,09] Ihr habt aber erst in der vorigen Mitteilung vernommen, was die Materie ist (welcher Art und Gattung sie auch immer sein möchte), und was da die Folge ist, wenn sie irgend zu sehr gedrängt, gestoßen oder geschlagen wird. Wird die Materie bei solch ungeheurem Andrang gegen den Äquator nicht auch auf einem oder dem andern Punkte ebenso unmäßig gedrängt und genötigt, wie unmäßig stark und schnell die Bewegung und somit auch die Wurfkraft der Sonne um den Äquator ist?

[NS.01_008,10] Sehet, jetzt ist das Schlageisen schon aufgerichtet; es bedarf nichts weiteres als eines Fuchses, und ihr könnt versichert sein, er wird dieser Falle nicht entrinnen.

[NS.01_008,11] Ihr habt gleich anfangs vernommen, daß das Erdreich des Sonnenplaneten nicht also hart und spröde ist, wie das zum Beispiel eurer Erde; sondern es ist allenthalben wie elastisch, und das vorzugsweise gegen den Äquator zu. Setzen wir aber den Fall, es wäre daselbst das Erdreich also spröde und somit auch leicht zerbrechbar, – was würde da wohl der Fall sein zufolge der außerordentlich großen Wurfkraft, besonders am Äquator der Sonne? – Nichts anderes, als daß dadurch ein Berg und ein Landstück um das andere mit der größten Heftigkeit von der Oberfläche der Sonne in den unendlichen Raum hinausgeschleudert werden würden. Da aber das Sonnenerdreich also zähe ist, so ist solches wohl nicht möglich, und wäre die Bewegung noch einmal so schnell, als sie ist.

[NS.01_008,12] Was kann aber dessenungeachtet dennoch der Fall sein, wenn sich zufolge der großen Wurfkraft durch den Drang von innen aus auf die schon vorbesagte Art hier und da gewaltige Andrängungen und sonach auch gewisserart Verhärtungen unter der Oberfläche der Sonne in der Gegend des Äquators gebildet haben, welche da gewisserart als eine Krankheit der Sonne anzusehen sind? Denn wohlgemerkt, auch Weltkörper können physisch krank sein. – Dadurch kann nichts anderes geschehen, als daß solche verhärtete Knollen endlich auf einem oder dem andern Punkte das wenn schon zähe Erdreich der Sonne durch ihren großen Drang nach außen und die (durch eben solchen Drang) bewirkte Entzündung zerreißen und sich hernach mit der größten Heftigkeit von der Oberfläche der Sonne entweder nahe endlos weit oder wenigstens so weit entfernen, als die euch bekannten Planeten von der Sonne entfernt sind.

[NS.01_008,13] Sehet, das ist nun die Ursache der darauf folgenden schwarzen Flecken der Sonne. Denn bei dem gewaltigen Durchbruch wird nicht nur die Kruste des Sonnenplaneten, sondern auch die Lichthülle also auseinandergerissen, daß sie auf einem solchen Punkte dann fürs erste nicht fähig ist, das aufgenommene Licht von seiten der andern Sonnen wieder zurückzuwerfen und ebensowenig auch das eigentümliche Licht ausströmen zu lassen, welches sich fortwährend auf dem elastischen Erdboden der Sonne entwickelt, wenn derselbe nicht auf die euch jetzt bekannte Weise zerrissen und daher für die Entwicklung des eigenen Lichtes untauglich gemacht wird.

[NS.01_008,14] Wir haben auch vorhin erwähnt, daß diese schwarzen Sonnenflecke dem bewaffneten Auge mit einem etwas weniger dunklen Walle verbrämt erscheinen. – Was ist denn dieser Wall?

[NS.01_008,15] Dieser Wall ist nichts anderes, als der jeweilige Aufwurf des elastischen Sonnenerdreichs, welches durch den Ausbruch einer solchen Verhärtung auseinandergerissen und dann auf allen Seiten gleich einer trichterförmigen Mauer, welche oben enger ist als unten, aufgeworfen wurde. Wollt ihr für die Entstehung eines solchen Walles um den schwarzen Fleck noch ein deutlicheres Beispiel haben, so machet aus zäher Erde, wenn sie noch die rechte Weichheit hat, eine Halbkugel, die inwendig hohl ist, stoßet dann von innen nach außen mit einem stumpfen Stiel ein Loch, so werdet ihr auf der äußeren Seite alsbald den durch diesen Durchstoß aufgeworfenen Wall erblicken. Nur wird der Wall mehr zerrissen sein, weil ein solcher Lehm dennoch in seinen Teilen weniger gleichartige Kohäsion besitzt als das Erdreich der Sonne.

[NS.01_008,16] Daß dieser Wall aber gegen den eigentlich schwarzen (Mittel-)Punkt dennoch matt erleuchtet erscheint, hat folgenden Grund, weil die also zerrissenen Teile, wenn auch über ihnen keine atmosphärische Glanzluft sich befindet, aber dennoch durch ihre heftigen Schwingungen ein hinreichendes eigenes Licht entwickeln, welches da gleichkommt dem ursprünglich eigentümlichen Lichte der Sonne. – Dadurch könnt ihr auch sehen, wie stark die Sonne mit ihrem eigenen Lichte leuchten würde ohne Beihilfe des allgemeinen Lichtes.

[NS.01_008,17] Ferner haben wir noch vernommen, daß sich über solche Wälle hinaus gewisse Sonnenlichtwellen oder Fackeln bilden. Diese entstehen durch das durch einen solchen Durchbruch bewirkte Wogen der atmosphärischen Glanzluft der Sonne. Denn eine Woge spiegelt sich dadurch in ihrer nachbarlichen Woge, wodurch dann der Glanz potenziert wird, während die Wogenfurchen notwendig matter leuchtend erscheinen müssen.

[NS.01_008,18] Sehet nun, bisher hätten wir alles nicht nur klar, sondern sogar handgreiflich dargestellt. Aber ich sehe schon im voraus einige gelehrte Füchse, die da einen vollen Backen Luft nehmen und dann mit furchtbar weiser Miene fragen und sagen: „Nun, die Sache läßt sich hören, und die Hypothese hat viel für sich; aber der Autor scheint bis jetzt noch vergessen zu haben, daß solche Sonnenflecke wieder vergehen und zu dem Behufe auch ihre Gestalt nach und nach sehr verändern. Wie wird nun der Autor sich da mit seinem aufgeworfenen Wall aus der Schlinge ziehen? – Auch hat man mehrererseits auf eben diesem Wall durch starke Augenwaffen die unglaublich schnellsten Bewegungen beobachtet. Dieser Fall möchte etwa wohl sehr bedeutend den ‚mauerartigen Wallaufwurf‘ unseres Autors beeinträchtigen oder ihn am Ende ganz zunichte machen?!“

[NS.01_008,19] O nein, Meine lieben Füchse. Das ist eben ein Hauptwasser auf unsere Mühle. Denn belieben dieselben nur ein wenig zu bedenken, daß wir schon gleich anfangs und bis jetzt her, und zwar aus dem besten und wohlerwiesenen Grunde von einem elastischen Erdreiche der Sonne gesprochen haben, welches nach dem Durchbruch sicher nicht fortwährend mauerfest gleich dem Krater eines Feuerspeiers auf der Erde bestehen bleiben wird, sondern sich nach und nach, zufolge eben der elastischen Eigenschaft, wieder zusammenzieht, und die durch solchen Durchbruch bewirkte Wunde wieder also verheilt, wie da die Wunde, welche zum Beispiel auf eurem Leibe durch ein Aiß entstanden ist, sich nach der Vereiterung desselben wieder verringert und endlich sich so ganz und gar ausheilt, daß nach einiger Zeit nicht eine Spur mehr zu entdecken ist, aus welchem Teile des Leibes ein solches Aiß eiternd durchgebrochen ist.

[NS.01_008,20] Wenn aber dieser Wall somit kein mauerfester, sondern ein elastischer ist, so werden sich etwa wohl die schnellen und weitgedehnten Bewegungen und Veränderungen eines solchen Walles aus ebendemselben Grunde wie dessen allmähliches Verschwinden gar überaus leicht erklären lassen. –

[NS.01_008,21] Nun, gibt es keinen Einwurf mehr? – Sehet, es lauert noch ein Fuchs im Hintergrunde. Dieser hat mit seinen mathematischen Instrumenten mehrere solcher Flecke gemessen und hat manche so groß gefunden, daß in ihrem schwarzen Raum gar leicht dreißig Erden nebeneinander Platz hätten.

[NS.01_008,22] Was will er denn damit sagen? – Er will damit nichts anderes sagen als: Wenn ein solcher Fleck auf die vorbeschriebene Art entsteht, so müßte man pro primo, wenn ein solcher Fleck sich an dem von der Erde aus sichtbaren Rande der Sonne befindet, den also aufgeworfenen Wall mehr erhaben erblicken, als es gewöhnlich der Fall ist, wo man eben von einer solchen Erhöhung gar nichts merkt.

[NS.01_008,23] Fürs zweite aber läßt sich noch diese sehr bedeutende Frage aufwerfen: Wenn die Sonne bei solchen Gelegenheiten eben solche inwendige Massen von sich schleudert, wohin kommen diese? Und beeinträchtigen solche gewaltige Verluste das Volumen der Sonne nicht? Denn man kann ja doch bei den größten Sonnenflecken annehmen, daß im kubischen Verhältnis eine solche hinausgeschleuderte Masse wenigstens, in runder Zahl genommen, tausend Erdkörper groß ist. Nehmen wir nun an, die ganze Sonne hat in kubischer Hinsicht den millionenfachen Inhalt der Erde, so müssen tausend solche große, aufeinanderfolgende Flecke ja notwendig die Sonne bei Butz und Stengel aufzehren!

[NS.01_008,24] Sehet, dieser Fuchs hat scharfe Zähne und noch schärfere mathematische Augen! Allein auch dieser soll in der Falle steckenbleiben. Denn so gut rechnen, als da solche Füchse es können, kann Ich wohl auch, – wo nicht ums Kennen besser. Ich will zwar auf die sehr kritische Frage dieses scharfzähnigen und scharfäugigen Fuchses nicht sogleich eine erklärende Antwort geben, sondern will ihm bei dieser Gelegenheit nur einige kleine Fragen zur Beantwortung vorlegen, und beantwortet er Mir diese, so soll ihm auch die Antwort auf seine Frage werden.

[NS.01_008,25] Wie oftmal ist zum Beispiel das Volumen alles dessen, was eine Eiche im Verlauf eines Jahres abwirft, in dem Eichbaum selbst enthalten, – und das noch dazu im Verlaufe von ungefähr zweihundert Jahren? Wenn er aber den Eichbaum jährlich mißt, so wird er sicher finden, daß der Baum dadurch nicht kleiner und magerer, sondern stets dicker, größer und höher geworden ist. – Wie ist solches möglich? – Die Antwort lautet: Durch den beständigen Ersatz aus all den Nahrungsquellen für einen Baum. – So sage Ich denn: Stoße mit derselben Nase in die Sonne, und du wirst auch dort finden, daß sich das Verlorene gar wohl ersetzen läßt. – Also hätten wir auch diesen Einwurf im Hintergrunde!

[NS.01_008,26] Was da aber noch die geringen Erhöhungen bei großen Sonnenflecken bezüglich des aufgeworfenen Wallrandes betrifft, so soll der Einwerfler einmal mit freiem Auge versuchen, auf zehn Meilen Ferne einen Grashalm zu erblicken, welches doch bei weitem nicht so viel sagen will, als wenn er mit seinem bewaffneten Auge in einer Entfernung von nahe 23 Millionen Meilen einen Aufwurf entdecken möchte, der im allergroßartigst strengsten Sinne über die Lichthülle der Sonne hinaus kaum den zehntausendsten Teil des Durchmessers der Sonne erreicht.

[NS.01_008,27] Solches möge der Einwerfler wohl beachten, so wird es auch ihm klarwerden, daß die Sache sich gar gut also verhalten kann, wie da erklärt worden ist, wenn er auch mit seinen geschliffenen Gläsern über den Rand der Sonne hinaus eben keine babylonischen Türme erblickt. – Zudem aber werden auch diejenigen Teile des Walles, welche bei einem solchen Durchbruch etwa über die Sonnenlichthülle zu ragen kommen, von der innersten Intensität der Strahlen eben dieser Lichthülle in mehr als Blitzesschnelle zersetzt und gewisserart zusammengeschmolzen, – aus welchem Grunde dann schon ganz vorzüglich nie eine solche vom Einwerfler vermißte Randhervorragung zu erblicken ist.

[NS.01_008,28] Somit wären wir mit den Flecken auch vollkommen fertig. – Nächstens wollen wir mit den Bewohnern der Sonne eine Stelle, wo ein solcher Durchbruch geschieht, selbst mit ansehen. Und so lassen wir es für heute gut sein!

 

9. Kapitel – Die Menschenrassen der Sonne und ihre Wohngebiete. – Die Sonnengürtel.

[NS.01_009,01] Es ist am Schlusse der vorigen Mitteilung gesagt worden, daß wir mit den Sonnenbewohnern einen solchen Durchbruch von seiner ersten Entstehung an und, wie es sich von selbst versteht, auch bis zu dessen vollem Verlauf beobachten wollen. Solches also werden wir auch tun.

[NS.01_009,02] Bevor wir aber solches recht nutzbringend tun können, müssen wir zuvor doch eine etwas nähere Bekanntschaft mit den Bewohnern der äußeren Sonne machen.

[NS.01_009,03] Wie sehen denn diese aus, und in welchen Verhältnissen leben sie untereinander? – Sind sie überhaupt mehr geistige oder mehr materielle Menschen? – Und gibt es nur eine Art oder mehrere Arten der Menschen auf diesem großen Planeten?

[NS.01_009,04] Es ist schon gleich anfangs erwähnt worden, daß auf dem Sonnenkörper alles das im vollkommensten Sinne des Wortes und der Bedeutung vorkommt, was nur immer auf all den andern Planeten spermatim viel unvollkommener und verkrüppelter und auch verhärteter vorkommt.

[NS.01_009,05] Solches ist auch der Fall mit den Menschen. – Danach könnt ihr auf dem Sonnenplaneten nicht nur alle Menschenarten dieser Erde, sondern auch die aller andern Planeten und ihrer Monde im vollkommensten Sinne, besonders was die Form betrifft, antreffen. Nur ist natürlich, gleich allem anderen, auch der Mensch bis zur höchsten Vollendung der Form nach ausgebildet, so zwar, daß ihr wohl auf der ganzen Erdoberfläche nirgends eine so schöne und vollkommene Menschenform antreffen möchtet als auf dem Sonnenplaneten. Ja ihr könnt es vollends glauben, ein Mann oder ein Weib in der Sonne ist dem Leibe nach so außerordentlich schön, daß ihr die Schönheit, ohne dabei das Leben zu verlieren, nicht drei Sekunden lang anzuschauen vermöchtet. Denn abgesehen von der überaus großen Fülle der Pracht in der Form, ist schon an und für sich der leibliche Glanz der Sonnenmenschen so stark, daß, so da irgend ein Mensch aus der Sonne auf irgendeinem wenigstens zehn Meilen von euch entfernten Berge stünde, ihr dennoch nicht imstande wäret, ihn vor lauter Lichtglanz anzuschauen. In einer größeren Nähe würde euch sein Glanz fast augenblicklich zu Asche verbrennen. – Das Weib ist auch in der Sonne noch viel runder und weicher als der Mann; aber ihr Leibesglanz ist minder als der des Mannes.

[NS.01_009,06] Ihr werdet hier leichtlich fragen: „Ja, wenn dem so ist, wie können denn hernach diese Sonnenmenschen formell bestehen, ohne plötzlich durch ihr eigenes Licht aufgelöst zu werden, nachdem sie doch auch sicher mehr oder weniger materiellen Leibes sind?“ – Dafür ist schon von Mir aus gesorgt. Auf der Erde gibt es freilich wohl keine Materie, welche in dem starken Sonnenlicht bestehen könnte; aber was da die Materie der Sonne betrifft, so besteht diese schon wieder auf anderen Gesetzen als die eines unvollkommenen Planeten. Und so besteht auch die Materie eines Sonnenmenschenleibes aus einem viel andern Stoffe als die Materie eures Leibes, und ist daher beständig, selbst unter den allerintensivsten Strahlen, nachdem sie gewisserart mehr geistig und somit auch ums Unvergleichliche einfacher ist als die eurige. Unter solchen Bedingungen können sonach die Sonnenmenschen gar wohl existieren und sich ihres Lebens freuen und dasselbe zu den nützlichsten Zwecken benutzen.

[NS.01_009,07] Die schönsten von allen Menschen der Sonne sind dennoch die weißen; obschon auch Menschen aller andern Farben nirgends etwa häßlich anzutreffen sind.

[NS.01_009,08] Was die Größe der Sonnenmenschen betrifft, so ist diese ebenfalls sehr verschieden. – Unter dem Äquator oder vielmehr in der Gegend des Äquators wohnen der Sonne kleinste Menschen, welche nicht viel größer sind als ein sehr großer Mann bei euch auf der Erde. Diese Menschen sind nahe samt und sämtlich von weißer Farbe und sind somit die schönsten auf dem ganzen Sonnenplaneten. – Um die Pole der Sonne aber wohnen ihre größten Menschen, von nahe dunkelroter Farbe, aber ebenfalls lichtglänzend. Wenn da ein solcher Mensch auf der Erde stünde, so würde es ihm eben nicht gar zu schwer werden, wenn er ganz in der Ebene der Meeresoberfläche sich befände, mit leichter Mühe, ohne seine Hand zu sehr in die Höhe strecken zu müssen, die Himalajaspitze der Erde zwischen dem Daumen und Zeigefinger zu fassen und sie bis gegen den Südpol der Erde hin zu schleudern. – Von dieser größten Menschengattung steigt die Größe abwärts bis zu den am Äquator wohnenden.

[NS.01_009,09] Hier werdet ihr sagen: Was tun denn hernach solche ungeheure Riesen mit den kleineren Menschen, wenn sie allenfalls bei der Gelegenheit einer Bereisung mit ihnen zusammenkommen? – Diese Frage ist so gut wie umsonst. Denn auf dem Sonnenplaneten ist eine jede Menschengattung durch die natürlich-planetarischen Verhältnisse der Sonne auf ihren Platz angewiesen und kann denselben so wenig verlassen wie ihr die Erde, wenn es euch noch so sehr gelüsten möchte, eine Reise in den Mond zu machen.

[NS.01_009,10] Ihr werdet hier wohl freilich wieder fragen: Wie ist solches zu verstehen? In den Mond ist eine Reise freilich wohl unmöglich, weil er als ein zu weit getrennter Teil von der Erde abständig ist. Aber die Sonne ist ein kontinuierlicher Körper, der überall eine und dieselbe Oberfläche hat, warum sollte denn da eine weite Reise für eine oder die andere Menschengattung unmöglich sein?

[NS.01_009,11] So geduldet euch nur ein wenig; wir wollen die Unmöglichkeiten sogleich ein wenig durchmustern. Und so höret denn! – Erstens ist der Erdboden des Sonnenkörpers sowohl von einem als dem andern Pol gegen den Äquator hin von sehr ungleicher Dichtigkeit, – so zwar, daß der Erdboden der Sonne um deren Pole nahe so fest ist wie der Boden eurer Erde; nur ist er nicht so spröde und zerbrechlich. Dieser Boden taugt ganz wohl für die vorbenannten Riesen. Wenn dieser Boden anfängt weicher zu werden, dann taugt er nicht mehr, die Last eines solchen Riesen zu tragen. – Möchte einer da eine Reise weitermachen, so würde er bald zu wanken anfangen, und bei noch weiter fortgesetzter Reise bei jedem Tritt in den elastisch weichen Boden bis über die Mitte seines Leibes hineinsinken. – fast als wenn ihr ein sehr großes Polster machen möchtet, welches da vom Boden bis zuoberst bei drei Klafter im Durchmesser hätte. Wie würde es mit eurer Wanderung über ein solches Polster, das da mit Federflaum ausgefüllt wäre, ergehen? Würdet ihr da nicht beim ersten Tritt auf demselben hineinsinken, allwann dann alles fernere Mühen, über dasselbe zu kommen, vergeblich wäre, und wenn es auch nicht länger als höchstens hundert Klafter wäre? – Möchtet ihr aber auf ein solches Polster eine Maus setzen, so wird diese schon recht wohl über das Polster laufen können; noch leichter aber eine Fliege. – Sehet, das ist also für solche Wanderungen schon ein Hindernis, demzufolge jede Menschenklasse auf ihren Kreis bleibend angewiesen ist.

[NS.01_009,12] Ein zweites Hindernis ist der Nahrungsstoff für verschiedene Klassen von Menschen. Denn wie da der Boden ist, also werden auch die Produkte, wenn auch durch den Willen des Menschen hervorgebracht. – Wie ist solches zu verstehen? – Nahe so wie bei euch auf der Erde, nur in viel vollkommenerem Sinne; denn auch der Sonnenboden gehorcht dem Willen der Menschen nicht überall gleich, – so wie er auf der Erde ebenfalls der Tätigkeit der Menschen nicht gleich gehorcht. So möchte sich einer auf den Kopf stellen, und er wird auf den Spitzbergen keine Ananas hervorbringen; während im umgekehrten Falle wieder der allergeschickteste Gärtner in einer Gegend unter dem Äquator kein Eismoos oder die sogenannte Rentierflechte zuwegebringen wird.

[NS.01_009,13] Auf der Erde richtet sich der Gehorsam des Erdbodens nach den klimatischen Wärmeverhältnissen. Solches ist auf dem Sonnenplaneten freilich wohl nicht der Fall, obschon es auch dort an den Polen etwas kühler ist als an dem Äquator. Daher richtet sich dort der Gehorsam des Erdbodens lediglich nach den auf- oder abnehmenden Graden der Weichheit desselben. Es kann oder es könnte vielmehr wohl auch ein Mensch eines festeren Bodens auf einem weicheren Boden etwas hervorrufen. Allein das Hervorgerufene wird wohl ungefähr die Form des Willens dessen haben, der es hervorgerufen hat; aber es wird viel kleiner, schwächer und weicher sein, wodurch es dann auch dem Bedürfnis des Magens dessen, der es hervorgerufen hat, ebensowenig mehr entspricht, als wenn ihr zum Beispiel auf einer Alpe euren Magen mit dem sparsamen Steinmoos sättigen müßtet, wobei gewiß niemandem mehr ein Speck wachsen würde. Möchte sich sonach auch ein Mensch von einer Polargegend der Sonne durch allfällige künstliche Mittel bis zum Äquator hin versetzen, so müßte er dort ohne Gnade und Pardon verhungern.

[NS.01_009,14] Ein drittes Hindernis sind die unterschiedlichen, großen Wasserkreise, welche vom Pol gegen den Äquator hin bei sieben Male das festere Erdreich gewisserart trennen. Ein solcher Wasserkreis hat allzeit eine Breite von mehreren tausend Meilen und gegen die Mitte zu nicht selten eine Tiefe von zehn bis zwanzig Meilen.

[NS.01_009,15] Das Wasser der Sonne ist viel leichter als das auf den Planeten; daher ist es auch für keine Schiffahrt tauglich, und so tut es sich auch mit dem Schwimmen auf demselben schon gar nicht. Das ist demnach ein non plus ultra Hindernis, welches die Sonnenmenschen nicht besiegen können; daher bleiben sie auch ganz ruhig auf ihrer Stelle und wissen nicht, ob über einem solchen Wasserkreise noch irgend ein Land zum Vorschein kommt. Sie sind vielmehr der Meinung, daß mit dem Anfang eines solchen Wasserkreises ihre Welt ein Ende hat, und sodann das Wasser in alle Ewigkeiten fortdauert.

[NS.01_009,16] Ein viertes Hindernis, dessen es kaum mehr nötig ist zu erwähnen, sind die vielen Vulkane und andern hohen Berge längs eines solchen Wasserkreisufers. Diese Vulkane toben und wüten zumeist unablässig und zwar hier und da in einer so großartigen Form, daß ihr euch auf der Erde davon rein keinen Begriff machen könnt. Denn da sind manche Krater größer als euer ganzes Europa, aus denen zu allen Zeiten Trillionen der heftigsten Blitze unter dem vehementesten Getöse und Gekrache entstürzen. Von solchen großartigen Naturschauspielen aber sind die Sonnenbewohner durchaus keine besonders großen Freunde. Demnach heißt es auch bei ihnen in der Tat, wie bei euch im Worte: Hübsch weit weg, ist gut vor dem Schuß zu sein. – Diese Vulkane hindern auch die im Innern des Landes wohnenden Menschen, allfällige Weltumsegelungs-Versuche zu machen; und so bleiben sie, wie ihr zu sagen pflegt, beständig hübsch zu Hause.

[NS.01_009,17] Es gäbe zwar noch einige Hindernisse; allein es genügen diese, damit ihr einsehet, wie da die verschiedenen Größengattungen der Menschen auf dem Sonnenplaneten ganz ungeniert auf einem und demselben Weltkörper leben können. Somit hätten wir zum voraus ganz oberflächlich die Lokalverhältnisse der Menschen wie auch die Menschen selbst beschaut und können uns demnach wieder zu unseren schönsten Menschen der Sonne, die dort am Äquator wohnen, begeben und mit ihnen die gleich anfangs der heutigen Mitteilung besprochene Naturszene der Sonne beschauen.

 

10. Kapitel – Der Mittelgürtel der Sonne. – Landschaft und Bewohner daselbst. – Ausbruch einer Sonnengeschwulst.

[NS.01_010,01] Der bewohnbare Streif oder vielmehr Gürtel der Sonne zu beiden Seiten des Äquators beträgt je im Durchschnitt genommen etwas über 20000 Meilen im Durchmesser der bewohnbaren Breite. Dieser Gürtel ist zugleich auch der allerbewohnteste Teil der ganzen Sonne und kann von jedermann überall bewandert und bereist werden. Das Erdreich dieses Gürtels ist überall gepolstert weich; daher niemand, wenn er auch auf den Boden fällt, sich auch nur den allerleisesten Schaden zufügen kann.

[NS.01_010,02] Südlich und nördlich an diesem Gürtel aber befinden sich die außerordentlichsten, ununterbrochenen und zuallermeist unübersteiglich hohen Gebirge, welche sich hier und da wohl auch über die Breite des Äquators in sanfteren Erhöhungen ziehen, welche leicht zu besteigen und zu übersteigen sind. Aber nicht also an der südlichen oder nördlichen Grenze des Äquatorgürtels, allda die Berge nicht selten ein- bis zweihundert deutsche Meilen hoch und zumeist so steil und dabei wie poliert glatt sind, daß da wohl niemand imstande ist, allda wo die Steilen anfangen, auch nur einen Fuß weiterzusetzen.

[NS.01_010,03] Wenn aber hier und da die Steilen auch noch eine solche Neigung haben, daß sie mit großer Mühe und Beschwerde erklommen werden könnten, so haben aber dennoch die hohen Berge der Sonne die Eigenschaft, daß sie, je höher sie ragen, auch stets desto unerträglich weißglänzender werden. Die Ursache liegt darin, weil die Wände solcher Berge durch den Umschwung der Sonne, je höher sie sind, auch einem desto heftigeren Druck der Sonnenluft ausgesetzt sind, wodurch dann ihre, das Geistige umfassenden Hülschen (aus denen eigentlich alle ihre Materie gebildet ist), in eine auch desto heftiger reagierende und sich ausdehnen wollende Vibration geraten, welches dann, wie ihr schon wißt, auch der Grund des immer heftiger werdenden eigentümlichen Leuchtens ist.

[NS.01_010,04] Aus diesem Grunde auch werden dann selbst diese allenfalls ersteigbaren Himalajas und Chimborassos der Sonne in Frieden gelassen, und die Sonnenbewohner haben nur dann eine Lust an diesen Bergen, wenn sie dieselben in Entfernungen von hundert bis tausend Meilen nach eurer Rechnung in weiten Reihen überschauen können. Dessenungeachtet aber sind sie doch überaus große Freunde von den mäßigen Erhöhungen und niederen Bergen und wohnen zumeist auf solchen; denn die großen und weitgedehnten Ebenen sind nie sicher vor einem Durchbruche, den wir bei dieser Gelegenheit, wie schon gesagt, mit den Bewohnern der Sonne anschauen wollen.

[NS.01_010,05] Auch sind hier und da auf den weiten Ebenen große Seen ausgebreitet, welche die Sonnenbewohner zwar recht gerne anschauen, aber in eine zu große Nähe wollen sie denselben gerade auch nicht kommen, weil diese Seen oft unversehens austreten, und dann könnten die Bewohner nicht schnell genug den ihnen nachstürzenden Fluten entfliehen; denn ein solcher See faßt manchmal mehr Wasser in sich als alle eure Meere der Erde.

[NS.01_010,06] Allein darum haben die vielen tausend Millionen Menschen, welche nur diesen Gürtel bewohnen, dennoch den überaus hinreichendsten Platz, denn ein einziger solcher Hügelrücken der Sonne hat mit seinen Verzweigungen nicht selten einen bei weitem größeren Flächenraum als bei euch Asien, Afrika und Europa zusammengenommen. Daher ist auch durchaus nicht zu sorgen für den Platz der Sonnenbewohner. Zudem sind auch diese Sonnenhügel durchaus nicht mit euren Erdhügeln zu vergleichen; denn sie sind dessenungeachtet am Ende über die Ebene hinaus doch noch fünf bis zehn Meilen hoch, welches die zehnfache Höhe eures allerhöchsten Berges der Erde beträgt. Darum denn auch die Aussicht von einem solchen Hügel für eure Begriffe eine wahrhaft unbeschreiblich herrliche ist; denn die überaus mannigfaltigen Gruppierungen der Grenzgebirge, die großartigen Wohngebäude der Menschen, die da die Hügel bewohnen, und die große abwechselnde Mannigfaltigkeit in der Vegetation, die weithin glänzenden Seespiegel, die zahllos verschiedenen Farben der Dinge, und besonders die überaus majestätisch und großartig angelegten Lehrtempel machen die Aussicht von einem solchen Hügel so überaus herrlich, daß sie wirklich über alle eure Begriffsformen ins für euch Unbegreifliche erhaben ist.

[NS.01_010,07] Wir brauchen dazu kaum noch zu erwähnen der vielen sanften und schönen Land- und Lufttiere, welche allda in besonderer, mannigfaltiger Schönheit vorhanden sind, um euch dadurch auch das Belebte dieser Sonnengegend ein wenig mehr vor die Augen zu rücken.

[NS.01_010,08] Kurz und gut, wir haben jetzt genug, um uns behaglich auf einem dieser Hügel zu lagern, und von ihm aus mit den Sonnenbewohnern einer für euch sicher überaus großartigen Naturerscheinung der Sonne beizuwohnen. Damit ihr aber diese merkwürdige Szene desto lebhafter beobachten möget, so wollen wir bei dieser Gelegenheit uns offenen Ohres unter die Sonnenbewohner mengen und zuhören, was sie bei solcher Gelegenheit für eine Stimme führen.

[NS.01_010,09] Sehet, dort nicht ferne von einem großen Tempel, dessen spitzig-erhabene Dachung auf tausend großen weißglänzenden Säulen ruht, steht eben eine Gruppe von etwa hundert Menschen beiderlei Geschlechts. Sehet, wie sie zur andern Seite über den Hügel hinabstarren und mit den Fingern zeigen. – Was mögen sie wohl haben? – Nun, das wird sich bald finden.

[NS.01_010,10] Sehet, wir sind schon unter ihnen.

[NS.01_010,11] Dort, in weiter Entfernung, in der Mitte eines großen Sees, fängt ein kegelförmiger Hügel sich zu erheben an. Sehet, wie er zusehends wächst! – Doch jetzt wollen wir nicht mehr weitersprechen, sondern bloß hören, was die Sonnenbewohner sprechen, und schauen, was sie selbst, wenn schon mit derlei Erscheinungen vertraut, mit hoch erstaunten Augen und bebenden Gemütern anschauen!

[NS.01_010,12] Sehet, da sind eben mehrere Lehrer, welche die Erscheinung beobachten. Die zwei Vorsteher besprechen sich miteinander. – Der A spricht: „Bruder, was hältst du von dieser Erscheinung? Wie hoch, meinst du wohl, wird sich diese Geschwulst diesmal erheben bis zum Ausbruche? Siehe, sie wächst mit größter Heftigkeit!“

[NS.01_010,13] Der B spricht: „Bruder, jetzt läßt es sich noch nicht bestimmen; denn wie du weißt, wenn sie keine Nebengeschwülste bekommt, so wird sie nur einen gewöhnlichen, bald erfolgenden Ausbruch darbieten. Aber sieh, ich bemerke soeben neuerdings eine Menge Tuberkeln sich über die Oberfläche des Wassers erheben! Und da sieh einmal hin, hinter dem erst beobachteten Kegel sehe ich soeben einen noch bei weitem umfangreicheren sich mit großer Hast über den erstbeobachteten erheben. – Höre Bruder, diesmal werden wir uns wohl müssen mehr auf die Höhe ziehen; denn wenn das so fortgeht, so wird die Geschwulst, bevor sie zum Ausbruche kommt, uns das Wasser hierher heben.“

[NS.01_010,14] Der A spricht: „Ja, lieber Bruder, du möchtest diesmal wohl recht haben; denn die Geschwulst wächst heftig, und noch immer erheben sich mehrere aus dem Wasser, und noch immer bemerke ich keine rotglühenden Gipfel. Daher höret alle, ihr lieben Brüder und Schwestern, ziehen wir uns nur eiligst auf den hinter uns liegenden Hügel, auf dem ein Hauptlehrtempel errichtet ist.“

[NS.01_010,15] Nun sehet, eiligst verläßt alles diesen Platz und eilt wie vom Winde getragen rückwärts auf den bedeutend höheren Hügel.

[NS.01_010,16] Nun haben sie den vorbenannten Tempel schon erreicht, und wir mit ihnen. – Nun lasset sie uns auch weiter hören!

[NS.01_010,17] Der A spricht: „Bruder, was meinst du, wird es geheuer sein, den Durchbruch abzuwarten? Wird er bloß in die Höhe ausbrechen, oder bemerkst du nicht, daß der erstbemerkte Kegel eine Neigung gegen unseren Standpunkt nimmt?“

[NS.01_010,18] Der B spricht: „Bruder, du hast recht! Der große Gott möge uns jetzt die rechte Flucht anzeigen, sonst sind wir verloren mit allem, was da diese Stätte ziert.“

[NS.01_010,19] Sehet, alles fällt auf diese Bemerkung bebend auf den Boden nieder und bittet den großen Gott um Erbarmen und um die Erleuchtung ihrer Lehrer und Führer, damit diese sie auf eine Stelle zu bringen vermöchten, allda es geheuer wäre, solche Kalamität abzuwarten.

[NS.01_010,20] Sehet, der A erhebt sich wieder, und der B mit ihm. Und der A spricht: „Bruder! Dank, ewiger Dank dem großen Gott! Denn da sieh hinauf – rückwärts auf den dritten Hügel! Bei dem kleinen Tempel, der da nur aus 77 Säulen besteht, steht schon ein schützender Engelsgeist aus lichter Sphäre. Daher laß uns schnell dorthin eilen; denn wir werden ihn kaum erreichen, so wird die sämtliche große Geschwulst dem Ausbruch auch schon völlig nahe sein. Denn siehe, wie heftig sich alle die Kegel emporziehen, und wie sich ihr Umfang stets mehr und mehr erweitert! Das sind schon nahe Vorzeichen des furchtbarsten Ausbruches!“

[NS.01_010,21] Sehet, sie erheben sich alle und eilen dahin, wo der Schutzgeist ihnen eine sichere Stelle andeutet. Sehet, wie sie sich an den Händen halten, und eins das andere zieht, damit ja niemand zurückbleibe oder ermatte! – Nun sehet, sie sind nahe dem Ziel, und wir mit ihnen; noch eine kurze Frist, und die Stelle ist erreicht.

[NS.01_010,22] „Wir sind hier“, spricht der A, „ewiges Lob, ewiger Preis und Dank dem großen allmächtigen Beschützer, der uns diesmal errettet hat! Und du, unser biederer Schutzgeist, wenn es der Wille des großen Gottes ist, bleibe die Zeit des Schreckens bei uns und helfe uns trösten die Schwachen.“

[NS.01_010,23] Der B spricht: „Ja, jetzt und allezeit geschehe der allein allmächtige Wille des großen Gottes!“

[NS.01_010,24] Ein Dritter kommt hinzu und spricht: „Brüder, sehet hinab auf unseren ersten Standpunkt, wie er schon von den gewaltigsten Wasserwogen bespült wird, und kaum mehr ist das Dach des Tempels noch zu sehen!“

[NS.01_010,25] Ein Vierter kommt hinzu und zeigt mit aufgehobener Hand aufwärts und spricht: „Sehet, Brüder, um des allmächtigen Gottes willen: die schon jetzt die höchsten Berge überragende Geschwulst bekommt schon glühende Äste, und tausende schießen ihnen noch nach!“

[NS.01_010,26] Und der A spricht: „Seid ruhig, Brüder! Denn wir sind geborgen. Die Geschwulst nimmt eine andere Wendung; sie neigt sich uns gegenüber. Und nichts Verheerendes wird uns erreichen, wenn sie zerrissen wird.“

[NS.01_010,27] Der B spricht: „Nun macht euch gefaßt! Schon wird der ganze Kegel rotglühend, und den Feuerzweigen entstürzen schon Millionen und Millionen Blitze. – Wie hoch möchte wohl die Geschwulst jetzt schon sein? Hat sie schon die Glühoberfläche der lichten Luft erreicht?“

[NS.01_010,28] Hier tritt der Schutzgeist zu ihnen und heißt sie sich niederlegen auf den Boden und die Finger in die Ohren halten. Denn die Geschwulst erhebt sich schon über die Oberfläche der Glühluft, und alsogleich wird der Durchbruch erfolgen.

[NS.01_010,29] Nun sehet, es wird alles stumm und liegt mit zugehaltenen Ohren bebend am Boden. Jetzt horchet aber auch ihr und sehet hin auf den mehrere tausend Meilen im Durchmesser habenden, rotglühend aufgeschwollenen Kegel. Sehet, jetzt zerreißt er! Ein erdenzerschmetternder Knall erfolgt. Die Berge erbeben gewaltigst. Und jeder Höhe entfahren bei dieser Erschütterung Millionen der gewaltigsten Blitze, jeder begleitet von dem unerhörtesten Donner.

[NS.01_010,30] Sehet hin, wie nun die Wände nach und nach dunkler werden und gewaltig krampfhaft zucken! Aber sehet da hinab, noch sind einige Nebenkegel nicht zersprungen. Dahin sehet – mehr zur rechten Seite gegen Süden hin; da ist noch ein Kegel, dieser wird in der Niederung zerplatzen. Gebt nur acht, wenn seine Kuppe ästig wird, weißglühend und ganz lebendig von zuckenden Blitzen, so wird er zerreißen. Nur noch eine kleine Geduld, und ihr werdet alsogleich das großartige Schauspiel sehen! – Jetzt sehet hin, – jetzt zerreißt er!

[NS.01_010,31] Sehet, welche Massen mit mehr als Blitzesschnelle der weit gähnenden Kluft entstürzen! Was sind denn diese Massen? – Ihr kennt sie schon; es sind neue Ausgeburten für neue Weltkörper, bestehend aus zurückgegangenen, ihre Freiheitsprobe nicht bestanden habenden Geistern!

[NS.01_010,32] Sehet dorthin in weite Fernen, wie da wieder eine Menge von Leuchtkugeln größerer und kleinerer Art in die weit gedehnten Wasserflächen zurückfallen. Erhebet aber auch eure Augen von der Sonne aufwärts in den unendlichen Raum hinein und sehet, wie auch das sichtbare Firmament von zahllosen, von euch so benannten Sternschnuppen nach allen Richtungen durchkreuzt wird. Und seht noch ferner, wie sich von dem viele Planeten fassend weiten Krater ungeheuere Rauch- und Wolkensäulen erheben und mit der größten Schnelligkeit hintanwogen – in die fernen Planetengebiete!

[NS.01_010,33] Und sehet, wie sich der große Krater immer mehr und mehr verengt – und wieder zusammensinkt hinab in die Tiefe. –

[NS.01_010,34] Seht auch hin, wie sich unsere Gesellschaft wieder vom Boden zu erheben anfängt und Mir ein lautes Lob darbringt für ihre Erhaltung und für den so glücklichen Ausbruch dieser selten großen Geschwulst.

[NS.01_010,35] Nun sehet, also sieht ein solcher Ausbruch aus. Nur dauert dessen Wachsen und Verschwinden natürlicherweise viel länger, wie auch alle die hier angeführten Erscheinungen. – Da wir sonach dieses gesehen haben, so wollen wir uns darüber nächstens mit den Bewohnern der Sonne noch etwas näher besprechen und überhaupt mit den Menschen dieses Gürtels eine nähere Bekanntschaft machen. Und so lassen wir die Sache heute wieder gut sein!

 

11. Kapitel – Pendel-Zeitmesser der Bewohner des Mittelgürtels. – Das Zeitwächteramt und sonstige Ämter.

[NS.01_011,01] Da wir uns noch bei unserer Gesellschaft befinden, so wollen wir uns auch noch eine Zeitlang bei ihr aufhalten und dabei so manches behorchen und beschauen, was sie alles noch tun und reden werden.

[NS.01_011,02] Noch befinden sie sich auf der dritten Höhe nahe dem kleinen Tempel, der da nicht mehr als 77 Säulen hat. Und sehet, soeben tritt wieder der B zum A hin und fragt ihn, wie da folgt: „Bruder, was meinst du nach deiner Weisheit, wie lange wird es dem großen Gott gefallen, die ihrer Not entleerte Geschwulst also offenstehend zu belassen?“ – Es spricht der A: „Bruder, du weißt ja, daß wir nichts schwerer bestimmen als das Zeitmaß. Wie magst du mich um solches fragen? Gib mir aber einen Zeitmesser, so will ich es dir ja sagen.“ – Es spricht der B weiter: „Lieber Bruder, siehe, da wo wir unsern Zeitmesser aufgestellt hatten, steht jetzt das Wasser, daher kann ich dir nun keinen Zeitmesser verschaffen. Aber so viel kannst du mir ja doch sagen: Wie weit könnte ich wohl kommen mit einer mittleren Bewegung, bis der gewaltige Austrieb wieder zurücksinken wird in seine vorige Lage?“ – Und es spricht der A weiter: „Du möchtest in der Zeit wohl siebenundfünfzig Millionen Schritte tun, bis der Austrieb sich wieder völlig in die Tiefe zusammensenken und vernarben wird, und bis endlich selbst die Narbe verheilen wird zu einem glatten Grunde des großen Sees.“

[NS.01_011,03] Ihr werdet hier vielleicht fragen: Warum bestimmen denn die Sonnenbewohner die Zeit nicht nach Jahren, Tagen und Stunden? – Die Antwort auf diese Frage liegt klar vor euch; denn in der Sonne ist ja nie Nacht, sondern ein ununterbrochener Tag. So gibt es auch keinen Mond, nach dessen Umlauf die Sonnenbewohner die Zeit bestimmen könnten.

[NS.01_011,04] Zudem sind die Gestirne des Himmels von diesem Gürtel aus auch am schlechtesten zu sehen, da in dieser Gegend der Sonne ihre Luft am unruhigsten ist, weil sie eben durch den mächtigen Umschwung der Sonne am meisten umhergetrieben wird. Durch diesen Umstand entzündet sie sich hier auch am meisten und wird besonders in den höheren Regionen überaus stark leuchtend, durch welches nahezu beständige Leuchten es dann vom eigentlichen Sonnenkörper aus nicht so gut in die freien Schöpfungsräume hinauszuschauen ist, wie von jenen Punkten der Sonne, allda ihre Luft nur bei weitem geringer getrieben und genötigt wird (was besonders in den Polargegenden der Fall ist).

[NS.01_011,05] Sehet, aus diesem Grunde geht es den Sonnenbewohnern dieses Gürtels mit der Zeitbestimmung auch etwas schwer, da sie keinen Morgen, keinen Mittag, keinen Abend und somit auch keine Nacht haben. – Was tun sie aber dann, um dennoch eine Zeitrechnung zu haben?

[NS.01_011,06] Sie lassen Bäume von bedeutender Höhe aus dem Boden wachsen, wozu sie eben nicht viel Zeit, Mühe und Arbeit brauchen; sondern ein oder der andere Lehrer zeichnet sich in seiner Idee einen solchen zu errichtenden Baum vor; hat er ihn einmal völlig entworfen, so beugt er sich zur Sonnenerde, ritzt mit einem spitzigen Werkzeuge den Erdboden, steckt dann das spitzige Werkzeug so tief als möglich ins Erdreich, zieht es dann wieder heraus und überstreicht mit seinen Fingern die Ritze und in der Mitte derselben das gemachte Loch und spricht dann nach dieser Arbeit: „Des großen Gottes Wille geschehe!“ – Und alsbald fängt der bezeichnete Baum dem Sonnenerdboden zu entsprießen an. Ist der Baum in kurzer Zeit nach dem Willen dessen, der ihn bezeichnet hat, vollkommen da, so wird er dann zu dem Zweck benutzt, für welchen er aus dem Boden der Sonne gerufen wurde.

[NS.01_011,07] Da wir soeben von einem Baum gesprochen haben, der die Zeit anzeigen oder vielmehr der Zeitmessung dienen soll, so wollen wir denn auch bei dieser Gelegenheit sehen, wie da ein solcher Baum für den besprochenen Zweck gestaltet und verwendet wird.

[NS.01_011,08] Ihr habt sicher schon bei euch auf der Erde ein Gartenspiel gesehen, welches den Namen „Das Taubenschießen“ hat. Sehet, also sieht auch ein solcher Baum aus; nur ist er nicht behauen und hat keine eingebohrten Sprisseln, sondern ist ein runder, bei fünf Klafter im Durchmesser und bei dreihundert Klafter in der Höhe habender Baum, von dem zu beiden Seiten, gleich riesenhaft großen Ochsenhörnern, die Sprisseln statt anderer Zweige hinausgewachsen sind. Zuoberst krümmt sich der Baum ungefähr fünf Klafter über seinen Grund hinaus und ist allda mit einer beliebigen Krone zur Zierde versehen. Auf diesem Vorbuge wird eine lange Schnur angebunden, und zuunterst, nicht ferne vom Boden, wird an diese Schnur ein Pendel von kugelrunder Form und verhältnismäßiger Schwere angehängt. Alsdann nimmt ein Mensch die Kugel und schwingt sie so weit es nur seine Kraft mit einem Wurf vermag. Sodann schwingt sich dieser Pendel eine geraume Zeit hindurch. Und nach den Schwingungen dieses langen Pendels wird dort zuallermeist die Zeit bestimmt.

[NS.01_011,09] Ungefähr in einer halben Minute macht ein solcher Pendel eine Schwingung. – Und eine gewisse Summe solcher Schwingungen gibt dann einen Zeitraum, den sie ungefähr also, wie ihr eine Stunde, annehmen. – Die ganze Schwungzeit vom Wurfe angefangen bis zum völligen Stillstand nennen die Sonnenbewohner ungefähr das, was ihr einen Tag nennt.

[NS.01_011,10] Was geschieht aber hernach, wenn ein solcher Zeitmesser seine Schwingungen eingestellt hat? Dann ist der Zeitwärter schon wieder bei der Hand und schwingt seinen Pendel von neuem. Solche Verrichtung ist bei den Sonnenbewohnern ein überaus ansehnliches Amt. Denn diese Sonnenmenschen haben von ihm eine ganz überaus hohe Meinung und halten ihn für die allerwichtigste Person in einer Gesellschaft. Denn sie sagen: „Wenn dieser nicht beständig Wache halten möchte über das Pendel, so wüßte ja niemand, wann er geboren wurde und wie alt er schon ist.“

[NS.01_011,11] Daher gibt es auch hie und da Bestechungen an diese Zeitwärter; denn den Sonnenbewohnern dieses Gürtels ist nichts lästiger als das Alter. Allein es ist dort eine leichte Kunst, wieder jung zu werden; man darf nur mit einem solchen Zeitwärter übereinkommen, daß er auf eine Zeitlang das Pendel ruhen läßt. Ein solches Ruhen wirft sogleich alle früheren Zeitrechnungen über den Haufen und macht sie zugleich auch völlig ungültig, und sie fangen dann wieder von neuem an zu zählen.

[NS.01_011,12] Ihr werdet hier wohl sagen: Ja, was ist hernach mit dem vorigen Schwingungszeitraume, der vor dem Stillstande verflossen ist? – Dieser wird darum aus der Rechnung getilgt, weil man die Länge des Stillstandes nicht bestimmen kann. Daher werden wieder bei einem neubegonnenen, durch die Schwingungen gemessenen Zeitraum alle Menschen wieder gleich alt. Denn das kann dort auch sehr leicht der Fall sein, da dort das Altern durchaus nicht in der Natur begründet ist; sondern ein nach eurer Zeitrechnung mehrere hundert Jahre alter Mensch sieht noch ebenso frisch und heiter aus, als er allenfalls in seinem zwanzigsten Jahre nach eurer Zeitrechnung ausgesehen hatte. Daher tut es sich denn auch mit dem Sich-jünger-Machen, was da die Zeitdauer des Lebens betrifft. Und so unterscheidet sich auch alt und jung allein in der Weisheit.

[NS.01_011,13] Aus diesem Grunde ist dann auch die Vorliebe zum beständigen Jungsein nur mehr bei dem weiblichen Geschlecht, und bei dem männlichen Geschlecht nur dann, wenn sie sich mit einem Weibe ehelich verbinden wollen. Wenn es sich aber darum handelt, irgend ein wichtiges Amt zu überkommen, da werden sogar die Pendelstillstände gezählt, so daß bei solchen Gelegenheiten mancher dann ein so hohes Alter herausbringt, daß er auch von den wahrhaft weisen Lehrern und Amtsverleihern weidlichst ausgelacht wird. – Das Alter wird aber bei solchen Gelegenheiten dann auch nicht nach den vorgewiesenen Pendelschwingungen beurteilt, sondern dem Amtsbewerber werden in einem dazu eigenen Tempel von den Lehrern sehr schwierige Fragen zur Beantwortung gegeben; beantwortet er diese zur vollkommenen Zufriedenheit der Lehrer, so wird er von denselben alsbald als amtsbefähigt anerkannt und ihm wird eine Zahl gegeben, welche da besagt sein Alter. Ist ein solcher Amtskandidat natürlicherweise auch nicht mehr als dreißig Jahre alt, so wird er aber dennoch vermöge seiner Weisheit für sechzig erklärt.

[NS.01_011,14] Ihr werdet hier fragen: Was gibt es denn da für verschiedene Ämter? – Ich sage euch, es gibt auf gar keinem Planeten so viele und verschiedene wie hier. Obschon es hier zwar keine Kreisämter und dergleichen andere Ämter gibt, wie sie auf der Erde bei euch vorhanden sind, so gibt es aber dennoch eine ganze Legion anderer, von denen ihr bis jetzt freilich wohl keinen Begriff haben könnt. Darum auch wollen wir alsogleich mehrere der wichtigeren durchgehen.

[NS.01_011,15] Die ersten und vorzüglichsten Ämter sind die Lehrämter, dazu es auch, besonders in diesem Gürtel, eine nahe zahllose Menge von den herrlichsten Lehrtempeln auf den Höhen gibt, in welchen die Sonnenmenschen über alles mögliche allzeit belehrt werden.

[NS.01_011,16] Ein zweites Hauptamt ist das Priesteramt; dieses besteht darin, daß diese Priester sich alleremsigst mit dem göttlichen Wesen und Seiner Ordnung bekanntmachen müssen. Dessenungeachtet aber sind dennoch die Lehrer der ersten Art erhabener; denn sie sind die eigentlichen Oberpriester und dadurch auch Regenten des ganzen Volkes.

[NS.01_011,17] Ein anderes Amt besteht darin, daß durch dasselbe der Wille der Menschen geleitet, geordnet und ausgebildet wird nach dem Willen Gottes; und zwar wird ihnen, wie ihr zu sagen pflegt, theoretisch und praktisch gezeigt, daß der Mensch mit seinem Willen nur dann vollkräftig wirken kann, wenn dieser im vollkommenen Einklange steht mit dem Willen des großen Gottes. – Daher ist es auch jedes Menschen erste Pflicht, diesen allermächtigsten und allerheiligsten Willen vor allem zu erforschen und zu erkennen; denn ohne den vermag niemand eine Pflanze aus dem Boden zu locken.

[NS.01_011,18] Solches wird ihnen auch praktisch gezeigt, indem ein Lehrer einen oder den andern Schüler nimmt und heißt ihn, nach seinem eigenen Willen den Boden zu ritzen und ihn dann mit seinen Fingern zu bestreichen und sodann seine Idee aus demselben herauszuziehen; aber es erfolgt in diesem Fall keine Frucht und keine Pflanze. – Wogegen dann ein solcher Lehrer den Schülern wieder den Willen des großen Gottes zeigt, läßt denselben von ihnen in sich aufnehmen, sodann das Erdreich ritzen und mit den Fingern bestreichen und dann mit dem anerkannten Willen des großen Gottes die Idee aus dem Boden ziehen. Und alsobald erblicken die Schüler die Macht des Willens, – wenn er im Einklange steht mit dem Willen des Allerhöchsten!

[NS.01_011,19] Sie zeigen ihnen auch, daß der Mensch wohl alles dem Erdboden entlocken kann, was er will; aber nur muß er solches nicht wie aus eigener Macht tun wollen, sondern durch das Gebet und die Macht des Willens des großen Gottes. Und dieses wird den Schülern ebenfalls wieder praktisch gezeigt.

[NS.01_011,20] Sehet, das ist ein recht wichtiges Amt; denn in diesem Amt wird im eigentlichsten Sinne die Sonnenlandwirtschaft gelehrt.

[NS.01_011,21] Ein anderes Amt besteht darin, daß den Menschen die Ordnung gezeigt wird, in welcher sie ein oder das andere Geschäft vornehmen sollen. Und dieses Amt ist ebenfalls wieder von großer Wichtigkeit; denn hier lernen die Sonnenmenschen keine andere als Meine Ordnung kennen. Auch hier wird ihnen wieder durch Belehrung und Übung gezeigt, wie da eine dieser Ordnung entgegengesetzte Unordnung auf alles das, was die göttliche Ordnung hervorgebracht hat, zerstörend einwirkt; und wird ihnen gezeigt, wie solche Unordnung allem, was da lebt und webt auf dem überweiten Boden, das Leben gefährdet.

[NS.01_011,22] Ein noch anderes Amt hat die Austeilung des Sonnenerdbodens über sich. Denn obschon es in der Sonne kein eigentliches Eigentumsrecht gibt, so geschieht aber doch eine solche Austeilung der Ordnung wegen. Und es wird den Menschen angezeigt, wo sie dies und jenes dem Boden entlocken dürfen und in welcher Ordnung solches zu geschehen hat, damit nicht Bäume, Gras und Pflanzen durcheinanderwachsen, sondern in allem eine gute und bestimmte Ordnung sei. Sehet, auch das ist ein recht gutes Amt, demzufolge dieser ganze, überaus große Sonnengürtel nicht anders erscheint, als ein überaus großer, ununterbrochener Garten, geschmückt mit den herrlichsten, zahllosartigen Baumgruppen, Gesträuchen, Pflanzen und Gräsern, welche, wie schon gesagt wurde, bei jedem einzelnen Sonnenbewohner, besonders dieses Gürtels, gänzlich verschiedenartig sind, – was eben den Reiz und die Schönheit dieser großen Länder ums Unbeschreibliche erhöht.

[NS.01_011,23] Ein anderes Amt, welches schon vielfältiger ist, unterrichtet die Menschen, wie sie die hervorgebrachten Bodenerzeugnisse gebrauchen sollen, und lehret sie zugleich die gerechte Mäßigung in allen Dingen.

[NS.01_011,24] Ein anderes Amt hat das Tierreich über sich und teilt dieses in Klassen, lehrt ihre nützliche Anwendung und lehrt auch die Menschen erkennen, warum sie nicht auch die Tiere mit ihrem Willen hervorzubringen imstande sind. – Ein anderes Amt lehrt, wie man sich bei den verschiedenen Luftzügen und Flammenzügen von den Gebirgen zu verhalten hat. – Wieder ein anderes Amt lehrt die Menschen durch eine Art Schriftzeichen, welche ungefähr euren Zahlzeichen ähnlich sind, die verschiedenen Verhältnisse der Dinge anzumerken und danach zu erkennen und sie auch den andern mitzuteilen. – Wieder ein anderes Amt hat das Baufach über sich und lehrt, wie da die Wohnhäuser, die verschiedenen Amtshäuser, die Lehrtempel und endlich die Gotteshäuser gebaut sein müssen, und bildet dadurch auch eine eigene Klasse von Menschen aus, die sich dann mit nichts anderem beschäftigen als lediglich nur mit dem, was das Baufach betrifft. – Und so gibt es noch, wie schon gesagt, eine Menge Ämter, von denen wir noch bei günstigen Gelegenheiten werden mehrere kennenlernen.

[NS.01_011,25] Für jetzt aber wenden wir noch einen Blick auf unsere frühere Gesellschaft zurück und sehen, wie diese schon anfängt, sich von dem dritten Hügel herabzubegeben auf den zweiten, allda sich ein großer Tempel befindet. Denn die Geschwulst ist schon so weit wieder zurückgewichen, daß das Wasser den ersten Hügel, auf dem sich eben ein solcher Zeitmesser befindet, wieder geräumt hat. Und so eilt auch einer aus der Gesellschaft hin, um das Pendel wieder in den Schwung zu bringen, damit sie darnach genauer noch den Verlauf der ganzen Geschwulst bestimmen können.

[NS.01_011,26] Jedoch für heute wollen wir unsere stark glänzende Gesellschaft nicht länger mehr beobachten; dafür aber werden wir den Verlauf der Dinge schon bei der nächsten Mitteilung einholen. Und so lassen wir's für heute gut sein!

 

12. Kapitel – Das Zusammensinken und Verschwinden der Sonnengeschwulst.

[NS.01_012,01] Sehet, soeben bewegt sich der B wieder zum A hin und fragt ihn: „Siehe, Bruder, dahin! Das Pendel schwingt sich schon in wohlgemessenen Zwischenräumen. Ich meine, wir dürfen in zehntausend Schwingungen schon den Rand aus den Höhen herabsinkend bemerken; denn der Fuß hat schon allenthalben bedeutende Einbüge und Falten erhalten. Wenn aber solches der Fall ist, da wissen wir ja alle, daß sich der Rand der Geschwulst bald zeigt.“

[NS.01_012,02] Nun spricht der A: „Du hast recht; der Fuß der Geschwulst bekommt zwar schon eine Menge Falten und Einbiegungen von oben nach unten; aber nur entdecke ich noch keine Breitfalten, die bei solchen Gelegenheiten die Längenfurchen zu durchschneiden anfangen, wenn die Geschwulst so ganz eigentlich von der Höhe in die Tiefe herabzusinken anfängt. Daher meine ich, daß wir noch nicht sobald den lichten Rand erblicken werden.“

[NS.01_012,03] Spricht wieder weiter der B: „Bruder, ich meine, da nach deiner Behauptung der Rand noch nicht sobald sichtbar wird, wir sollen uns unterdessen in den Tempel begeben und da nachsehen, ob die Fluten, welche nahe an sein Dach schlugen, kein Unheil in demselben angerichtet haben. Und wenn solches der Fall wäre, so müßten wir doch sogleich Anstalt treffen, eine oder die andere Beschädigung wiedergutzumachen.“

[NS.01_012,04] Sehet, der Vorschlag wird angenommen; und es wird der große Tempel, der nach eurem Maße sicher eine Meile in der Länge und eine Viertelmeile in der Breite hat, in all seinen Säulengängen wie in all seinen andern Einrichtungen untersucht, ob da nichts Schadhaftes sich vorfinden möchte. Seht aber nur die zufriedenen Gesichter an, und sie werden es euch sagen, daß die Fluten dem ganzen Tempel außer einigen Durchnässungen keinen Schaden zugefügt haben.

[NS.01_012,05] Wie lange dauert denn diese Untersuchung? – Nach eurer Zeitrechnung dürften es wohl drei Tage sein; allein in der Sonne geht eine solche Verrichtung mit viel schnellerem Zeitgefühl vor sich, da es, wie ihr schon wißt, nie eine Nacht, sondern nur einen beständigen Tag gibt.

[NS.01_012,06] Sehet, die Gesellschaft geht schon wieder aus dem Tempel. Und einer wird zum Pendelwächter abgesandt, um zu erfahren, wieviel neue Schwingungen seit der ersten schon begonnen worden sind. Seht, unser Bote ist soeben an Ort und Stelle und bekommt die Antwort auf seine Frage, und sie lautet: „Zehn!“ Jede Schwingung zu zwanzigtausend Pendelbewegungen. – Also kommt der Bote auch mit der Antwort zurück.

[NS.01_012,07] Jetzt aber bemerkt auch der B eine Breitfurche an der weitgedehnten Geschwulst und zeigt solches dem A an. Auch die ganze Gesellschaft macht freudigen Gemüts diese Bemerkung, und die Weiber schreien: „Sehet, sehet, eine Breitfurche ist zu sehen!“

[NS.01_012,08] Die Geschwulst hat zu sinken angefangen. Und der A bemerkt nun der ganzen Gesellschaft: „Ja, sie ist da, die erste, segnende Furche! Daher fallet nieder und preiset aus allen Kräften den großen Gott dafür! – Auf dieser Stelle wird sobald keine Geschwulst wieder stattfinden; denn die erste Breitfurche zieht die Geschwulst mächtig zusammen und gürtet sie fest.“ – Sehet, nun fallen alle nieder und tun im Ernste aus allen Kräften, wie es ihnen der erste Lehrer anbefohlen hatte.

[NS.01_012,09] Nur der A und der B bleiben aufrecht stehen und beobachten die Geschwulst und zugleich die Pendelschwingungen des nicht ferne vom Tempel abstehenden Zeitmessers. Der B entdeckt eben voll Freude oberhalb der ersten Furche eine zweite und zeigt solches dem A an, sagend: „Bruder, was deucht dir, ist das nicht eine zweite Furche?“ – Und der A spricht: „Ja, Bruder, du hast ganz gut beobachtet; es ist eine bedeutende Furche. Aber da siehe hin, unter der ersten bildet sich ebenfalls wieder eine; und siehe, da noch weiter oberhalb deiner zweitentdeckten wieder eine! Dem allmächtigen, großen Gott alles Lob und allen Preis! Die große Geschwulst sinkt rasch zusammen. Zwar sehe ich noch immer keinen Rand; aber ich meine, er wird bald sichtbar werden.“

[NS.01_012,10] Und der B spricht: „Bruder, sieh einmal in die Höhe, wenn mich meine Augen nicht trügen, so sehe ich schon das gewaltige Zucken der Blitze, welche, wie du weißt, die gewöhnlichen Vorboten des Randes sind!“ – Und der A spricht: „Ja, wahrhaftig wahr, du hast recht! Ich sehe nicht nur allein das, was du siehst, sondern vernehme auch schon ein fernes, dumpfes, ununterbrochenes Rollen der Randdonner.“ – Hier heißt er die Gesellschaft wieder aufstehen und hinaufschauen in die Höhen, wie sich die Erlösung schon gar gewaltig zu nahen anfängt.

[NS.01_012,11] Unter großem Jubel erhebt sich die Gesellschaft und blickt mit gefalteten Händen empor. Und näher und näher zucken die Blitze herab, und heftiger und heftiger werden die Donner. Stumm beobachtet jetzt eine Zeitlang die ganze Gesellschaft die Trillionen Blitze, welche unaufhörlich von der noch immer mehrere tausend Meilen weit gedehnten Geschwulst nach allen Richtungen zucken.

[NS.01_012,12] Der Zeitwächter hat soeben einen neuen Schwung getan. Noch immer kein Rand! Aber jetzt schreit der B und mehrere mit ihm aus der Gesellschaft: „Rand, Rand! – Sehet, er ist sichtbar geworden! Wir alle sind vollends gerettet! Denn nur wenige Schwingungen noch, und wir werden über ihn hinwegschauen, über den herrlichen, lichten Rand!“ – Und der A spricht zu allen: „Ja, dieser Schwung wird mit seinen Bewegungen nicht fertig sein, und wir werden über die Oberfläche des Randes hinwegschauen und ihn gar wohl sehen; denn er senkt sich auf unserer Seite nahezu senkrecht nieder.“

[NS.01_012,13] Und der B spricht: „Für wie weit hältst du ihn von hier entfernt, wenn er mit uns in gleicher Höhe stehen wird?“ – Spricht der A weiter: „Ich denke dreißig Women!“ Das ist nach der Sprache der Sonnenmenschen eine Entfernung von dreitausend Meilen; welche Entfernung wohl für die Erde sehr beachtenswert ist, aber für die Sonne ist eine Wome in keinem größeren Betracht, als auf der Erde ungefähr eine halbe Viertelstunde.

[NS.01_012,14] Wieder spricht der B: „Wie breit wird diesmal wohl der Rand sein?“ – Und der A erwidert: „Nach der Größe der Geschwulst zu urteilen möchte er diesmal wohl bei vierzig Women betragen.“

[NS.01_012,15] Jetzt aber spricht der A wieder zur Gesellschaft: „Habet acht! Die Breitfurchen haben zu beben angefangen; der Krater wird nicht ruhig sinken, sondern wird nach solchen Vorzeichen einen Sturz machen. Daher macht euch gefaßt und erschrecket euch nicht vor dem plötzlichen Gekrache und setzet euch zur Erde, damit ihr nicht umfallet, wenn der plötzliche Sturz unseren Boden mehr oder weniger gewaltig miterschüttern wird! Und bittet den großen Gott, daß Er unsere Wohnungen und Tempel erhalten möchte!“

[NS.01_012,16] Und der B nähert sich eilends dem A und macht ihn aufmerksam auf die großen Schwebungen des schon wohlsichtbaren Randes. Und der A spricht: „Ja, Bruder, du hast gut beobachtet; denn ich sehe auch Schwebungen in der Größe bis zu hundert Women längs dem Rande hin, so weit ich ihn nur mit meinen Augen erreichen kann. Sehet, sehet, die Schwebungen werden immer heftiger! Wie sie flackern gleich einer großen Fahne auf unseren größten Tempeln von einem heftigen Winde genötigt! – Darum seid ja aufmerksam und auf eurer Hut; denn in wenig Pendelbewegungen wird der noch nahezu fünf Women von uns in der Höhe entfernte Rand unter uns herabstürzen, daß wir dann sogar noch etwas von dem schauerlich tiefen Krater werden zu sehen bekommen, – vorausgesetzt, daß sich die Randwände etwa nicht schon vielfach wieder ergriffen haben. – Jetzt gebt acht, es fallen schon Leuchtkugeln herab! Alsogleich wird der Sturz geschehen!“

[NS.01_012,17] Höret und sehet, die ganze Gesellschaft springt unter einem lauten Schrei vom Boden. Tausend und abermal tausend Wasserhosen erheben sich aus den überweit gedehnten Wasserfluten und beginnen einen wütenden Kampf gegen den stets näher und näher herabsinkenden Rand. Und große, leuchtende Feuerkugeln in der Größe des Erdmondes, so groß er ist in der Wirklichkeit, stürzen herab vom glühenden Rande in die wütend brausenden Fluten, und jede dieser Kugeln ist begleitet von millionenmal Millionen Blitzen. Sehet, welches Sieden des großen Gewässers, welches Dampfen und Qualmen, wo eine solche glühende Feuerkugel vom noch hohen Rande hinabstürzt in die wütende Flut!

[NS.01_012,18] Jetzt aber gebet acht, denn es ist alles zum großen Sturze vorbereitet! – Sehet, der Wächter hat seine Schwingungen eingestellt und hat das Pendel an dem Baum befestigt. Selbst die zwei Lehrer lassen sich neben den Bäumen zur Erde nieder und klammern sich mit einer Hand um dieselben. Desgleichen tut auch die ganze Gesellschaft. Und der Zeitwächter eilt zur Gesellschaft hin.

[NS.01_012,19] Sehet, alles starrt unverwandten Blickes auf den unaussprechlich und für eure Sinne unbeschreiblich sturmbewegten Rand, allda Schwebungen geschehen, daß in einer Sekunde hier oder da der Rand eine Aus- oder Einbiegung macht der Länge nach von nicht selten acht- bis zehntausend Meilen; und das Hin- und Herschwanken legt ebenfalls in einer Sekunde nicht selten einen Weg von drei- bis viertausend Meilen zurück. Nun denket euch einmal diese Bewegungen anzusehen von dem Standpunkt, wo unsere Sonnengesellschaft sie beobachtet! Wenn sie auch wirklich dreißig Women entfernt sind, so ist aber solches für die scharfen Augen der Sonnenmenschen dennoch eine Kleinigkeit, und sie können daher gar wohl die fürchterlichen Bewegungen einer solchen Erscheinung wahrnehmen.

[NS.01_012,20] Aber jetzt sehet, der Rand ist herabgesunken, jedoch nicht so heftig, wie man es erwartete. Daher war auch die Erschütterung der Umgebung nicht so heftig, wie sie manchmal zu sein pflegt. Aber dennoch hat dieses ziemlich heftige Zusammensinken die Wasserwogen bis in die Nähe unserer Gesellschaft hinaufgetrieben, obschon sie sich auf diesem Hügel über fünf eurer Meilen hoch über dem Wasserspiegel befindet.

[NS.01_012,21] Fasset ihr wohl diese Bewegung? – Was würdet ihr auf der Erde sagen, und von welchen Gefühlen würdet ihr beseelt sein, wenn ihr euch zum Beispiel auf einer hohen Alpe befinden möchtet, die etwa die Höhe des euch wohlbekannten Großglockners hätte und sich ungefähr fünf oder sechs Meilen vom Meere weg befände, – so das Meer von irgend eines Sturmes Macht anfinge, solche Wellen zu treiben, daß sie euch auf eurer Alpe nahe erreichen möchten? Würdet ihr euch da nicht einer nach dem andern anfangen, vor lauter Verzweiflung die Haare auszuraufen? Und doch wäre diese Erscheinung auf der Erde, in der Sonne betrachtet, nur ein allerbarstes Kinderspiel, allda schon dieser niederste Hügel nahe fünfmal so hoch ist als euer höchster Berg auf der Erde (das heißt über die ruhige, gewöhnliche Sonnenwasserfläche betrachtet).

[NS.01_012,22] Wenn ihr diesen Vergleich nur ein wenig beachtet, so dürfte euch wohl das Großartige der Flutung, welche bei der Gelegenheit des schnellen Zusammensinkens unserer Geschwulst erfolgt, in die Augen springen. Und dieses sollt ihr auch so recht fassen, damit ihr daraus stets mehr und mehr erkennen möget, wie mächtig Der ist, der Sich von euch einen lieben, guten Vater nennen läßt!

[NS.01_012,23] Doch sehen wir nun wieder unsere Gesellschaft noch einmal an. Sehet, wie sie sich alle um den Lehrer her drängen und den großen Gott loben und preisen, und wie der Zeitwächter wieder hineilt zu seinem Baum, das Pendel frei macht und demselben wieder einen neuen Schwung gibt.

[NS.01_012,24] Nun sehet aber auch mit den Sonnenmenschen über den Rand der großen Geschwulst hin! Sehet, wie breit sie noch ist; merket ihr es nicht, wie auf diesem Rande noch gar leicht zwei eurer Erden nebeneinander herrollen könnten?! – Ja, also ist es auch! – Aber der Krater ist nun schon sehr beengt und hat kaum die zweimalige Breite des Randes und dehnt sich mehr in die Länge als in die Breite aus und hat sich auf verschiedenen Punkten schon wieder ergriffen.

[NS.01_012,25] Sehet, wie die lichtgewohnten Bewohner der Sonne sich ihre Augen verhüllen wegen des zu starken Leuchtens des breiten Randes. Und sehet, wie aus der Tiefe noch hier und da eine große, feurige Kugel hinausgeworfen wird mit großer Heftigkeit bis zu einer Höhe hinauf, welche nahe die zweimalige Entfernung eures Mondes von der Erde beträgt. Und sehet, wie dem weitgedehnten, sich noch immer stark bewegenden Rande noch immer zahllose Blitze entstürzen! –

[NS.01_012,26] Und sehet nun, das ist der ganze Verlauf dieser großartigen Erscheinung,welche jetzt allmählich zusammensinkt, da sich die Ränder stets mehr und mehr ergreifen. Den Schluß dieser Erscheinung macht gewöhnlich ein nach eurer Rechnung mehrere Tage anhaltender gewaltiger Regen, durch welchen die glühenden Ränder wieder abgekühlt, beruhigt und endlich gar ineinander verbunden und geheilt werden und sonach immer mehr hinabsinken in ihre vorige Lage, da sie wieder unter den Wasserspiegel zu stehen kommen.

[NS.01_012,27] Sehet aber jetzt auch noch mit einem Blicke unsere Sonnenbewohner an, wie sie nun über alle Maßen heiter sind und aus aller Fülle ihres Herzens und ihres ganzen Lebens frohlocken und lobpreisen den großen Gott, Der alles dieses also höchst weise wieder in die vorige Ordnung zurückgebracht hat. Und sehet auch, wie sie sich jetzt umarmen und begrüßen und dann ihren Wohnungen zueilen, und wie aus denselben ihnen auch wieder eine Menge wohlerhaltener Kinder, Brüder und Schwestern entgegenkommen!

[NS.01_012,28] Und somit ist auch dieser Akt beendet. Fürs nächste wollen wir einige häusliche Einrichtungen dieser Sonnenbewohner beobachten, und somit auch einen flüchtigen Blick über diesen ganzen Gürtel werfen.

 

13. Kapitel – Besitzordnung und Lebensbedürfnisse der Bewohner des Mittelgürtels.

[NS.01_013,01] In der Sonne und namentlich auf unserm Gürtel gibt es zwar durchaus nicht ein sogenanntes Eigentumsrecht wie bei euch auf eurem Erdkörper; aber es gibt dafür ein Ordnungsrecht, und dieses hat den Grundsatz zur Unterlage: daß da niemand ohne Grundbesitz sein darf. Aber der Grund wird allezeit von den für diesen Zweck beorderten Amtsleuten ausgemessen und einem oder dem andern zur Benutzung eingeräumt. Die Grundbesitzer sind demnach nur so lange unbeeinträchtigte Fruchtnießer ihres ausgemessenen Grundstückes, solange sie leben.

[NS.01_013,02] Nach ihrem Ableben aber haben nicht sie, sondern die von den Hauptlehrern aufgestellten Amtsleute über diese Grundstücke ordnungsmäßig zu verfügen. Aus diesem Grunde hört dann in der Sonne auch alles Mir auf eurer Erde ganz besonders verhaßte Kindererbrecht auf. Sondern die Kinder werden samt und sämtlich, wenn sie die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, von den Amtsleuten versorgt.

[NS.01_013,03] Und dieses geschieht auf folgende Weise: Hat ein Elternpaar nur ein, zwei, drei bis vier Kinder, so wird noch bei Lebzeiten der Eltern, wenn die Kinder vollmündig geworden sind, der Grund geteilt und zwar so, daß die Kinder zwei Drittel vom Grunde ausgemessen bekommen, die Eltern aber behalten ein Drittel. Dieses Drittel fällt nach dem Ableben der Eltern nicht den Kindern zu, sondern die Amtsleute können es jedermann, der da noch keinen Grund hat, zum Besitz einräumen. Solche Verteilung geht jedoch nur allzeit zwei Glieder hindurch. Beim dritten Gliede geschieht wieder eine Vereinigung mehrerer zerstückelter Gründe, welche dann, insoweit sie für das Bedürfnis grundbesitzloser Menschen auslangen, von neuem ordnungsmäßig verteilt werden.

[NS.01_013,04] Was aber dann die übriggebliebenen Menschen betrifft, welche bei dieser neuen Ausmessung nicht beteiligt werden konnten, diesen wird dann ein sogenannter Reservegrund eingeräumt. – Was ist denn solch ein Reservegrund für ein Grund? – Ein Reservegrund ist ein solcher, der entweder ein bedeutender Überschuß von den ausgemessenen und schon besessenen Gründen ist, oder es sind auch solche Gründe, welche noch nie von jemand besessen worden sind, oder auch mitunter solche Gründe, welche hier und da nach den von uns schon beobachteten Erscheinungen aus den Gewässern gleich den Inseln in euren Meeren zum Vorschein kommen.

[NS.01_013,05] Daher leidet auch nie jemand Not in der Sonne, obschon dieser Hauptgürtel außerordentlich stark bevölkert ist. Denn fürs erste sind die Menschen ja eben fast um nicht gar sehr Bedeutendes größer als so manche Menschen bei euch auf der Erde, und haben aber dabei auch ein hundertfältig geringeres Bedürfnis als so manche kleinere Menschen bei euch; darum sie denn auch mit einem viel kleineren Grundstück genug haben als die Menschen auf eurer Erde.

[NS.01_013,06] Ihre Kleidung besteht in nichts als in einer leichten Schürze um die Lenden und in einem ziemlich weiten Hut. Ihre Kost bringt der Boden der Sonnenerde so oft hervor, als sie essen wollen nach Maß und Ziel. Daher hat ein Grundbesitzer an so viel Grund in Übergenüge, was ihr bei euch ungefähr ein halbes Joch nennet.

[NS.01_013,07] Diese ordnungsrechtliche Verteilung hat dann in der Sonne auch diese gute Folge, daß die Menschen dieses Gürtels von einer Eigentumrechtsstreitigkeit nicht das allergeringste wissen.

[NS.01_013,08] Haben die Grundbesitzer etwa Steuern an die verschiedenen Amtsleute zu entrichten? – Solches ist jedem Sonnenbewohner ganz fremd. Denn alle Amtsleute samt den Lehrern haben ihre eigenen Gründe, selbst der Zeitwächter sitzt auf seinem ihm zugemessenen Grund und Boden.

[NS.01_013,09] Es fragt sich aber nun: Darf da ein Nachbar nicht auch auf dem Grunde seines Nachbarn sich sättigen, wenn es ihn hungert? – Allerdings; im Notfall sind alle ausgeteilten Gründe ein Gemeingut, aber es wird solches mutwilligerweise dennoch niemandem zu tun gestattet. Es tut aber auch wirklich dergleichen niemand. Denn nur abstrakte Gebote und Gesetze erzeugen Verbrecher. Wo aber die Freiheit des Willens soviel als möglich aufrechterhalten wird, dort kann dieser auch am leichtesten für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Ordnung gebildet werden.

[NS.01_013,10] Denn ein durch schroffe Gesetze zusammengeschraubter Wille ist ein geplagter Wille. Der geplagte Wille aber hat kein Vergnügen an der Ordnung, sondern er trachtet nur, daß er sich hier oder da Luft mache, und achtet wenig darauf, ob diese Handlung der gesetzlichen Ordnung gemäß ist, sondern die Richtschnur seiner Handlung ist sein eigenes Wohlbehagen. Wenn aber der Wille freigehalten wird und in dieser Freiheit die Gesetze der Ordnung erkennt, so wird er dann auch bald mit der für ihn angenehmen Notwendigkeit derselben vertraut und freut sich dann der in sich selbst aufgefundenen göttlichen Ordnung.

[NS.01_013,11] Solches ist auch eine Hauptgrundregel bei der Erziehung der Kinder in der Sonne, welche auch auf der Erde besser wäre als der Unterricht, durch den das Gedächtnis geplagt, der Verstand gemißhandelt und der Geist getötet wird! – Jedoch wir sind nun in der Sonne und nicht auf der Erde; daher wollen wir auch nur das mit geöffneten Augen des Geistes betrachten, wie sich da allenthalben die göttliche Ordnung selbst bei den unbedeutendsten häuslichen Einrichtungen und Verrichtungen auf das anschaulichste kündet.

 

14. Kapitel – Die Wohnhäuser auf dem Mittelgürtel.

[NS.01_014,01] Damit wir zu den verschiedenen Zweigen der häuslichen Ordnung übergehen können, wird es doch notwendig sein, dasjenige Stück in Augenschein zu nehmen, wovon eben die häusliche Ordnung ihre beschaffenheitliche Benennung hat. (Denn soviel wird klar sein, daß „häuslich“ von „Haus“ abgeleitet ist.) Darum auch wird es vorerst notwendig sein, ein und das andere Haus unserer Sonnenbewohner anzuschauen, und mit und in dem Hause dann auch die häusliche Ordnungsverfassung zu beachten.

[NS.01_014,02] Wie sehen denn demnach die Häuser der Sonnenbewohner aus, namentlich auf dem euch schon mehr bekannten Gürtel, welcher im ganzen ungefähr so breit ist wie die Entfernung des Mondes von eurer Erde? Wie sehen also die Häuser dieses großen Gürtels aus? – Haben sie etwa Ähnlichkeit mit euren Erdwohnhäusern? Sind sie auch in großen Massen nebeneinandergebaut wie bei euch in den großen Städten? – O nein, solches ist allda durchaus nirgends der Fall. Denn fürs erste gibt es in der ganzen Sonne nirgends eine Stadt, und die Häuser haben auch eine ganz andere Gestalt und Einrichtung.

[NS.01_014,03] Wie sehen sie demnach aus? – Denket euch eine Rundung ungefähr in einem Durchmesser von fünfzig bis hundert Klaftern. Diese Rundung ist von zwei Klaftern euren Maßes bis wieder zu zwei Klaftern mit viereckigen Säulen, wovon jede wenigstens zwanzig Klafter hoch ist und eine Klafter im Durchmesser mißt, besetzt. Zuoberst aber ist bei jeder Säule ein Polster oder Kapitell, wie ihr zu sagen pflegt, von runder Form, mit den schönsten Auswindungen verziert, angebracht. – Über den Kapitellen sind massive Querbalken gelegt, welche in der Rundung herum die Säulen miteinander zuoberst verbinden. In der Gegend einer jeden Säule ist über dem Querbalken ein Dachbaum angebracht, und die sämtlichen Dachbäume sind von da also geneigt, daß sie sich zuoberst in der Form einer vieleckigen Pyramide berühren.

[NS.01_014,04] Jeder dieser Dachbäume hat nach dem Rundungsdurchmesser, ob dieser größer oder kleiner ist, auch verhältnismäßig höhere oder niederere Dimensionen, das heißt, ist der Rundungsdurchmesser des ganzen Hauses ein geringerer, so brauchen auch die Dachbäume nicht so lang zu sein, um sich zuoberst in einer pyramidalen Form zu berühren; ist aber der Rundungsdurchmesser ein größerer, so müssen auch die Dachbäume länger sein, um sich zuoberst in der benannten Form berühren zu können.

[NS.01_014,05] Da aber zudem noch ein jedes solches Hausdach ungefähr eine also zugespitzte Form haben muß, wie sie bei euch so manche Türme sogenannter gotischer Kirchen haben, so versteht es sich schon von selbst, daß die Längenmaße der Bäume sehr beträchtlich sein müssen, damit bei einem so bedeutenden Rundungsdurchmesser eine solche Form bewerkstelligt werden kann. Und so gibt es nicht selten Dachbäume in einer Länge von mehr als dreihundert Klaftern.

[NS.01_014,06] Ihr werdet hier fragen: Wozu denn solche Dächer in der Sonne, wo es gewiß selten oder hier und da auch gar nicht regnet? – Diese Dächer aber sind auch durchaus nicht als Regenschirme auf den Häusern, sondern nur als sehr zweckdienliche Licht- und Wärmeschirme zu betrachten. Denn obschon die Sonnenmenschen einen für euch kaum begreiflichen Licht- und Hitzegrad gar wohlbehaglich zu ertragen imstande sind, so sind sie aber dennoch große Freunde vom Schatten und einer größeren Kühle.

[NS.01_014,07] Kein Dach aber ist zur Aufhaltung sowohl des Lichtes als der Wärme tauglicher als ein Spitzdach, weil es sowohl das Licht wie auch die mit demselben verbundene Wärme beständig ableitet. Daß solches richtig ist, könnt ihr euch gar leicht durch ein kleines Beispiel versinnlichen, und zwar dadurch, daß ihr ein ziemlich langes und wohlzugespitztes Stück Metall nehmet und dessen Spitze in eine Flamme haltet. Dadurch werdet ihr euch überzeugen, daß auf diese Weise, wenn die Spitze auch schon weißglühend geworden ist, die rückwärtige, viel massivere Metallmasse noch nichts von einer Wärme empfinden läßt; wogegen im umgekehrten Falle oder bei einer gleichdicken Metallstange diese alsogleich bis auf den hintersten Punkt glühendheiß wird.

[NS.01_014,08] Nehmet ihr nun ein solches Spitzdach, welches dazu noch aus einer weder Licht noch Wärme leitenden Masse besteht, so ist es klar, daß ein solches Spitzdach unfehlbar der zweckmäßigste Licht- und Wärmeschirm ist.

[NS.01_014,09] Die Dachbalken werden ebenfalls ringsumher mit einer Art Latten beschlagen, welche aber nahe ganz fest aneinandergereiht sind. Über diese Latten aber wird dann eine Art weißer Spiegelplatten gelegt, welche aus einer Art Sonnenerde, gleich euren Dachziegeln, bereitet werden und ungefähr so aussehen, als wenn ihr aus Papier mit einer Schere Halbpyramiden schneiden und einer jeden solchen Pyramide zu oberst, an der schmäleren Seite, einen winkelrechten Überbug geben möchtet. Diese Dachplatten sind nicht dicker als ein sogenanntes Pappendeckelpapier und sind ungefähr so schmiegsam wie eine Bleiplatte bei euch. Diese Platten werden dann mit der oberen, winkelrechten Einbiegung in die schmalen Lattenfurchen gesteckt und dann mit einem eigenen Kitt in den Furchen befestigt.

[NS.01_014,10] Auf diese Weise wird ein jegliches Hausdach gedeckt und sieht, vollendet, außerordentlich prachtvoll aus. Denn diese Platten sind nach außen hin viel glänzendweißer als ein allerfeinst polierter Alabasterstein bei euch, wodurch sie dann auch alle Strahlen zurückwerfen und daher an und für sich beständig unerwärmt bleiben.

[NS.01_014,11] Inwendig aber bekommt dieses Dach bis zur höchsten Spitze einen ganz dunklen Anstrich mit einer Farbe, die sich vor allem an den Ufern der großen Gewässer vorfindet und ganz besonders häufig nach einem euch schon bekannten Geschwulst-Ausbruch.

[NS.01_014,12] Woraus aber sind denn die Säulen verfertigt? – Die Säulen sind aus einer Art Backsteinen zusammengekittet, welche ungefähr die Form eurer Ziegel haben; nur sind sie äußerst fein und so vollkommen durchsichtig wie bei euch die edelsten Steine, und sind aus diesem Grunde außerordentlich prachtvoll anzusehen. – Für die Querbalken sowie für die Dachbalken aber werden eigene Bäume gezogen und zwar schon in der Form, die zu diesem Zweck notwendig ist.

[NS.01_014,13] Zwischen einer jeden Säule aber befindet sich ein kleines Rundgärtchen, welches mit den lieblichsten und anmutigsten Gewächsen reichlichst versehen ist. Die Gewächse verstehen die Sonnenbewohner also zu ordnen, daß gegen die Mitte des Gärtchens zu immer höhere zu stehen kommen, und man auf diese Weise, mit Ausnahme des Eingangstores, allerherrlichste Blumenpyramiden erschaut, welche eine solche Mannigfaltigkeit in ihren Blumenprodukten haben, daß ihr euch davon durchaus keinen Begriff machen könnt, und es auch unbeschreiblich ist, da beinahe eine jede solche Blumenpyramide mit tausendfältig ganz andern Blumen geschmückt ist als eine frühere, und also auch jedes Haus wieder mit anderen.

[NS.01_014,14] Also hätten wir, freilich wohl nur euren schwachen Begriffen zufolge, die notdürftigste Darstellung der Form eines Wohnhauses für die Menschen dort. Wenn ihr aber eurer geistigen Phantasie bei dieser Darstellung den gerechten Zügel schießen lassen wollt, so werdet ihr noch so manches erschauen, was euch diese gedrungene Darstellung notwendigerweise versagen mußte. Kurz und gut, hier könnt ihr phantasieren, wie ihr wollt; und ihr seid bei allem Reichtum eurer Phantasie nicht imstande, einen Fehlblick zu tun. Warum denn? Weil ihr euch namentlich im Bereiche der Gewächse durchaus keine Form entwerfen könnt, welche ihr da nicht vervollkommnet wiederfinden dürftet. Denn die viel geistigeren Menschen der Sonne umfassen die Phantasie aller planetenbewohnender Geister gerade also, wie das Licht der Sonne selbst alle Planeten umfaßt. Aus diesem Grunde könnt ihr auch phantasieren wie ihr wollt, und ihr seid nicht imstande, mit all eurer Phantasie irgendeine Form zu entwerfen, welche in der Sonne nicht in der Wirklichkeit vorhanden wäre.

[NS.01_014,15] Daher findet ihr auch dort, wie es schon gleich anfangs bemerkt wurde, nicht nur alle sichtbaren Erzeugnisse aller Planeten in der größten Vollkommenheit, sondern auch alle Gedankenformen, welche je von den Menschen auf den Erdkörpern gedacht wurden, wesenhaft.

[NS.01_014,16] Sonach können wir denn auch die Wohnhäuser der Sonnenmenschen betrachten und uns daran ergötzen; denn Mannigfaltigeres und Herrlicheres kann sich kein Mensch träumen lassen, als er in der Sonne in der Wirklichkeit antreffen kann. So ist auch selbst die Färbung dieser vorbeschriebenen Säulen von einer so großen, majestätischen Pracht, daß das allerherrlichste Brilliantfeuerspiel bei euch dagegen kaum als das Lichtspiel einer Mistlache zu betrachten ist; denn, wie schon anfangs bemerkt wurde, ist auf den Erdkörpern alles wie tot und unbeweglich, während in der Sonne alles wie von Leben sprüht. –

[NS.01_014,17] Da wir nun solches ein wenig beschaut haben, wollen wir denn auch in ein solches Haus einziehen und dessen innere Einrichtung schauen.

[NS.01_014,18] Der Boden sieht aus, als wäre er von dunkelpoliertem, durchsichtigem Golde, oder ungefähr also, wie da bei euch ein allerschönster feinst polierter Topas aussieht; nur ist der Boden nicht so hart, sondern ganz elastisch weich.

[NS.01_014,19] Zwischen einer jeden Säule gegen das Innere steht eine Pyramide im Viereck wie vom allerfeinsten Diamanten. Diese Pyramide ruht auf einem Gestell oder, wie ihr zu sagen pflegt, Piedestal, welches wie eine geräumige Bank über die Pyramide hinaus hervorschießt und allzeit einen Umfang hat von sechs bis acht Klaftern. Auf dieser Bank pflegen die Sonnenmenschen, also wie ihr auf euren Sesseln, sitzend zu ruhen. Die Bank aber ist nicht vom nämlichen Stoff wie die Pyramide, sondern sieht dunkelgrün aus, aber dessenungeachtet höchst fein poliert und durchsichtig und ist samt der Pyramide ebenfalls nicht hart, sondern elastisch.

[NS.01_014,20] Vor diesen Pyramidalsitzen sind runde, niedere Pfeiler angebracht, welche oberhalb breiter sind als zuunterst und aussehen als wie bei euch allerfeinst polierter Rubin. Diese dienen zu Speisetischen.

[NS.01_014,21] Ganz in der Mitte befindet sich eine Staffeleipyramide, deren Stufen schneckengangförmig aufwärts steigen. Diese Pyramide hat zuunterst einen Durchmesser von zehn bis manchmal fünfzehn Klaftern. Die aufgehenden Stufen sind durchaus mit den allerkunstvollst gearbeiteten Geländern versehen. Zuoberst aber ist die Pyramide nicht etwa spitzig, sondern abgeplattet und innerhalb des Geländers mit etwas kleineren Pyramidalsitzen versehen. Die Masse der Pyramide ist hell violett, manchmal auch rosenrot. Die Geländer sind von allerlei feinstpolierten, vielfarbigen, durchsichtigen Stoffen bereitet, welche nur in der Sonne und sonst nirgends vorkommen. Auch diese Pyramide samt allen ihren Teilen ist elastisch. – Wozu dient sie denn?

[NS.01_014,22] Sie dient zu höheren Beratungen über göttliche Dinge; denn in der Mitte der Pyramide zuoberst ist von einem hellgrün leuchtenden durchsichtigen Stoffe eine Art Lehrkanzel verfertigt, von welcher der Hausvater seine Angehörigen über Gott zu belehren pflegt.

[NS.01_014,23] Ihr werdet fragen: Wozu muß denn hier gerade diese Pyramide sein? Die Ursache ist ganz einfach: auf den Schneckenstufen dieser Pyramide gelangen die Menschen ziemlich tief unter das Spitzdach; dadurch werden sie von der äußeren, überprachtvollen Anschauung der Dinge in der Sonne abgezogen und somit desto leichter in sich geführt. Selbst dieser schneckenartige Gang zeigt ihnen die notwendige Engführung des Geistes, und wie man auf gleichem, geistigem Wege allein nur auf den Höhepunkt des wahren inneren Lebens gelangen kann. – Was aber die Verzierungen des überaus schönen Stufengeländers betrifft, so sind diese alle von erhabener Art und stellen gewöhnlich geheimnisvoll Meine wunderbare Menschwerdung auf der Erde dar.

[NS.01_014,24] Beim Eingangstor, gegenüber der Mittelpyramide, befindet sich eine vollkommen viereckige Erhöhung über dem Fußboden. Diese Erhöhung beträgt gewöhnlich eine halbe Klafter. Auf dieser, bei zwei Klafter im Durchmesser haltenden Quadratebene ist, der Hauptpyramide gegenüber, ebenfalls ein überaus prachtvoller Pyramidalsitz angebracht. Die viereckige Ebene ist ebenfalls von drei Seiten her mit einem überaus kunstvoll gearbeiteten Geländer umfaßt. Hier gebet acht, – da werdet ihr etwas finden, was euch sehr gut gefallen wird. Zu welchem Zweck ist denn dieses?

[NS.01_014,25] Sehet, das ist ein Hausorchester, welches in keinem Hause der Sonne fehlen darf. Auf diesem Orchester befindet sich eine majestätische Harfe, welche jeder Sonnenmensch schon von Natur aus zu spielen versteht. Sie dient zur Begleitung erhabenster Lieder, welche allzeit nach einer geistigen Versammlung dem großen Gott zu Lob und Preis gesungen werden. Was aber den Ton dieses Instruments betrifft, wie auch die überreine Stimme der Sonnenmenschen, davon werdet ihr euch erst dann einen Begriff machen können, wann ihr von keinem Fleische mehr gefangengehalten werdet.

[NS.01_014,26] Das ist sonach die ganze Einrichtung eines Hauses in der Sonne. Nur müßt ihr euch dabei nicht denken, als sei das etwa eine festbestimmte Form der Wohnhäuser in der Sonne. Im allgemeinen der Einrichtung zwar wohl, auch im Bau der Häuser; aber was die einzelnen angegebenen Teile betrifft, so weichen diese in den Formen wie auch in den Farben oft außerordentlich bedeutend voneinander ab.

[NS.01_014,27] So sehen bei manchen Häusern die Säulen aus, als bestünden sie aus übereinander ruhenden Wolken, welche sich in den verschiedenartigsten Gruppierungen verbinden. Manchmal sehen sie aus wie Felsen bei euch, manchmal wie Turm-Kuppeln, manchmal wie gotische Säulen, manchmal wie große Tiere, als zum Beispiel weiße Pferde auf den Hinterbeinen stehend, manchmal wie rotglühende Elefanten, welche mit ihren ausgestreckten Rüsseln das Dach tragen. Und so gibt es noch zahllose Formen, in welchen oft diese Säulen bestehen.

[NS.01_014,28] Also sieht auch die innere Einrichtung wohl im wesentlichen dem ersten euch bekanntgegebenen Muster stets vollkommen ähnlich; was aber deren Form betrifft, so ist sie oft nicht minder verschieden als die der Säulen; nur die Dächer sind überall dieselben.

[NS.01_014,29] Und so verdauet nun dieses ein wenig und machet euch fürs nächste Mal auf noch viel außerordentlichere Dinge gefaßt!

 

15. Kapitel – Die Umgebung eines Hauses auf dem Mittelgürtel. – Baumwuchs daselbst.

[NS.01_015,01] Wie sieht denn die nächste Umgebung bei einem solchen Hause aus? – Diese besteht gewöhnlich in einer runden Allee von sehr hohen Bäumen, welche bei einem Hause stets einer und derselben Art sind, aber nicht genau auch wieder dieselben bei einem andern Hause. Ja ihr könntet da den ganzen, über 40000 breiten und bei 600000 Meilen langen Gürtel kreuz und quer abgehen, wenn eure irdischen Lebensjahre dazu hinreichten, so würdet ihr aber doch nimmer bei einem oder dem andern Hause wieder dieselbe Art von fruchtbaren Alleebäumen finden, wie ihr sie allenfalls bei einem ersten Hause gefunden habt. So sehen zum Beispiel die Alleebäume bei unserem ersten Hause aus wie riesenhaft große, gewundene Säulen, welche zuoberst mit einer trauerweidenartigen Krone geziert sind. Die Blätter sind über eine Spanne lang und kaum einen halben Zoll breit; die Rückseite ist karminrot, die vordere, glatte Seite aber ist grüngolden. An der Spitze eines jeden Blattes hängt eine überaus starkleuchtende Perle von blauem Licht. Zwischen den Blättern hängen auf langen, weißen Stielen Früchte, ungefähr von der Gestalt wie bei euch das sogenannte Johannisbrot, aber alles ohne Kern. Denn, wie ihr schon wißt, sind in der Sonne alle Früchte kernlos und sind von einem überaus geistigen, süßen Geschmacke – daher sie auch eine Lieblingsspeise für dieses Haus sind.

[NS.01_015,02] Wie bekommen aber die Sonnenbewohner die Früchte von diesen hohen Bäumen? – Dieses geschieht dort auf eine höchst leichte und einfache Art. Die Sonnenbewohner haben nämlich dazu eigene Stangen, welche zuoberst mit einem nach Belieben bewegbaren Zwicker versehen sind. (Dieses Instrument ist fast allenthalben dasselbe!) Mit diesem Zwicker brechen sie die Früchte mit der größten Bequemlichkeit von den Bäumen, welcher Art sie auch immer sein mögen, und bemächtigen sich auf diese Weise zu ihrer Sättigung der Baumfrüchte.

[NS.01_015,03] Ihr werdet euch hier im geheimen denken: Warum lassen aber die Menschen die Bäume so hoch wachsen, wenn das Wachstum der Bäume sowie des ganzen Pflanzenreiches in der Gewalt ihres Willens steht? – Wer da so fragen würde, der wäre in einer kleinen irrigen Meinung. Denn die Sonnenbewohner sind überaus weise und tun nichts umsonst oder zwecklos, und es muß daher jede Verzierung sogar eine entschieden wohlberatene und durchgeprüfte Nützlichkeit haben. Und so hat auch die hochgestellte Fruchtkrone eines solchen Baumes ihren entschiedenen, mehrseitigen guten Zweck.

[NS.01_015,04] Ihr fraget hier: Worin denn ein solcher nützlicher Zweck besteht? – Nur Geduld, es wird sogleich kommen! Fürs erste müßt ihr wissen, daß es auf gar keinem Planeten so überaus reizende und weitgedehnte Landschaftsaussichten gibt wie eben auf der Sonne. Denn da ist es gar nichts Seltenes, daß man von einem mittelmäßigen Hügel einen Flächenraum von wenigstens fünftausend Meilen im Durchmesser übersieht, also ungefähr beinahe viermal so weit wie auf eurer Erde in gerader Linie vom Süd- bis zum Nordpol. – Dazu müßt ihr noch nehmen, daß die Sonnenluft, besonders über diesem Gürtel, von höchster ätherischer Reinheit ist, wodurch natürlicherweise die Fernaussicht, besonders für die überaus scharfen Augen der Sonnenmenschen, begünstigt wird.

[NS.01_015,05] Jetzt sehet, es wird ein Zweck gleich einleuchtend sein! Da die Sonnenbewohner nämlich, wie schon gesagt, große Freunde schöner Landschaftsaussichten sind, so stellen sie aus dem Grunde die Fruchtkronen ihrer Bäume so hoch, damit sie ihnen nicht irgendwo die Aussicht verdecken. Sehet, das ist einmal ein Zweck, welcher zwar, auf eurer Erde betrachtet, eben nicht von einer großen Wichtigkeit erscheint, aber desto mehr in der Sonne. Denn es handelt sich da nicht nur allein um den reizenden Aussichtspunkt, sondern die Aussicht ist dort etwas sehr Notwendiges, weil über dem Lande sich oft verschiedene Phänomene zeigen, welche manchmal von guter, manchmal wieder von schlechter Wirkung sind. Darum auch muß auf alles gehörig achtgegeben werden, sonst liefen die Sonnenbewohner, besonders dieses Gürtels, gar zu oft Gefahr, von einer oder der anderen, sich etwa ihrer Wohnung nahenden Naturerscheinung gewaltig beschädigt, oder wohl auch gänzlich zugrunde gerichtet zu werden.

[NS.01_015,06] Damit ihr solches ein wenig mehr einseht, will Ich euch nur ein geringes Beispiel anführen. Es geschieht nicht selten, daß sich plötzlich über einem oder dem andern Hügel rotleuchtende Sterne zeigen. Bei dieser Gelegenheit muß sogleich sorgfältig beobachtet werden, wie hoch irgendein Hügel sein mag, über dem sich diese Sterne zeigen, oder in welcher Richtung sie einem Hügel entschweben. Setzen wir den Fall, solche Sterne würden bei einem tausend Meilen abstehenden Hügel entdeckt, und dieser Hügel wäre ungefähr von einer mittleren Höhe, und die Sterne bewegten sich in der Richtung gegen den Hügel, auf welchem wir uns befinden, – es braucht nicht mehr als höchstens drei Minuten Zeit, so schweben diese vormals kleinen Sternchen nun schon als kleine Weltmassen gegen diesen Hügel her, wo wir uns befinden; ihre Schnelligkeit ist überaus groß, da sie zumeist elektrischer Art sind. Was sie nun auf ihrem Wege erreichen, das ist in einem Augenblick zerstört.

[NS.01_015,07] Was tun dann die Sonnenbewohner bei einer solchen Gelegenheit? Sie begeben sich augenblicklich unter den Schutz des lebendigen Gottes und stecken auf einer freien Höhe spitzige Stangen auf, welche mit Fahnen versehen sind. Diese Stangen ziehen wie ein Magnet diese rotglühenden, elektrischen Massen höher, so daß diese sich endlich gar ins hohe Gebirge verlieren. Und auf diese Weise werden allzeit Wohnungen, Bäume, Tiere und Menschen in der Tiefe verschont.

[NS.01_015,08] Sehet, das ist schon wieder ein guter Grund für eine unbeschränkte, freie Aussicht. Daher stehen auch solche Alleebäume allzeit mit einer Säule des Wohnhauses in gleicher Richtung vom Mittelpunkt desselben aus, damit selbst durch ihre Stämme die freie Aussicht nicht gehindert wird.

[NS.01_015,09] Eine gar nicht selten vorkommende Erscheinung, besonders in der Gegend der großen Gewässer oder auch in der Nähe der hohen Gürtelgrenzgebirge, sind die für eure Begriffe ungeheuren Wasser- und Feuerhosen. – Was die Wasserhosen betrifft, so ziehen diese freilich wohl nie gar weit vom Wasser übers Land. Aber desto verheerender sind die Feuerhosen, von denen manche einen Feuerwirbel mit einem Durchmesser von hundert bis tausend Meilen und dabei eine so schnelle Umdrehung hat, daß sie sich in einer Sekunde einmal umdreht, welches ebensoviel gesagt haben will als: der äußere Flammenkreis legt in einer Sekunde einen Weg von dreihundert bis dreitausend Meilen zurück.

[NS.01_015,10] Nun denket euch einmal die Wirkung, die ein solches Naturereignis auf einer Gegend bewerkstelligt, über welcher es sich bewegt! – Was tun denn die Sonnenbewohner bei einer solchen Gelegenheit? – Sie begeben sich fürs erste augenblicklich mit dem lebendigsten Vertrauen unter Meinen Schutz und stellen auf einem höchst möglich zu ersteigenden Hügel ein bedeutendes Gefäß voll Wasser auf. Rings um das Gefäß mit dem Wasser stecken sie strahlenförmig ziemlich lange Spieße in das Erdreich. Diese ganz einfache Vorrichtung hat nach der Erfahrung ihrer weisesten Lehrer die entschiedene Kraft, fürs erste eine solche Feuerhose an sich zu ziehen und dann alsogleich in ihrer Wirbeldrehung zu beruhigen.

[NS.01_015,11] Und so ihr Zeugen sein könntet, so würdet ihr eine solche Naturerscheinung sicher mit dem überraschendsten Vergnügen ansehen. – Denn wenn eine solche Feuerhose bei ihrem Entstehen auch den größten Durchmesser hat, so fängt sie sich aber dennoch, sobald sie einen solchen Hügel erreicht hat, zuunterst also zu beengen an, daß ihr Durchmesser in wenigen Sekunden von tausend Meilen auf eine Klafter zusammengeschmolzen ist. Wenn sie aber dann erst vollends die Höhe erreicht hat, wo das Wassergefäß mit den strahlenförmig in die Erde gesteckten langen Spießen sich befindet, da fängt sie sich allenthalben zu beengen an und bekommt endlich die Form einer für eure Blicke unendlich lang scheinenden Feuerstange, welche dann allmählich über dem Gefäße wie zusammensinkend verschwindet.

[NS.01_015,12] Bald darauf begeben sich dann die Sonnenbewohner wieder auf einen solchen Hügel und holen ihre Sicherheitsgerätschaften, welche gänzlich unversehrt angetroffen werden, – bis auf das Wasser, welches zwar an seiner Menge nichts verloren hat, aber gänzlich schwarz geworden ist.

[NS.01_015,13] Warum aber tun die Sonnenbewohner eigentlich dieses, um dadurch einer Verheerung zu entrinnen? – Sie sagen: Auf den hohen Bergen wohnen Geister; wann sie aber vor zu großer Hitze durstig werden, so ergreifen sie sich in großer Masse und suchen wie Rasende eine Kühlung. Daher ist es notwendig, ihnen mit einem Trunk entgegenzukommen, damit sie nicht tiefer herab rasen und irgendein erquickendes Gewässer suchen und so uns auf ihrem Wege unsere Häuser und Früchte zerstören möchten.

[NS.01_015,14] Und Ich sage euch nichts anderes, als daß solche Annahme und geistige Wissenschaft der Sonnenbewohner ihren ganz vollkommen richtigen Grund hat. Denn es ist in der Sonne ganz dasselbe der Fall bezüglich einer solchen Feuerhose, wie Ich eben dasselbe Ereignis euch schon einmal bei einer Gelegenheit auf eurem Erdkörper vorkommend enthüllt habe. Denn ein Geist bleibt überall ein Geist, in der Sonne wie auf den Planeten; nur ist jedes Geistes freier Wirkungskreis in einer Sonne weniger beschränkt als auf einem Planeten.

[NS.01_015,15] Sehet nun wieder, wie notwendig in dieser Hinsicht die freie Aussicht den Sonnenbewohnern ist. Aus diesem Grunde steht auch jedes Wohnhaus auf einem ziemlich kegelförmigen Hügel; und aller andere, zu einem Hause gehörige Grund liegt niederer als das Haus selbst. Daher dürftet ihr auch nirgends ein Haus in einer Ebene antreffen, sondern sowohl Wohnhäuser wie auch die vielfach verschiedenen Amtshäuser befinden sich allenthalben auf den Hügeln, und die Tempel zur Anbetung und Verehrung des großen Gottes auf den höchsten.

[NS.01_015,16] Und so gibt es noch eine Menge tüchtiger Gründe für die freie Aussicht, aus welchen sonach fürs erste die Sonnenbewohner die Fruchtkronen der Bäume so hoch stellen. Allein alle diese Gründe namentlich anzuführen, würde unsere Mitteilung zu sehr ins Lange dehnen.

[NS.01_015,17] Ein zweiter Grund, warum die Sonnenbewohner diese Fruchtkronen so hoch stellen, ist auch der, daß durch diese höherstehenden Kronen das Licht von oben gegen die Wohnungen gemindert wird. Daß die Kronen solcher Bäume aber das Licht sehr bedeutend an sich saugen, bekunden die leuchtenden Perlen, welche sich fast allenthalben an den Spitzen der Blätter bilden und an und für sich nichts anderes sind, als von dem Baume unverzehrte Lichtbündel, gleich dem sogenannten Sankt-Elms-Feuer bei euch, welches an allen gespitzten Gegenständen zu erblicken ist, wenn die Luft überstark mit Elektrizität angefüllt ist. Bei euch ist dies freilich nur zur Nachtzeit sichtbar, in der Sonne hingegen allzeit nur am Tage (da es dort keine Nacht gibt), und das zufolge der überaus starken Lichtstrahlungen von oben herab.

[NS.01_015,18] Ein dritter Grund, warum die Kronen der Bäume so hoch gestellt werden, ist auch der, damit die Kinder stets genötigt sind, zu ihren Eltern zu kommen, wenn es sie hungert. Und dieser Grund ist ein recht guter Grund; denn ihr könnt es glauben, für den unreifen Geist der Kinder ist überall nichts nachteiliger als eine, wenn auch von den Eltern zugelassene Eigenmächtigkeit. Denn dadurch begründen sich die Kinder zuallererst in der Hoffart und im Eigensinn, welche zwei Untugenden die unzerstörbaren Grundsteine aller nur erdenklichen folgenden Laster sind.

[NS.01_015,19] In der Sonne, wo die Menschen ohnehin einen viel freieren und unumschränkteren Spielraum haben, ist aber eine solche Erziehung der Kinder um so notwendiger, damit dadurch ihr Wille eine solche Richtung bekommt, welche zur Erhaltung der allgemeinen Ordnung unumgänglich notwendig ist. Dies wäre auch bei euch freilich wohl über alles zu wünschen; allein die Menschen der Erde sind schon zuallermeist überaus beschränkt eigensinnigen Geistes, aus welchem Grunde sie auch in eben diese schroffe Erde gelegt wurden. Daher ist ihnen auch nichts saurer als ein pünktlicher Gehorsam, welcher die alleinige Schule zur Gewinnung der wahren, geistigen, innern Willenskraft ist. – Darum aber gelangen auch äußerst wenige Menschen dieser Erde in ihrem Leibesleben zu dieser Kraft, welche im Grunde doch nur die Bedingung ihres Hierseins ist.

[NS.01_015,20] Jedoch wir sind jetzt (schon wieder) nicht auf der Erde, sondern in der Sonne. Daher wollen wir auch allda die weiteren häuslichen Einrichtungen verfolgen, und zwar, wie bis jetzt, den allein naturmäßigen häuslichen Teil, ohne den wir ganz natürlicherweise nie auf einen geistigen und dann erst himmlisch reingeistigen übergehen könnten. Und somit wollen wir für das nächste Mal die anderen, zu einem Hause gehörigen Grundteile und ihre zweckmäßige Benutzung beachten.

 

16. Kapitel – Die Landwirtschaft auf dem Mittelgürtel. – Gemüseland, Schafweide und Brotacker.

[NS.01_016,01] Ungefähr drei bis fünf Klafter unter der Baumreihe befindet sich ein sogenannter Kleinfruchtacker, welcher zu beiden Seiten mit allerlei fruchttragenden Gesträuchen eingefaßt ist. Die Gesträuche werden höchstens anderthalb Klafter hoch gezogen. Der Acker aber ist von allerlei Kleinfrucht tragenden Pflanzen bewachsen, welche ungefähr ähnliche Früchte tragen, wie da zum Beispiel eure Erdbeeren, Pröpstlinge, Melonen, sogenannte Paradiesäpfel u.a.m. Jedoch müßt ihr etwa nicht denken, als möchten da genau derartige Früchte wachsen, – nur ähnlich sind solche Gewächse hinsichtlich der Kleinpflanzenart. Aber sonst sind sie dort von der außerordentlichsten Mannigfaltigkeit und kommen auch in gleicher Art, wie alles andere, bei keinem andern Hause wieder vor.

[NS.01_016,02] Ihr habt in diesem Punkte schon eine Zeitlang eine geheime Frage in euch, und diese lautet also: Warum sollte denn nicht auch auf dem Grunde des Nachbarn etwas vorkommen, was da auf eines andern Nachbarn Grund vorkommt? Denn sicher werden die Bodenerzeugnisse eines Nachbarn auch den Beifall eines andern haben. Warum denn sollte er dasjenige, was ihm auf dem Grunde seines Nachbarn gefällt, nicht auch auf dem seinigen hervorbringen? Denn, wenn er es nicht tut, so muß ihn entweder ein Gesetz daran hindern, oder er muß alles andere gering schätzen und nur das für etwas ganz entschieden Ausgezeichnetes halten, was er auf seinem Grunde hervorbringt.

[NS.01_016,03] Sehet, diese Frage läßt sich hören und ist einer Beantwortung würdig. Aber bevor eine Antwort gegeben werden kann, muß Ich euch bemerken, daß diese Frage wohl auf eurem Erdkörper einen Grund hätte; in der Sonne aber fällt sie offenbar auf einen trockenen Boden, allda sie zu keiner Antwort erwachsen kann.

[NS.01_016,04] Hier fragt ihr schon wieder: Warum denn? – Und Ich sage euch: Erst auf dieses Warum kann Ich euch eine Antwort geben, welche also lautet: Betrachtet euch selbst gegenseitig und saget Mir dann, warum ihr als Brüder untereinander euch als Einzelwesen und in den Gesichtszügen voneinander unterscheidet, daß da nicht einmal ein nächster Blutsbruder dem andern völlig gleichsieht, während dessenungeachtet doch ein jeder als ein vollkommener Mensch, wenigstens der Gestalt nach, erkannt werden kann? Könnt ihr Mir diese Frage beantworten? Denn Ich sage euch, gerade darin liegt ganz vollkommen fertig die Antwort auf euer Warum.

[NS.01_016,05] Ich sehe aber, daß ihr mit der Beantwortung dieser Frage nicht fertig würdet. Daher wird hier wohl nichts anderes übrigbleiben, als euch zu sagen, daß der Grund lediglich in der entsprechenden, zuständlichen, individuellen Beschaffenheit des Geistes liegt, da jedem Geiste, neben dem allgemein Eigentümlichen, auch etwas ganz besonders Eigentümliches gegeben ist, – gleichsam ein einem oder dem andern Geist ganz besonders zu eigen verliehenes Pfund. Durch dieses Pfund unterscheidet sich dann jeder einzelne Geist von jedem andern einzelnen Geist. Und dieser Unterschied prägt sich dann auch auf eine entsprechende Weise in der äußeren Form aus, welche sich am klarsten in eines jeden Menschen Gesicht darstellt.

[NS.01_016,06] Nun sehet, gerade also verhält es sich im ausgedehnteren Maßstabe auch bei den Bewohnern der Sonne, allda nicht nur die äußere Gesichtsbildung des Menschen die ausgeprägte Beschaffenheit seines Geistes darstellt, sondern auch alles, was ein Sonnenmensch durch seinen Willen hervorbringt. Demnach kann zwar ein Sonnenmensch wohl auch eine Pflanze, die ihm auf seines Nachbarn Grund wohlgefiel, auf seinem eigenen hervorbringen; aber sie wird nicht mehr so aussehen, wie die auf seines Nachbarn Grund. Warum denn? – Weil der Nachbar auch nicht also aussieht, weder leiblich noch geistig, wie sein anderer Nachbar; und dieses verschiedene, charakteristische Aussehen wird auch in allem dem bemerkt, was er hervorbringt. Sehet, darin liegt der eigentliche Grund, warum bei zwei Nachbarn nichts ganz vollkommen Ähnliches angetroffen wird.

[NS.01_016,07] Diese Verschiedenheit hat aber noch etwas anderes zum Grunde, nämlich, daß dadurch ein jeder Sonnenmensch, wenn er den Grund und Boden eines anderen betreten hat, sogleich aus einer oder der andern Pflanze inne wird, wessen Geistes Kind sein Nachbar (oder ein anderer Grundbesitzer) ist. – Seht, jetzt haben wir schon die vollkommene Antwort.

[NS.01_016,08] Im Grunde zeigt sich Ähnliches wohl auch auf den Erdkörpern, wo ein jeder eine andere Pflanzen- und Baumschule in seinem Garten hat; auch baut er sich ein anders aussehendes Haus als sein Nachbar. Allein alle diese Verschiedenheiten erstrecken sich hier nur auf die verschieden angenommene Ordnung, nicht aber auch auf das Individuelle der Pflanzen, weil diese auf den Erdkörpern aus dem Samen hervorgehen, in welchem sie schon eine beständige Ordnung haben. In der Sonne aber gehen sie, wie schon bekannt, aus dem vollkommenen Willen des Geistes hervor, und richten sich darum auch nach der Ordnung des Geistes, der sie durch seinen freien Willen hervorruft.

[NS.01_016,09] Also hätten wir den Grund dieser Verschiedenheit, und wollen nun einen Blick weiter tun, wie da der Grund eines Sonnenbewohners bestellt ist.

[NS.01_016,10] Unter jenem Kleinfruchtacker befindet sich ein leerer Kreis, der nicht angebaut ist und bloß zur Umwandlung (Umgehung) des Kleinfruchtackers dient. Diesen leeren Kreis begrenzen wieder ziemlich knapp beieinander stehende kleine Bäumchen, ungefähr in der Art, als da bei euch die Zwergbäume in den Gärten gezogen werden. Auch diese Bäumchen sind verschiedenartig, so zwar, daß selten fünf bis sieben einer und derselben Art sind; und tragen daher auch mannigfaltige Früchte in der Art eurer Birnen, Äpfel, Pomeranzen u. dgl. mehr. Nur ist daselbst alles vollkommen und jede Frucht von einem überaus großen Wohlgeschmack.

[NS.01_016,11] Dieser Bäumchenreihe folgt wieder ein leerer Kreis; dieser ist aber dann umfangen mit einer Art lebendigem Zaun. Von diesem Zaun erstreckt sich dann in einer Breite von sieben bis zehn Klaftern eine Wiese mit einem überaus üppig grünen Graswuchs, wobei das Gras auf einem Grunde stets derselben Art ist.

[NS.01_016,12] Dieser Kreis ist zur Weide der Schafe bestimmt, welche bei den Sonnenbewohnern die einzigen Haustiere sind; obschon es in der Sonne allenthalben eine überaus zahlreiche Menge von Tieren aller Art gibt, – mit alleiniger Ausnahme der Schlange, welche nur auf einigen Erdkörpern einheimisch ist.

[NS.01_016,13] Ihr werdet fragen, warum denn da allein nur das Schaf ein häusliches Tier ist? – Fürs erste, weil es unter allen Tiergattungen das geduldigste und sanftmütigste Tier ist. Fürs zweite, weil auch die Sonnenbewohner die Milch dieses Tieres genießen. Und fürs dritte, weil dieses Tier auch in der Sonne mit seiner reichlichen und überaus feinen Wolle den Menschen den Stoff zu ihren Kleidungen gibt. – Sehet, darum wird auch nur dieses Tier allein einheimisch gehalten und für dasselbe eine solche Wiese bereitet.

[NS.01_016,14] Da wir aber eben zuvor einer zahllosen Menge der Tiere in der Sonne erwähnt haben, so fragt es sich: Wo halten sich diese auf und wovon leben sie? – Ihr wißt, daß es in der Sonne, besonders auf diesem Gürtel, auch überaus große, unübersehbare Ebenen gibt. Sehet, diese Ebenen werden, wie ihr wißt, nie von Menschen bewohnt, und zwar aus dem sehr tüchtigen Grunde, den ihr zur Genüge habt kennengelernt bei der Darstellung der Sonnenflecke, oder vielmehr bei der Darstellung des großen Ausbruches am Äquator der Sonne. Eben diese Ebenen aber werden von zahllosen, allerverschiedenartigsten Tiergeschlechtern bewohnt.

[NS.01_016,15] Aber jetzt fragt es sich: Wovon leben sie, da in der Sonne der Pflanzenwuchs nur durch den Willen der Menschen bedingt ist? – Nichts ist leichter, als auf diese Frage eine Antwort zu geben, nämlich, daß auch die Ebenen mit allerlei Gewächsen in der üppigsten Fülle bewachsen sind, und das zwar ebenfalls zufolge des Willens der Menschen, – aber hier, für die Ebenen, durch die Bitte und ebenalso durch die innigste Vereinigung mit dem treuerkannten Willen des großen Gottes. Wie aber werden diese Ebenen demnach bebaut? – Durch den Segen des obersten Lehrers –, wann auf der höchsten Tempelhöhe sich eine ganze Gemeinde zur Anbetung des großen Gottes in dem Tempel von 77 Säulen versammelt hat.

[NS.01_016,16] Sehet, jetzt habt ihr auch diese Frage beantwortet. Aber es steht noch eine Frage im Hintergrund: Wie verhüten es die Sonnenbewohner, daß das Getier der Ebenen nicht hinaufsteige zu ihnen und allda leichtlich ihre edlen Gründe beschädige? – Solches verhüten die Sonnenbewohner dadurch, daß sie eben in solchem gemeinschaftlichen Wirken alle Hügelländer durch unübersteigliche, lebendige Zäune von den Ebenen nach allen möglichen Richtungen hin rein absperren. Dieser lebendige Zaun besteht aus lauter dicht aneinandergestellten, nicht selten bei tausend Klafter hohen, säulenartigen Baumstämmen, welche nur zuoberst mit sehr buschigen Kronen versehen sind, die auch in sehr großer Menge solche Früchte tragen, welche zur Nahrung der Tiere tauglich sind.

[NS.01_016,17] Diese Einzäunungen laufen nicht selten in einer geraden Linie längs des Fußes eines oder des andern Hügels mehrere hundert Meilen fort, bis sie sich dann nach einer andern Richtung hinbeugen. Die Kronen dieser Bäume haben fortwährend ein hellgrünes Laub; die Stämme aber sind von der Erde an dunkelrot und verlieren sich bis zur Krone ins gänzlich Blaß-Lichtrote, welches dann auch einen überaus reizend schönen Anblick gewährt.

[NS.01_016,18] Nun wüßten wir, wie die Tiere versorgt sind; daher wollen wir wieder zu unserem Hausgrund zurückkehren und daselbst sehen, was nach der Wiese folgt.

[NS.01_016,19] Diese Wiese ist auf der unteren Seite über dem lebendigen Zaun mit einem Wall umgeben, auf welchem in der Richtung der Haussäulen springende Quellen angebracht sind. Ihr werdet auch hier schon wieder fragen: Wo nehmen denn die Sonnenbewohner alsogleich das Wasser her, um dasselbe, wo sie es nur haben wollen, aus diesem Walle emporspringen zu lassen? –

[NS.01_016,20] Es ist für die Sonnenbewohner eben nichts leichter als das. Sie stecken eine bei zehn Klafter lange Röhre also in das Erdreich, daß die Röhre noch etwa eine Klafter über den Erdboden hervorragt. Und alsogleich sammelt sich von dem überaus saftigen Sonnenerdboden so viel Wasser in der in die Erde gesteckten Röhre, welche zu dem Behufe, soweit sie in die Erde gesteckt wird, von allen Seiten mit einer Menge kleiner runder Öffnungen oder Löchelchen versehen ist, welche dann begierig die häufige Feuchtigkeit des Erdreichs in den Hauptkanal der Röhre passieren lassen, durch welchen Kanal dann diese in der Röhre reichlich angesammelten Feuchtigkeiten als eine ziemlich hoch springende Quelle sich zum Bedarf der Menschen und Tiere ergießen.

[NS.01_016,21] Unter diesem Walle ist dann der sogenannte, bei zehn Klafter breite Brotacker-Kreis. Warum wird er denn Brotacker-Kreis genannt? – Weil auf diesem Acker eine Art Frucht wächst, welche einzig und allein nicht vom menschlichen Willen erzeugt wird; sondern auf diesem Kreise rührt die Frucht, welche ungefähr eurem Weizen ähnlich ist, unmittelbar von dem Willen Gottes her. Daher wird auch dieser Acker als ein Heiligtum betrachtet.

[NS.01_016,22] Es wird auch hier kein Same gesät; sondern der Acker wird zu dem Behufe eingerichtet, und wann er die Frucht tragen soll, so wird darum eigens gebetet, welches bei den Sonnenbewohnern allzeit unter einer besonders großen Feierlichkeit geschieht. Nach dieser Feierlichkeit durchgeht der Hausvater segnend diesen Acker, und ihm folgen nach der Ordnung alle seine Familienglieder nach. Solcher Umgang geschieht sieben Male. Alsdann wird dem großen Gott ein allgemeines Lob-, Preis- und Dankgebet dargebracht, – und also ist der Brotacker bestellt.

[NS.01_016,23] Dieser Brotacker ist aber zuunterst umfangen mit einem überaus prachtvollen und künstlichen Geländer; und dieses Geländer ist dann auch zugleich die Grenze eines Grundes.

[NS.01_016,24] Ihr werdet hier freilich fragen: Aber warum ist denn dieser am meisten geheiligte Acker am weitesten vom Wohnhause abstehend angebracht? Denn es sollte ja doch sinnbildlich dasjenige, was mehr rein göttlicher Art ist, dem Menschen näherliegen als alles, was da nur seiner eigenen Art ist. – Durch diese Frage philosophiert ihr zwar eben nicht so übel; aber die Sonnenbewohner philosophieren in dieser Hinsicht noch besser, denn sie zeigen dadurch an, daß das Göttliche nicht nur den Zentralpunkt der Wohnung erfaßt, sondern auch alles Äußere umfaßt. Also soll auch der Mensch in seinem Innersten einen Thron zur Wohnung des göttlichen Geistes errichtet haben und soll dann auch von eben diesem Geiste alle seine Gedanken, Begierden und Handlungen ergreifen lassen, damit er dadurch in allem, – wie im Innern, so auch im Äußern, – ein Mensch vollkommen nach dem Willen des großen Gottes sei.

[NS.01_016,25] Sehet, dieses alles besagt nichts mehr und nichts weniger, als daß die Menschen vollkommen nach Meinem Willen leben und handeln sollen, das heißt, sie sollen sich von Meinem Geiste erfassen und bis ins Innerste durchdringen lassen, – nicht aber, wie es jetzt so viele gewisserart „Bessere“ tun, sich mit der alleinigen Erkenntnis Meines Willens begnügen, was aber ihre Handlungen anbetrifft, da solle Ich es Mir gefallen lassen, daß sie Mich neben ihren Welthandlungen einherzögen. Sehet, bei solchen Menschen da macht nicht dieser Brotacker die äußere Umfassung; sondern nur ein reiner Weltacker, der keine Früchte Meines Willens trägt, sondern Früchte des Eigennutzes, der Welt, des Verderbens und des Todes!

[NS.01_016,26] Aus dieser kurzen Darstellung möget ihr es nun wohl erkennen, daß die Sonnenbewohner durchaus bessere Philosophen sind, als ihr es seid. Denn die Ordnung, welche sie in ihrer Häuslichkeit beobachten, ist, selbst sinnbildlich genommen, doch sicher mehr Meiner Ordnung gemäß als die, welche ihr in Hinsicht auf eure häuslichen Einrichtungen und Anordnungen verwendet. Es kann zwar bei euch auf eurem Planeten keine solche äußere Ordnung beobachtet werden, und es liegt im Hauptgrunde auch eben nicht gar zu viel daran. Dessenungeachtet aber lasse Ich euch nun dennoch solches beschauen, damit ihr dadurch euren geistigen Grund danach bestellen möchtet! Solches sollet ihr demnach recht wohl beachten. Und so wollen wir denn fürs nächste noch die verschiedenen Amtshäuser und Tempel durchblicken und uns sodann zu den allgemeinen und häuslichen Verfassungen der Bewohner dieses Gürtels wenden.

 

17. Kapitel – Schul-Amtshäuser auf dem Mittelgürtel.

[NS.01_017,01] Was die Amtshäuser betrifft, so stehen diese nicht so auf den Hügeln wie die Wohnhäuser, sondern mehr in den Gebirgstälern, und das aus dem sehr weisen Grunde, damit die Zöglinge, welche in solchen Amtshäusern für ein oder das andere Fach unterrichtet werden, durch die reizenden Aussichten nicht zerstreut werden.

[NS.01_017,02] Damit ihr euch aber von der Lage solcher Amtshäuser eine desto bessere Vorstellung machen könnet, so wird es notwendig sein, die Hügelländer der Sonne vor euren Augen ein wenig mehr anschaulich darzustellen.

[NS.01_017,03] Die Hügel in der Sonne sind von dreifacher Art: Erstens die allgemeinen Hügel, welche sich in unabsehbaren Ketten gleich den Gebirgszügen auf eurer Erde nach allen Richtungen über diesen Sonnengürtel hin ausbreiten. – Zweitens die verschiedenen Höhepunkte der Scheitel dieser Hügel, welche ungefähr also aussehen, als wenn ihr nahezu regelmäßig runde, aber sehr abgestumpfte Kegel pyramidenartig aneinanderreihen möchtet, so daß endlich aus mehreren solchen Kegeln eine Pyramide zustande käme. Und endlich drittens die einzelnen Tuberkeln, welche alldort auch die Brüste der Hügel genannt werden. Diese dienen dann gewöhnlich zu Wohnstätten, das heißt, über ihnen werden die Wohnhäuser erbaut; und das übrige eines solchen Kleinhügels wird dann zu dem euch schon bekannten Grunde verwendet, bei dem, wie schon einigermaßen bekanntgegeben, nach eurem Maße ungefähr ein halbes Joch auf eine Person gerechnet wird. Diese Gründe sind in ihrer äußern Umfassung, so wie die Hügel, gewöhnlich zirkelrund, wodurch es dann auch gewöhnlich geschieht, daß drei, manchmal auch vier solcher Gründe aneinanderstoßen, und das gewöhnlich in der Tiefe, das heißt, im kleinen Tal zwischen drei oder vier Hügeln.

[NS.01_017,04] Da sich aber die Kreise nur auf einem Punkte berühren können, so geschieht es dann, daß zwischen drei oder vier zusammenstoßenden Gründen ein freier, unbesessener Raum zustande kommt. Sehet, auf eben diesen freien, unbesessenen Räumen werden dann die Amtshäuser errichtet.

[NS.01_017,05] Einige Amtshäuser sind kleiner als die gewöhnlichen Wohnhäuser; einige aber auch nach Bedarf größer. Denn die Kleinamtshäuser sind nur für den Elementarunterricht der Kinder bestimmt; daher sind sie auch gewöhnlich kleiner und ihre Einrichtung ganz einfach. Nur so viel ist zu merken, daß es zweierlei Arten der kleinen Amtshäuser gibt, nämlich die eine zum Unterricht für Knaben, und die andere zum Unterricht der Mädchen. Diese zwei Arten unterscheiden sich nur dadurch, daß um die Amtshäuser zum Unterricht der Mädchen zwischen den Säulen kleine runde Blumengärtchen angelegt sind, während die Amtshäuser zum Unterricht der Knaben ganz einfach dastehen.

[NS.01_017,06] Übrigens ist die Einrichtung dieser Amtshäuser fast ganz dieselbe wie die der Wohnhäuser; nur ist alles ganz einfach und ohne Verzierung, welches soviel sagen will, als daß die Schüler auch noch ihren Erkenntnissen nach sehr einfach und ohne innere geistige Ausschmückung sind. Und die Amtshäuser zum Unterricht der Mädchen zeigen durch die kleinen Blumenbeetchen den Mädchen an, daß sie sich auch dem Äußeren nach reinlich und zierlich gestalten sollen, damit dadurch in ihnen ein wohlgefälliger und anziehender Geist herangebildet werde.

[NS.01_017,07] Das ist sonach die erste Art der Amtshäuser. Diese aber werden etwa nicht von den Amtsleuten oder Lehrern bewohnt, sondern die Wohnung eines Amtmannes oder Lehrers befindet sich ebenfalls auf einem dem Amtshause zunächst gelegenen Hügel.

[NS.01_017,08] Wodurch unterscheidet sich denn sonach die Wohnung eines Amtmannes von der Wohnung eines andern Menschen, der da kein Amtmann ist? – Sie unterscheidet sich in gar nichts anderem als nur in dem, daß von ihr, wie ihr zu sagen pflegt, linea recta ein Weg bis zum Amtshause gerichtet ist, während die Wege von den andern Häusern gerade auf diejenigen Punkte zu gerichtet sind, in denen sich die Grundkreise berühren. Übrigens ist die Einrichtung eines amtmännischen Wohnhauses ganz dieselbe, wie die eines jeden andern Menschen.

[NS.01_017,09] Welche Kinder besuchen denn den Unterricht eines solchen Amtshauses? – Die Kinder der nächsten Umgebung nur; etwa von drei, vier bis fünf Wohnhäusern.

[NS.01_017,10] Und wie lange dauert denn ein Unterricht auf einmal? – Nie länger als höchstens fünfhundert Pendelschwingungen. Sodann werden wieder gegen fünftausend Pendelschwingungen freigelassen. Und also setzt sich dieser Unterricht fort, – so lange, bis die Kinder die Elementargegenstände vollkommen innehaben, welche in nichts anderem bestehen, als daß den Kindern gewisse kleine Gesetze gegeben werden, welche sie beobachten müssen.

[NS.01_017,11] So wird zum Beispiel einem oder dem andern Kinde untersagt, diesen oder den andern Gegenstand anzusehen, sondern seine Augen so lange abzuwenden, bis der Amtmann sieht, daß es dem Kinde durchaus keine Anstrengung mehr kostet, einen solchen Gegenstand völlig unbeachtet zu lassen. Die Kinder werden darum auch durch verschiedene Reizmittel versucht, das Gesetz zu übertreten; so werden zu dem Behufe bald hier bald dort, wohin einem Kinde zu schauen verboten ist, Schauspiele gegeben, bei welcher Gelegenheit es dann die Kinder sehr viele Anstrengung und Selbstverleugnung kostet, ihre schaulustigen Augen davon abzuwenden; allein mehrfache Übung gibt den Meister. Also ist es auch hier der Fall; die Kinder vergessen sich wohl zu öfteren Malen, werden dann wieder ernstlich ermahnt und bei oftmaligen Fällen der Übertretung mit kleinen, passenden Strafen belegt, – und so wird nach und nach der weise Zweck erreicht.

[NS.01_017,12] Können die Kinder einmal ein Gebot halten, so wird ihnen ein zweites ähnliches hinzugegeben; und geht es mit diesem, so wird noch ein drittes, viertes, fünftes und so fort bis zu zehn, oft bis zu dreißig Gesetzen hinzugesetzt.

[NS.01_017,13] Haben die Kinder auf diese Weise gelernt, ihre Augen im Zaume zu halten, dann müssen sie auf dieselbe Weise die Zunge im Zaume halten lernen. Da wird von dem Lehrer ein jedes Kind genau beobachtet, was etwa das Lieblingsthema seiner Zunge ist. Solches wird dann dem Kinde auf längere Zeit auszusprechen untersagt. Kann das Kind endlich sich auch in diesem Punkte verleugnen, sodann erforscht der Lehrer wieder eine andere Neigung in ihm und untersagt ihm das auf die passendste Weise.

[NS.01_017,14] Sehet, in solchen Dingen besteht alldort der Elementarunterricht, der keinen andern Zweck hat, als den, daß dadurch den Kindern ihr eigener Wille auf die zweckmäßigste Art genommen wird, und sie dadurch ganz willenslos und eben dadurch wohlbereitete Gefäße zur Aufnahme des göttlichen Willens werden, welcher dann schon in einem höheren Amtshause vorgetragen und gelehrt wird.

[NS.01_017,15] Wie die Kinder in diesem Elementar-Amtshause gewisserart von aller äußeren Tätigkeit abgehalten und dadurch alle ihre äußeren Sinne, ihre Gedanken und sonach auch ihre Begierden gefangengenommen werden, also wird ihnen in dem nächst höheren Amtshause wieder eine Tätigkeit um die andere nach dem Willen des großen Gottes zu erfüllen vorgelegt. Aus diesem Grunde sind denn auch diese Amtshäuser der zweiten Art schon nicht mehr so einfach wie die der ersten Art, obschon sonst ihre Einrichtung ganz ähnlich ist der Einrichtung in den Wohnhäusern.

[NS.01_017,16] Die Verzierungen in diesen größeren Amtshäusern, welche gewöhnlich auf jenen Stellen errichtet sind, wo sich vier Gründe, manchmal auch fünf berühren, richten sich allzeit nach der vorgeschriebenen Tätigkeit der Schüler. – Worin besteht denn diese Tätigkeit? – Diese besteht in nichts anderem als in der Fixierung mannigfaltiger Dinge.

[NS.01_017,17] So wird zum Beispiel einem oder dem andern Schüler ein Ding gezeigt; dieses muß er längere Zeit hindurch nach allen dessen Teilen unausgesetzt beobachten und muß sodann dem Amtmanne alles kundgeben, was er an dem Dinge bemerkt hat. Wenn er mit der Kundgabe fertig ist, so wird er abermals angehalten, eben dasselbe Ding noch schärfer zu beobachten und wohl zu prüfen, ob er bei der ersten Beobachtung nichts übersehen habe. Nach solcher zweiten Beobachtung gibt dann der Schüler wieder kund, was bei der ersten Beobachtung seiner Aufmerksamkeit entgangen ist.

[NS.01_017,18] Ist es jetzt etwa schon gut? – O nein; der Amtmann verweist den Schüler oft zehn, zwanzig bis dreißig Male auf einen und denselben Gegenstand. Ihr fraget hier freilich wohl: Aber wozu soll denn das gut sein? Man kann auf einem Dinge ja doch nicht mehr finden, als dasselbe beim ersten Durchschauen auf seiner Oberfläche zu beschauen darbietet. Ich sage aber: Diese Beschauung ist nur eine höchst oberflächliche und nützt keinem Menschen etwas für seinen Geist; denn also kann auch jedes Tier ein Ding beschauen.

[NS.01_017,19] Durch das öfter angenötigte Beschauen aber wird der Beschauer selbst genötigt, in seinem Geiste die verschiedenen Beziehungen, Verbindungen und Ergreifungen durchzumustern, und gewöhnt sich dadurch die Festigkeit und Bestimmtheit in seinem Blicke an, welche für den überaus flüchtigen Geist auch ebenso überaus notwendig ist. – Sehet, in solchen Übungen besteht demnach die Schule dieses zweiten Amtshauses.

[NS.01_017,20] Wenn die Schüler in der Beobachtung solcher Gesetze und noch vielmehr in der Tätigkeit nach denselben vollkommen wacker durchgeübt worden sind, sodann erst werden sie in ein drittes Amtshaus aufgenommen, welches nicht mehr in der Tiefe, sondern schon auf irgendeiner (vor den mit den gewöhnlichen Wohnhäusern bestellten Hügeln) mehr ausgezeichneten Höhe sich befindet.

[NS.01_017,21] Ein solches Amtshaus ist schon von einer bedeutenden Größe und hat gewöhnlich vier Dächer, das heißt, solche Pyramidendächer, wie wir sie über den Wohnhäusern kennengelernt haben. Ein solches Amtshaus führt allda einen Namen, der ungefähr soviel besagt als das Wort ‚Gymnasium‘ bei euch. – Was wird denn hier gelehrt? – Hier wird gewisserart die Analytik aller der sichtbaren Dinge vorgenommen und den Schülern darin überall die göttliche Ordnung gezeigt.

[NS.01_017,22] Aus diesem Grunde aber ist auch das Innere wie das Äußere eines solchen Amtshauses so überaus ordnungsmäßig prachtvoll eingerichtet, daß ihr euch davon wohl nicht leichtlich auch nur einen allerleisesten Begriff machen könntet. Denn fürs erste sind die hundert Säulen, auf denen die vier Dächer eines solchen Amtshauses ruhen, durchgehends mit erhabenen plastischen Arbeiten verziert, welche so kunstvoll ausgeprägt sind, daß sie so erscheinen, als wenn sie lebendig wären. Diese Arbeiten oder Verzierungen der sonst höchst genau viereckigen Säulen haben Ähnlichkeit mit den ägyptischen Hieroglyphen. Der Unterschied besteht darin, daß alle die Bilder ins Unaussprechliche vollendeter und vielfältiger sind als die Hieroglyphen Ägyptens.

[NS.01_017,23] In der Mitte eines solchen Amtshauses sind vier große Pfeiler aufgestellt, welche zum Teil das Dachgebälk tragen helfen; zum Teil aber (nämlich insoweit sie vom Boden bis zur Dachlinie reichen) sind sie mit höheren Verzierungen geschmückt, welche schon Beziehungen auf das Wirken des großen Gottes in sich fassen.

[NS.01_017,24] Die Säulen, von denen jede bei zwei Klafter im Durchmesser und eine Höhe von zwanzig Klaftern hat, sind aus einer Masse verfertigt, welche also aussieht, wie bei euch der sogenannte Karneolstein. Die Verzierungen aber sind wie von allerlei edelsten Steinen auf denselben angebracht. Die Füße der Säulen sind rund und aus einer Masse, die da aussieht wie glühendes Gold. Die Kapitelle der Säulen aber sind von einer Masse, die da also aussieht wie ein Amethyst.

[NS.01_017,25] Über den Kapitellen sind große, weiße Kugeln angebracht, welche mit den schönsten Bogen von Säule zu Säule verbunden sind. Über diesen Bogen ruhen erst die Dachtragbalken, welche ebenfalls aus einer Masse verfertigt sind, die da aussieht wie ein recht feuriger Rubin. Sodann erst erheben sich die eigentlichen Dachbäume, welche hier nicht schwarz, wie in den Wohnhäusern, sondern dunkelviolettblau gefärbt sind.

[NS.01_017,26] Kurz und gut, es herrscht in einem solchen Amtshause eine für euch kaum begreifliche Gleichmäßigkeit in allem. Eines harmoniert mit dem andern, und bei der überaus großen Fülle der herrlichsten Verzierungen ist dennoch nirgends eine Überladung. Selbst der Boden ist so gemacht, daß er ungefähr dem sogenannten Mosaik bei euch gleicht. Nur ist allda keine erhabene Figuration, sondern die Figuration gleicht den feinsten Miniaturgemälden bei euch; und ein jeder Gegenstand ist so überaus täuschend nachgebildet, daß ihr selbst bei der äußerst nahen Betrachtung euch nicht der völligen Täuschung erwehren könntet, zu glauben, dieses alles sei erhaben da und sei eine vollkommen plastische Arbeit.

[NS.01_017,27] Übrigens sind ebenfalls auch hier vor den Säulen, so wie in den Wohnhäusern, die prachtvollsten Ruhesitze angebracht. Und da ein solches Amtshaus gewisserart aus vier Abteilungen besteht (was von den vier Dächern zu entnehmen ist), so befindet sich unter einem jeden Dach in der Mitte eine uns schon bekannte, prachtvoll aufgeführte Schneckenwendel-Pyramide, welche ebenso eingerichtet ist, wie wir sie in den Wohnhäusern kennengelernt haben.

[NS.01_017,28] Außerhalb dieses Amtshauses, welches von dem Amtmanne samt seiner Familie für gewöhnlich bewohnt wird, sind auch diejenigen Grundabteilungen und Bestellungen in derselben Ordnung, nur in größerer Ausdehnung vorhanden, wie wir sie ebenfalls bei den gewöhnlichen Wohnhäusern kennengelernt haben.

[NS.01_017,29] Der ganze Grund um ein solches Amtshaus hat nach eurer Messung nicht selten einen Flächenraum von tausend Jochen; aber deswegen kommt für eine Person doch nicht mehr als ein halbes Joch zur Benutzung. Ihr werdet hier fragen: Warum denn da so viel Grundstück für einen Amtmann, dessen Familie doch sicher nicht zahlreicher ist als die eines andern Hauses?

[NS.01_017,30] Die Ursache ist ganz einfach, nämlich, weil sämtliche Schüler einer solchen Anstalt allda auch so lange wohnen, bis sie ihre Schule vollkommen durchgemacht haben. Denn hier müssen sie gar viel kennenlernen, – nämlich, wie ihr schon gehört habt, die Ordnung Gottes in all den verschiedenen Dingen; oder: sie müssen hier gewisserart lesen lernen in dem großen Buche der göttlichen Natur, aus welchem Grunde auch alle die vorerwähnten Verzierungen in einem solchen Amtshause angebracht sind.

[NS.01_017,31] Damit ihr euch aber wenigstens einen leisen Begriff davon machen könnt, so will Ich euch bloß nur die Bedeutung einer Säule ganz flüchtig und kurz kundgeben. – Der runde Fuß bedeutet die Kraft Gottes oder die Stärke Seines Willens, welcher da ist ein ewiges Fundament aller Dinge. – Die darauf ruhende, viereckige Säule bedeutet die von diesem Grundfundament ausgehende Kraft, welche die Stütze des Himmels und aller geschaffenen Dinge ist. – Die geschaffenen Dinge sind sinnbildlich durch die Verzierungen um die Säule angebracht und haben Beziehungen untereinander wie auch auf die Kraft, welche sie hervorbringt und trägt. Denn solches müßt ihr auch wissen, daß derlei Verzierungen nicht etwa durch Menschenhände auf den Säulen verfertigt und angebracht sind, sondern lediglich nur durch den höheren Willen des großen Gottes, welcher sich ausspricht im vollkommen gereinigten Herzen eines Menschen. – Die Kapitelle einer solchen Säule bedeuten die Weisheit; die Kugeln über denselben die Unerforschlichkeit derselben in Gott. Die Bogen aber, welche diese Kugeln verbinden, bezeichnen die unergründlichen Wege, durch welche die Weisheit Gottes alles in der allerhöchsten Ordnung durchschaut und verbindet; und diese Ordnung ist dann die erhaltende Trägerin der ganzen Unendlichkeit.

[NS.01_017,32] Sehet, das ist so nur ein ganz flüchtiger Abriß, aus welchem ihr entnehmen könnt, in welchem Sinne ein solches Amtshaus in allen seinen Teilen errichtet ist, – welches alles dann die Schüler in solcher Ordnung durch die gerechte Anleitung aus sich heraus erkennen lernen müssen. Möchte euch ein solches Gymnasium nicht besser gefallen als euer lateinisches auf der Erde? – Sehet, das ist eine gerechte Schulanstalt!

[NS.01_017,33] Einst bestanden solche Schulen auch auf eurer Erde; aber die menschliche Habsucht hat sie von diesem Boden völlig verdrängt. Und so gebe Ich euch darum hier wieder eine Anleitung aus der Sonne, damit ihr daraus ersehen möchtet, wie eine gerechte Schule zur lebendigen Bildung des menschlichen Geistes solle beschaffen sein; welches ihr aber im ausgedehnteren Sinne erst bei der nächsten Darstellung der Tempel kennenlernen werdet. – Und somit lassen wir es für heute auch wieder gut sein!

 

18. Kapitel – Tempel einfacher Art auf dem Mittelgürtel.

[NS.01_018,01] In welchem Ansehen steht denn ein Tempel in der Sonne – das heißt, zunächst der erste Tempel auf einer der untersten Höhen (auf denen noch zwei andere Tempel vorkommen, die wir erst später kennenlernen werden)?

[NS.01_018,02] Ein solcher Tempel der ersten Art steht dort in dem Ansehen einer allgemeinen Volksschule, in welche von dem vorbeschriebenen Amtshause aus übergegangen wird. Ihr müßt aber nicht etwa denken, daß da nur von einem solchen Amtshause die Schüler in einen solchen Tempel übertreten; sondern ein solcher Tempel ist eine Aufnahme von nicht selten dreißig bis vierzig solchen Voramtshäusern; aus welchem Grunde denn auch ein solcher Tempel von einer außerordentlichen Größe ist, und es auch sein muß, um nicht selten mehrere tausend Schüler in sich aufzunehmen.

[NS.01_018,03] Ein solcher Tempel hat nicht mehr eine runde Form, sondern seine Form ist vielmehr die eines Schiffes bei euch. Denn wäre er in die Runde gebaut, so würde das bei der Bedachung sehr viele Schwierigkeiten absetzen. Da er aber in einer solchen eirunden Form erbaut ist, so macht die Bedachung desselben ebensowenig Schwierigkeiten als die eines gewöhnlichen Wohnhauses.

[NS.01_018,04] Wodurch oder wonach aber wird die Größe eines solchen Tempels bestimmt? – Die Größe eines solchen Tempels wird nach der Zahl der Säulen bestimmt, aus denen er besteht. – Ist die Zahl der Säulen gleich bei allen Tempeln dieser ersten Art? – Nein, sondern sie richtet sich nach der Gegend, je nachdem diese mehr oder weniger Wohnhäuser, dann kleine Amts- und Voramtshäuser besitzt. Daher kann ein solcher Tempel im geringsten Fall aus tausend, im höchsten Fall aber aus zehntausend Säulen bestehen. – Die Säulen eines solchen Tempels sind fürs erste um vieles höher und auch viel umfangreicher als die eines Wohnhauses, und sind zumeist von einer lichtgrünen, durchsichtigen Masse und im einfachen Stil ganz rund.

[NS.01_018,05] Übrigens aber ist der Baustil auch bei den Tempeln sehr verschieden, wenn sie auch einer und derselben Art und für einen und denselben Zweck bestimmt sind. Demnach gibt es auch Tempelsäulen wie Pyramiden aussehend; wieder gibt es Tempelsäulen, die da bestehen aus einer Menge Stäbe; wieder gibt es Säulen, die also aussehen, als wären plattgedrückte Kugeln aufeinander aufgestellt; auch gibt es Säulen, die sich in wolkenähnlicher Form übereinander erheben; also gibt es auch wieder Säulen, die wie umgekehrte Kegel aussehen, nämlich da die breite Seite in der Höhe und die spitze Seite sich zuunterst befindet. Und so gibt es noch zahllose Formen, in denen solche Säulen zur Stütze der Dachung aufgeführt sind.

[NS.01_018,06] Diese Tempel sind schon wieder um vieles erhabener und prachtvoller als die Voramtshäuser, besonders der letzthin bekanntgegebenen Art, in denen die Schüler Meine Ordnung kennenlernen müssen. Diese Tempel haben sonach auch mehrere Dächer, worunter aber dasjenige Dach, durch welches des Tempels Mitte gedeckt wird, das bei weitem höchste ist; und ist an dessen höchster Spitze eine überaus große Fahne angebracht zum Zeichen des Sieges, welchen die Menschen in diesem Tempel zu erringen haben. Die andern pyramidenartigen Dächer aber sind stufenweise niederer. Und zu jeder Seite der mittleren, hohen Dachpyramide sind je sieben und sieben angebracht, so zwar, daß dann solche Dächer mit ihren Spitzen gegen die Spitze des mittleren Hauptdaches ebenfalls eine Pyramide bilden.

[NS.01_018,07] Die Spitzen der Dächer sind zwar auch mit Fahnen verziert, aber die Fahnen nehmen, gegen die mittlere Fahne betrachtet, also an der Größe ab, wie die Dächer an der Höhe abnehmen. Übrigens sind auch diese Tempeldächer eben auf dieselbe Art angebaut, wie die Dächer der Wohnhäuser. Die Höhe des mittleren Daches dürfte nach Umstand der Größe des Tempels wohl manchmal bei tausend Klafter eures Maßes betragen; niederer als fünfhundert Klafter aber ist es nie. Nach der Höhe der mittleren Dachspitze richten sich dann auch die andern Dachspitzen.

[NS.01_018,08] Ihr werdet hier freilich fragen: Aber wie können denn die Sonnenbewohner so entsetzlich lange Dachbalken über den Säulen pyramidalförmig aufstellen, und woher beziehen sie solche tausend Klafter lange Bäume? – Hier muß ich euch sogleich bemerken, wie solches schon bei einer früheren Gelegenheit bemerkt wurde, daß die Sonnenbewohner dergleichen nicht mit ihren Händen verfertigen, sondern alles mit der Kraft ihres Willens. Sie müssen zwar solche Dachbäume früher aus dem Erdboden ziehen, welches, wie ihr wißt, durch ihren Willen geschieht. Also müssen sie auch die Säulen zustande bringen. Sind aber alle diese Sachen, die zum Bau eines solchen Tempels erforderlich sind, einmal erzeugt, alsdann werden sie durch die Vereinigung des Willens mehrerer, oft sehr vieler Menschen, zu einem solchen Bau geordnet. Und der Bau selbst wird dann durch die Vereinigung des Willens aufgeführt.

[NS.01_018,09] Dessenungeachtet aber gibt es bei einem solchen Tempel dann dennoch Verrichtungen, welche die Sonnenmenschen mit ihren Händen vollziehen. Zu diesen Verrichtungen gehört das Eindecken des Daches und das inwendige Färben desselben. Dann gehört noch zu den Verrichtungen der Hände die Ausmessung und das darauf folgende Ebnen des Bodens. Das sind demnach Verrichtungen der Hände.

[NS.01_018,10] Wie lange dauert denn ein solches Gebäude? – Wenn es nicht durch irgendein verabsäumtes und zu spät beobachtetes Naturereignis sich fügt, daß solche Tempel, wie auch andere Gebäude, beschädigt oder manchmal zum Teil oder ganz zerstört werden, so stehen sie da wie für eine Ewigkeit; denn dort wird nichts faul und mürbe, sondern alles bleibt in einer beständigen Frische und Gediegenheit, so wie es war bei seinem ersten Entstehen.

[NS.01_018,11] Nun wüßten wir, was es mit dem Bau und somit auch mit der äußeren Form eines solchen Tempels für eine Bewandtnis hat; daher wollen wir nun dessen Inneres und sodann dessen äußere Umgebung ein wenig in Augenschein nehmen.

[NS.01_018,12] Die majestätische Höhe eines solchen Tempels ist zuerst zu beachten; denn die Säulen, welche hier die Dachungen tragen, sind nach der Größe des Tempels auch hundert bis fünfhundert Klafter hoch und sind verhältnismäßig dick und umfangreich. Die Fußgestelle der Säulen sind allzeit vollkommen kreisförmig rund und haben, wie ihr zu sagen pflegt, vom Boden angefangen bis zu ihrer Säulentragfläche sieben Wülste, wovon jeder Wulstkreis bei vier Schuh in der Höhe mißt, und ist ein solches Fußgestell einer Säule ebenfalls verhältnismäßig zur Säule selbst. Diese Gestelle sind bei den Tempeln zumeist fest, aber sonst dennoch von einer halbdurchsichtigen Masse von blauer Farbe. Die Säulen sind durchaus weiß; aber dafür mit den verschiedenfarbigsten erhabenen Verzierungen belegt.

[NS.01_018,13] Die Säulen eines solchen Tempels gehen nicht ohne Unterbrechung bis zur Dachung hinauf, sondern sind zugleich Träger dreier Galerien, welche sich längs der Säulenreihe innerhalb des ganzen Tempels herumziehen, mit den allerprachtvollst gearbeiteten Geländern versehen.

[NS.01_018,14] Wie kommt man aber auf diese Galerien? – Ihr werdet es sogleich sehen. – Statt den pyramidalen Ruhebänken innerhalb der Säulen befindet sich eine Schneckenwendel-Pyramide, deren sich immer höher ziehende Stufen ebenfalls mit den allerzierlichsten Geländern umfangen sind. Wenn man auf dieser Schneckenwendel-Pyramide die Höhe einer Galerie erreicht hat, so zieht sich von der Pyramide ein überaus zierlicher Gang, auf welchem man dann auf die Galerie gelangen kann. So ist eine jede Galerie durch einen Gang mit einer solchen Schneckenwendel-Pyramide verbunden.

[NS.01_018,15] Aus welcher Masse ist denn eine solche Pyramide? – Die Pyramide selbst ist aus einer Masse, die da aussieht wie blaßrot gefärbtes Glas, vollkommen durchsichtig. Die Geländer sind wie von massivem Golde, in allerlei der schönsten Zieraten gewunden, welche dann wieder an ihren Ausläufern verziert sind mit allerlei wunderbar schönen und bedeutungsvollsten Formen, welche da verschiedenfarbig sind und das Aussehen haben wie die alleredelsten Steine bei euch, wenn sie selbstleuchtend wären.

[NS.01_018,16] Aus einem eben solch massiv-goldigartigen Stoff besteht der Gang, der ebenfalls mit doppelten Geländern versehen ist von der Schneckenwendeltreppe bis zur Hauptgalerie.

[NS.01_018,17] Die Hauptgalerien sind natürlicherweise ebenfalls mit Geländern versehen, und zwar nach innen wie nach außen. Diese Hauptgaleriegeländer aber bestehen aus lauter Brillantpyramiden, das heißt, die Pyramiden sind aus einer Masse gezogen, welche also leuchtet, wie ein großer, geschliffener Diamant bei euch, wenn er sich in den Strahlen der Sonne befindet. Diese Pyramiden sind zwischen einem jeden Gange also aneinandergereiht, daß sie sich zuunterst berühren, und sind zuoberst mit einer wie massivgoldenen, in das höchste Laubwerk verschlungenen Lehne verbunden, welche Lehne ebenfalls von Gang zu Gang (der von der Schneckenwendel-Pyramide bis zur Hauptgalerie sich erstreckt) gedehnt ist; denn ununterbrochen kann sie ja nicht fortlaufen. Wäre solches der Fall, so müßte man ja, um von einem Gange in die Hauptgalerie zu gelangen, über ein solches Geländer steigen; darum muß alsdann, sooft ein solcher Gang von einer Schneckenwendeltreppe in eine oder die andere Hauptgalerie leitet, das Geländer der Hauptgalerie unterbrochen sein. Solches versteht sich freilich nur ins Innere des Tempels genommen; nach außen aber läuft dasselbe Pyramidengeländer mit einer noch massiveren Lehne ununterbrochen fort.

[NS.01_018,18] Die Hauptgalerie ruht auf regenbogenartigen Bogen, welche sich von Säule zu Säule erstrecken. Diese Bogen spielen äußerst lebhaft vollkommen die Farben eines Regenbogens.

[NS.01_018,19] Innerhalb der Wendeltreppen-Pyramiden befinden sich auf dunkelroten, erhabenen, viereckigen Platten, ebenfalls wieder auf einem Würfelgestelle, ähnliche Pyramiden, wie wir sie in den Wohngebäuden hinter den Säulen kennengelernt haben.

[NS.01_018,20] Die würfelartigen Gestelle, welche mit ihrer Fläche über eine halbe Klafter über die Pyramide nach allen Seiten hinausreichen, werden zu Ruhebänken gebraucht. Wenn nämlich die Zeit der Ruhe kommt, begeben sich die Schüler auf diese Plätze und ruhen allda nach Bedarf aus. Diese Ruhebänke sind überaus weich elastisch, ungefähr so wie ein Luftpolster. Also weich elastisch ist auch die pyramidalartige Lehne. Wenn sich aber jemand darauf noch solange befindet, so verursacht er deswegen dennoch nirgends einen bleibenden Einbug; sondern wenn er aufsteht, ist alles wieder in der schönsten Ordnung, sowohl die Bank als die Lehne.

[NS.01_018,21] Die Lehne ist ebenfalls überaus prachtvoll verziert. Und zuoberst der Lehne an der Spitze der Pyramide ist allenthalben eine grünleuchtende Kugel angebracht, was dem Innern des Tempels wieder ein überaus prachtvolles, niedliches Ansehen gibt, besonders wenn sie nicht hier und da durch die auf den Ruhebänken ruhenden Menschen ein wenig aus dem Gleichmaß gebracht wird.

[NS.01_018,22] Das wäre somit die allgemeine Einrichtung eines solchen Tempels. Zu der besondern und am meisten großartigen inneren Einrichtung, wie auch zur äußeren Umgebung eines solchen Tempels, wollen wir erst nächstes Mal schreiten. Und daher gut für heute!

 

19. Kapitel – Innere Einrichtung eines Tempels einfacher Art. – Ein Tempelorchester.

[NS.01_019,01] Ihr wißt, daß ein solcher Tempel zusammengenommen aus fünfzehn Dachungen besteht, nämlich aus der mittleren hohen, und dann zu ihren beiden Seiten je von sieben Dachungen. In der Mitte einer jeden solchen Dachung befindet sich im Innern des Tempels wieder eine eigens prachtvoll errichtete Schneckenwendeltreppe, welche sich ganz unter die Dachung hineinzieht und unter jedem Dach, welches sich dem Mitteldache nähert, größer, prachtvoller und somit auch bedeutungsvoller ist.

[NS.01_019,02] Unter der mittleren, hohen Dachung aber befindet sich keine solche Schneckenwendeltreppe, sondern diese Dachung wird fürs erste von leuchtend blauroten Säulen getragen, und möchten derselben in der Runde wohl bei dreißig sein. Diese Säulen sind beinahe noch einmal so hoch als die des eigentlichen Tempels; daher denn dieser mittlere Teil des Tempels auch höher ist, als die übrigen Teile desselben.

[NS.01_019,03] Diese Säulen sind mit sieben Reihen Galerien versehen, auf welche man durch eine Wendeltreppe, welche um die Säulen gewunden ist, gelangen kann. Eine jede Säule ist demnach mit einer solchen Wendeltreppe bis in die siebente Galerie umwunden. In der Mitte dieser großen Tempelrundung steht eine große Hauptsäule, welche sich bis zur höchsten Spitze des hohen Daches hinaufzieht. Da, wo sich um die Säulen die vierte Galerie zieht, ist von dieser Mittel-Hauptsäule nach vier Seiten hin ein Gang angebracht, das heißt, es sind im Grunde nur zwei Gänge, welche sich an dieser Hauptsäule durchkreuzen.

[NS.01_019,04] Von diesem Kreuzgange geht dann eine sehr breite Wendeltreppe um die Säule hinauf bis zur höchsten Dachspitze. Die Galerien, welche um die Säulen dieser Hauptrundung laufen, werden ebenfalls durch regenbogenartig strahlende Bogen unterstützt. Aber hier faßt ein Bogen nur eine Farbe, und da es sieben Galerien gibt, so gibt es auch zur Unterstützung derselben sieben Bogen, von denen ein jeder in einer andern Farbe strahlt. Und wenn man sein Auge über alle die sieben Galerien ausdehnt, so genießt man den Anblick eines zerstreuten Regenbogens.

[NS.01_019,05] Die Geländer der Galerien haben in dieser Hauptmittelrundung des Tempels das Aussehen wie glühendes Gold, und sind, obschon an und für sich überaus kunstvoll gearbeitet, dennoch in den Zwischenräumen mit allerlei kleineren Verzierungen in allen erdenklichen Farben unterspickt, – ungefähr auf die Weise, wie da bei euch eine aus Gold und Silber kunstvoll gearbeitete Kaiserkrone noch verziert ist mit allerlei kunstvoll geschliffenen Edelsteinen.

[NS.01_019,06] Was aber die Lehnen der Galerie betrifft, so sind sie dunkelrot leuchtend. Die Fußböden der Galerien aber sehen aus, als wie zur Nachtzeit der Himmel, wo er mit den meisten Sternen übersäet ist.

[NS.01_019,07] Was aber die Gestalt der Mittelsäule betrifft, so erhebt sich diese vom Boden bis zur höchsten Spitze geradeso, als zöge sich vom Boden bis in die höchste Spitze hinauf eine feurige Wolkensäule. Wozu dient denn diese Hauptsäule? – Fürs erste hilft sie das hohe, schwere Dach tragen, das ist der naturmäßige Nutzen. – Der zweite Nutzen ist dieser, daß man auf der Wendeltreppe bis unter die höchste Spitze des Daches gelangen und allda auch am Dach etwas ausbessern kann, wenn mit der Zeit daran etwas schadhaft werden könnte. – Drittens gehört sie darum in diese Hauptschulanstalt, damit durch ihr Besteigen die Menschen sich angewöhnen, von den verschiedenen Höhegraden ohne Schwindel in die Tiefe hinabzublicken. Denn solches haben die Sonnenbewohner sehr nötig, besonders diejenigen, welche hernach auch zu den verschiedenen Bauamtszweigen überzutreten gedenken. – Dann endlich wird auf den verschiedenen Höhenstufen auch der Wille der Menschen geprüft, in welche Tiefe er noch auf dem Boden zu wirken vermag. Denn ihr müßt wissen, daß eine solche Säule von keiner unbedeutenden Höhe ist und von manchen Tempeln mit den höchsten Bergen eurer Erde wetteifern dürfte, wenn sie auch auf der Oberfläche des Meeres stände.

[NS.01_019,08] Diese Säule ist auch sehr umfangreich, besonders zuunterst, da sie nicht selten einen Durchmesser von hundert Klaftern hat. – Freilich geht sie von da an bis unter die Spitze des hohen Daches immer pyramidenartig abnehmend fort. – Da die Säule so umfangreich ist, so könnt ihr euch wohl leicht denken, daß auch die Wendeltreppen um sie herum sehr geräumig sind; ja sie sind, besonders zuunterst, so breit, daß da sehr leicht hundert Menschen nebeneinander eine solche Treppe aufwärts besteigen können. – Also sind auch die Galerien, welche siebenfach um diese Hauptrundung gezogen sind, überaus geräumig. – Und ebenso geräumig sind dann auch die zwei sich durchkreuzenden Gänge, welche die mittleren Galerien mit der Hauptsäule verbinden. Ein solcher Gang ist so breit, daß da ebenfalls über hundert Menschen nebeneinander in einer Reihe ganz bequem stehen könnten.

[NS.01_019,09] Wozu dienen denn diese zwei Kreuzgänge, wie auch die ganze mittlere Galerie? – Sehet, da ist wieder etwas für euch; denn das ist das musikalische Orchester eines solchen Tempels. Auf einem jeden Gang befinden sich siebenundsiebzig Harfen; auf der Galerie herum aber sind Plätze für die Hauptsänger angebracht. Auf dieser Galerie und auf diesen zwei Gängen wird vor und nach jeder Beschäftigung dem großen Gott ein Lobgesang mit Begleitung der Harfen dargebracht, von welchem Lobgesange dann der ganze, weite Tempel majestätisch widerhallt.

[NS.01_019,10] Ihr müßt euch den Ton einer Harfe nicht etwa also vorstellen, wie eben ein solch ähnliches Instrument auf eurer Erde klingt; sondern der Ton einer solchen Harfe ist so überaus rein und aller Steigerung von der größten Schwäche bis zur größten Stärke in einem solchen Grade fähig, daß ihr euch auf eurem Erdkörper durchaus keine Vorstellung machen könnt. Was die Stärke desselben betrifft, so ist die hellste Glocke bei euch nur ein Pianissimo dagegen. Was aber eines solchen Tones größtmöglichste Schwäche betrifft, so könnt ihr wieder auf keinem eurer Instrumente solche wahrhaft geisterhaft leise Töne hervorbringen, welche da aus einer solchen Harfe hervorgebracht werden können. Dazu ist auch der Ton bei einer Harfe von euch nur ein kurz andauernder, während der einmal angeschlagene Ton einer solchen Sonnenharfe so lange fortklingt, bis ihm der Musiker Einhalt tut. Und so ist eine solche Harfe auch aller Tonverschiedenheit fähig, so zwar, daß eine solche Harfe auf der Erde gar wohl imstande wäre, ein zehnfaches, wohlbesetztes Orchester zu ersetzen. Wenn ihr nun dieses ein wenig beachtet, so könnt ihr euch schon von einem solchen Konzert in der Sonne einen kleinen Begriff machen.

[NS.01_019,11] Zu diesem Zweck ist eigentlich auch dieser Haupt-Mittelrundbau des Tempels errichtet. Er ist das eigentliche Bethaus eines solchen Tempels, wo nichts anderes verrichtet werden darf, als nur was zum einstimmigen Lobe des großen Gottes bestimmt ist.

[NS.01_019,12] Nur die alleinigen Willensübungen werden, wie schon früher erwähnt wurde, auf den verschiedenen Höhenstufen dieser Säule vorgenommen; aber auch nur darum in diesem Bethause, damit sich der Wille eines jeden Menschen desto mehr einigen solle mit dem Willen des großen Gottes. Dazu gehören auch diejenigen vorerwähnten Übungen, durch welche die Sonnenmenschen von jeder Höhe ohne Schwindel gleichgültig in die Tiefe hinabzublicken imstande sein sollen und auch wirklich werden.

[NS.01_019,13] Eine solche Übung wäre auch auf der Erde gar nicht schlecht, wo die Menschen vorzüglich an Schwindel leiden; denn wenn ein Mensch nur ein bißchen höher steht als ein anderer, so graut es ihm schon auf ihn hinabzublicken, – und je höher einer zu stehen kommt, desto unerträglicher wird sein Hoheitsschwindel, welcher manchmal, und das eben nicht gar zu selten, so arg ausartet, daß mancher hochstehende Adelige sich eher möchte mit zehn Kanonen auf einmal totschießen lassen, als nur einmal einen solchen werktätigen Blick hinab in die Tiefe zu machen und sich dort in der einfachen Jacke eines Landmannes zu erblicken. Ist hier etwa zuviel gesagt? – O nein! Seht nur hin auf die Adeligen; ist es ihnen nicht viel lieber, so ihre Söhne auf dem Schlachtfelde vom Feinde in tausend Stücke zerrissen und zerhauen werden, als wenn da ein solcher adeliger Sohn zu seinen hochadeligen Eltern sagen möchte: Ich will lieber ein Bauer werden, als mich auf offenem Schlachtfeld als ein Feldherr vom Feinde erschießen lassen.

[NS.01_019,14] Sehet, um in dieser Hinsicht die Menschen schwindelfest zu machen, wäre eine solche Säulenbesteigungs-Schule im Ernste überaus wohl anzuempfehlen. Allein die Menschen der Erde gefallen sich noch zu sehr in dieser verderblichsten Krankheit. Daher kehren wir nur wieder dahin zurück, wo für die Hintanhaltung einer solchen Krankheit naturmäßig und geistig auf das tätigste gesorgt wird.

[NS.01_019,15] Daß eine solche Hauptrundung eines solchen Tempels für eure Begriffe nur zu erhaben schön und prachtvoll aussieht, braucht kaum noch einmal erwähnt zu werden. Wer nur ein wenig seine Phantasie zu erwecken imstande ist, der wird sich auch gar bald einen kleinen Begriff davon machen können. Einen vollkommenen Begriff aber wird sich ein jeder erst dann machen können, wenn er solche Wunder mit eigenen, verklärten Augen ansehen und auch mit eigenen, feineren Ohren des Geistes die Musik der Himmel mit anhören wird.

[NS.01_019,16] Was aber die übrigen Teile des Tempels betrifft, so gehören sie teils zum verschiedenartigen Unterricht, teils aber auch zur Wohnung sowohl für die Schüler wie für die Lehrer; und es gehört ein Flügel für das männliche und ein Flügel für das weibliche Geschlecht, welche zwei Geschlechter im Tempel, außer in der Rundung, nie zusammenkommen, wohl aber außerhalb des Tempels bei oftmaligen Lustwandlungen in der freien Sonnenluft und bei nicht seltenen Besteigungen höherer Gebirgsgegenden.

[NS.01_019,17] Das wäre sonach das ganze Äußere und Innere des Tempels. Was aber die Grundumgebung eines solchen Tempels betrifft, so ist sie gleich geordnet wie die Grundumgebung eines jeden andern Wohnhauses, nur ist der Grund in dem Verhältnis größer, in welchem die beständige Menschenmenge eines solchen Tempels größer ist als die eines jeden andern Wohnhauses.

[NS.01_019,18] Wenn sonach in einem Tempel manchmal bei zehntausend Menschen wohnen, so mißt auch der Grund um denselben ebensoviele halbe Joche nach eurem Maß. Doch sind die verschiedenen Äcker durch viel breitere Straßen zur Lustwandlung voneinander getrennt, – und die Fruchtbäume sind um den Tempelhügel erst in einer solchen Niederung gezogen, daß durch sie die Aussicht des Tempels nicht im geringsten behindert wird.

[NS.01_019,19] Aus diesem Grunde befindet sich dann außerhalb des Tempels eine weite Ebene, auf welcher nichts als ein üppiger Graswuchs von lebhafter, nahezu dunkelgrüner Farbe gezogen wird.

[NS.01_019,20] Die äußere Umfassung dieser Ebene besteht aus lauter Springbrunnensäulen, durch deren hervorsprudelndes Wasser sowohl die Ebene um den Tempel wie auch der darauffolgende, nach allen Seiten abhängende Grund erfrischt wird.

[NS.01_019,21] Sehet, das ist ein Tempel der ersten Art. Nächstens wollen wir noch die zwei folgenden betrachten. Und daher lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

20. Kapitel – Ein Tempel höherer Art.

[NS.01_020,01] Was den zweiten Tempel betrifft, so wird dieser auch von den Sonnenbewohnern gewöhnlich der große Tempel genannt. Warum dieser Tempel diesen Namen führt, werdet ihr in der Folge gar wohl erfahren.

[NS.01_020,02] Dieser Tempel ist zwar, was den Bau und die Vielheit der Säulen betrifft, eben nicht viel vorzüglicher als der, den wir vorhin kennengelernt haben. Er dürfte hier und da vielleicht wohl um tausend, auch manchmal bis zweitausend Säulen stärker sein als der frühere. Allein dieser Zusatz genügt nicht dem Beinamen: der große Tempel.

[NS.01_020,03] Hat er auch wirklich mehr Säulen, so sind aber fürs erste diese Säulen enger aneinandergereiht und auch nicht so hoch, – wodurch dann auch der Raum, den ein solcher Tempel einnimmt, um nicht viel größer ist als derjenige des vorigen Tempels. Auch sind die Dächer bei weitem nicht so hoch.

[NS.01_020,04] Es fragt sich demnach, warum dieser Tempel „der große“ genannt wird? – Weil in diesem Tempel durchaus kein anderer Dienst mehr gelehrt wird als allein der Dienst des großen Gottes! Das ist also die Ursache, warum dieser Tempel „der große“ genannt wird.

[NS.01_020,05] Was seine innere Einrichtung und auch seine äußere Umgebung betrifft, so ist diese bis auf die willkürlichen Verzierungen ganz gleich dem, was wir in- und außerhalb des vorigen Tempels kennengelernt haben. Nur das Orchester ist in diesem Tempel noch viel großartiger und besteht aus der doppelten Zahl Harfen des vorigen Tempels. Auch die Zahl der Sänger ist größer als die des vorigen Tempels; welches aber daraus sehr leicht zu begreifen ist, weil einen solchen Tempel oft vier-, fünf-, sechs- bis siebenmal soviel Schüler bewohnen als den vorigen.

[NS.01_020,06] Denn in einem solchen Tempel kommen die Menschen eben auch oft von vier bis sieben Tempeln der vorigen Gattung zusammen, um da den allerhöchsten Unterricht zum Dienst des großen Gottes zu empfangen. Aus diesem Grunde aber sieht es dann in einem solchen Tempel wie in seinen weiten Umgebungen äußerst lebhaft aus.

[NS.01_020,07] Wenn manchmal nicht alle Menschen in einem solchen Tempel untergebracht werden können, so werden etwas tiefer, etwa an der Stelle, da sich durch die Gründe ein freier Lustwandelweg zieht, kleine Wohnhäuser von etwa zehn bis zwölf Säulen im Umfang errichtet, welche bis auf die Mittelwendeltreppe, welche daselbst mangelt, ganz so eingerichtet sind, wie die Wohnhäuser, welche wir schon kennengelernt haben.

[NS.01_020,08] Bei manchem Tempel dieser zweiten Art gibt es nicht selten einige Hunderte solcher kleinerer Wohnungen. Eine jede solche Wohnung hat dann auch einen eigenen Amtmann, welcher unter den Amtsleuten und somit auch unter dem Hauptlehrer dieses Tempels steht. Er hat für nichts anderes zu sorgen, als für die Aufrechterhaltung der Ordnung.

[NS.01_020,09] Die Gründe um einen solchen Tempel sind auch in eben dem Maße größer und ausgedehnter als die des früheren.

[NS.01_020,10] Bei diesem Tempel befindet sich auch ein allgemeiner Zeitenwächter, und darum müssen sich alle Zeitenwächter eines solchen weitgedehnten Tempelbezirkes nach ihm richten. – Wo ist denn dieser Zeitenwächter gewisserart in der Nachbarschaft dieses Tempels logiert? – Sehet ungefähr tausend Klafter außerhalb des Tempels wird auf einem kegelförmigen Hügel ein überaus starker, manchmal über fünfhundert Klafter hoher Baum gezogen. Allda wird von seiner Höhe ein Pendel herabgelassen bis nahezu an den Fuß des Hügels; denn auf der Pendelseite wird ein solcher Hügel steiler gemacht, als er sonst von Natur aus wäre. Dieses Pendel wird dann durch drei Männer in Bewegung gesetzt und braucht zu einer Schwingung nahe dreißig Minuten nach eurer Rechnung.

[NS.01_020,11] Nach diesem Pendel müssen dann alle andern eingerichtet werden. Wenn sie auch eben nicht so groß sind und darum dieselben langsamen Schwingungen nicht nachmachen können, so müssen aber ihre Schwingungen dennoch also eingeteilt sein, daß entweder zwei oder vier Schwingungen genau den Zeitraum ausfüllen, welchen da bei diesem Hauptpendel eine Schwingung ausfüllt.

[NS.01_020,12] Aus dem Grunde gibt es auch selbst in den kleineren Wohnhäusern um diesen Tempel sogenannte kleine Handpendel, nach deren schnelleren Schwingungen die Hauptschwingungen des großen Pendels bemessen werden.

[NS.01_020,13] Wie verkündet aber das Hauptpendel seine Schwingungen wohlvernehmlich einer ganzen Umgebung? – Dazu sind noch eigene Amtsleute angestellt, welche sich teilweise in diesem Dienste ablösen, und zwar von hundert zu hundert Schwingungen. Solche Amtsleute gibt es bei einem solchen Haupt-Chronometer allzeit hundert an der Zahl, von denen stets vier den Dienst verrichten müssen.

[NS.01_020,14] Diese Amtsleute oder Chronologen stehen bei den Sonnenbewohnern ungefähr in demselben Ansehen, wie bei euch die tiefsinnigsten Astronomen. Jedoch das ist für jetzt nicht der Zweck, darum sie hier angeführt werden, – sondern wie sie die Zeit der ganzen Umgegend verkünden. Sehet, auf vier Seiten des ziemlich weitgedehnten Hügels ist eine Art Glocke angebracht, welche zwar nicht also aussieht wie eine sogenannte Kirchenglocke bei euch, sondern in großer Form so wie bei euch die kleinen Uhrklangschalen.

[NS.01_020,15] Ein jeder Zeitverkünder ist mit einem Hammer versehen und schlägt mit jeder Pendelschwingung einmal auf die Glocke. Dadurch wird der ganzen Gegend weit und breit angezeigt, wann eine Schwingung um die andere erfolgt. Zuoberst des Hügels aber sind ebenfalls zwei Wächter logiert; diese zählen die Schwingungen und geben die Zahl der Schwingungen den Tempelwächtern durch gewisse Fernzeichen kund.

[NS.01_020,16] Daß auch die Pendelzahlverkünder sowie die Schwingungsandeuter sich ablösen, versteht sich von selbst. Und somit hätten wir auch diesen zweiten Tempel kennengelernt. – Der Unterschied besteht also nur in dem Zweck dieses Tempels und in der bei weitem größeren Anzahl seiner Schüler.

[NS.01_020,17] Es ist zwar schon bei einer früheren Gelegenheit bemerkt worden, daß Tempel dieser zweiten Art höher stehen als die der ersten; aus dem Grunde ist es hier kaum notwendig zu erwähnen, daß ein solcher Tempel auf einem noch viel höheren und umfangreicheren Berge steht, als der der ersten Art.

[NS.01_020,18] Wenn ihr einen solchen Tempel in der Sonne leiblich erschauen könntet oder euch selbst auf seiner weiten Rasenfläche befinden würdet, so könntet ihr die erhabene Pracht und die überaus wunderherrlichste Aussicht in die weiten Fernen nicht ertragen. Ich lasse darum auch sogar nicht zu, daß etwas solches jemandem im Traume vorkäme; denn schon der Traum hätte eine tödliche Wirkung. Denn wenn des Menschen Geist einer solchen Beschauung nähergerückt würde, so würde er sobald alle Fesseln seines Leibes zerreißen und dahin eilen, wo es ihm sicher besser zusagen würde als in seinem schwerfälligen Leibe. Aus eben dem Grunde zeige Ich euch auch hier solche Pracht nur wie im Vorbeigehen an; denn möchte Ich euch solches vollkommener auch nur durch bloße Worte auseinandersetzen und es dadurch eurer Phantasie zur enthüllteren Anschauung darstellen, so könntet ihr solches durchaus nicht zu Papier bringen; denn euer Geist würde dabei also gänzlich in sich gehen, daß er völlig vergessen würde, seinen Leib zur Tätigkeit zu beleben.

[NS.01_020,19] Aus eben diesem Grunde sage Ich euch auch nichts von dem Unterricht, welcher allda zu Meinem Dienste gehalten wird. Denn fürs erste würdet ihr die hohe Weise in dem Zustand, in dem ihr euch befindet, durchaus nicht fassen. Würdet ihr es aber auch fassen, so könntet ihr fürs zweite im Augenblick des Erfassens das irdische Leben nicht mehr fortbehalten; denn wenn ihr nur ein Wort aus Meinem Munde in diesem hohen Sinne völlig erschauen könntet, so würde euch im Augenblick eure ganze Natur samt aller Welt als ein allerfinsterster Scheusalsklumpen vorkommen, – besonders was da betrifft ein Wort des Vaters oder der ewigen Liebe.

[NS.01_020,20] Damit ihr euch aber dennoch ganz leise nur überzeugen könnet, was es da ist für ein Ding um ein Wort des Vaters, so sage Ich euch bei dieser Gelegenheit nur so viel, daß zum Beispiel das Wort Liebe in Beziehung auf Mich bei diesen Sonnenbewohnern, wann es ausgesprochen wird, eine solch unbeschreibliche Wonne hervorbringt, daß sie darob längere Zeit keine Nahrung zu sich nehmen. Ja es wird durch Posaunenschall von der obersten Höhe, woselbst sich der letzte Tempel befindet, einer weiten Umgegend bekanntgemacht, daß in kurz darauffolgender Zeit, von etwa einem Jahr nach eurer Rechnung, dieses Wort in Beziehung auf Gott ausgesprochen wird. Schon beim ersten Posaunenschalle fallen alle Sonnenbewohner dieses Gürtels auf ihre Angesichter zur Erde nieder und getrauen sich vor Hochachtung dessen, was da kommen wird, kaum zu atmen und beben gewisserart vor überfreudiger Furcht.

[NS.01_020,21] Wenn aber erst die Zeit naht, in welcher der oberste Lehrer und Priester herabkommt in diesen zweiten Tempel, um allda auszusprechen: – „Gott ist die Liebe!“ –, so wird jeder Mensch also ergriffen, daß er dahinsinkt, als wenn er gestorben wäre. Ja durch dieses Wort geraten gewisserart, nach euren Begriffen genommen, alle diese Menschen in eine Art allerhöchsten somnambulen Zustandes und genießen in diesem Zustande die Wonne der Engel. Wenn sie sich aber wieder erholen, da eilen sie sobald aus dem Tempel und fallen vor demselben auf ihre Angesichter nieder und danken und loben und preisen den großen Gott für solche für sie allerhöchste Gnade, daß Er sie durch Seinen Oberpriester für würdig erachtet hat, sie dieses allerhöchste Wort alles Wortes wieder einmal hören zu lassen. Und eine geraume Zeit nachher getraut sich niemand die Schwelle des Tempels zu betreten. Wenn aber der Tempel wieder betreten wird, so geschieht es allzeit mit einem allerdemütigst feierlichen Einzug.

[NS.01_020,22] Aus dem Gesagten könnet ihr euch schon einen Begriff machen, welcher Art und von welcher Wirkung dieses Tempels Lehrweise ist. Daraus aber könnt ihr euch zur Belebung eures großen Stumpfsinnes auch ein kleines Notabene nehmen, und betrachten, in welcher Achtung Ich dagegen bei euch stehe, allda Ich nicht nur Mein Wort durch gewisse Lehrer und Priester habe verkünden lassen, sondern allda Ich, der Vater, als die allerhöchste Liebe, Selbst wesenhaft in aller Meiner göttlichen Fülle unter euch gewandelt und euch mit eigenem Munde die Worte des ewigen Lebens gelehrt habe. Und dennoch mögen die Menschen um eine Handvoll Erde Meiner vergessen, und Mich viel geringer achten als alles andere, was sie umgibt. Denn wenn es nicht also wäre, wie könnte da so mancher den ganzen Tag hin mit aller seiner Anstrengung fürs Zeitliche sorgen und Mir dabei in einem Tage kaum eine erbärmliche Viertelstunde widmen!?

[NS.01_020,23] Wahrlich Ich sage euch: Hätte Ich solches in der Sonne getan, was Ich auf der Erde tat, ihr Freudenlicht hätte die ganze Unendlichkeit gefangengenommen! Aber die Kinder der Erde, die Ich zu Kindern Meines Herzens gemacht habe, diese können den Vater fliehen und verachten!

[NS.01_020,24] O so lernet es denn von der Sonne, wenn ihr es auf der Erde nicht lernen könnt, wer da ist Derjenige, der aus unendlicher Liebe für euch sogar am harten Kreuze bluten wollte! – Erkennet doch einmal, daß der Vater die Liebe ist!

 

21. Kapitel – Die dritte, höchste Tempelart. – Das Geheimnis der Menschwerdung Gottes und des Kreuzes. – Weihung zum Oberpriesterstande.

[NS.01_021,01] Nachdem wir die zweite Art der Tempel auch kennengelernt haben, wollen wir uns denn auf eine bedeutende Höhe erheben, welche nicht selten eine Gegend von mehreren tausend Quadratmeilen beherrscht, und wollen daselbst noch die dritte Art Tempel kennenlernen.

[NS.01_021,02] Diese dritte Art der Tempel wird gewöhnlich auf dem höchsten Punkt einer Gegend errichtet und hat gewöhnlich fünf bis sieben Tempel der zweiten Art unter sich.

[NS.01_021,03] Was die Bauart dieses Tempels betrifft, so ist er kaum viermal so groß wie ein gewöhnliches Wohnhaus und ist bei weitem nicht so hoch, wie da die Tempel der ersten, wie auch der zweiten Art sind. Ja hier und da werden manche angetroffen, die nicht viel höher sind als ein gewöhnliches Wohnhaus.

[NS.01_021,04] Dieser Tempel hat auch nicht die Form eines Schiffes, sondern ist allzeit vollkommen rund. Das Dach ist nicht spitz, sondern mehr stumpf pyramidenartig. Dessenungeachtet aber ist es dennoch von bedeutender Höhe. Um das Dach herum ist eine Zinne gezogen, welche mit einem guten Geländer versehen ist. Auf dieser Zinne wird herumgegangen und mittels der Posaunen so manches an die umliegenden Tempel der zweiten Art verkündet.

[NS.01_021,05] Was das Innere des Tempels betrifft, so ist alles das so eingerichtet, wie in einem gewöhnlichen Wohnhause; nur ist statt der in der Mitte eines Wohnhauses befindlichen Schneckenwendeltreppe hier ebenfalls eine glatte, weiße Säule gestellt, welche in fast gleicher Dicke und runder Form ganz zum höchsten Dachpunkte reicht und somit das Dach auch trägt. Diese Säule aber ist dann wohl umfangen mit einer Wendeltreppe, von welcher inwendig in gleicher Höhe mit der äußeren Dachzinne zwei sich durchkreuzende Gänge von eben der Säule durch eine Dachöffnung auf die äußere Zinne des Daches führen. Daselbst aber im Innern des Tempels, wo sich die vier Gänge, oder eigentlich die sich durchkreuzenden zwei Gänge, durch einen ziemlich geräumigen Rundgang um die Säule vereinigen, geht dann die Schneckenwendeltreppe um die Säule ganz bis unter die Dachung hinauf. Alles dieses hier ist ganz einfach und ohne alle Verzierung und hat beinahe das Aussehen, als wenn solches alles von glatt gehobelten Brettern zusammengefügt wäre.

[NS.01_021,06] Auf dem Quergang befinden sich keine Harfen mehr; sondern das ganze Musikwesen besteht hier in vier überaus starkschallenden Posaunen, deren Ton so stark ist, daß er zufolge der reinen Sonnenluft manchmal bei tausend Meilen weit vernommen werden kann.

[NS.01_021,07] Der Fußboden in diesem Tempel ist wie von Bretterdielen. Und die Ruhebänke an den Säulen sehen also aus, wie bei euch die sogenannten hölzernen Sitzbänke, wie ihr sie da manchmal in euren Gärten habt. Nur die Säulen sehen weiß aus, aber dennoch ebenfalls so, als wenn sie von einer weißen Holzgattung verfertigt wären.

[NS.01_021,08] Kurz gesagt, hier ist von aller äußeren Pracht nichts zu entdecken.

[NS.01_021,09] Um den Tempel herum stehen manchmal etwa zwanzig bis dreißig kleine, hölzerne Hütten, die durchaus nicht auf Säulen ruhen, sondern eine fast ganz ähnliche Gestalt haben wie die Alpenhütten auf eurer Erde, nur sind die Dachungen höher gezogen. – Eine solche Hütte steht allzeit knapp an dem Tempel, und das ist die Wohnung des obersten Priesters. Die andern Hütten aber werden teils von seiner Familie und teils von den Amtsleuten und einigen wenigen Schülern bewohnt. Denn dieses Tempels Schule brauchen nur diejenigen durchzumachen, welche sich mit der Zeit selbst für die obersten Lehrer und Amtsleute der unteren Tempel wie auch zum Dienste dieses obersten Tempels weihen lassen wollen.

[NS.01_021,10] Was wird denn in diesem Tempel alles gelehrt? – Sehet, das ist ein Tempel der tiefsten Geheimnisse, in welche nur wenige eingeweiht werden. Worin aber bestehen diese? – Diese Geheimnisse bestehen darin, daß die Menschen daselbst zur Kenntnis gelangen, daß Gott ein Mensch ist, und wie in diesem Menschen die allerhöchste Liebe wohnt, welche alles, was da ist, aus eigener Kraft erschaffen hat.

[NS.01_021,11] Was wird hier noch gelehrt? – Hier wird auch alles Allergeheimste und Allergrößte gelehrt, – wie da Gott, als die reinste Liebe, auf einem Planeten, Erde genannt (in der Sonne hat aber dieser Planet den Namen Pjur), vollkommen ein Mensch schweren und sogar todfähigen Leibes geworden ist und daselbst in der größten Dürftigkeit lebte, obschon alle Himmel Sein Eigentum sind, und Sich zum Zeichen Seiner unendlichen Liebe und unbegreiflichen Demut sogar an ein Kreuz heften und töten ließ.

[NS.01_021,12] Und es wird ferner dazugesetzt, daß solches gerade zu der Zeit geschehen sei, in welcher es, wie alle Sonnenbewohner gar wohl wissen, auf ihrer Welt vollkommen finster geworden war, welche Finsternis bei zwölf einfache, große Schwingungen angedauert hatte. Denn ihr müßt wissen, daß die Menschen in der Sonne hier und da ein hohes Alter erreichen, und so gibt es noch heutzutage, besonders im Oberpriesterstande mehrere, welche da Zeugen dieser Erscheinung in der Sonne waren.

[NS.01_021,13] Merkwürdig für euch wäre daselbst ein auf einem Hügel gegenüber dem Tempel befindliches Kreuz. Allda sieht es geradeso aus, wie bei euch auf der Erde auf irgendeinem gutgestalteten Berge Kalvari. Dieser Berg Kalvari der Sonne aber ist dennoch also von einem Kranze hochgezogener Baumstämme umfangen, daß vom selben von außen her nirgends etwas zu erblicken ist, außer so jemand durch ein enges Pförtlein von dem obersten Priester allda eingeführt wird. Diese Einführung aber geschieht nur dann, so jemand zu einem Oberlehrer des zweiten Tempels geweiht wird.

[NS.01_021,14] Diese Einführung ist aber nicht mit so geringen Schwierigkeiten verbunden, wie ihr es meint; sondern wer da eingeführt werden will, der muß zuvor große Proben seiner Treue ablegen. Wenn er aber schon durch das enge Pförtlein gekommen ist, so ist er noch bei weitem nicht an Ort und Stelle und sieht vom Berge Kalvari so viel wie nichts.

[NS.01_021,15] Denn gleich hinter der hohen Baumwand, welche daselbst nicht selten eine Höhe von zweitausend Klaftern hat, ist ein den ganzen Berg Kalvari umflutender bei zweihundert Klafter breiter Teich gezogen, welcher von ungleicher Tiefe ist. Wer über diesen Teich kommen will, der muß die Wege gar wohl kennen, welche das Wasser allenthalben deckt. Denn unter dem Wasser sind die Wege also gezogen, daß es nur einen Hauptweg gibt, von welchem aber eine Menge Wege als irreleitende Stege führen. Wer alsdann den Zug des Hauptweges nicht kennt, der kommt auf einem solchen Irrweg wieder zurück, allda er seinen Fuß ins Wasser gesetzt hat. Daher muß ein jeder den Weg mit seinen Füßen wohl prüfen können, ob er ein sehr schmaler oder ein mehr breiter ist. Nur auf dem schmalsten kann man auf das jenseitige Ufer gelangen, auf jedem anderen aber gelangt man wieder ans vorige Ufer zurück, – nahe so, daß da jeder glaubt, er habe den rechten Weg gefunden; allein auf einmal biegen sie wieder um und führen einen in den verschiedenartigsten Krümmungen dennoch wieder zurück.

[NS.01_021,16] Daher ist das Hinüberkommen über diesen Teich nicht so leicht, als jemand glauben möchte. Hat aber jemand diese Schwierigkeit glücklich besiegt, so wartet seiner eine noch größere. Nämlich etwa siebzig Klafter oberhalb des bedeutenden Rundteiches führt ein gewaltig verschlungener Weg durch ein sogenanntes Feuergebüsch. Dieses Feuergebüsch sieht dort so aus wie bei euch auf der Erde ungefähr ein brennender Wald; nur steigt das Gebüsch viel höher über den Erdboden der Sonne als bei euch die allerhöchsten Bäume. Dieses Feuergebüsch hat ebenfalls wieder eine Breite von etwa zweihundert Klaftern und umzingelt den ganzen Hügel, welcher allda freilich eine noch bei weitem größere und weitgedehntere Umfassung hat als auf eurer Erde eine der größten Alpen.

[NS.01_021,17] Hier ist es sehr schwer, auf den rechten Weg zu treffen. Wer auch da nicht den schmalsten trifft, – der macht einen vergeblichen Versuch; denn er kommt nicht durch. Es treffen zwar wohl mehrere gar bald den schmalsten Pfad; aber da scheuen sie die sich öfter berührenden Flammen innerhalb dieses schmalen Pfades, und daher probieren sie einen andern, wo weniger von den Flammen zu sehen ist. Solches aber ist eine vergebliche Mühe; denn wer da nicht einen kleinen Kampf mit den Flammen bestehen will, der kommt nicht an den Ort des größten Geheimnisses. Wer aber diesen Kampf nicht scheut, der gelangt auf dem kürzesten Wege wohlbehalten an Ort und Stelle und erschaut da im größten Liebelichte das Wunder der Kreuzigung!

[NS.01_021,18] Sehet, das ist auch zugleich die Einweihung zum Oberpriesterstande. – Einzelne Andeutungen finden sich zwar überall selbst in den Wohnhäusern vor, die da Beziehung haben auf die große Menschwerdung. Allein ganz vollkommen kommt dieses Geheimnis nur hier zur Anschauung.

[NS.01_021,19] Wie aber solches alles gestaltet ist, in welche Beziehungen es hier in der Sonne gestellt ist und welche weitere Bewandtnis es mit diesem Sonnenberg Kalvari noch hat, solches werden wir in einer nächsten Mitteilung vernehmen. Daher gut für heute!

 

22. Kapitel – Der allerheiligste, sogenannte brennende Tempel. – Tiefere Einweihung in die Geheimnisse der Menschwerdung Gottes und der Gotteskindschaft. – Gott-Vater Selbst als Führer.

[NS.01_022,01] Wer da aus dem Feuergebüsch auf die freien Gründe des eigentlichen Bergkalvarihügels kommt, der wird alsobald von einem geheimen Weisen, welcher fortwährend solche Stelle bewohnt, empfangen und wird in dessen Wohnhaus, welches ebenfalls ganz einfach ist, eingeführt. Allda wird er bewirtet und dann von dem Weisen in einen etwas oberhalb dessen Wohnung befindlichen kleinen Tempel geführt.

[NS.01_022,02] Allda erschaut er bald eine plastische Gruppe aufgestellt, durch welche das letzte Abendmahl dargestellt wird.

[NS.01_022,03] Von diesem Tempel hinaus wird er dann auf einen freien Platz geleitet; allda erschaut er eine Gruppe, welche Christum darstellt mit Seinen Aposteln im Garten Gethsemane auf dem Ölberge.

[NS.01_022,04] Von da etwas weiter wieder eine Gruppe, welche des Herrn Gefangennehmung darstellt. – Und so weiter kommt er spiralförmig um den Hügel herum von einer Gruppe zur andern, durch welche die verschiedenen Leidensmomente des Herrn dargestellt werden, und das allzeit auf die sinnvollste Weise.

[NS.01_022,05] Endlich zuoberst des Hügels befindet sich ganz freistehend ein großes Kreuz, auf welchem die Gestalt des Herrn in irdisch-menschlicher Form angeheftet ist, – an dessen beiden Seiten aber auf bei weitem kleineren und niedereren Kreuzen die bekannten zwei Schächer zu erschauen sind.

[NS.01_022,06] Hat der Gast solches alles hinreichend mit der allertiefsten Andacht seines Herzens betrachtet, sodann geleitet ihn der Weise von diesem Hügel etwas abwärts zu einem kleinen Tempel. Allda ist innerhalb dieses Tempels das Grab zu ersehen.

[NS.01_022,07] Endlich aber zeigt ihm der Führer ganz nahe an dem brennenden Gestrüpp noch einen etwas größeren Tempel, welcher immerwährend in den hellsten Flammen brennt; und die Flammen sind, besonders wenn man sich ihnen mehr und mehr nähert, von einer so eindringlichen Lichtstrahlung, daß diese selbst dem überaus lichtgewohnten Auge eines Sonnenbewohners unerträglich wird. Darum nimmt auch der Führer zu dem Behufe schon allezeit einen zweckmäßigen Schleier oder vielmehr eine Augendecke mit sich, durch welche der Gast dann das überaus starke Licht der Flammen dieses Tempels ertragen kann. So hell aber auch diese Flammen sind, so brennen sie doch niemanden, der in ihre Nähe kommt (es versteht sich von selbst: würdigerweise!), sondern umfächeln ihn sanft kühlend nur wie ein lauer West.

[NS.01_022,08] Der Gast wird dann von dem Führer in diesen brennenden Tempel eingeführt. Allda in der Mitte des Tempels erblickt er dann einen kleinen Altar, das heißt, eine säulentischförmige Erhöhung vom Boden, auf welchem Altare die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, und zwar in althebräischer Sprache geschrieben, sich befindet.

[NS.01_022,09] Hier fragt jeder Gast den Führer, was dieses bedeute? – Und der Führer sagt ihm nichts anderes, als daß das ein Buch ist, in welchem durch eigene Zeichen das Wort Gottes, alle Seine Führungen des gesamten Menschengeschlechtes wie auch die Führung der ganzen Unendlichkeit, zufolge innerer Bedeutung aufgezeichnet ist.

[NS.01_022,10] Darauf fragt der Gast, ob man solche Zeichen hier wohl lesen könne oder dürfe? – Und der Führer sagt ihm: „Wer hierher kommt, ist verpflichtet, solches alles zu erkennen; denn dieses ist der eigentliche Grund, warum jemand dahin gelangt.“

[NS.01_022,11] Und weiter spricht der Führer: „Siehe, da du deinen Willen schon also mächtig gemacht hast, daß demselben der Erdboden der Sonne gehorsam ist, so wisse denn, daß einem gerechten Willen auch diese Zeichen gehorchen und sich zu erkennen geben nach dem aufrichtigen und gerechten Willen dessen, der sie erkennen möchte und erkennen will.“

[NS.01_022,12] Darauf beheißt der Führer den Gast, daß er das Buch anrühren solle. Und sowie dann der Gast das Buch anrührt, wird er alsbald von einem Feuer durchströmt, nach welcher Durchströmung der Gast dann auch die Zeichen recht wohl zu lesen versteht. – Wann der Gast dann das Buch zu lesen anfängt, so wird er von der allerhöchsten Bewunderung ergriffen und hält in diesem Augenblick niemanden für glücklicher und seliger als eben sich selbst, indem er jetzt zum ersten Male Worte vernimmt, welche unmittelbar aus dem Munde Gottes geflossen sind, und erschaut dadurch auch die wunderbar liebevollsten Führungen des großen Gottes.

[NS.01_022,13] Am meisten durchdrungen und ergriffen aber wird ein jeder solcher Gast, wenn er in das Neue Testament kommt. Denn durch dieses wird ihm auch der ganze Berg Kalvari aufgeschlossen, und er weiß sich dann gewöhnlich vor lauter Lob, Dank und Preis nicht zu helfen und kann auch nicht begreifen, wie es nur hat möglich sein können, daß der große Gott solches über Sich hat kommen lassen mögen.

[NS.01_022,14] Alsdann erst wird ihm von dem Führer die große Liebe in Gott gezeigt und wird ihm gesagt, daß eben durch diese Handlung die Menschen, besonders jene, welche auf dieser Erde wohnen, das wirkliche Kinderrecht überkommen haben, – wodurch dann jeder sogar pflichtmäßig gebunden ist, den großen Gott als den liebevollsten Vater zu erkennen und Ihn dann auch also anzurufen.

[NS.01_022,15] Sodann wird der Führer wieder vom Gaste befragt, ob denn die Menschen der Sonne nie zu solch einem unaussprechlichen Glück gelangen werden? – Und der Führer gibt ihm dann zur Antwort: „Nicht nur die Menschen der Sonne, sondern alle Menschen, welche da bewohnen alle Sonnen und alle Planeten der ganzen Unendlichkeit, haben dadurch ein geheimes Recht auf dieses unermeßliche Glück. Aber auf keinem andern Wege können sie zu diesem Glück gelangen, als allein auf dem Weg der tiefsten Demut und, aus dieser heraus, auf dem Weg der vollkommensten Liebe ihres ganzen Wesens zu Gott!“

[NS.01_022,16] Nach solcher Durchlesung und Belehrung kehren dann die beiden wieder aus dem Tempel zurück und begeben sich von da wieder in die Wohnung des weisen Führers, allwo dieser dem Gaste erst über alles die gehörige Aufklärung gibt, welches nach eurer Rechnung gewöhnlich einen Zeitraum von drei Erdjahren dauert. Es versteht sich von selbst, daß da während dieser Zeit noch öftere Ausflüge gemacht werden auf alle die vorbenannten Punkte.

[NS.01_022,17] Am Ende solchen Unterrichts erst gibt der Führer dem Gaste kund, daß zuoberst dieses Weltkörpers, den sie bewohnen, auf der vollkommenen Lichtregion, sich noch eine viel vollkommenere Welt vorfindet, auf welcher alle Sonnenbewohner den vollkommenen Unterricht über die Menschwerdung des Herrn im Geiste empfangen werden; und sie können dann, so sie es wollen, auch zu wirklichen Kindern Gottes aufgenommen werden, wenn sie sich allda bis auf das letzte Atom ihres Seins also zu demütigen imstande sind, daß sie als Bewohner einer vollkommenen Welt aus dem Grunde heraus die letzten und untersten Diener derjenigen Kinder Gottes sein wollen, welche Er Selbst als Mensch auf dem Planeten Erde oder Pjur zu Seinen Kindern gemacht und angenommen hat.

[NS.01_022,18] „Denn“, sagt ferner der Führer, „wir Bewohner der Sonne leben in großer Vollkommenheit und sind zufolge unseres Willens vollkommene Herren unserer Welt; daher wird es uns allzeit schwer gehen, so wir uns nun zu denjenigen setzen müssen, die durch ihren Willen nicht einmal einen Grashalm ihrer Erde zu entlocken imstande sind. Doch, wie du, mein lieber Gast, aus all dem Geschauten hast entnehmen können, hat der große Herr des Himmels und aller Welten nicht an dem Großen und Starken, sondern an dem Kleinen und Schwachen Sein Wohlgefallen, so zwar, daß Er unmündigen Kindern und ganz einfältigen Menschen größere Dinge offenbart als den allertiefsinnigsten Engelsgeistern. Da bleibt demnach uns Sonnenbewohnern nichts anderes übrig, so wir auch zur Kindschaft gelangen wollen, als alle unsere Sonnengröße, Macht und Kraft freiwillig dem großen Gott zu Füßen zu legen und uns allerwilligst und liebreichst sogar unter den Stand derjenigen zu begeben, die Er liebhat. Seine Liebe erstreckt sich zwar über alle Menschenwesen in der ganzen Unendlichkeit. Aber, verstehe solches wohl: Nur Seine Kinder werden dereinst ewig mit Ihm unter einem Dache wohnen. – Daher suche du auch fortan der Kleinste und der Geringste zu sein, und sei ein Diener aller Menschen, mit denen du je in Berührung kommen wirst, so wirst du die Aufmerksamkeit des ewigen Vaters zu dir lenken; und diese Aufmerksamkeit ist der erste Funke, durch den du ein neues Leben überkommen wirst, ein Leben zum Kinde des großen Vaters!“

[NS.01_022,19] Nach dem nimmt der Führer wieder den Gast und führt ihn noch einmal außerhalb des Tempels, zeigt hinauf auf das Kreuz und sagt dann zu ihm: „Siehe, mein lieber Bruder, das ist der Weg zu Ihm! Willst du als Kind zum Vater gelangen, so mußt du diesen Weg des Kreuzes erwählen!

[NS.01_022,20] „Die wahre Demut des Herzens aber ist dieser Weg; denn die Kinder müssen Ihm ähnlich sein. Wie mag aber jemand die Kindschaft von Ihm überkommen, wenn er sich aus Liebe zu Ihm nicht also demütigen kann, wie es einem Kinde vor solch einem Vater gebührt, nachdem Sich doch der Vater Selbst aus Liebe zu Seinen Kindern schmerzlich an das Kreuz heften ließ, um dem Fleische nach sogar zu sterben für sie, damit dadurch niemand mehr den Tod in Ewigkeit fühlen und schmecken solle, der Ihn über alles liebt und durch seine Demut an diesem heiligen Kreuz teilgenommen hat, an welchem der große heilige Vater voll Liebe Seine allmächtigen Hände blutend für die ganze Unendlichkeit ausgestreckt hatte.

[NS.01_022,21] „Siehe, darum auch ist dieses überheilige Bild hier aufgestellt, damit auch wir erkennen sollen, daß Er auch für uns Seine Hände ausgestreckt hat. Auch uns will Er umfassen; aber wir müssen zuvor auf dem dir bezeichneten Wege des Kreuzes zu Ihm kommen. – Daher sehe noch einmal dieses heilige Zeichen an!“

[NS.01_022,22] Hier fällt der Gast allzeit von zu hoher Liebe und Ehrfurcht ergriffen zur Erde nieder und betet das große Geheimnis an!

[NS.01_022,23] Wenn er sich aber wieder von der Erde erhebt, siehe, da ist alles verschwunden auf diesem Berge bis auf die Wohnung des Führers und bis auf den Führer selbst. Dieser nimmt dann den Gast und führt ihn noch einmal auf die Höhe und fragt ihn allda, ob er dieses alles wohl in seinem Herzen aufgenommen habe, – welches der Gast mit jedem Atome seines Lebens bestätigt.

[NS.01_022,24] Sodann legt ihm der Führer seine Hände auf und spricht zu ihm: „Was du hier gesehen und vernommen hast, behalte einstweilen in deinem Herzen bis zur Zeit, da es dem Vater wohlgefallen wird, solches allen Menschen dieser Welt kundzutun, – entweder schon hier denen, die nach Ihm ein großes Verlangen haben, oder aber desto sicherer und bestimmter jenseits im Geiste allen, die eines gerechten und vollkommenen Willens sind.

[NS.01_022,25] „Du aber erkenne jetzt deinen Führer! Denn siehe, – Ich bin der Vater!!! – Doch solches sage niemandem, – wer da der Führer ist!“ –

[NS.01_022,26] Darauf verschwindet der Führer. Nur die Wohnung desselben bleibt. Der Gast aber begibt sich dann in der höchsten Liebe und beständigen Anbetung wieder zur Wohnung des Führers zurück, wo ihn ein anderer, gewöhnlich hier wohnender Weiser, der ihn zuerst aufnahm, wieder aufnimmt und ihn sodann über das jetzt nicht mehr brennende Gebüsch bis zum Teiche geleitet, der bei diesem Rückwege wasserlos ist.

[NS.01_022,27] Sodann begibt sich dieser zweite Führer wieder zurück. Der Gast aber kehrt voll der erhabensten und liebedemütigsten Stimmung zum dritten Tempel zurück.

[NS.01_022,28] Es getraut sich sodann längere Zeit aus übergroßer Ehrfurcht kein Mensch mit ihm ein Wort zu wechseln, bis sie erst aus der Handlungsweise eines solchen Berg-Kalvari-Wallfahrers erkennen, daß er wirklich, wo es nur immer tunlich ist, allen die bereitwilligsten Dienste erweiset.

[NS.01_022,29] Sehet, das ist in der Sonne die höchste Ausbildung eines Lehrers. Und das ist auch für euch faßlich alles, was von dem Sonnenberg Kalvari noch zu sagen übrig war.

[NS.01_022,30] Nächstens wollen wir uns dann einige häusliche Verhaltungsregeln der Sonnenbewohner zur näheren Beschauung bringen. Und somit gut für heute!

 

23. Kapitel – Familienleben, Ehe und Zeugung auf dem Mittelgürtel.

[NS.01_023,01] So manches haben wir schon bei Gelegenheit der Darstellung der Wohnhäuser vernommen, was da im allgemeinen vorbesagte häusliche Verfassungen betrifft. Hier ist demnach vielmehr das Familienleben und der eigentliche Religions-Kultus darzustellen.

[NS.01_023,02] Wie wir schon gehört haben, so leben in der Sonne, namentlich auf diesem Gürtel, nie mehr als eigentlich nur eine Familie unter Vater und Mutter in einem Wohnhause. Denn sobald irgend Kinder herangewachsen und herangebildet sind, treten sie in den Stand ehelicher Verbindung. Und ist auf diese Weise ein Paar Eheleute wieder neu erstanden, so wird auch alsogleich Sorge getragen, daß sie einen eigen zugeteilten Grund und somit auch eine eigene Wohnung beziehen.

[NS.01_023,03] Gibt es denn in der Sonne keine sogenannten Dienstboten wie Knechte und Mägde? – Solches ist in der Sonne und namentlich auf diesem Gürtel durchaus nirgends der Fall, – denn die Obersten alles Ländertums dieses weiten Sonnengürtels wie auch alle Amtsleute sind gewisserart Diener des freien Landvolkes. Und selbst der alleroberste Priester steht dort als ein Diener auf der untersten Stufe; daher auch sein Tempel und seine Wohnungen von der allereinfachsten und wenigst prachtvollen Art sind. Dessenungeachtet aber genießen sie dennoch die höchste Achtung beim Volke. Und wenn ein solcher Oberpriester ein oder das andere Wohnhaus besucht, um demselben einen Dienst zu erweisen, wie auch einen oder den andern Tempel in gleicher Absicht, so wird er aber dennoch trotz aller seiner glanzlosen Einfachheit also empfangen, als wenn irgend ein Engel des Himmels dahin käme. Dieser Diener verlangt zwar nie von jemandem eine Aufmerksamkeit; im Gegenteil bittet er jedermann, ihn mit was immer für einer Auszeichnung zu verschonen, da er durchaus kein Herr, sondern im vollkommensten Sinne des Wortes und der Bedeutung ein Diener aller ist. Aber diese Entschuldigung tut der Sache durchaus keinen Eintrag, sondern begünstigt sie vielmehr.

[NS.01_023,04] Sehet, also ist es auch im Ernste in den Himmeln der Fall, wo auch die höchsten Engelsgeister die am allerwenigst ansehnlichen und so gestellt sind gegen andere, wie Dienende gegen ihre Herrschaften. Dessenungeachtet aber stehen sie dennoch in dem allerhöchsten Ansehen, welches ihnen aus Meiner Liebe und Meiner Weisheit in ihnen zukommt.

[NS.01_023,05] Was macht denn so ein Diener, wenn er in irgendeine Volkswohnung kommt? – Er wartet außerhalb der Wohnung, bis der Hausvater seiner ansichtig wird und dann voll Ehrerbietigkeit zu ihm hinauseilt und ihn in die Wohnung heimführt. Alsdann fragt ihn der oberste Priester, ob er nicht in irgendeiner Sache seines Dienstes bedarf? Und hat ihm da der Vater irgend etwas anvertraut, wo ihn allenfalls etwas beklemmt, sei es im Naturmäßigen oder im Geistigen, so bietet ihm der oberste Diener alsogleich seine Hände zum Dienste.

[NS.01_023,06] Aber kein Hausvater spricht darauf etwas anderes, als daß er sagt: „Erhabener Lehrer unseres ganzen, großen Landkreises! Nur ein Wort deiner Weisheit und dann deinen Brudersegen von oben in der Gnade des großen Gottes, und du hast uns gedient im allerliebevollsten Maße!“

[NS.01_023,07] Darauf belehrt sie dann auch dieser oberste Diener in allem, was ihnen not tut, segnet sie dann und entfernt sich wieder und besucht auf diese Weise ein anderes Haus, um ihm ebenfalls zu dienen. Und hat er in Begleitung einiger anderer Nebendiener einen ganzen Bezirk von Haus zu Haus und von Tempel zu Tempel durchleuchtet, so kehrt er wieder in seine höchste Tempelheimat zurück, wo er dann wieder allen, die da sind, ein bereitwilliger Diener und Knecht ist.

[NS.01_023,08] Wann jemand nur immer seines Dienstes bedarf, so braucht er nur entweder zu ihm zu kommen oder zu ihm zu schicken, und er wird an ihm allezeit den bereitwilligsten Diener finden. – Er hat keine Audienzstunden, und seine Tür ist auch nie verschlossen, oder seine Wohnung etwa durch Soldaten bewacht; sondern seine Wohnung ist allezeit für jedermann offen. Und, wie gesagt, wer immer da kommen mag, wann immer, der findet allezeit den ungehindertsten, freiesten Eintritt zu ihm.

[NS.01_023,09] Ihr werdet euch hier vielleicht denken, ein solcher Diener wird aber dabei sicher in einem sehr hohen Solde stehen? – Da muß Ich euch gleich sagen, daß solches in der Sonne durchaus nicht der Fall ist. Ein solcher Diener ist in weltlicher Hinsicht in der Sonne wirklich am schlechtesten daran. Denn fürs erste hat er auf seiner Gebirgshöhe gewöhnlich das kleinste und magerste Stück Landes zu eigen, welches für seine Person kaum ein halbes Joch beträgt. Und fürs zweite ist seine Wohnung auch die allerunansehnlichste, seine Kleidung die einfachste. Also sind auch die Früchte, die er dem Boden der Erde entlockt, bei weitem die einfachsten, prunklosesten und kümmerlichsten.

[NS.01_023,10] Ihr aber werdet etwa meinen, daß er vielleicht vom ganzen Kreise auf gewisse Sammlungen angewiesen ist? – O nein! Auch solches ist allda nicht der Fall. Denn so ihm auch jemand etwas geben möchte für einen oder den andern Dienst, so sagt er alsogleich: Höre, lieber Freund und Bruder, was du hast, das hat dir der Herr gegeben für dich und dein Haus. Was sollte ich dir denn das nehmen, was der Herr dir beschert hat? Oder kann ich dir dasjenige verkaufen, was mir der Herr gegeben hat? So ich es dir gegen ein Entgelt dargeben möchte, würde in diesem Falle nicht auch der Herr von mir ein Entgelt zu verlangen allerhöchst berechtigt sein? Welches Entgelt aber hätte ich da Demjenigen zu geben, dessen alles ist, was wir nur immer haben, sogar jeder Atemzug unserer Lunge!? Ich aber bin ja nur ein Diener im Hause des Herrn und muß Seine Gaben also ohne Entgelt hintangeben, wie ich sie ohne Entgelt empfangen habe.

[NS.01_023,11] Sehet, diese Hauptregel hält dann jeden Diener von irgendeiner Beschenkung und noch mehr von irgendeiner Sammlung fern; denn ein solcher Diener weiß es am allerbesten, daß er, in Meinem alleinigen Solde stehend, am allerbesten daran ist.

[NS.01_023,12] Die größte Belohnung, die er für alle seine Dienste auf der Sonne hat, besteht in dem, daß er, solange er als Oberdiener lebt, zu öfteren Malen, etwa nach eurer Rechnung von Jahr zu Jahr, den euch schon bekannten Kalvarienberg besuchen kann, und daß er auch bei außerordentlichen Gelegenheiten von einem oder dem andern Engel des Himmels besucht wird, um von ihm bei groß drohenden Gefahren schützende Verhaltungsregeln für seinen ganzen Kreis zu empfangen.

[NS.01_023,13] Wie groß ist denn ein Kreis, den ein solcher Oberdiener zu überwachen hat? – Ein solcher Kreis mag wohl manchmal größer sein als das größte Kaisertum auf der Erde; und ein ganzes solches Kreislandtum ist ein ausgedehntes Hügel- und Gebirgsland, allda es sehr wenig ebene Wege gibt.

[NS.01_023,14] Wenn demnach ein solcher Diener zu öfteren Malen während seiner lebenslangen Amtshaltung einen solchen Kreis durchwandert, so fragt es sich, mit welcher Gelegenheit er da reiset? – Wie ihr zu sagen pflegt, also sage auch Ich: Mit keiner anderen als mit der Apostelgelegenheit. Nur solches kann hier bemerkt werden, daß das Fußgehen auf der Sonne fürs erste viel leichter ist als auf irgendeinem der Planeten, weil der Erdboden allenthalben sanft und elastisch ist. Fürs zweite aber sind die Sonnenbewohner, obschon sie auf diesem Gürtel fast die doppelte Größe von euch haben, dennoch viel leichter, weil ihre Leiber viel ätherischer oder gewisserart feinmaterieller sind als die eurigen. Dazu kommt aber den Fußgehern auf dem Sonnenkörper noch das günstigst zustatten, daß sie durch ihren kräftigen Willen sich überaus stärken und sich solcher Stärkung zufolge auf ihren Füßen bei weitem schneller von einem Ort zum andern bewegen können, als bei euch auf der Erde die schnellst fliegenden Vögel. Aus dem Grunde ist es dann für einen Sonnenbewohner ein leichtes, einen mehrere Stunden nach eurer Maßrechnung hohen Berg in zwei, drei bis vier Minuten zu übersteigen.

[NS.01_023,15] Wenn ihr nun solches wisset, so wird es euch auch leicht begreiflich sein, wie ein solcher Oberdiener seinen Kreis leicht zu öfteren Malen durchreisen kann, um allenthalben, wo man seiner benötigt, hilfreich zu sein.

[NS.01_023,16] Sehet, also sind die Verhältnisse zwischen dem Hausherrn und dem Diener bestellt. Denn in der Sonne braucht kein Hausvater irgendeinen andern Dienstboten, als nur zuallermeist für das geistige Bedürfnis.

[NS.01_023,17] Seinen Grund bebaut er ja ohnedies gar leicht mit seinem Willen. Sein Weib und auch allfällige Töchter, wenn diese aus den Schulen zurückgekehrt und noch ledigen Standes sind, können auch gar leicht die etlichen euch schon bekannten Schafe melken und zu gewissen Zeiten ihnen die reiche Wolle abscheren und sie dann spinnen und daraus ihre ganz einfachen Schürzen bereiten.

[NS.01_023,18] Alles andere aber, wie zum Beispiel die Gebäude und so auch alle einzelne Einrichtungen in denselben, sowie das Material für alles, was eine Wohnung bedarf, wird ja ohnehin zuallermeist von den Bauamtsleuten bewerkstelligt. Und so hat der eigentliche Sonnenlandmann nichts zu tun, als seinen Grund zu bestellen und dessen beständig reife Früchte zu genießen.

[NS.01_023,19] Darum aber unterhalten sich dann die Sonnenmenschen auch zuallermeist mit der Kultur ihres Geistes und besuchen sich gern gegenseitig und bewundern daselbst die sich überall anders äußernden geistigen Kräfte in den sichtbaren, allerherrlichsten Erzeugnissen des menschlichen Willens.

[NS.01_023,20] Aus eben dem Grunde haben die Sonnenbewohner auch keine anderen Gesetze und Verhaltungsregeln unter sich, als die des gastfreundlichen und geselligen Lebens, welches darin besteht, daß sie sich immer mehr und mehr gegenseitig erbauen und dadurch auch immer mehr und mehr Gott erkennen lernen und dadurch auch den Zweck, warum Er sie erschaffen hat.

[NS.01_023,21] Zudem sind die Sonnenbewohner sich gegenseitig auch stets mit der größten Liebe und Zuvorkommenheit zugetan. Von einem Streit ist allda niemals die Rede; wohl aber von einem Wetteifer, wie da einer dem andern in irgend einem oder dem andern Dienste zuvorkommen möchte. Das ist gewisserart eine freie gesellige Verfassung, welche aber nicht eine Folge irgendeines Gesetzes, sondern vielmehr die des freien Willens ist zufolge der Erkenntnis Gottes und daraus des Zweckes der Menschheit.

[NS.01_023,22] Dort ist alles Bruder und Schwester! Selbst der Lehrer und der Schüler werden sich nie anders begegnen, als wie die innigst wahrhaften Bruderfreunde.

[NS.01_023,23] Wie ist aber das moralische Leben bestellt? – Solches könnt ihr gleich im voraus erfahren, daß allda von einer Unzucht nirgends die Rede ist. Denn fürs erste geschieht auch hier die Zeugung nicht auf diese Weise wie bei euch auf der Erde; sondern solches geschieht durch ein vereintes Gebet und durch einen darauf folgenden vereinten Liebewillen, welcher eigentlich nur eine Vereinigung alles Guten und Wahren oder eine Vereinigung des Lichtes mit der Wärme ist, allda der Zeuger ist gleich dem Lichte und die Mitzeugerin aber gleich der Wärme.

[NS.01_023,24] In solcher Vereinigung empfindet das Ehepaar die größte Wonne, welche Wonne aber nicht ist gleich eurer sinnlichen Wollust, sondern nur gleich einem Zustande, wie wenn sich bei euch zwei gleichgesinnte Gemüter in einem und demselben Guten und Wahren finden; nur müßt ihr euch dabei einen überaus hohen Grad eines solchen Gemütszustandes denken.

[NS.01_023,25] Dieses ist sonach der Akt der Zeugung bei den Menschen der Sonne, besonders dieses Gürtels. Aus dem Grunde aber kommt allda auch nirgends ein törichter Zustand des bei euch so moralisch verderblichen Verliebtseins vor, sondern die gegenseitige Neigung hat nichts zum Grunde als allein das Gute und Wahre.

[NS.01_023,26] Obschon das weibliche Geschlecht auf der Sonne von allgemeinster Schönheit ist, so zwar, daß es platterdings unmöglich wäre, sich irgendeine Vorstellung von der überaus großen Vollkommenheit eben der Schönheit eines Weibes zu machen, – so hat aber eine solche Schönheit dennoch an und für sich keinen solchen Wert für den Mann, wenn sie nicht mit seinen Erkenntnissen des Guten und Wahren in der vollsten Übereinstimmung steht. Denn allda betrachtet niemand die Form an und für sich als etwas Anzügliches, sowenig als ihr einzelne Buchstaben eines Buches oder etwa auch einzelne Noten eurer Tonschrift als etwas Anzügliches betrachtet, sondern ihr sehet auf das nur, was durch die Buchstaben oder durch die Noten dargestellt ist. Ist solches geistvoll und erhaben, so werdet ihr auch die Zeichen achten, durch welche es vorgestellt ist; ist aber die ganze Vorstellung durch diese Zeichen ein schales, wertloses, wässeriges Zeug, so werdet ihr auch die Zeichen in diesem Werk sicher nicht küssen oder mit Liebe ergreifen.

[NS.01_023,27] Sehet, gerade also betrachtet der Sonnenmensch die Form; ist sie entsprechend für seine Erkenntnisse vom Guten und Wahren, dann hat sie bei ihm auch an und für sich einen entschiedenen Wert. Entspricht aber die Form, wenn sie noch so schön wäre, seinen Erkenntnissen nicht, so ist sie für ihn nichts mehr als für euch ein albernes Anzeigenblatt irgendeiner Zeitschrift, durch welches allenfalls Wohnungen einer Stadt in China angekündigt werden. Wenn ein solches Anzeigenblatt auch mit den schönsten Lettern gedruckt wäre, so wird euch sicher ein noch so schlecht geschriebener Psalm Davids, wenn er nur leserlich ist, lieber sein, denn ein solches Prachtexemplar von einem Anzeigenblatt.

[NS.01_023,28] Sehet, also ist in der Sonne alles, was die Äußerlichkeit anlangt, nur eine Schrift, und diese Schrift erhält erst dann den Wert, wenn ihr Sinn ein vollkommener ist. – Einst war es auch auf der Erde also; aber diese Zeiten sind lange schon verflossen. Darum aber gebe Ich jetzt solches, daß sich die Menschen nach und nach, so sie davon Kenntnis erhalten werden, danach richten möchten, so sie wahrhaft glücklich werden wollen hier und jenseits.

[NS.01_023,29] Wenn ihr wissen wollt, wie die Ehen im Himmel geschlossen werden, so dienen euch die Ehen in der Sonne zu einem Beispiel. Denn solche Ehen dauern dann auch für ewig, während eure zumeist allerschlechtesten Ehen, da sie nichts als lauter Alleräußerlichstes und daher vor Mir Greuelhaftestes zum Grunde haben, höchstens bis zum Grabe, manchmal aber nicht bis dahin dauern.

[NS.01_023,30] Denn glaubet es Mir: Die allerverächtlichste Ehe, welche auf der Erde geschlossen wird, ist eine Geld- oder Güter-Ehe; diese hat auch ganz sicher allda ein ewiges Ende, wo ihr Grund doch sicher ein Ende hat. – Also sind auch nicht minder verderblich und verächtlich diejenigen Ehen, welche die Sinnlichkeit und gegenseitige reizende Leibesformen zum Grunde haben; denn auch diese vergehen allmählich, wie ihr schlechter Grund. – Dergleichen sind auch politische Ehen; auch sie dauern nicht länger als ihr Grund. – Also sind auch die vorzeitigen Jugendehen; denn auch diese vergehen, wie ihr Grund. – Ingleichen die Glanzehen; auch diese vergehen, wie ihr verderblicher Grund.

[NS.01_023,31] Nur Ehen, die allein Mich zum Grunde haben, werden ewig bestehen, weil ihr Grund ein ewiger ist!

[NS.01_023,32] Darum also habe Ich euch auch solches gegeben, damit ihr daraus ersehen sollt, wie die wahren Ehen geschlossen und beschaffen sein, und welchen Grund sie haben sollen.

[NS.01_023,33] Saget ihr aber nicht selbst: auf einem schlechten Grunde können keine edlen Früchte zum Vorschein kommen, sondern Unkraut nur und Disteln? – Wann ihr demnach die ganze Welt im argen erblicket und fraget: Woher dieses? Da sage Ich euch: Sehet auf den Grund, auf welchem die Früchte gewachsen sind, und urteilet danach, ob in derlei Sümpfen und Morästen wohl edle Reben wachsen können? Ihr leget die Rebe ja nur auf die Berge also, daß sie dort einatme und einsauge die reineren Säfte und eine gute Luft, und saget: Das ist der beste Grund für die Rebe.

[NS.01_023,34] Sehet, also sollen auch die lebendigen Früchte des Menschengeschlechtes als die alleredelste Pflanze der Erde auf dem besten Grunde gesät sein! – Demnach wundert euch nicht der schlechten Früchte, wenn sie in Pfützen, Kloaken, Sümpfen und Morästen gezogen werden! Solche Gründe aber sind eure weltlichen Ehen; darum auch ihre Früchte, wie der Grund! – Wahrlich, überaus schmutzige Äcker für die Ansaat lebendigen Samens für eine ewig bestehen sollende Frucht!

[NS.01_023,35] Doch genug von dem, was Mir ein mächtiger Dorn im Auge ist! Kehren wir daher wieder auf unseren besseren Sonnenboden zurück und lernen da von den Bewohnern der Sonne noch so manches, was auch auf der Erde also bestehen sollte, wie es in der Sonne besteht. Und dieses wird zumeist im schon gleich anfangs besprochenen Religionskultus bestehen, wie er äußerlich und innerlich bei den Sonnenbewohnern, besonders unseres schon bekannten Gürtels, gehandhabt wird.

[NS.01_023,36] Doch erst für das nächste Mal wollen wir solches besprechen. Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

24. Kapitel – Feier- und Festtage. – Das Sterben der Bewohner des Mittelgürtels.

[NS.01_024,01] Haben die Sonnenbewohner etwa auch irgendeinen Sabbat oder einen sonstigen Feiertag?

[NS.01_024,02] O wie wäre solches in der Sonne wohl möglich, da es dort weder abgesonderte Tage noch abgesonderte Nächte gibt, – wie soll es da Sabbate oder Feiertage geben? Daher ist in der Sonne allzeit auch eine andere Ordnung als auf den Planeten.

[NS.01_024,03] Aber dessenungeachtet wird doch auch in der Sonne eine Zeit bestimmt, in welcher von den gewöhnlichen Tagesgeschäften geruht wird. – Wann aber tritt eine solche Zeit ein?

[NS.01_024,04] Ihr wißt, daß sich die ganze Sonne binnen 29 Tagen um ihre Achse dreht. Ihr wisset auch, daß die Sonnenbewohner über sich hinaus den gestirnten Himmel gar wohl sehen können. Besonders sehen sie diejenigen Fixsterne sehr gut, die ihr zu der ersten, zweiten und dritten Größe rechnet, – welche den Sonnenbewohnern beinahe so groß erscheinen, wie euch eure Sonne erscheint. Es versteht sich solches bei den Fixsternen erster und zweiter Größe. Die Sterne der dritten Größe aber erblicken sie wohl um mehr als die Hälfte kleiner. Manches Mal, bei ungemein ruhiger und heiterer Luft können sie wohl auch Sterne der vierten und fünften Größe entdecken; aber weiter reicht das Auge der Sonnenbewohner dieses Gürtels nicht.

[NS.01_024,05] Wann von den Bewohnern derjenige Fixstern, den ihr allda Sirius benennt, zuerst als größter und leuchtendster aufgehend erblickt wird, sodann tritt auf eine so lange Zeit ein Feiertag ein, bis dieser Stern ungefähr bis an den Zenit gestiegen ist, wozu eine Zeit, nach eueren Erdtagen berechnet, von ungefähr etwas über sieben Tagen gefordert wird.

[NS.01_024,06] In dieser Zeit muß jedem andern Pendel Einhalt getan werden. Nur das Hauptpendel des zweiten oder großen Tempels darf nie stehenbleiben. – Während dieser Zeit wird dann auch weder gearbeitet noch irgend etwas gelehrt, sondern ein jeder Hausvater bleibt mit seiner Familie in seinem Hause. Und es darf in dieser Zeit von niemandem ein Fuß über die Grenze der Säulen eines Hauses gesetzt werden, außer nur bei einer euch schon bekannten, drohenden, großen Elementargefahr, welche sich aber in der ersten Hälfte des Erscheinens dieses Sternes selten ereignet, wohl aber in der zweiten Hälfte, welche ebensolange dauert wie die erste. (– Aber es versteht sich von selbst, in einer und derselben Gegend nicht allzeit, sondern nur höherer Ordnung zufolge bedingungsweise, das heißt nach der Ordnung und nach dem Willen der göttlichen Weisheit.)

[NS.01_024,07] Was tun denn die Menschen hernach in dieser Zeit in ihren Wohnungen? – Sie legen sich selbst gewisse Gelübde vor und halten dann dieselben während dieser Zeit auf das allerpünktlichste.

[NS.01_024,08] Ein solches Gelübde besteht gewöhnlich in allerlei Selbstverleugnungsübungen, welches ungefähr also aussieht wie da bei euch ein wahres Fasten. Aber solches besteht nicht etwa in einem jeden Hause gleichartig, sondern es besteht solches je nach irgendeiner aufgefundenen Schwäche der Familie eines Hauses.

[NS.01_024,09] Ist da eine Familie sehr redselig, so wird während dieser Zeit aller Zunge des Hauses ein vollkommenes Fasten auferlegt; und sodann darf niemand während dieser Zeit auch nur eine Silbe über seine Lippen bringen, sondern sich allein den inneren Betrachtungen hingeben. – Notabene! Ein solches Fasten wäre auch auf der Erde überaus zweckdienlich anzuempfehlen, besonders in solchen Häusern, wo viel unnützes Zeug von frühmorgens bis in die späteste Nacht geplaudert wird, und wo die Ehre des Nächsten so viel nur immer möglich herabgeschnitten wird und dergleichen mehr des allertollsten Zeugs.

[NS.01_024,10] Ferner, wo in einem Hause der Sonne die Menschen viel aufs Essen halten, allda wird während dieser Zeit nur so wenig wie möglich gegessen, damit dadurch dieser Schwäche wieder Einhalt getan wird.

[NS.01_024,11] Gibt es in irgendeinem Hause Streitsüchtige, die ungefähr solcher Gemütsart sind, daß da ein jeder gern recht hat und seine Meinung als die beste anerkannt wissen will, alsdann muß während dieser Zeit alle Lust zum Rechthaben gänzlich aufhören, und muß einer dem andern unangefochten das Recht lassen, – besonders diejenigen in einer Familie, welche am meisten auf die vorbesagte Art streitsüchtig sind. Da während dieser Zeit auch alle Kinder aus den unteren Schulanstalten heimkehren, so gibt es in einem jeden Wohnhause auch allzeit mehrere Menschen; sind Zanklustige dazwischen, so kommt ihnen diese Zeit und das mit ihr bemessene Fasten sehr wohl zustatten.

[NS.01_024,12] Und wie gesagt, also wird dieses Fasten in einem jeden Hause verschieden bemessen, je nachdem irgendeine oder die andere Schwäche des Geistes vorwaltend bemerkt worden ist.

[NS.01_024,13] Hat der Stern den Zenit erreicht, alsdann sind wieder alle Hauspforten geöffnet, und alles eilt hinaus zu den drei Tempeln, um dort die gebührende Danksagung für die erlangte Stärkung während dieser Zeit darzubringen – wem? –, solches werdet ihr wohl ohnedies verstehen.

[NS.01_024,14] Nach beendigter Danksagung und gegenseitiger Segnung, nach der allgemeinen Segnung des obersten Priesters, begibt sich dann alles wieder eiligst nach Hause und beginnt da wieder das gewöhnliche Tagewerk.

[NS.01_024,15] Dies ist der zeremonielle Religionskultus der Sonne. Was aber den geistigen Religionskultus betrifft, so dauert dieser ununterbrochen fort. Denn das ganze Leben eines Sonnenbewohners besteht in dem, daß er sich unablässig mit der Erkenntnis und genauen Befolgung des göttlichen Willens abgibt; und solches ist ja eben der am meisten geistige Teil jedes Religionsdienstes. Der allergeistigste Teil besteht aber darin, daß sich die Menschen gegenseitig über Meine Menschwerdung besprechen und dem großen Liebeswerk derselben immer näherzukommen suchen. Das wäre also der allergeistigste Teil des Religionskultus der Sonnenbewohner.

[NS.01_024,16] Merkwürdigerweise, wenigstens für euch, wird in der Sonne auch das leibliche Sterben eines Menschen zum geistigen Religionskultus gezogen. – Warum denn? – Weil das Sterben in der Sonne, besonders auf diesem Gürtel, ein überaus geistiges Aussehen hat.

[NS.01_024,17] Ihr werdet hier fragen: Wie ist demnach solches beschaffen? – Nur eine kleine Geduld, und ihr sollt es sogleich erfahren.

[NS.01_024,18] Die Menschen werden allda nie krank. Wenn aber ihr Geist die gehörige Reife erreicht hat, sodann zerstört er im Augenblick seine Hülle durch einen flammenden Ausbruch seines Wesens und geht dann in eine höhere Welt, von der wir erst später hören werden.

[NS.01_024,19] Wir haben in dieser Hinsicht einige Winke gleich anfangs bekommen; allein in der Folge werden wir solches noch viel ausführlicher besprechen.

[NS.01_024,20] Sehet, da die Menschen in der Sonne, wenn sie sterben, gewisserart plötzlich verschwinden, so wird ein solches Verschwinden von den Sonnenbewohnern mit einer innersten, geistigen Andacht gefeiert, und es wird dem Herrn ein Lob dargebracht, da Er wieder einen Bruder von irdischen Banden befreit und ihn in das Urreich allen Lichtes und alles Lebens zurückgeführt hat!

[NS.01_024,21] Darum also wird auch dieser geistige Teil des Religionskultus der letzte Lobgesang genannt, weil nach einem also verstorbenen Menschen dann keiner mehr folgt.

[NS.01_024,22] Es wird zwar ein verstorbener Mensch nicht aus dem Gedächtnis der noch Lebenden gestrichen, und das schon darum nicht, weil in der Sonne das Fach der Weltgeschichte bei weitem besser gehandhabt wird als auf irgendeinem Planeten, ganz besonders aber auf eurer Erde, wo nur allenfalls diejenigen Personen für die Geschichte aufbewahrt werden, die sich ihre Häupter haben krönen lassen, oder die die allermeisten Brüder totgeschlagen haben! – Also ist in der Sonne das Fach der Weltgeschichte nicht beschaffen, sondern in den Tempeln wird jeder Bewohner aufgezeichnet, und das zwar nach seinem Charakter und nach seiner Lebensweise, und wie er Zeuge einer oder der andern großen Naturerscheinung war. Auch werden die Erzeugnisse seines Willens aufbewahrt, und zwar in den Wohnhäusern selbst; daher ist allda kein Zierat, welcher ein solches Wohnhaus ziert, umsonst da; sondern er ist ein bedeutungsvoller Buchstabe im Buche der Geschichte eines oder des andern Menschen, der da ein solches Haus bewohnt hat.

[NS.01_024,23] Auf eine solche Weise wird dann auch das Andenken eines verstorbenen Menschen in der Sonne freilich wohl nicht gefeiert wie bei euch auf der Erde, etwa durch reiche Leichenbegängnisse und nachfolgende, fast ewig dauernde Messenstiftungen. Wohl aber wird das Andenken eines verstorbenen Menschen durch die oftmalige Betrachtung dessen, was er durch Meine, ihm innewohnende Gnade gewirkt hat, gefeiert. Und dieses ist auch ums Unvergleichliche besser, als alle Andachtsübungen ums Geld für irgendeinen Verstorbenen. Denn Ich, der allein nur helfen kann, brauche kein Geld. Derjenige aber, der sich zahlen läßt, um Mich dadurch auf dem Weg eitler Zeremonie zur Hilfe zu zwingen, der geht schon allezeit den allerdichtesten Irrweg. Denn wahrlich sage Ich euch: Eher soll Mich das Gequake eines Frosches zur Verleihung einer Gnade bewegen, denn ein bezahltes Gebet. – Und glaubet es auch, daß unter allen Freveln, die ein Mensch verübt, dieser obenan steht, so sich jemand für angezeigte kräftige Gebete von seinen Brüdern zahlen läßt. – Wenn eine Fliege sumset, oder eine Mühle klappert, oder ein Frosch quakt in einer Pfütze, wahrlich solches ist Mir angenehm, aber das Gebet ums Geld ist vor Mir wie ekelhafter Mundspeichel, Eiter und allerwidrigster Geruch; mehr brauche Ich euch nicht zu sagen!

[NS.01_024,24] Aus diesem wenigen werdet ihr gar leicht entnehmen können, wozu all die reichausgestatteten Begräbnisfeierlichkeiten und nachherigen Seelenmessenstiftungen dienlich sind. Mehr brauche Ich euch wieder nicht zu sagen, sondern verweise euch bloß auf das Evangelium. Leset es, und ihr werdet finden, welchen Lohn Ich dafür den jüdischen Priestern verheißen habe, daß sie fürs Geld den armen Witwen und Waisen lange Gebete vorgelogen haben. Wenn ihr solche Stellen recht überdenket, so werdet ihr daraus wohl gar leicht entnehmen, wie es um eure, besonders römisch-katholischen, Begräbnisfeierlichkeiten steht.

[NS.01_024,25] Doch genug von dem! – Kehren wir nun wieder zu unserer Sonne zurück und beschauen da noch ein wenig ein oder das andere Haus, in welchem entweder der Vater oder die Mutter die Löse empfangen hatte. Denn Kinder sterben in der Sonne durchaus nicht, sondern alldort muß alles in der größten Ordnung die vollkommene Reife erlangen, besonders in diesem Gürtel.

[NS.01_024,26] Was geschieht denn mit dem übergebliebenen Teile? – Der übergebliebene Teil übergibt alsbald das ganze Hauswesen dem ältesten Sohne und lebt sodann die noch zur Vollreife des Geistes nötige Zeit in dem Hause als ein Lehrer und Ratgeber in den göttlichen Dingen.

[NS.01_024,27] Der Witwer oder die Witwe hat aber dann auch eine öftere Zusammenkunft mit den Abgeschiedenen. Eine solche Geistererscheinung wird jedoch von niemand anderem gesehen als nur von dem, mit welchem sie im ewigbleibenden, ehelichen Verbande steht.

[NS.01_024,28] Aus dem Grunde ehelicht auch in der Sonne niemand zum zweiten Male, sondern nur einmal, und wünscht durch sein ganzes Leben nichts anderes als die ewige Unzertrennlichkeit mit dem Gegenstande seines Herzens.

[NS.01_024,29] Das ist nun das Beachtenswerteste, was dieser Hauptgürtel der Sonne in sich faßt. Daher wollen wir ihn nun auch beschließen und uns auf dessen nachbarlichen, freilich wohl etwas kleineren Gürtel begeben.

[NS.01_024,30] Solches aber muß dabei allzeit wohl beobachtet werden, daß es an jeder Seite des Hauptgürtels noch sieben Gürtel gibt, welche nach der Ordnung miteinander harmonieren. Wenn wir daher einen Gürtel beschauen und von einem Gürtel nur die Rede sein wird, so sind darunter allzeit zwei harmonierende Gürtel zu verstehen, – weil ein Gürtel auf der südlichen Seite des Hauptgürtels und wieder ein Gürtel auf der nördlichen Seite des Hauptgürtels in der Sonne mit wenigem Unterschied immer einer und derselben Art sind.

[NS.01_024,31] Was jedoch der nächste kleinere und der mit ihm übereinstimmende Gürtel uns alles zur Beschauung darbieten werden, wollen wir erst in der nächsten Mitteilung zu vernehmen anfangen. Daher lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

25. Kapitel – Das erste Nebengürtelpaar. – Landschaft und Menschen daselbst. – Über äußere und innere Schönheit.

[NS.01_025,01] Was diesen nächsten Sonnengürtel und seinen Korrespondenten betrifft, so sind sie fürs erste viel schmäler, und ihr Erdreich ist auch schon um ein bedeutendes fester als das des Mittel- oder Hauptgürtels. Der Hauptgürtel ist die eigentliche Sonnenwelt; die Nebengürtel aber sind nur mit den um die Sonne kreisenden Planeten korrespondierende Welten.

[NS.01_025,02] Und so sind diese zwei nächsten Gürtel Korrespondenten des Planeten Merkur und des Planeten Venus, welche zwei Planeten von diesen Nebengürtelbewohnern auch noch recht gut gesehen werden, und zwar der Merkur in der Größe eures Mondes und die Venus ungefähr um die Hälfte kleiner.

[NS.01_025,03] Und so korrespondiert insbesondere von diesen zwei Gürteln der nördliche mit dem Merkur und der südliche mit der Venus. Und somit ist auch auf dem nördlichen Gürtel alles das – freilich wohl im viel vervollkommneteren Maße – anzutreffen, was in dem Planeten Merkur angetroffen wird. – Desgleichen auch bietet der südliche Gürtel dasjenige in eben dem vollkommeneren Verhältnis dar, was da alles enthält der Planet Venus.

[NS.01_025,04] Solches war notwendig vorauszuschicken, damit ihr eben auch schon im voraus wissen könnt, was für eine Bewandtnis es mit diesen Nebengürteln hat, und daß ihr bei der vollendeten Bekanntschaft mit diesen Gürteln euch auch mit den Planeten selbst in eine bedeutende Vertraulichkeit setzen könnt.

[NS.01_025,05] Damit aber bei der Darstellung in euren Gemütern keine beirrende Verwechslung geschehen möge, so wollen wir nur den nördlichen Gürtel hauptsächlich zu unserer Betrachtung vornehmen, den südlichen Gürtel aber nur bei Gelegenheit berühren, wann er manchesmal abweicht von dem nördlichen. Denn solches müßt ihr auch voraus noch zur Wissenschaft nehmen, daß der Planet Merkur und der Planet Venus fast einer und derselben Beschaffenheit sind. So sind die Bewohner des Planeten Merkur wie die Bewohner des Planeten Venus nahe durchaus lauter Weisheitsmenschen. Der Unterschied zwischen ihnen liegt bloß in dem, daß die Bewohner des Merkur weise werden wollen und auch wirklich werden auf dem Wege eigener, anschaulicher Erfahrungen, aus welchen sie dann allerlei Mutmaßungen und weise Schlüsse machen, daher diese Menschen auch noch als Geister überaus reiselustig sind und die ganze Schöpfung mit eigenen Augen beschauen wollen, um sich daraus zu informieren und ihrem innersten Wesen nach zu überzeugen, ob ihre Weisheitsschlüsse bei ihrem Leibesleben keine Trugschlüsse waren. Das ist also das Wesen oder gewisserart die Haupteigenschaft der Bewohner des Planeten Merkur.

[NS.01_025,06] Wollt ihr die Bewohner der Venus beschauen, so sind sie im Grunde dieselben wie die Bewohner des Planeten Merkur; nur fangen sie ihre Weisheitsschule dort an, wo die Merkurbewohner aufhören. Und ihre Endprobe ist nahe gerade das, womit die Merkurbewohner ihre Schule beginnen. Mit andern Worten gesagt, verhält sich die Sache gerade also: Die Merkurbewohner denken vorher nach, gemäß den gemachten Erfahrungen, und schauen zuletzt. Die Venusbewohner aber schauen zuerst und denken zuletzt, nach den gemachten Erfahrungen.

[NS.01_025,07] Wenn ihr nun diese Angabe recht betrachtet, so werdet ihr offenbar sagen müssen, daß darin eben gerade kein großer Unterschied ist, – also wie bei einer musikalischen Tonleiter. Ob sie aufwärts steigt oder abwärts, solches macht wohl für das Gehör einen Unterschied; deswegen aber bleiben doch die Stufen dieselben, ob aufsteigend oder absteigend.

[NS.01_025,08] Aus diesem Grunde werden auch diese zwei Sonnengürtel vorzugsweise korrespondierende Gürtel genannt, weil sie sich gegenseitig also verhalten, wie solches soeben klar gezeigt worden ist. Aus diesem Grunde auch werdet ihr leicht einsehen, warum es hier nicht nötig ist, jeden dieser zwei Gürtel sonderheitlich vorzunehmen, sondern nur allein den nördlichen. Denn aus dem Verhältnis dieses Gürtels läßt sich nach dem vorangegangenen Verhältnismaßstab ja also leicht auf seinen korrespondierenden südlichen Gürtel schließen, wie sich da von einer aufsteigenden Tonleiter wieder auf eine absteigende schließen läßt, – da doch überall ein und derselbe Hauptton zugrunde liegt.

[NS.01_025,09] Bevor wir jedoch zum Menschen selbst übergehen werden, müssen wir die Landesbeschaffenheit unserer Gürtel in näheren Augenschein nehmen.

[NS.01_025,10] Ihr wißt, daß den Hauptmittelgürtel der Sonne zwei unübersteiglich hohe, ununterbrochen fortlaufende Gebirgsreihen begrenzen. Diese zwei Gebirgsreihen trennen somit auch unsere zwei Nebengürtel von dem Hauptgürtel.

[NS.01_025,11] In dem Hauptgürtel haben wir gesehen, wie sich von diesen zwei Hauptgebirgslinien eine Menge kleinere Gebirgszweige über den ganzen, großen Gürtel kreuz und quer verziehen. Also ist es aber nicht gegen die zwei Seitengürtel der Fall. Denn daselbst steigen diese hohen Gebirgskettenwände allenthalben steil ohne weitere Gebirgsausläufer schnurgerade zur vollen Ebene hinab, welche da ununterbrochen mit Wasser überfüllt ist. Also läuft über der hohen Gebirgslinie, durch welche die beiden Nebengürtel von dem Hauptgürtel abgeschnitten werden, ein ziemlich breiter Wassergürtel. Seine Breite, welche freilich wohl nicht überall gleich ist, dürfte im Durchschnitt wohl bei zweitausend Meilen eures Maßes betragen.

[NS.01_025,12] Nach diesem Ringmeere fängt erst das bewohnbare Land an. Das Land selbst, sowohl des nördlichen wie des südlichen Gürtels, ist äußerst gebirgig und hat wenig flaches Land, somit auch keine bedeutenden Landgewässer. Die größten Ströme und Seen dürften kaum so groß sein, wie allenfalls eure Donau und allenfalls der Bodensee; aber kleinere Flüsse und Seen gibt es in ziemlich bedeutender Menge.

[NS.01_025,13] Das Land selbst, bis zu einem nächsten unübersteiglichen Hauptgebirgszug, hat einen Durchmesser der Breite nach, im Durchschnitt genommen, von etwa fünftausend Meilen eures Maßes, flacht sich gegen den zweiten Hauptgebirgszug ziemlich ab; aber nicht etwa so genommen, als würde sich das Land hier darum vertiefen, sondern die Landesgebirge selbst ergreifen sich hier enger aneinandergerückt und bilden dann gewisserart mit ihren höchsten Scheiteln einen noch ziemlich breiten, flachen Hochlandsboden, welcher auch sehr häufig, und zwar hauptsächlich, bewohnt wird.

[NS.01_025,14] Wie aber in diesem nördlichen Nebengürtel sich die gestaltliche Beschaffenheit des bewohnbaren Landbodens verhält, also verhält sich ebendiese Beschaffenheit auch im südlichen, nämlich dem nördlichen in gerader Richtung gegenüber liegenden, – so zwar, daß auch im südlichen Gürtel nach der hohen Gebirgslinie zuerst ein Wassergürtel kommt, sodann ein sehr gebirgiges Land, welches sich ebenfalls gegen den nächsten Hochgebirgszug verflacht.

[NS.01_025,15] Wenn ihr nun diese zwei Gürtel gegeneinander haltet, so werdet ihr in der Richtung von Norden gegen Süden ja notwendig die Beobachtung machen müssen, daß im nördlichen Gürtel das Hochflachland dessen nördlichster Teil ist; in der Mitte liegt das gewöhnliche, niederere Gebirgsland, und den südlichsten Teil dieses Gürtels macht der Wassergürtel aus. – Im südlichen Gürtel ist es gerade umgekehrt der Fall; denn allda macht der Wassergürtel den nördlichsten Teil; den mittleren Teil macht ebenfalls das niederere Gebirgsland, und den südlichsten Teil aber nimmt das Hochflachland ein.

[NS.01_025,16] Sehet, das ist schon einmal eine Korrespondenz dieser zwei Gürtel, da der eine Gürtel, nach einer Richtung genommen, an der südlichsten Seite damit aufhört, womit der andere Gürtel an der nördlichsten Seite anfängt, – und also auch umgekehrt. In diesem Verhältnis werdet ihr auch alles Nachfolgende auf diesen beiden korrespondierenden Gürteln antreffen.

[NS.01_025,17] Damit wir aber unserer alten Ordnung getreu bleiben, so wollen wir auch bei der näheren Darstellung mit dem Menschen den Anfang machen. – Welcher Art und wie gestaltet sind denn die Menschen des nördlichen Gürtels?

[NS.01_025,18] Wenn ihr die Menschen des Planeten Merkur kennen würdet, so würde Ich euch sagen: Sie sehen gerade also aus wie die Menschen dieses Gürtels, und also auch die Menschen des südlichen Gürtels wie die des entsprechenden Planeten. – Aber da ihr solches ganz natürlicherweise noch nicht kennt, so muß Ich euch freilich wohl diese Menschen, was vorerst ihre Gestalt anbetrifft, ein wenig näher beschaulich darstellen.

[NS.01_025,19] Die Menschen sind körperlich etwas größer als die des Hauptgürtels und auch größer als ihre entsprechenden Brüder auf dem Planeten. Aber sie sind fürs erste nicht so glänzend schön wie die Menschen des Hauptgürtels. Dennoch sind sie wieder bei weitem schöner als die der entsprechenden Planeten und auch bedeutend schöner als die Menschen auf eurem Erdkörper.

[NS.01_025,20] Davon ist der Grund ihre Weisheit; denn die Weisheit hat solches zum Grunde, daß sie das Äußere überaus schön ausbildet. – Bei der Liebe aber ist es wieder umgekehrt der Fall; allda ist das Innere voll der unendlichsten Schönheit und das Äußere dadurch einfach und schlicht. Daher auch soll eine allfällig äußere größere Schönheitsform niemanden beirren, da sie bei weitem keinen so hohen Wert hat als die innere; denn sie verhält sich wie die Schönheit eines viel weniger werten Kristalls gegen die ursprünglich rauhe Gestalt eines Diamanten. Dieser glänzt in seinem Naturzustande freilich ums Unvergleichliche weniger als ein von Natur schon geschliffener Kristall; wenn aber der Diamant geschliffen wird und sodann seine innere Klarheit zeigt, fraget euch da selbst, wie weit dann die Klarheit und somit auch die Schönheit des Kristalls hinter dem feurigen Farbenglanze eines Diamanten zurückbleibt?

[NS.01_025,21] Aus diesem kleinen Beispiel mögen alle wahren Kinder der Liebe eine überaus wahre Beruhigung finden, und somit auch ihr, wenn ihr auch von noch so großen menschlichen Außenschönheitsformen hört. Denn Ich sage euch: Ein einziges Mich wahrhaft liebendes Herz auf eurer Erde wiegt alle erdenkliche Schönheit eines ganzen Sonnenweltalls auf. Ja, Ich sage euch noch mehr als das: Ein solches Herz ist in sich ums Unausprechliche schöner als der ganze Weisheitshimmel der Engel, und auch schöner als der zweite Liebeweisheitshimmel der höheren Engelsgeister.

[NS.01_025,22] Mehr brauche Ich euch nicht zu sagen. – Wenn Ich euch sonach die Schönheit der Menschen dieser Gürtel näher enthüllen werde, so möget ihr dadurch schon im voraus wissen, was es für eine Bewandtnis damit hat.

[NS.01_025,23] Nächstens wollen wir demnach die Form und die Gestalt, welches sich also verhält wie ungefähr die Weisheit und ihr Grund, näher betrachten. Und somit gut für heute!

 

26. Kapitel – Näheres über Gestalt, Kleidung und Lebensgewohnheiten der Menschen auf dem ersten Nebengürtelpaar.

[NS.01_026,01] Was da die Form betrifft, insbesondere in Hinsicht der Menschen des nördlichen Gürtels, so ist diese ungefähr derjenigen auf eurer Erde ähnlich, in welcher sich euch noch zu dieser gegenwärtigen Zeit einige asiatische Gebirgsbewohner zeigen, namentlich die Bewohner des westlich gelegenen Teils des Kaukasus; nur sind sie ungefähr im Durchschnitt genommen um anderthalbmal größer als die vorerwähnten Asiaten.

[NS.01_026,02] Das weibliche Geschlecht ist von ungemeiner Zartheit; nur einzig die Fußsohlen sind etwas hart und rauh wie eine Feile. Solches ist aber darum so beschaffen, damit sie den glatten Erdboden der Sonne allenthalben besteigen können, ohne auf demselben auszugleiten und leichtlich zu fallen. – Denn das Fallen würde hier für größere und schwerere Körper schon empfindlicher sein als auf dem Hauptgürtel, indem allda das Erdreich mehr Festigkeit hat als auf diesem.

[NS.01_026,03] Der übrige Leib des Weibes ist dann schon, wie gesagt, überaus zart, weich und durchgehends wohl abgerundet. Das Haar des Weibes ist von Natur aus blendend weiß, während die Hautfarbe gerade also aussieht, als wenn ihr möchtet ein blasses Rosenblatt nehmen und möchtet durch dasselbe die Sonne scheinen lassen. Denn auch in diesem Gürtel haben die Menschen ein eigenes Licht; und wenn ein Weib dieses Gürtels zur Nachtzeit auf einem eurer Berge stünde, so würde sie einen bedeutenden Umkreis noch recht wohl erleuchten, aber mit keinem weißen, sondern, was ihren Leib betrifft, mit einem blaßrötlichen Lichte. Nur mit den Haaren würde sie ein sehr intensiv weißes Licht zeigen, welches Licht ihr sowohl in der Nacht als auch am Tage mit offenen Augen nicht ertragen würdet.

[NS.01_026,04] Ihre Augen sind groß und äußerst lebhaft. Der Augapfel ist blendend weiß, die Öffnung mit der Regenbogenhaut lichtblau; der Stern aber ist nicht etwa schwarz, sondern sehr dunkelgrün. Solches ist darum der Fall, damit sie das Licht desto leichter ertragen und nach allen Seiten hin überaus klar sehen können.

[NS.01_026,05] Das wäre sonach die Form, welche in diesen wenigen Worten hinreichend dargetan ist; denn es ist nicht nötig, noch eigens alle anderen Teile des Leibes zu beschreiben, da es doch vorausgesetzt werden kann, daß euch eine sonstige vollkommene weibliche Gestalt mit allem, was sich nur immer zur äußerlichen Anschauung darstellt, wohlbekannt sein wird.

[NS.01_026,06] Also ist auch die Gestalt gar leicht von der dargestellten Form zu entnehmen. – Damit ihr aber wisset, was hier unter „Gestalt“ verstanden werden solle, so wisset, daß darunter so viel als der eigentliche, gesamte Charakter, welcher der Gesamtform innewohnt, verstanden wird.

[NS.01_026,07] Solches ist also zu nehmen: Wann ihr zum Beispiel sehet einen schönen, vollkommenen Fuß, einen ebenmäßigen Mittelleib, dann einen ebenso schönen, runden Arm, einen durchaus weichrunden Hals, sonach einen verhältnismäßig kleinen Kopf und allenthalben das Gesicht wohlgebildet, – so gibt alles dieses eine schöne Form, an der an und für sich durchaus nichts auszustellen ist, indem da alles vollkommen ist, wie der Fuß so der Leib, so die Brust, die Arme, der Hals und der Kopf. Wann ihr solches selbst an einem Gemälde findet und bewundert jedes einzeln, so habt ihr erst der Form euren Beifall gegeben.

[NS.01_026,08] Aber wenn ihr dann weiter fragt: Was sagt oder spricht denn diese Form?, so werdet ihr die Antwort dadurch bekommen, wenn ihr alle die Teile mit einem Blicke überschauet, die Verbindung derselben gegenseitig anseht und wohl achtet auf den Gesamteindruck; denn der Gesamteindruck und die in dem Ganzen erspähte Harmonie ist erst eigentlich das, was da unter der Gestalt verstanden werden solle.

[NS.01_026,09] Da ihr nun solches wißt, und euch dabei die Form enthüllt ist, so werdet ihr wohl mit gar leichter Mühe die Gestalt von selbst finden.

[NS.01_026,10] Wie aber ist denn ein solches Weib bekleidet? – Was die Kleidung betrifft, so besteht diese in nichts anderem als in einer etwas größeren Schürze um die Lenden, wie wir sie bei den Bewohnern des Hauptgürtels angetroffen haben. Und vom linken Arm bis zur rechten Hüfte, über den halben Leib, ist ein am Arme geteilter weißer Mantel umgehängt, so, daß da der rechte Arm und die rechte Brust frei sind.

[NS.01_026,11] Um die Stirn tragen die Weiber ein rotes Band, welches bei ihnen die Liebe zur Weisheit bedeutet.

[NS.01_026,12] Das ist somit im allgemeinen die Darstellung des Weibes.

[NS.01_026,13] Wie sieht denn der Mann aus? – Der ist beinahe durchaus um einen Kopf größer als das Weib. Seine Gestalt ist durchaus edel und vollkommen.

[NS.01_026,14] Auch der Mann hat eine härtere und rauhe Fußsohle, welche manchmal so aussieht, wie bei euch eine sogenannte Raspel. Die Füße sind sehr muskulös, aber darum nicht hart anzusehen. Also ist auch der Leib und die Hände. Der Hals ist bis zum Vorderteil rund; der Vorderteil in der Gegend des Schlundes aber wird durch zwei ziemlich starke Muskeln gewisserart gefurcht, daß da zwischen einem und dem andern Muskel ein kleiner Graben zum Vorschein kommt.

[NS.01_026,15] Das Kinn zieren zwei reichliche Bartabteilungen; die Farbe der Barthaare ist gelb, beinahe ins Grüne übergehend. Das sehr reichliche Haupthaar ist von lichtgelber Farbe, die Augenbrauen aber sind dunkelgrün; sonst aber sind die Augen also gestaltet wie beim Weibe.

[NS.01_026,16] Die Ohren sind im Verhältnis zum Kopfe mehr groß denn klein. Der Kopf oder vielmehr das Angesicht zeigt allzeit das Weise und Erfahrungsbegierige an. Die Farbe des Gesichtes ist etwas röter als die Farbe des Weibes.

[NS.01_026,17] Also ist auch der übrige Leib nach Verhältnis der Teile röter als der des Weibes.

[NS.01_026,18] Die Kleidung des Mannes besteht in einer bis an die Knie reichenden, weißen Toga, welche sowohl zuunterst wie um den Hals und vorne ganz bis zum untersten Rande verbrämt ist. Kopfbedeckung aber hat weder das Weib noch der Mann.

[NS.01_026,19] Das ist sonach auch die Gestalt des Mannes samt der Form klärlich dargetan.

[NS.01_026,20] Ihr werdet nun fragen: Ja, die Gestalt des Menschen des nördlichen Gürtels hätten wir nun freilich; aber wie sieht es denn im südlichen Gürtel aus?

[NS.01_026,21] Gerade also wie auf dem nördlichen, nur sind die Menschen etwas größer noch. Und was das weibliche Geschlecht anbetrifft, so ist dieses noch um ein bedeutendes schöner als das des nördlichen Gürtels.

[NS.01_026,22] Nur bei der Kleidung ist ein Unterschied. Hier trägt das Weib eine Toga, welche rot verbrämt ist und mittels eines goldgrünen Gürtels um die Mitte an den schlanken Leib angeschlossen wird. – Der Mann aber hat dafür eine bis unter das Knie reichende Lendenschürze und trägt einen solchen Halbmantel, wie wir ihn früher, im nördlichen Gürtel, am Leibe des Weibes bemerkt haben; nur ist dieser Mantel nicht so weit geteilt und ist auch bedeutend länger als wie der des Weibes im nördlichen Gürtel.

[NS.01_026,23] Um die Stirn trägt hier das Weib ein blaues Band. Der Mann aber hat ein kleines rotes Käppchen zur Bedeckung seines Hauptes; dieses Käppchen drückt hier beim Manne die besondere Liebe zur Weisheit aus. Das blaue Band des Weibes um die Stirn aber bezeigt die Beständigkeit des Weibes, wie sie nämlich eine getreue Nachfolgerin der Weisheit des Mannes ist.

[NS.01_026,24] Wir haben in dem Mittelhauptgürtel gesehen, daß die Menschen dort äußerst schaulustig sind; doch steht ihre Schaulustigkeit in nahezu gar keinem Verhältnis mit der Schaulustigkeit der Bewohner dieser beiden Nebengürtel. Denn ein Mann, besonders des nördlichen Gürtels, ist also schaulustig, daß er gar wohl imstande ist, ein Naturschauspiel, auch wenn es nach eurer Rechnung mehrere Jahre lang andauert, auf einem Flecke stehend anzugaffen. Aber dafür wird schon von Meiner Seite gehörig gesorgt, daß ein Naturschauspiel in diesem Gürtel, wie auch in dessen gegenüberliegendem, eben nie gar zu lange andauert.

[NS.01_026,25] Die meisten Naturschauspiele gehen gewöhnlich in diesen Gürteln dort vor sich, wo die beiden Wassergürtel die zwei Hochgebirgsreihen begrenzen (durch welche der Hauptgürtel von diesen beiden Nebengürteln getrennt wird). Diese Naturschauspiele sind besonders bei Gelegenheit der Hauptgürtel-Geschwulstausbrüche ziemlich andauernd; aber da dieser Wassergürtel doch noch immer so breit ist wie ungefähr der doppelte Durchmesser eurer Erde beträgt, so ist für unsere Schaulustigen von solchen Hauptschauspielen eben nicht gar viel zu erblicken. Bei großen Ausbrüchen werden manchmal wohl eine Menge großer Leuchtkugeln über das Hochgebirge in diese Gürtel geschleudert; aber zufolge der sehr bedeutenden Entfernung werden solche Leuchtkugeln, wenn sie auch manchmal von der Größe eures Erdmondes sind, eben nicht gar viel größer erblickt, als wie ihr den Mond durch ein mittelmäßig starkes Fernrohr seht. Zudem noch dauert das Herabfallen einer solchen Leuchtkugel kaum nur einige Sekunden nach eurer Rechnung; daher denn auch das Schauspiel die schaulustigen Bewohner in diesem Gürtel allzeit sehr unbefriedigt läßt.

[NS.01_026,26] Ihre Hauptbeobachtungen aber gelten dem gestirnten Himmel; und die Bewohner, besonders des nördlichen Gürtels, erschöpfen sich oft in lauter Mutmaßungen, was doch ein oder das andere Gestirn bedeute, was es ist und zu welchem Zweck es geschaffen ist.

[NS.01_026,27] Die Bewohner des südlichen Gürtels haben sogar eine Art Augenwaffen, ungefähr in der Art eurer camera obscura. Durch dieses Instrument fangen sie das Bild eines Sternes auf und beobachten es mit allem möglichen Fleiße. Aber dessenungeachtet geht es ihnen nicht viel besser als euch auf der Erde mit euren Fernrohren, da sie am Ende dadurch nichts anderes gewinnen als höchstens die Bewegungen der Gestirne und allenfalls ihre Größe, und sind bloß in dem euren Gelehrten voran, daß sie gewisserart als Bewohner eines Fixsterns die Entfernungen, Bewegungen und Größen anderer Fixsterne besser bestimmen können, – das heißt insoweit ihre Augen und ihre Instrumente reichen; wenn ihnen aber diese den Dienst versagen, so hat dann auch bei ihnen, wie bei euch, die Rechnung ein Ende.

[NS.01_026,28] Diese zwei Gürtel sind auch darin voneinander unterschieden, daß die Bewohner des nördlichen Gürtels sich weniger auf das Schauen, aber desto mehr auf das Mutmaßen und Schließen verlegen, während die Bewohner des südlichen Gürtels alles vorher gehörig beschauen und dann erst in allerlei Mutmaßungen und Schlüsse übergehen.

[NS.01_026,29] Also hätten wir auch die Hauptneigung dieser Menschen in möglichster Kürze kennengelernt. Und wir wollen nun noch einen kurzen Blick darauf werfen, wie diese Menschen, sowohl des einen als des andern Gürtels, untereinander leben, ob vereinzelt oder in Gesellschaft?

[NS.01_026,30] Was die Bewohnung dieses Gürtels betrifft, so leben die Menschen zwar also wie im Hauptgürtel in abgesonderten Wohnhäusern, deren Gestalt wir erst nächstens beschauen wollen. Denn das ist schon also die Art der Weisen, damit sie nicht gestört werden in ihren Betrachtungen.

[NS.01_026,31] Dessenungeachtet aber gibt es dennoch, besonders an den Ufern kleiner Landseen wie auch ganz besonders auf dem Hochflachlande, gewisse Gesellschaftskollegien, welche aus mehreren großartigen, aneinandergereihten Gebäuden bestehen und ein städtisches Aussehen haben. Diese Kollegien sind ein Gemeingut und zumeist von den Allerweisesten des Landes bewohnt.

[NS.01_026,32] Wie gestaltet aber die einzelnen Wohnungen und diese Kollegien sind, werden wir bei einer nächsten Gelegenheit weiter besprechen, wie auch, was da betrifft ihre Zweckmäßigkeit. – Und so lassen wir es heute wieder gut sein!

 

27. Kapitel – Wohnhäuser und Gemeinschaftssiedlungen auf dem ersten Nebengürtelpaar.

[NS.01_027,01] Was die einzelnen Wohnungen betrifft, so sehen diese im großen Maßstabe genommen fast gerade so aus, wie in euren Gärten auf der Erde die runden Gartensalons; nur haben sie im Verhältnis viel höhere und spitzere Dächer. Diese Wohnhäuser aber sind nicht so offen wie die Wohnhäuser des mittleren Gürtels, sondern sind ringsumher mit festen Wänden geschlossen, durch welche, da sie von einer grün gefärbten, durchsichtigen Masse angefertigt sind, ein hinreichendes Licht in das Innere des Wohnhauses fällt.

[NS.01_027,02] Wie sieht denn das Innere des Hauses aus, und wie groß ist der inwendige Raum? – Was den innern Raum betrifft, so wäre dieser groß genug, um ein ziemlich großes Gebäude eurer Erde ganz bequem hineinstellen zu können. Aber höher ist ein solches Wohnhaus selten, als ungefähr ein mittelmäßig hoher Turm bei euch, – das heißt bloß die Wände betrachtet; das Dach hat wohl manchmal die dreifache Höhe der Wände.

[NS.01_027,03] Gegen die östliche Seite ist eine Tür angebracht (welche auf- und zuzumachen ist), ungefähr von der Größe wie bei euch ein großes Stadttor. Die Tür aber geht nicht sogleich von ebener Erde in das Haus, sondern vor der Tür sind allzeit bei zehn hohe Staffeln angebracht, welche man übersteigen muß, bevor man zur Tür gelangt.

[NS.01_027,04] Vor der Tür selbst befindet sich allzeit noch eine Art Altan, auf welchem man dann noch einige Schritte ebenaus zu machen hat, bis man zur Tür gelangt. Die Stiege und der Altan aber sind ebenfalls bedacht, welche Dachung von ziemlich massiven, viereckigen Säulen getragen wird.

[NS.01_027,05] Wenn man durch die Tür gelangt, so muß man dann ebenfalls eine kleine Treppe abwärts steigen, um auf den eigentlichen Boden des Wohnhauses zu gelangen; aber auch innerhalb der Tür fängt nicht sogleich die Treppe an, sondern es führt von der Tür weg auch eine Art inwendiger Altan bis zur Treppe hin, welche zu beiden Seiten mit einem Geländer aus niedlich gearbeiteten, mehreckigen Säulen versehen ist.

[NS.01_027,06] Von diesem inwendigen Altane aber führt dann in gerader Richtung ein ziemlich geräumiger Gang um die ganze Wand des Wohnhauses, welcher Gang vom Boden des Hauses mit ziemlich starken, sechseckigen, weißen Säulen unterstützt wird. Der Gang selbst ist ebenfalls mit einem einfachen Geländer versehen; einfach heißt dort soviel, als wenn bei euch eine Sache zwar geschmackvoll aber dennoch ohne mit irgend erhabenen oder eingedrückten Zieraten versehen zu sein gearbeitet ist.

[NS.01_027,07] Nach diesem Gange folgen dann mehrere Rundreihen von Säulen, welche vom Boden angefangen bis unter die Tragbalken der Dachung reichen und diese tragen. Die Säulen sind verhältnismäßig massiv und stark, so daß eine Säule, im Durchschnitt genommen, einen Umfang von nicht selten drei bis vier Klafter hat.

[NS.01_027,08] Um jede Säule sind am Boden des Hauses recht bequeme und weich gepolsterte Rundbänke angebracht.

[NS.01_027,09] Um die große Mittelsäule aber führt ebenfalls eine Wendeltreppe bis auf den Dachboden hinauf und über demselben durch ein Dachtor auf die sogenannte Dachgalerie, welche dort das „Observatorium“ heißt (dem Zweck, nicht aber dem Wort nach genommen). Diese Galerie ist ebenfalls mit einem einfachen aber geschmackvollen Kleinsäulengeländer umfangen. Manchmal ist diese Galerie selbst noch mit einer Dachung versehen; auf den Hochflachländern aber ist dieses Observatorium gewöhnlich ohne Dachung. Der Grund liegt darin, weil es auf diesen Hochländern auch in der Sonne bei weitem kühler ist, als in den tiefer gelegenen.

[NS.01_027,10] Im Inwendigen des Hauses sind um die Rundsäulenbänke auch stets mehrere Tische angebracht. Die Tische aber sehen aus wie eine flache Schüssel und sind gewöhnlich je vier und vier um eine Säule und ruhen auf drei säulenartigen Füßen.

[NS.01_027,11] Unter dem Gang aber sind um die ganze Wandrundung herum recht geräumige Bänke in der Art eurer Sofas angebracht, auf welchen die Bewohner nach einer Arbeit auszuruhen pflegen. Auf den Tischen aber verzehren sie ihre Mahlzeit.

[NS.01_027,12] Aus den vielen Tischen könnt ihr auch sogleich darauf schließen, daß die Familie eines solchen Hauses ziemlich zahlreich ist. Hundert Menschen bewohnen im Durchschnitt fast allzeit ein solches Haus.

[NS.01_027,13] Im Hintergrunde eines solchen Hauses befindet sich ein prachtvoller Kasten, welcher mit ebensoviel Schubladen versehen ist, als in einem Hause Menschen wohnen. Eine jede Lade hat dasselbe Zeichen, welches das Namenszeichen eines jeden Menschen ist. Und somit hat dann ein jeder Mensch in seiner eigenen Lade dasjenige aufbewahrt, was er für seine Person in leiblicher und geistiger Hinsicht nötig hat.

[NS.01_027,14] Die leiblichen Notwendigkeiten sind das bißchen Gewand und sonstige notwendige Handwerkszeuge.

[NS.01_027,15] Fürs geistige Bedürfnis gibt es dort eine Art Bilderbücher, durch welche Bilder die Menschen alle gemachten Erfahrungen und Anschauungen aufzeichnen. – Wenn ein Mensch eine gewisse Anzahl solcher Bücher von Erfahrungen und Anschauungen gesammelt hat, so übergibt er sie einem Kollegium, unter welchem er allenfalls steht. Dort werden alle diese Erfahrungen und Anschauungen fein durchgeprüft; das Brauchbare wird dann in ein allgemeines Protokollbuch eingetragen, das Unbrauchbare und Kleinliche aber gewöhnlich durchgestrichen.

[NS.01_027,16] Sodann bekommt der Überbringer seine Bücher wieder gewisserart korrigiert zurück und schreibt oder zeichnet sich das Gebilligte in ein neues Buch, welches dann ein Hauptbuch eines Hauses ist. Die Tagebücher aber werden dann gewöhnlich vernichtet.

[NS.01_027,17] Hier muß das weibliche Volk ebendasselbe tun, was das männliche tut, und muß ebenfalls seine Erfahrungen und Anschauungen sorgfältig aufzeichnen und sodann auch gleich den Männern ein Hauptbuch führen.

[NS.01_027,18] Der Stammvater eines Hauses aber hat dann noch für sich ein Generalbuch, in welchem wieder alle Familienhauptbücher, sowohl des männlichen als auch des weiblichen Geschlechtes, jedoch bei weitem stärker abgekürzt, zusammengetragen sind. Für dieses Generalbuch hat er im Hintergrunde des Rundganges einen ziemlich großen Kasten angebracht, in welchen aber niemand schauen darf, außer allein der Stammvater, welcher zu gewissen Zeiten aus diesem Generalbuch Musterungen über alle anderen Hauptbücher hält.

[NS.01_027,19] Das ist sonach die Gestalt und die ganze Einrichtung eines Wohnhauses im nördlichen Gürtel.

[NS.01_027,20] Im südlichen Gürtel sehen die Häuser nahe geradeso aus; nur sind die Dächer nicht gespitzt, sondern abgerundet. So sind auch die Säulen nicht eckig, sondern rund. Das wäre sonach der ganze Unterschied.

[NS.01_027,21] Daß die Häuser des südlichen Gürtels etwas größer sind als die des nördlichen, könnt ihr daraus entnehmen, weil auch die Menschen des südlichen Gürtels, wie es schon erwähnt wurde, etwas größer sind als die des nördlichen.

[NS.01_027,22] Solches könnt ihr euch für beide Gürtel noch hinzumerken, daß die Bewohner dieser Gürtel ihre Häuser auch soviel wie möglich auf den erhabensten Punkten aufbauen. Wißt ihr solches, so sind wir mit den Häusern auch fertig und wollen uns daher sogleich zu den Kollegien wenden.

[NS.01_027,23] Was die Kollegien betrifft, so bestehen diese nicht etwa aus einem Gebäude, sondern je nachdem es der Flächenraum gestattet, manchmal aus hundert, manchmal auch aus tausend Gebäuden. Aber nicht alle Gebäude sind von gleicher Größe, sondern ihre Größe wie ihre Form bestimmen ihre Zweckmäßigkeit.

[NS.01_027,24] In der Mitte eines solchen Kollegiums aber ist allzeit das Hauptgebäude aufgeführt. Dieses Gebäude ist zugleich auch das größte und höchste unter allen anderen Gebäuden eines solchen Kollegiums.

[NS.01_027,25] Ein solches Hauptgebäude bildet immer ein langes Viereck; an jeder Ecke ist ein sehr hoher Turm erbaut, welcher zuoberst gewöhnlich ohne Dachung ist, damit vom selben aus nach allen Seiten hin Beobachtungen gemacht werden können. Das Gebäude selbst hat der Länge nach einen Durchmesser von nicht selten tausend Klafter eures Maßes; der Breite nach aber hat es höchstens nur fünfzig. Die Höhe eines solchen Hauptgebäudes beträgt manchmal bei hundertundfünfzig Klafter. – Das Dach des Gebäudes aber ist wenigstens noch um die Hälfte höher, und die Farbe desselben dunkelrosenrot, während die Wände des Gebäudes lichtviolett aussehen; die Wände der Türme aber sind lichtgrün.

[NS.01_027,26] Die Wände dieses Gebäudes sind nicht also geschlossen wie die der Häuser, sondern sind auf jeder Seite mit mehr denn fünfzig Klafter langen und bei zwei Klafter breiten Fenstern versehen, welche in verhältnismäßigen Entfernungen voneinander abstehen. Daher sind auch die Wände eines solchen Hauptgebäudes nicht durchsichtig, weil das Licht durch die Fenster in das Gebäude fällt. Die Fenster selbst aber sind nicht etwa offen, sondern sind ungefähr also wie bei euch die gotischen Fenster, mit einer Art elastischem, aber überaus wohldurchsichtigem und aus allerlei Farben zusammengesetztem Glase von der äußeren Luft abgesperrt.

[NS.01_027,27] Das Äußere eines solchen Hauptgebäudes bietet zwar einen imposanten Anblick durch seine kolossale Größe, ist aber dennoch im übrigen ganz prunklos.

[NS.01_027,28] Aber desto herrlicher sieht es innen aus; nur müßt ihr euch nicht die unbeschreiblich große Herrlichkeit eines Tempels etwa der ersten oder zweiten Art im Hauptgürtel vorstellen, sondern ihr müßt die Herrlichkeit an und für sich betrachten. Denn wenn ein Licht auch nicht die Stärke des Sonnenlichtes hat, so kann es aber an und für sich doch schön sein, wenn es nur ein gleichmäßiges und ruhiges Licht ist. – Also verhält es sich auch mit der innern Pracht eines solchen Kollegialhauptgebäudes.

[NS.01_027,29] Der Eingang in dieses Gebäude ist ebenfalls nicht sogleich zu ebener Erde angebracht, sondern in der Mitte einer engen Seite dieses Gebäudes ist ebenfalls ein großartiger Altan angebracht, auf welchen man über mehrere Stufen gelangt. Der Altan selbst ist ein ziemlich geräumiger, viereckiger Platz, mit einer Dachung versehen, welche auf mehreren viereckigen, weißen Säulen ruht. Über diesen Altan gelangt man erst zu einem zwanzig Klafter hohen Eingangstor (welches ebenfalls auf- und zugemacht werden kann). Innerhalb des Gebäudes führt dieser Altan (welcher innerhalb des Gebäudes breiter ist als außerhalb) bei zwanzig Klafter vorwärts ebenaus; sodann erst führen zwei Reihen Stufen hinab in das eigentliche Gebäude selbst.

[NS.01_027,30] In der Mitte der beiden Stufen(-reihen) aber verlängert sich der Altan in seiner Drittelbreite bis zum andern Ende des Gebäudes und bildet so einen Mittelgang. Links und rechts aber gehen dann ebenfalls in gleicher Höhe zwei breite Gänge und verbinden sich sowohl in der Mitte des Gebäudes wie am Ende desselben mit dem Mittelgange. Diese Gänge sind ungefähr zehn Klafter hoch über dem gewöhnlichen Boden und ruhen auf lauter viereckigen Säulen, welche in Entfernungen von fünf Klaftern voneinander abstehen. – Daß sowohl der Mittelgang als die beiden Seitengänge mit sehr geschmackvollen Geländern versehen sind, braucht kaum mehr erwähnt zu werden. Die Geländer werden von kleinen, lichtgrünen, halbdurchsichtigen, achteckigen Säulchen getragen.

[NS.01_027,31] Der Boden des Altans wie der Gänge selbst ist also verfertigt wie ein Mosaik und bietet die mannigfaltigsten Gestaltungen dar und ist dabei so fein poliert wie ein Spiegel bei euch. – Also poliert ist auch alles andere eines solchen Gebäudes.

[NS.01_027,32] Zwischen dem Mittelgange und den beiden Wandgängen laufen zwei Reihen großer Säulen, welche sowohl die Decke wie auch die Dachung des Gebäudes tragen.

[NS.01_027,33] Zuunterst im Gebäude selbst aber sind rings um eine jede solche Säule ebenfalls Ruhebänke angebracht, welche von einem elastisch glänzendroten Stoffe angefertigt sind. Um diese Ruhebänke sind ebenfalls ähnliche Tische angebracht, wie wir sie schon in den Wohnhäusern kennengelernt haben.

[NS.01_027,34] In der Mitte eines solchen Gebäudes zwischen dem Mittelgang und der Hauptsäulenreihe aber sind zwei parallel miteinander bei hundert Klafter lang fortlaufende Tische gestellt, um welche eine große Menge beweglicher Lehnstühle gestellt sind.

[NS.01_027,35] Anstelle der Tische, und zwar zwischen den Säulen, welche den Mittelgang tragen, befindet sich, sooft eine Säule kommt, ein großer Kasten, in welchem die Hauptbücher aufbewahrt sind. – Vor dem Kasten befindet sich auch eine bewegliche, zierlich gearbeitete Staffelei, um mittels derselben zu jedem Fach des Kastens bequem gelangen zu können.

[NS.01_027,36] Ihr müßt euch aber nicht denken, daß diese Kästen etwa aus Holz verfertigt sind, sondern aus einer Art rotem Golde, welches an Glanz alles übertrifft, was ihr nur je Glänzendes geschaut habt. Diese Kästen sind auch überaus zierlich gearbeitet und zwischen den weißen Gangsäulen so wohlgeordnet angebracht, daß sie der Architektur durchaus keinen Eintrag machen.

[NS.01_027,37] Unter den Seitengängen längs der Wand, und zwar zwischen einer jeden Gangsäule, befindet sich ebenfalls wieder ein solcher Kasten aus hochgelbem Golde angefertigt; nur ist ein jeder solcher Kasten gut noch einmal so breit als einer zwischen den Säulen des Mittelganges. Diese Kästen, welche sich um die Wand des ganzen Gebäudes ziehen, sind das Archiv; und in manchem Hauptgebäude gibt es deren über zweitausend, und ein jeder solcher Kasten hat nicht selten bei tausend Fächer, von denen ein jedes manchmal bei zweitausend Bücher faßt. Wenn ihr solches miteinander multipliziert, so dürftet ihr eine ziemlich starke Bibliothek herausbringen; nur sollt ihr euch darunter keine eurer Folianten denken; sondern ein solches Buch besteht im höchsten Fall nur aus zehn Blättern, wobei auf jedem Blatte mehrere allgemeine Bilder vorkommen, ein jedes Bild aber so viel in sich faßt, daß, wenn ihr dasselbe mit eurer Sprache beschreiben wolltet, ihr damit sicher tausend Folianten anfüllen würdet; einen jeden Folianten zu fünftausend Seiten genommen.

[NS.01_027,38] Aus diesem könnet ihr schon einen kleinen Schluß machen, wieviel Weisheit oft in einem solchen Hauptkollegialgebäude steckt. Wenn ihr aber noch dazu annehmen wollt, daß auf einem solchen Sonnengürtel bei fünf Millionen solcher Hauptkollegialgebäude stehen, so möget ihr dann zusammenmultiplizieren, wie viele Folianten Weisheit, nach eurer Schrift gerechnet, in den beiden Gürteln stecken.

[NS.01_027,39] Und dennoch ist alle diese Weisheit nicht ein Tropfen gegen die Weisheit eines einzigen Mannes, der da den Hauptgürtel der Sonne bewohnt. Und diese wieder kaum ein Tropfen zur Weisheit eines obersten Priesters dieses Gürtels, der seine Weisheit schon aus der Liebe schöpft. Und dessen Weisheit selbst wieder ist kaum ein winziger Tropfen nur zur Weisheit des allergeringsten Kindleins Meiner Liebe! – Wo ist dann erst die Weisheit der schon vollendeten Einwohner der Himmel, und wo endlich erst die Meinige?!

[NS.01_027,40] Kurz, lassen wir die Weisheit ruhen in diesen Archiven und beschauen noch ein wenig die übrige Einrichtung dieses Hauptgebäudes.

[NS.01_027,41] Die Decke dieses Gebäudes ist ein dreifaches Gewölbe von großer Festigkeit und hat ebenfalls die glänzende Farbe von lichtrotem Gold. Die Wände selbst sind blau und überaus fein poliert. Von der Decke herab bis zur Hälfte der Höhe des Gebäudes hängen an dicken, weißen Stricken weiße Leuchtkugeln, welche zwar kein eigenes Licht haben, aber durch ihren vielkantigen Schliff und ihre überaus feine Politur brechen sie das von den Fenstern aufgefangene Licht in den mannigfaltigsten Farben und gewähren dadurch dem Innern des Gebäudes einen überaus prachtvollen Anblick.

[NS.01_027,42] Die Gänge sind an den Wänden ebenfalls ununterbrochen fort mit wohlgepolsterten Bänken versehen, damit sich auf denselben die Lustwandelnden wieder erquicken können, wenn sie vom Herumgehen etwas müde geworden sind.

[NS.01_027,43] Das ist sonach die ganze Einrichtung eines solchen Hauptkollegialgebäudes. Nur an der Ecke eines solchen Gebäudes ist noch allenthalben eine kleine Tür angebracht, durch welche man in die Türme gelangen kann.

[NS.01_027,44] Die Türme selbst haben in ihrem Inwendigen gar nichts aufzuweisen als eine bequeme Treppe von einem Turmboden auf den andern. Diese Böden sind darum angebracht, damit bei der Besteigung eines Turmes niemand höhescheu wird. Damit ihr euch aber solches desto leichter versinnlichen könnt, so denkt euch einen nahe bei tausend Klafter hohen Turm, welcher inwendig je von zehn bis zu zehn Klaftern durch einen Querboden etagenförmig abgeteilt ist, wo dann jeder Stock mit dem andern durch eine mit einem Geländer versehene Treppe verbunden ist.

[NS.01_027,45] Denkt euch noch dazu, daß ein solcher viereckiger Turm einen Umfang von vierhundert Klaftern hat, so könnt ihr euch schon von einem solchen Gebäude einen kleinen Begriff machen. – Daß auch jeder Turm für jeden Stock mit wenigstens drei Fenstern versehen ist, versteht sich schon von selbst, indem auch die Wände des Turmes undurchsichtig sind.

[NS.01_027,46] Das ist alles. Nächstens wollen wir noch die übrigen Gebäude ein wenig durchblicken und zugleich auch einen Blick auf den südlichen Gürtel werfen. Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

28. Kapitel – Kunst- und wissenschaftliche Gebäude in den Gemeinschaftssiedlungen.

[NS.01_028,01] Was da die anderen Gebäude eines Kollegiums betrifft, so sind sie von den anderen (Einzel-)Wohnhäusern nur dadurch unterschieden, daß ihre Wände mit Fenstern durchbrochen sind; die Wände aber sind darum, wie bei dem Hauptgebäude, undurchsichtig. Die Gestalt der Fenster an den anderen Kollegialgebäuden ist gewöhnlich die eines Halbkreises; nur an sehr wenigen Gebäuden sind auch wohl entweder ganz runde oder sechseckige Fenster angebracht.

[NS.01_028,02] Die Dächer der Nebengebäude sind auch nicht so hoch wie die Dächer der gewöhnlichen Wohnhäuser, sondern mehr stumpf und nieder. Auf einigen Kollegialgebäuden haben die Dächer eine Kuppelform, – und so gibt ein solches Kollegium dann so ziemlich den Anblick einer ziemlich bedeutenden Stadt.

[NS.01_028,03] Das Äußere eines solchen Kollegiums ist gewöhnlich mit einem ziemlich hohen Ringwall umfangen, auf welchem mehrere Türme angebracht sind, welche zu allerlei Beobachtungen dienen. In einem solchen Kollegium befindet sich gewöhnlich auch ein Theater; aber nicht etwa in der Art, wie bei euch, sondern dieses Theater ist vielmehr ein bildliches Darstellungshaus von den verschiedensten Erfahrungen, welche ein oder der andere Mensch gemacht hat. Die Darstellung geschieht auf eine bildliche Weise, und es wird dann eine Gegend, in welcher der Darsteller die Erfahrung gemacht hat, treulich dargestellt. Denn solches muß hier noch hinzu erwähnt werden, daß die Bewohner dieses Gürtels vorzugsweise große Freunde der bildenden Kunst sind. Daher ist auch, mit höchst seltenen Ausnahmen, fast ein jeder Bewohner dieses Gürtels ein recht tüchtiger Maler. Denn die Malerei ist daselbst auch die einzige Art zu schreiben; nur ist es jedem zur Pflicht gemacht, daß er die Natur treulich nachzuahmen versteht.

[NS.01_028,04] Wenn ihr nun dieses wisset, so wird euch um so leichter begreiflich sein, auf welche Weise allda das Theater gehandhabt wird; denn es besteht in nichts anderem als in lauter wohlgelungenen, bildlichen Darstellungen, welche gewöhnlich um die ganze Rundung angebracht werden, wonach dann das ganze Theater so aussieht, wie bei euch ein großes Rundgemälde, durch welches eine ganze Stadt oder eine andere merkwürdige Gegend zur Beschauung dargestellt wird. Nur müßt ihr euch natürlicherweise ein solches Rundgemälde auf unserem Gürtel um ein sehr bedeutendes größer vorstellen als ein ähnliches Rundgemälde bei euch auf der Erde. Denn ein solches Theater in einem solchen Kollegium hat wenigstens einen Umfang von drei- bis vierhundert Klaftern und ist nicht selten bei fünfzig Klafter hoch.

[NS.01_028,05] Ihr möchtet aber dieses Gebäude vielleicht ein wenig näher kennenlernen. Solches soll denn auch geschehen. – In dieses Theatergebäude kann man nicht also wie in die anderen Wohnhäuser gelangen, sondern der Eingang ist ein unterirdischer. Daher ist auf einer Seite dieses Theatergebäudes eine Art Vorsprung angebracht, ungefähr so, wie eine sogenannte Seitenkapelle bei einem eurer Bethäuser. In dieser Kapelle ist eine Nische von bedeutender Vertiefung von etwa drei Klaftern eingehöhlt. Am Ende der Nische ist dann erst das Tor angebracht, dessen Flügel nach auswärts zu öffnen sind. Von diesem Tor führt dann eine ziemlich breite Treppe abwärts, wie in einen Keller bei euch, und das ungefähr in eine Vertiefung von sieben Klaftern. Wenn die Treppe dann die meiste Vertiefung erreicht hat, erhebt sich bald eine andere Treppe, auf welcher man gerade in der Mitte des Theatergebäudes wieder emporkommt.

[NS.01_028,06] Das Theatergebäude ist aber inwendig, ungefähr drei Klafter von der Wand abstehend, mit einer Säulenreihe versehen, welche fürs erste die Decke des Theaters, wie die Dachung desselben, tragen hilft; sodann aber trägt diese Säulenreihe etwa drei Klafter hoch über dem Boden auch einen geräumigen und zierlichen mit Geländern wohlversehenen Gang, von welchem aus man eigentlich am allerbesten die Darstellung übersehen kann.

[NS.01_028,07] In der Mitte des Theatergebäudes, ungefähr eine gute Klafter von der Aufgangspforte entfernt, ist noch eine überaus starke Säule angebracht, welche ebenfalls die Decke und die Dachung tragen hilft, aber sonst vom Boden angefangen bis zur Decke hinauf mit einer Wendeltreppe versehen ist.

[NS.01_028,08] Hinter dieser Säule ist noch eine kleinere Säule gestellt, welche ebenfalls bis an die Decke reicht. Von der Hauptmittelsäule, etwa fünf Klafter von der Decke entfernt, ist dann wieder ein Gang über die zweite Säule, von dieser zu einer Reihensäule und von der Reihensäule bis an die Wand des Theatergebäudes errichtet, – auf welchen Gang man eben über die schon erwähnte Wendeltreppe der mittleren Hauptsäule gelangen kann.

[NS.01_028,09] In der gleichen Höhe dieses Ganges ist dann um die ganze Wand des Theatergebäudes ein etwa anderthalb Klafter breiter Gang gezogen, welcher natürlicherweise ebenfalls wieder mit einem Geländer versehen ist. Dieser Gang wird nicht durch Säulen unterstützt, sondern statt der Säulen sind schräge Wandstützen wie eine Art Büge angebracht, welche diesen Gang tragen.

[NS.01_028,10] Ihr fraget: Wozu dient denn dieser Gang? – Er dient zu nichts anderem, als daß auf seinem Geländer, welches nach außen mit zweckmäßigen Haken versehen ist, das Rundgemälde aufgehängt wird, welches dann von diesem Geländer gewöhnlich bis zum Boden hinabreicht und somit nicht selten eine Höhe von achtzig bis über hundert Klafter hat.

[NS.01_028,11] Ihr werdet wieder fragen: Wie bringt man denn ein solch großes Gemälde durch die eben nicht zu große Eingangspforte dahin? – Solches geschieht partien- oder streifweise, wobei ein jeder Streifen etwa eine Breite von drei Klaftern hat. Diese Streifen werden ordnungsmäßig nebeneinander auf dem Geländer jenes Wandganges aufgehängt und bieten dann ein vollkommenes Ganzes.

[NS.01_028,12] Werden sie wieder abgenommen, so werden sie wieder zusammengerollt und aus dem Theatergebäude in das sogenannte Theaterbibliothekgebäude gebracht; oder dem Darsteller steht es auch frei, ein solches Theaterstück mitzunehmen, besonders dann, wenn seine dargestellte Erfahrung keinen großen Beifall hatte.

[NS.01_028,13] Poetische Werke haben bei ihnen auch einen größeren Wert als gewisserart prosaische. – Was verstehen aber diese Menschen unter prosaischen und poetischen Stücken? – Ein prosaisches Stück ist ein solches, durch welches ein Darsteller seine eigenen Erfahrungen aus dem gewöhnlichen Leben darstellt. Haben diese Erfahrungen durchaus nichts Ausgezeichnetes und besonders Belehrendes in sich, so werden sie dem Darsteller ohne weiteres wieder zurückgegeben, und es wird ihm dabei bemerkt, daß dergleichen Vorstellungen nicht in dieses Haus gehören, in welchem nur solche Dinge vorkommen sollen, durch welche die Weisheit des menschlichen Geistes bereichert werden solle. Haben aber solche prosaische Werke außergewöhnliche Szenen aufzuweisen, so werden dann diese Szenen aufgenommen; aber das Gewöhnliche wird dem Darsteller wieder zurückgegeben. – Poetische Werke aber sind diejenigen, welche nicht aus dem Bereich der Erfahrungen gemacht werden, sondern nur Erzeugnisse geistiger Phantasie sind. Ein solches Stück bleibt dann auch gewöhnlich eine bedeutend lange Zeit zur Anschauung ausgestellt.

[NS.01_028,14] Warum aber werden solche poetischen Werke also geliebt? – Weil sie seltener sind, besonders bei den Bewohnern dieses Gürtels; denn die Weisheit ist an und für sich durchaus arm an freier Phantasie, indem das Reich der Phantasie nur ein Eigentum der schöpferischen Liebe ist. Daher trifft hier bei der Darstellung eines solchen poetischen Werkes allzeit der euch bekannte Wahlspruch ein: „Wann die Großen bauen, so haben die Kleinen vollauf zu tun!“ – So wird auch hier bei einem solchen poetischen Werk über alle Maßen geweissagt, – und ein jeder findet etwas anderes darinnen, welches dann allezeit eine gute Konversation absetzt, welche dann eine Lieblingsunterhaltung der Menschen dieses Gürtels ist.

[NS.01_028,15] Das ist also das Wesentliche eines solchen Theatergebäudes; nur würde hier vielleicht irgendein feiner Kritiker fragen und sagen: „Zuoberst an den Wänden ist ein Gang, von dem Gange herab hängt bis auf den Boden das Rundgemälde, die Wände sind undurchsichtig, und an der Decke ist auch nirgends eine Öffnung angebracht. Da somit allfällige Fenster offenbar durch das Gemälde allenthalben verdeckt sein müssen, so bitten wir den Verfasser, daß er uns in dieses Theatergebäude auch ein Licht bringe; sonst werden wir von den Gemälden eben nicht gar viel zu sehen bekommen.“

[NS.01_028,16] Nur eine kleine Geduld, es wird gleich des Lichtes genug kommen. – Es ist schon bei euch auf der Erde eine eigene Art, gewisse theatralische Dekorationen zu malen. Sehet, etwas Ähnliches ist auch hier der Fall; aber das Malen besteht darum nicht in einer Art theatralischer Patzerei; sondern diese theatralische Malerkunst besteht hier darin, daß das Gemälde mit einer Art selbstleuchtender Farben dargestellt wird. Diese Farben sind zugleich die lebhaftesten und dauerhaftesten; denn jede Farbe in der Sonne, wenn sie nicht ein eigenes Licht hat, stirbt bald ab; wenn sie aber ein eigenes Licht hat, dann trägt sie gewisserart in sich selbst die Waffe, um mit derselben gegen das zerstörende Einfallen des äußeren Lichtes zu kämpfen.

[NS.01_028,17] Sehet, das ist die Beleuchtung eines solchen Theaterstückes. Und so hat das Theater zwar wohl Fenster, diese dienen aber nur dazu, um beim Aufrichten eines Stückes zu sehen. Wann aber das Stück aufgerichtet ist, werden sorgfältig alle Fenster verschlossen, damit der Reiz eines solchen Gemäldes ja durch keinen andern Lichtstrahl beeinträchtigt wird.

[NS.01_028,18] Obschon aber diese Farben in der Sonne eben nicht so schwer zu bearbeiten sind, so ist dennoch viel Übung erforderlich, um mit denselben so malen zu können, daß da überall, wie ihr zu sagen pflegt, Schatten und Licht gehörig verteilt werden. Mit nicht selbstleuchtenden Farben ist die Schattierung freilich wohl um vieles leichter zu bewirken; aber mit selbstleuchtenden Farben ist das Schattieren einer nicht unbedeutenden Schwierigkeit unterworfen. Doch solches haben besonders die Kollegialmaler unseres Gürtels so sehr in der Übung, daß es ihnen ein leichtes ist, ein ganzes solches Rundgemälde im Verlaufe von einem Jahre, nach eurer Zeitrechnung, auszufertigen.

[NS.01_028,19] Damit ihr euch aber auch einen kleinen Begriff machen könnt, wie ein solches Malen vor sich geht, so mache Ich euch auf eine Art Malerei auf eurer Erde aufmerksam, welche mit dieser Art Lichtmalerei auf unserem Sonnengürtel große Ähnlichkeit hat. Und diese Malerei auf eurer Erde ist die sogenannte Porzellanmalerei, wobei auch mit Farben gemalt wird, die in ihrem rohen Zustande äußerst dumpf und einförmig erscheinen. Wenn aber dann ein solch bemaltes Geschirr wieder in die Glühhitze kommt, so treten in derselben die schönen Farben erst hervor.

[NS.01_028,20] Sehet, also werden auch diese Theaterstücke gemalt. Sind die Streifen gemalt, so werden sie mit einer Art Lack überzogen. Ist solches geschehen, so fangen erst die Farben an wie lebendig hervorzutreten, und das durch die Nötigung des überall freien Sonnenlichtes, welches von diesen ursprünglich stummen Farben aufgesogen und dann für immer sehr lebhaft behalten wird.

[NS.01_028,21] Das ist somit alles, was von einem solchen Kollegialtheater besonders bemerkenswert ist.

[NS.01_028,22] Was die anderen Gebäude eines solchen Kollegiums betrifft, so dienen sie einesteils zu Wohnungen für die Weisheitslehrer, teils aber auch für Sammlungen von allerlei Denkwürdigkeiten und kleineren Gemälden.

[NS.01_028,23] Daß diese Kollegialgebäude gewöhnlich allezeit in einem länglichen Kreise um das Hauptgebäude herumgestellt sind, ist noch das einzige, was uns darüber zu bemerken übrigbleibt. Und daß solche Kollegien gewöhnlich an den Ufern kleiner Seen und auf dem Hochflachlande auch an den Ufern bedeutender Flüsse angebaut werden, kann auch noch hinzubemerkt werden.

[NS.01_028,24] Für den südlichen Gürtel braucht ihr nichts anderes, als euch alles das mehr gerundet und auch etwas mehr vergrößert vorzustellen, so habt ihr alles, was in dieser Hinsicht auch der südliche Gürtel faßt.

[NS.01_028,25] Nächstens wollen wir zu der Landeskultur dieser beiden Gürtel übergehen; und so können wir es für heute wieder gut sein lassen!

 

29. Kapitel – Bodenkultur und Tierwelt im ersten Nebengürtelpaar.

[NS.01_029,01] Was die Landeskultur betrifft, so wird diese allda in drei verschiedene Klassen eingeteilt, nämlich in die Kultur der Uferländer, in die Kultur der Hügel und in die Kultur des Hochflachlandes.

[NS.01_029,02] Worin besteht denn die Kultur der Uferländer? – Die Kultur der Uferländer besteht in dem, daß allda vorzugsweise die Kollegialbewohner diejenigen Anpflanzungen von allerlei wohlgenießbaren Früchten zu bewerkstelligen suchen, die in entsprechender Hinsicht in diesem mehr Feuchtigkeit haltenden Boden am besten gedeihen.

[NS.01_029,03] Zu derartigen Pflanzungen gehört vorzugsweise die Baumzucht. – Wie wird aber ein oder der andere Baum hier gepflanzt und gezogen? – In dem Hauptgürtel haben wir in dem lediglichen Willen des Menschen das Samenkorn für zahllos verschiedenartige Gewächse gesehen. Ist dieses auch in diesem Nebengürtel der Fall? – Ich sage hier nicht ganz ja und nicht ganz nein. Die Folge aber wird zeigen, wie solches vor sich geht.

[NS.01_029,04] Auch in diesem Gürtel hat die ganze Pflanzenwelt zwar keinen Samen; aber auch die Bewohner haben in ihrem schwächeren Willen den Samen nicht. Dessenungeachtet aber hängt es doch sehr vom Willen der Menschen ab, wo sie irgendeine Pflanze oder einen Baum haben wollen. – In diesem Gürtel ist zwar schon von Mir aus für das Wachstum der Pflanzen gesorgt, und es kann niemand eine andere Pflanze zum Vorschein bringen als diejenigen nur, welche für diesen Gürtel bestimmt sind. Aber die für diesen Gürtel bestimmten Pflanzen können die Menschen dann wohl durch einen gewissen Grad von Handtätigkeit und vorzugsweise aber durch ihren Willen dem Boden entlocken.

[NS.01_029,05] Solche Art der Pflanzenhervorbringung wird dort die Primitivkultur genannt, welche aber gewöhnlich nicht jedermann zu bewirken vermag; sondern solches vermögen nur einige, sich eigens diesem Zweige widmende, willensstarke Weise.

[NS.01_029,06] Die andern Einwohner dieser Gürtel aber betreiben gewöhnlich die Zweit- oder Sekundärkultur, welche darin besteht, daß sie Reiser und Zweige von den vorhandenen Bäumen nehmen und sie in das Erdreich stecken, ungefähr so, wie bei euch die Weidenbäume und die Reben angepflanzt werden.

[NS.01_029,07] Wie wird aber bei der Primitivkultur verfahren? – Der Anpflanzer hat einen spitzigen Stab. Diesen Stab stößt er ungefähr eine halbe Klafter tief in den Boden, nimmt dann ein Gefäß mit Wasser, welches er zuvor einige Male anhaucht, schüttet dann das Wasser tropfenweise in das gemachte Loch, und wenn er das Wasser verbraucht hat, betet er zu Gott, dem Allerhöchstweisen, daß Er an dieser Stelle eine oder die andere Pflanze möchte wohl fruchtbringend dem Boden entkeimen lassen. Sodann stellt er sich eine Zeitlang über die Öffnung also, daß dieselbe gerade unter seinem etwas vorgeneigten Haupt zu stehen kommt; fixiert dieselbe, nach eurer Rechnung bei einer Stunde lang. Darauf entfernt er sich und macht wieder mit seinem Stabe in guter Ordnung ein zweites solches Loch in das Erdreich und tut dasselbe wie beim ersten, – und fährt dann so fort, bis er die ihm vorbestimmte Zahl von einer und derselben Baumgattung angepflanzt hat.

[NS.01_029,08] Ist er mit der ganzen Arbeit fertig, so dankt er Gott, dem Allerhöchstweisesten, für die ihm verliehene Kraft, Geduld und Ausharrung, segnet dann die Anpflanzung und überläßt dann alles dem Willen Gottes und begibt sich nach Hause.

[NS.01_029,09] Im Verlaufe eines Jahres, nach eurer Rechnung, stehen da auch schon mit Früchten beladene Bäume, wo er sie angepflanzt und welche Art er bei der Anpflanzung in seinem Willen hatte. Solche durch die primitive Pflanzungsart hervorgebrachten Bäume sind die allerdauerhaftesten, so daß mancher nicht selten ein Alter von mehr als tausend Jahren, nach eurer Rechnung, erreicht.

[NS.01_029,10] Auf dieselbe Weise aber, wie da die Bäume angepflanzt werden, so werden auch andere kleinere Pflanzen, wie auch das Kleingras, angepflanzt. Nur hat man da zur Belöchelung des Erdreiches dann ein anderes Werkzeug. Dieses besteht in einer Art Walze, welche mit vielen Spitzen versehen ist. Diese Walze wird nun über den Boden dahingerollt. Hinter der Walze aber geht dann ein gewöhnlicher Primitivpflanzer mit einem tüchtigen Gefäß voll angehauchten Wassers einher, welches Gefäß ungefähr also gestaltet ist, wie eure Spritz- oder Gießkannen. Mit diesem Gefäß begießt er sorgfältig das belöcherte Erdreich. Und ist dann eine vorbestimmte Strecke also bebaut worden, so betet er dann über die ganze Strecke und tut gewisserart im allgemeinen dasjenige, was er bei der Anpflanzung eines jeden Baumes besonders tut. Und nach drei Tagen eurer Rechnung ist die ganze also bebaute Strecke voll bewachsen mit derjenigen Art von Pflanzen, welche der Anpflanzer hier haben wollte.

[NS.01_029,11] Auf dieselbe Weise werden auch weitgedehnte Strecken mit edlem Grase angepflanzt. – Eine Art Gras aber, welches dort das wilde oder unedle genannt wird, sowie auch einige Arten unedler Kleinpflanzen entwachsen hier und da gewisserart von selbst dem Boden und dienen dem hier sparsamen Tierreich zur Nahrung.

[NS.01_029,12] Also ist die Primitivanpflanzung beschaffen und ist vorzugsweise eine Eigenart der Ufergegenden, welche zumeist ein Eigentum der Kollegialbewohner sind.

[NS.01_029,13] Worin besteht hernach die Hügelkultur? – Die Hügelkultur besteht lediglich in der Baumkultur – und zwar im Wege der sekundären Anpflanzung; Kleinpflanzen aber kommen da gewöhnlich nicht vor.

[NS.01_029,14] Was aber die Baumfrüchte betrifft, so werden diese durch die sekundäre Anpflanzung gewisserart veredelt und werden dann auch viel größer und wohlschmeckender als die der Primitivanpflanzung.

[NS.01_029,15] Unter den verschiedenen Bäumen will Ich euch bloß einen als den beachtenswertesten etwas näher bezeichnen. Dieser Baum wächst nicht so sehr hoch; aber desto mehr breitet er sich am Boden aus. Sein Hauptmittelstamm erreicht nicht selten eine Höhe von höchstens vier Klaftern eures Maßes, treibt aber von diesem seinem massiven Stamme nach allen Seiten strahlenförmig hundert bis zweihundert Klafter lange Äste von sich, welche immerwährend strotzen von überaus wohlschmeckenden, reifen Früchten, welche ungefähr so aussehen, wie bei euch die größte Gattung der Trauben. Diese Frucht ist überaus wohlschmeckend süß, aber nicht also saftig wie eure Trauben; sondern ungefähr so wie die Melonen bei euch. Die Frucht ist zugleich die Hauptnahrung der Bewohner dieses Gürtels und ist darum auch die allgemeinste, weil der Baum allenthalben überaus gut fortkommt.

[NS.01_029,16] Was die anderen Bäume betrifft, so sind ihre Früchte mehr üppige Leckereien, denn eigentliche Nahrung. – Ihr werdet wohl fragen: Haben denn diese Menschen kein Brot, wie es bei euch auf der Erde vorkommt? – Nein, dergleichen Brot ist daselbst nirgends anzutreffen; aber an dessen Stelle trocknen sie den Überfluß der vorbeschriebenen Baumfrucht, und diese trockene Frucht vertritt dann die Stelle des Brotes.

[NS.01_029,17] Also ist die Landeskultur der Hügel beschaffen, wozu höchstens noch erwähnt werden kann, daß solche Hügelbewohner, um ihre Gründe zierlicher zu machen, das frei wachsende Gras gewisserart kultivieren, welches sie durch dessen fleißiges Abschneiden bewirken. Dadurch sehen oft solche Hügel dann gerade also aus, als wenn sie mit grünem Seidensamt überzogen wären.

[NS.01_029,18] Das ist demnach aber auch gänzlich alles, was da betrifft die Kultur der Hügel. Und so hätten wir nur noch die Kultur des Hochflachlandes vor uns. Mit dieser werden wir jedoch gar bald fertig werden; denn die ganze Kultur der Hochflachländer unterscheidet sich von den zwei bisher bekannten in gar nichts anderem, als daß auf diesen Hochflachländern die Früchte der Primitivkultur nicht genossen werden, sondern nur allein die von der Sekundärkultur.

[NS.01_029,19] Aus dem Grunde werden allda zum Zwecke der Primitivkultur gewisserart nur Baum- und Pflanzschulen angelegt, von denen dann die Reiser auf die schon bekannte Art weiterverpflanzt werden. Nur das Gras wird auf den Hochflachländern allenthalben durch die Primitivkultur gezogen.

[NS.01_029,20] Und somit hätten wir auch schon die Kultur des Hochflachlandes dargetan, wozu noch höchstens das bemerkt werden kann, daß die Früchte auf dem Hochflachland bei weitem die edelsten, wie auch die Bewohner dieses größten Landes dieser beiden Gürtel die weisesten und edelsten sind.

[NS.01_029,21] Ihr werdet hier wohl fragen: Auf die Art, wie das Hochflachland bebaut und bewohnt ist, werden sich allda wohl wenig Tiere vorfinden? – Ja, ihr habt auch recht; denn außer einigen wenigen kleinen Singvögeln gibt es durchaus keine Tiere. Aber auf den unteren Ländern gibt es wohl auch eine Art roter Ziegen und weißer Schafe. Die Schafe werden von den Einwohnern gezogen, hier und da wohl auch die Ziegen; aber im allgemeinen nicht.

[NS.01_029,22] Ganz zuunterst an den Ufern des großen Ringmeeres gibt es auch eine Art Kühe, welche aber vielmehr aussehen wie etwa ein Riesenschaf. Die Kollegialbewohner machen auch öfter Jagd auf sie und suchen sich derselben lebendig zu bemächtigen, welche Jagd sie aber allezeit ein tüchtiges Stück Arbeit kostet. Denn diese Kühe, wenn sie auch nicht bösartig sind, sind dennoch außerordentlich schnell zu Fuße, und es braucht viel Klugheit, um ein solches Tier ins Garn zu bekommen.

[NS.01_029,23] So mager aber das Land an Tieren ist, so wimmelt es doch in dem großen Ringmeer von allerlei Wassertieren. Und die hier und da in diesem Meer vorkommenden bedeutenden Inseln sind von ganzen Heeren der mannigfaltigsten Vögelgattungen bewohnt. Aus dem Grunde verfügen sich auch bei ruhigen Zeiten besonders die Kollegialeinwohner gern hinab zu den Ufern des großen Ringmeeres und beobachten da, soweit sie nur mit ihren Augen reichen können, die mannigfaltigen Lebewesen der großen Gewässer.

[NS.01_029,24] Das ist sonach alles, was zur Kultur dieser beiden Gürtel gehört, welche in beiden Gürteln ganz eine und dieselbe ist; nur ist der südliche Gürtel in allem an Größe etwas ausgezeichneter als der nördliche.

[NS.01_029,25] Und somit wären wir mit diesem Artikel auch wieder zu Ende. – Nächstens wollen wir zur häuslichen und sodann auch zur geistigen und religiösen Verfassung übergehen. – Und damit gut für heute!

 

30. Kapitel – Häusliche Verfassung auf dem ersten Nebengürtelpaar. – Peinliche Ordnung und Weisheitskrämerei der Bewohner.

[NS.01_030,01] Was die häusliche Verfassung betrifft, so ist diese einerseits sehr einfach, anderseits aber dennoch wieder sehr kompliziert. – Wie ist solches wohl möglich, daß ein und derselbe Zweig auf der einen Seite einfach, auf der andern Seite aber kompliziert erscheinen kann? Es ist nichts leichter als das; denn es gehört dazu nur die rechte Erkenntnis, und dieser zufolge kann kein Ding anders betrachtet und erkannt werden, als so, daß es einerseits ganz einfach, anderseits aber dennoch wieder überaus kompliziert erscheinen muß.

[NS.01_030,02] Nehmet zum Beispiel nur einen Apfel, besehet ihn von außen, – und er wird euch unmöglich anders als höchst einfach und monoton vorkommen. Öffnet ihn aber und untersucht alle seine Teile mikroskopisch, so werdet ihr diesen ganz einfachen Apfel so vielfach kompliziert erblicken, daß euch von der Fülle seiner Teile zu grauen und zu schwindeln anfangen wird.

[NS.01_030,03] Sehet, ebenso verhält es sich mit der häuslichen Verfassung unserer Gürtelbewohner. Wenn ihr zu einem Hause kommen und dasselbe samt seinen Bewohnern einen Zeitraum von zehn Jahren beobachten möchtet, so würdet ihr fast nichts anderes als ein sich immer wiederholendes Einerlei erblicken und dieses noch dazu so einfach und einfältig, wie nur immer möglich, – so zwar, daß euch ein Taubenschlag auf der Erde mehr Abwechslung bieten dürfte als ein solches Wohnhaus mit seinen Bewohnern.

[NS.01_030,04] Aber nicht also sieht es im Innern aus; denn dort ist wieder alles so kompliziert und bedeutungsvoll, daß es euch schon bei der kleinsten Sache zu schwindeln anfangen würde, wenn euch ein solcher Hausvater dieselbe auseinandersetzen und euch alle die geheimen und wichtigen Bedingungen erschließen möchte, welche alle allerpünktlichst von dieser Kleinigkeit abhängen.

[NS.01_030,05] Damit ihr euch davon einen genügenden Begriff machen könnt, wie eine solche Haushaltung auf ihrer komplizierten Seite eingerichtet ist, will Ich euch zum hinreichenden Überfluß nur ein paar recht augenscheinliche Beispiele kundgeben.

[NS.01_030,06] Ihr wißt auch etwas von der Symmetrie und vom Gleichgewicht. Allein was ist da eure Symmetrie und euer Gleichgewicht gegenüber dem, was ein solcher Gürtelbewohner Symmetrie und Gleichgewicht nennt!

[NS.01_030,07] Nehmen wir zuerst ein Beispiel von der Symmetrie. – Wenn ein Sonnenbewohner zu euch in eure Zimmer käme und würde da die Gegenstände, zum Beispiel Kästen, Tische, Bänke, Wandverzierungen und dergleichen mehr noch ziemlich wohlgeordnet erblicken, so würde er augenblicklich die Hände über dem Kopfe zusammenschlagen und euch, wenn er sich von seinem ersten Entsetzen ein wenig erholt hätte, auf ein Haar beweisen, daß von solcher Unordnung das Gleichgewicht eines ganzen Weltkörpers abhängt, und ist dieser aus seinem Gleichgewicht, so muß alles mit der Zeit aus dem Gleichgewicht kommen. Er würde euch beweisen, daß wenn dieser oder jener Kasten, oder ein sonstiges Einrichtungsstück, nicht mit der größten Ruhe und Behutsamkeit um ein Haar weitergerückt wird, in tausend Millionen Jahren die ganze sichtbare Schöpfung in die größte Unordnung geraten muß. Und solches würde er euch nicht nur naturmäßig, sondern auch mit außerordentlicher philosophischer Gediegenheit metaphysisch dartun, und würde zum Beispiel sagen: „Aber merket ihr unsinnigen Menschen denn nicht, daß sich ja notwendig eure Gedanken vorerst also ordnen und binden müssen, wie da geordnet ist das Hausgerät in eurer Wohnung. In welcher Ordnung aber werden sich diese wohl binden, wenn sie neben einem Kasten einen Stuhl, auf dem Kasten irgendein mit dem Kasten in gar keiner Beziehung stehendes Gefäß, in einem andern Winkel des Zimmers ein Ruhebett und neben demselben wieder einen Tisch und neben dem Tische wieder etwas mit demselben in gar keiner Beziehung Stehendes, entweder für beständig oder, was noch schlechter ist, veränderlich erschauen?“

[NS.01_030,08] Er würde euch weiter fragen: „Wisset ihr, was die Weisheit ist? Die Weisheit ist das unendlich vollkommenste Ebenmaß in allen Dingen; sie ist die allerscharfsinnigst berechnete Ordnung, durch welche und in welcher die allerhöchste Weisheit Gottes alle Dinge erschaffen hat und erhält. Wie wollt ihr aber je zur Weisheit gelangen, wenn ihr nicht einmal in diesen kleinen Dingen Sorge tragt, daß sie so geordnet und gestaltet würden, daß sich euer Auge an solche Ordnung gewöhne, und durch solche oft wiederholte Beschauung auch eure Gedanken einen Anfang machen möchten, wenigstens in diesen kleinen Dingen sich an eine Ordnung zu gewöhnen und von dieser Ordnung dann auch zu einer andern überzugehen? – Denn wenn ihr nicht da, wo ihr es könnt, die Ordnung beachtet und euch an dieselbe gewöhnt, wie wollt ihr dann mit eurem solche Unordnung gewohnten Geiste eine höhere Ordnung entdecken und beschauen? – Ist dieses nicht ebenso unmöglich, als wenn ihr mit einer allerungeschicktesten Bruchzahl wolltet die Wurzel einer Größe finden, welche aus lauter geraden Zahlen besteht? – Ihr müsset daher eure kleinsten Gedanken zu einer geraden Zahl erheben; sodann erst könnt ihr euch an andere Größen wagen, um in ihnen die wohlgeordnete Wurzelzahl zu entdecken, welche die Bedingung der ganzen Größe enthält.“

[NS.01_030,09] Und weiter würde ein solch weiser Bewohner solch eines Gürtels zu euch sprechen: „Kennt ihr das Gewicht eures Weltkörpers? Wisset ihr, was denselben um seine Achse dreht? Wißt ihr, was ihn im freien Raum erhält? – Es ist das Gleichgewicht. – Sind fürs erste eure Häuser vollkommen symmetrisch gebaut, keines größer und keines kleiner, und so auch alle Zimmer in den Häusern vollkommen gleich eingeteilt, die Einrichtung überall dieselbe und gleich geordnet, so übt solches keine Störung auf die Bewegung eines Weltkörpers. Im Gegenteil aber muß es euch ja doch einleuchtend sein, daß solche unsymmetrische und unverhältnismäßig bald mehr massive, bald wieder weniger massenreiche Aufhäufung von Materialien auf einem und demselben Punkte dem Gleichgewicht eines ganz freischwebenden Weltkörpers ja notwendigerweise einen mathematischen Unterschied beibringen muß. Ist aber das Gleichgewicht nur im geringsten gestört, so geht solche Störung ja auch auf die Bewegung über und bewirkt mit der Zeit immer mehr sich häufende Unordnungen; – fürs erste in der Temperatur und fürs zweite in dem Umschwunge selbst, der entweder beschleunigt oder verzögert wird. Wenn aber solche Unordnungen um euch her durch eure eigene Ungeschicklichkeit entstehen müssen, wann wollt ihr dann eurem Geiste den Aufschwung zu einer höheren Ordnung geben, – und durch diese erst in die Weisheit übergehen?“

[NS.01_030,10] Sehet, das wäre ein Beispiel über die Symmetrie. Bevor wir aber solches näher beleuchten wollen, wollen wir noch ein kleines vom eigentlichen Gleichgewicht hinzufügen. – Ihr werdet hier zwar sagen und fragen: Was soll denn dieser Weise noch für ein anderes Gleichgewicht haben, als dasjenige, demzufolge er ja ohnehin schon hinreichend die mangelnde Symmetrie unserer Zimmereinrichtung getadelt hat?

[NS.01_030,11] Ich sage euch aber: Das war nur eine allerleiseste Anspielung von dem, was ein so recht erzweiser Gürtelbewohner unter dem Gleichgewicht versteht. Das Gleichgewicht geht dort so weit, daß ihr euch davon auf der Erde im eigentlichsten Sinne gar keinen Begriff machen könnt.

[NS.01_030,12] So wird zufolge des Gleichgewichts das Kleidungsstück, das sie tragen, auf einer allergenauesten Haarwaage gewogen und muß demzufolge, wenn zum Beispiel in einem Hause auch bei hundert Menschen leben, jedermann ein ganz vollkommen haargleich schweres Kleid tragen, und muß sich demzufolge auch jeder gefallen lassen, daß die Kleidungsstücke von Zeit zu Zeit wieder gewogen werden; und wenn es sich da zeigt, daß eines um ein oder zwei Sonnenstäubchen geringer ist als das andere, so muß solches außerordentliche Untergewicht sogleich waagerecht ersetzt werden.

[NS.01_030,13] Hernach wird auch jedermann abgewogen, und der natürlich Schwerste dient da zum Maßstab. Der Leichtere muß sich dann gefallen lassen, stets so viel Gewicht mit sich zu tragen, damit er mit dem Schwersten gleichgewichtig ist. – Also ist es auch mit den Weibern der Fall; auch da wird die Schwerste abgewogen, und die Leichteren müssen ebenfalls sich zur Tragung eines Gewichts bequemen, um vollgewichtig zu werden. – Die Kinder werden nach gewissen Altersklassen eingeteilt und müssen von einer Altersklasse zur andern immer ein bestimmtes Kindergewicht haben, welches aber dadurch erhalten wird, daß den Kindern gleich anfangs ein kleines Bleigewicht gegeben wird, von welchem von Zeit zu Zeit stets nach der Waage etwas genommen wird, damit das erste angenommene Kindergewicht bis zur nächsten Altersklasse stetig bleibe.

[NS.01_030,14] Also werden auch die Nahrungsmittel allzeit auf das genaueste abgewogen und müssen vom Baume überaus behutsam abgenommen und dann allzeit von zwei Menschen genau in ihrer Mitte ins Haus geschafft werden, wo sie dann auf die genaue Mitte eines dazu bestimmten Speisetisches gelegt werden.

[NS.01_030,15] Sind die Früchte einmal in hinreichender Menge auf dem Tisch in der höchst möglich symmetrischen Ordnung aufgehäuft, sodann kommen zwei Auswäger, welche nach Linien, mit welchen der Speisetisch überzogen ist, sich ganz gleichen Schrittes mathematisch genau gegenüberstellen, und ein jeder nimmt dann ganz gleichzeitig ein Fruchtstück von möglichst gleicher Größe und wägt es genau ab. Sind die ersten zwei Stücke gewogen, so werden sie wieder ganz gleichzeitig aus der Waage genommen und in eine schon zu dem Behufe auf einer Linie befestigte Speiseschale gelegt. Ist die erste Abwägung geschehen, so bewegen sich die Auswäger ganz gleichen Schrittes zu einer andern Linie und wägen allda wieder eine zweite Portion ab und tun solches so lange, bis alle Speiseschalen gefüllt sind. Sodann bewegen sich die zwei Auswäger wieder geradlinig links und rechts vom Tische weg und heben ihre Waagen auf dem bestimmten Orte auf.

[NS.01_030,16] Sodann wird ein Zeichen gegeben, und alles bewegt sich nach den vorgeschriebenen Linien und Kreisen, mit welchen der Fußboden mathematisch genau ausgezirkelt versehen ist, ganz gleichen Schrittes in der möglichsten Ruhe zum Speisetisch hin, allda muß dann wieder ein jedes ganz vollkommen gleichzeitig in die Schale greifen und also auch die Früchte ordnungsmäßig verzehren. – Und sind die Früchte verzehrt, so wird dem großen, weisen Geber gedankt, in derselben Ordnung vom Speisetische hinweggegangen und allda geruht.

[NS.01_030,17] Auf ein gegebenes Zeichen erhebt sich dann wieder alles von den Ruhebänken und bewegt sich gleichen Schrittes paar- und paarweise entweder auf die Galerie des Hauses im Inwendigen oder aber auch manchmal auf die Dachgalerie. Doch jede solche Bewegung muß sehr gleichmäßig geschehen, so daß niemand einen geschwinderen und weiteren Schritt machen darf, als wie solche Schritte schon mit Linien auf dem Boden bezeichnet sind.

[NS.01_030,18] Solche Ordnung in der Bewegung aber wird vorzugsweise nur im Hause beobachtet und außer dem Hause nur bis zu einem gewissen Kreise. Über diesen Kreis kann dann auch jeder Mensch sich freier und willkürlicher bewegen, – und zwar aus dem Grunde, weil dort der Boden ihrer Welt kein gleichgewichtstörendes, schweres Haus mehr zu tragen hat.

[NS.01_030,19] Ebenso pedantisch ist auch solche Symmetrie- und Gleichgewichtsbeobachtung in den Kollegien zu Hause.

[NS.01_030,20] Sehet, aus diesen zwei Beispielen könnt ihr euch nun schon leicht einen Begriff machen, von welcher Art die ganze Hausverfassung bei den Bewohnern dieser beiden Gürtel ist. Denn so hat auch jede andere Beschäftigung und Einrichtung den abgemessensten und abgewogensten Takt, – welche häusliche Verfassung dann, wie gesagt, einerseits betrachtet höchst monoton und einfach aussieht, anderseits aber wieder so kompliziert ist, daß darüber eure größten Weisheitspedanten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden.

[NS.01_030,21] Ihr wundert euch wohl darüber und sagt: „Welch ein bedeutender Grad von Narrheit gehört doch dazu, um solche Regeln sogar in das Fach der häuslichen Verfassung zu ziehen!“ – Aber Ich sage euch, daß ihr da einen ungerechten Tadel führt; denn solches ist die Natur aller Weisheit an und für sich, wenn sie nicht auf der Grundfeste der Liebe beruht.

[NS.01_030,22] Geht nur einmal in die Wohnung eines echten Erzgelehrten und beobachtet da sein Tun und Treiben; laßt euch auch die Ursache angeben, warum ein Stück da und das andere dort angebracht ist. Und wenn ihr es nur versteht, den gelehrten Mann bei seiner schwachen Seite zu packen, so werdet ihr Wunder erleben, wie euch dieser eine Ursache um die andere mit geschichtlicher und mathematischer Würde und Genauigkeit wird darzustellen wissen.

[NS.01_030,23] Wann ihr etwa irgendeinen alten, zerschlagenen Topf in einem Winkel seines Zimmers zufällig erblicken und den gelehrten Mann darüber fragen werdet, ob auch solches von irgendeiner Bedeutung sei, so wird er euch zuerst mit der Geschichte dieses Geschirrs bekannt machen, wie es allenfalls Alexander der Große gebraucht habe, als er den von seinem Leibarzt verordneten Heiltrank zu sich nahm, als er gegen Persien zog. Dann wird er euch die ganze Transzendenzenfolge dieses merkwürdigen Gefäßes kundgeben und endlich sagen, wie es in seine Hände gekommen ist.

[NS.01_030,24] Wenn ihr ihn aber dann fragen werdet und sagen: „Wie aber können Sie ein so überaus merkwürdiges und schätzbares Altertumsstück in einen so unansehnlichen freien Winkel des Zimmers hinstellen, während man es doch in goldenem Futteral in einem allergeheimsten Schatzkasten aufbewahren sollte?“, so wird euch der Gelehrte alsogleich mit der größten geschichtlichen und mathematischen Gewißheit darzutun wissen, daß Alexander der Große dieses Gefäß, nachdem er aus selbem den Trank geleert hatte, in eben den entsprechenden Winkel seines Gezeltzimmers hingestellt hat, wie es sich jetzt hier befindet, und daß der ausgebrochene Scherben noch daher rühre, daß Alexander der Große dieses Gefäß bei einer unvorsichtigen Wendung mit seinem Fuß lädiert habe.

[NS.01_030,25] Sehet, solche Sprache würde ein solcher Gelehrter schon bei einem zerbrochenen Topfe führen, welcher sicher alles eher aufzuweisen hat, als daß er einst dem Könige der Mazedonier sollte gedient haben. – Würdet ihr ihn um ein Stück fragen, welches noch so unordentlich und bestaubt in einem andern Winkel des Zimmers liegen würde, so wird er euch jede Falte und selbst den Staub, der auf demselben rastet, so genau zu erklären wissen, daß ihr euch darüber erstaunen würdet.

[NS.01_030,26] Aus dem aber könnt ihr ja ganz leicht schließen, wie da die Weisheit für sich geartet ist und somit alle ihre Produkte beschaffen sind, – wenn sie, wie schon bemerkt, nicht den gerechten Grad der Liebe zum Grunde hat.

[NS.01_030,27] Solches habe Ich euch nun kundgegeben, damit ihr daraus die häusliche Verfassung unserer beiden Gürtel-Bewohner abnehmen, zugleich aber auch daraus ersehen könnt, wie an und für sich die Weisheit geartet ist. Denn eben weil Meine Ordnung und Meine Weisheit unendlich und unergründlich ist, so bleibt den alleinigen Weisheitskrämern nichts anderes übrig, als eine für euch unberechenbare Versteigung in allen ihren Elementen.

[NS.01_030,28] Daß demnach solche Erscheinlichkeiten einem Liebeweisen absurd und lächerlich vorkommen müssen, solches ist ja ebenso begreiflich, wie es jedermann lächerlich vorkommen müßte, wenn er einen wirklichen Esel in einer römischen Toga erblicken würde. Denn wahrlich, ein solcher pur weise sein wollender Tropf ist in geistiger Hinsicht um kein Haar besser anzuschauen, als ein solcher betogter Esel auf einer Rednerbühne.

[NS.01_030,29] Nächstens wollen wir dann den geistigen und religiösen Teil noch in Augenschein nehmen und uns sodann behende auf einen anderen Gürtel schwingen. Und daher gut für heute!

 

31. Kapitel – Weisheits- und Willensschulen auf dem ersten Nebengürtelpaar.

[NS.01_031,01] Was da die geistige Verfassung betrifft, so wird bei den Bewohnern dieser Gürtel alles darunter verstanden, was der Mensch erlernen muß, bis er es zu einem vollkommenen Weisen bringt.

[NS.01_031,02] Um sonach diese geistige Verfassung näher kennenzulernen, braucht man nichts anderes zu beachten als allein nur die zu erlernenden Materialien; sind diese bekannt, so ist auch die ganze geistige Verfassung so gut wie völlig bekanntgegeben, – besonders wenn bei ein oder dem andern Material die Art zu lehren und zu erlernen noch kurz hinzugefügt wird.

[NS.01_031,03] Was ist hernach unter den vielen Lehrmaterialien das Grundmaterial, wonach alle anderen gewisserart taxiert werden? – Dieses Grundmaterial wird besonders in dieser eurer Zeit auch bei euch von seiten der gelehrten Welt als der Grund aller Wissenschaft betrachtet. Bei euch aber heißt dieses Material Mathematik oder die Rechenkunst. In unserem Gürtel aber wird eben diese Wissenschaft die Innehaltung genannt.

[NS.01_031,04] Diese Wissenschaft wird dort zuallererst und fortwährend bis zur letzten Ausbildung des Geistes gelehrt. – Danach muß dann ein jeder Mensch ein jedes Ding genau maßgeblich bestimmen können und muß sich zur größten Leichtigkeit machen, in einem jeden noch so ungestalteten Objekt eine runde Zahl zu finden, welche als ein Grund der ganzen Form eines Objekts ihrer Bestimmung nach ist. Denn sie sagen: Es nützt keine Berechnung einer Größe etwas, wenn man die Wurzelzahl derselben nicht kennt.

[NS.01_031,05] Daher beruht eine Hauptübung darin, daß die Schüler nach dem vorhergegangenen Elementarunterricht mit dem freien Auge anfangen müssen, den kubischen Inhalt und so auch die Quadratoberfläche eines jeden wie immer gestalteten Objekts durch das bloße Anschauen zu bestimmen und sodann aus der bestimmten Zahl sogleich die Wurzelzahl und aus dieser die Einheit zu finden. Ihr könnt versichert sein, diese Menschen erlangen in diesem Fach mit der Zeit eine solche Fertigkeit, daß sie durch einen nur flüchtigen Blick jeden kubischen Inhalt bis zum Minimum bestimmen können, und so auch mit großer Genauigkeit die Höhe eines jeden vor ihnen liegenden Berges. Ja sie sind in der Bestimmung sogar ferner Weltkörper so scharfsinnig, daß sie mit einem Blick eine größere und richtigere Berechnung machen, als eure scharfsinnigsten Astronomen solches kaum im Verlaufe von mehreren Jahrzehnten imstande sind.

[NS.01_031,06] So können sie auch jede Zahl in ebenso kurzer Zeit zu jeder noch so großen Potenz erheben und wissen selbst die gebrochenen oder unerfüllten Zahlen also zu teilen, daß sie endlich dieselben dennoch zu einem geraden Bruche bringen. Die Ursache liegt darin, weil sie in alle Zahlenverhältnisse schon von Kindheit auf wie lebendig eingeboren sind.

[NS.01_031,07] Eine gleiche Fertigkeit haben sie dann auch in der Bestimmung des Gewichtes und in der Bestimmung des Ebenmaßes. – Ich brauche euch hierin nicht weiter zu belehren; denn aus dem Gegebenen kann es euch hinreichend klar sein, worin die Grundwissenschaft dieser Bewohner besteht, wie sie gelehrt und endlich gehandhabt wird.

[NS.01_031,08] Und so wollen wir uns denn auch sogleich zu einer andern Materie hinüberwenden, und diese besteht in einer Art Architektur, welche dann der Grund zur eigentlichen Baukunst ist.

[NS.01_031,09] Diese Art Architektur besteht aber darin, daß die Schüler aus allerlei massiven Figuren, welche an und für sich ganz unsymmetrisch geformt sind, allerlei vollkommen symmetrische Figuren zusammenstellen und endlich sogar aufbauen müssen, welche Bauten wieder zu größeren Bauten zusammengestellt werden, und das so fort, bis irgendeine vollkommene Gestalt, entweder eines Wohnhauses, eines Hauptkollegialhauses, eines Archivs, eines Theaters oder noch eines andern hier üblichen Gebäudes, in kleinem Maßstab zuwege kommt.

[NS.01_031,10] Haben die Schüler diese lockere Bauart in kleinem sich zu eigen gemacht, so werden sie dann mit der festen Bauart bekannt gemacht. Haben sie sich endlich solches ebenfalls vollkommen zugeeignet, sodann werden sie zu den Verzierungen und von diesen zur nötigen und zweckmäßigen Möblierung eines oder des andern Gebäudes geleitet.

[NS.01_031,11] Können sie nun das alles in gerechter Fertigkeit, dann fangen sie erst an, gewisserart Lesen und Schreiben zu lernen; welches letztere an und für sich nichts anderes ist, als bei euch (freilich wohl in sehr ungeschicktem Sinne dagegen genommen) das Zeichnen und Malen. Das Lesen aber besteht in dem, daß sie sich mit den Entsprechungen aller sichtbaren Dinge bekannt machen und sonach aus der Figuration eines jeden Dinges den innern Sinn erkennen müssen. Und dann müssen sie aber auch durch eigene Zusammensetzung der verschiedenen Dinge einen neuen, willkürlichen Sinn in dieselben legen können. Erstes lernen sie durch das Lesen und Zweites durch das Schreiben.

[NS.01_031,12] Sind sie in diesen beiden Fächern fest, dann werden sie zur Darstellung oder gewisserart treuen Kopierung von Wohnhäusern und ganzen Gegenden geleitet.

[NS.01_031,13] Haben sie auch dieses vollkommen inne, sodann erst werden sie, wenn besondere Talente vorhanden sind, auch zur Poesie hingeleitet, durch welche sie dann gewisserart die Dinge einer innern Welt auf die weißen Rollbänder darzustellen anfangen. Vollkommene Produkte dieser Art und ihren Zweck haben wir schon bei der Gelegenheit der Darstellung eines Kollegialtheaters kennengelernt.

[NS.01_031,14] Sind die Schüler auch mit diesem Zweige ihrer geistigen Bildung zu Ende oder sind sie vollkommene Meister dieser Kunst, dann erst wird die Kraft ihres Willens geprüft. Wer da unter mehreren den stärksten Willen hat, der kommt in die geheime Schule, wo das Wesen der Primitivpflanzung gelehrt wird. In dieser Schule muß er fürs erste die vollkommene Botanik dieses Gürtels innehaben und muß eine jede Pflanze von der untersten Wurzel bis in ihre äußerste Blattspitze atomisch zergliedern können und muß genau wissen, wie die Teile alle zusammenhängen, wodurch sie zusammenhängen und wie das eigentlich Geistig-Substantielle in dem Materiell-Beschaulichen wirkt.

[NS.01_031,15] Um aber zu diesem höheren Grade der Kenntnis zu gelangen, wird ein jeder Schüler vorerst zur anhaltenden Beschauung seiner selbst gewiesen und geleitet. Denn niemand kann aus seiner Materie das Geistige in einer andern Materie schauen, bevor er nicht sein eigenes Geistiges absolut gemacht hat. Hat dann jemand sich selbst erkannt und sich gewisserart in sich selbst gefunden, so wird er dann erst weitergeleitet, und es wird ihm gezeigt, daß nun nicht mehr seine Materie wirken darf; sondern ein solcher Schüler muß sich angewöhnen, geistig zu wirken.

[NS.01_031,16] Anfangs werden ihm nur kleine Proben gezeigt, wo der Geist absolut ohne Beihilfe der Materie wirkt. Von da wird dann der Geist immer weiter- und weitergeleitet und gelangt endlich zu der wunderbaren Vollkommenheit, daß er in seiner Absolutheit in einem Augenblick mehr wirkt als durch die Materie in einem langgedehnten Zeitraum.

[NS.01_031,17] Dabei wird auch einem jeden solchen Schüler klärlichst dargetan, daß auch jede äußere Handarbeit im Grunde doch nur eine Arbeit des Geistes ist; nur kann der Geist mit einer solchen Arbeit nicht so schnell fertig werden, weil er an der eigenen Materie ein großes Hindernis hat. Wenn er aber auf die bestimmt weise Art dieses Hindernis besiegt hat, so kann er dann in seiner Absolutheit auch um so kräftiger und schneller wirken.

[NS.01_031,18] Warum kann denn der Geist in seiner Absolutheit schneller und kräftiger und bestimmter wirken als mit Hilfe seiner Materie? – Weil seine Materie die hartnäckigste ist, und zwar darum, weil sie einen vollkommenen Geist fesselt. Ist er aber ein Meister dieser seiner eigenen Materie geworden, so wird er hernach wohl auch ein Meister jeder andern Materie sein, die da ums Unaussprechliche schwächere und unvollkommenere Geister fesselt, als er selbst ist.

[NS.01_031,19] Hat ein Schüler sich solches alles werktätig, oder wie ihr zu sagen pflegt, praktisch zu eigen gemacht, sodann erst wird er in die tiefere Kenntnis des göttlichen Geistes und Dessen ewigen Willens eingeleitet, und ihm wird die mögliche Art und Weise gezeigt, wie sich ein jeder in sich selbst freigewordene menschliche Geist mit dem ewigen, unendlichen Geiste Gottes in die wirkende Verbindung setzen kann nach seiner freien Willkür, insoweit es der göttlichen Ordnung angenehm ist.

[NS.01_031,20] Nach solcher praktischen Erkenntnis werden die Schüler auch mit der Liebe dieses ewigen Geistes bekannt gemacht, und es wird ihnen gezeigt, daß diese allein das Bindungsmittel des menschlichen Geistes mit dem Göttlichen ist.

[NS.01_031,21] Wenn der Schüler nun solches alles tatsächlich in sich aufgenommen hat, dann erst wird ihm von dem weisen Lehrer der Pflanzstab und Wasserkrug gereicht, und er versucht dann ebenfalls die Pflanzung der ersten Art, welche jedem so geleiteten Schüler zumeist auf den ersten Versuch wohl gelingt.

[NS.01_031,22] Mit diesem geistigen Zweige aber hat dann auch alle Schule auf diesem Gürtel ein Ende; denn ein also gebildeter Geist blickt dann in alle Fächer mit solcher Klarheit, daß darüber ein jedes Wort von ihm so gut wie eine vollbrachte Tat ist, und hat demnach keiner in irgend etwas mehr eines Unterrichtes vonnöten. Denn in diesem Zustand wird dann ein jeder Geist in allem ferneren vom Geiste Gottes Selbst gelehrt.

[NS.01_031,23] NB. Eine solche Pflanzschule würde auch auf eurem Erdkörper von besserer Wirkung sein als alle Gymnasien, Lyzeen, Universitäten und geistlichen Seminare, nach deren abgelaufener Zeit die Zöglinge wohl mit einem zeremoniellen heiligen Geist, aber nicht mit dem wahren Heiligen Geiste des vollkommenen inneren Lebens beteilt werden, – darum dann aber auch hernach ihre Werke sind wie der Geist, den sie empfangen haben. Und doch sage Ich euch: Es würde diese Schule zum Empfang des wahren lebendigen Geistes bei weitem weniger kosten, als die Schule zum endlichen Empfang eines toten Geistes, der nichts ist, nie etwas war, und auch ewig nie etwas werden wird. – Es bestehen zwar wohl schon hier und da auf dieser Erde kleine Anfänge und werden mit der Zeit größer und größer werden, aber unverhältnismäßig groß ist daneben noch die harte Schule der Steine; ihr versteht, was Ich damit sagen will.

[NS.01_031,24] Doch wir sind jetzt in unserer Sonne, und so wollen wir auch allda mit der Bemerkung unsere geistige Bildung beschließen, daß eben eine solche geistige Bildung auch im südlichen Gürtel ganz vorzüglich gehandhabt wird. Der Unterschied besteht bloß darin, daß sie im südlichen Gürtel allgemeiner ist als im nördlichen.

[NS.01_031,25] Nun wißt ihr das ganze Wesen des geistigen Verhältnisses; und so wollen wir nur noch fürs nächste Mal die mit diesem geistigen Verhältnis eng verbundene Religion vornehmen, welche euch sicher nicht unbefriedigt lassen wird. Und somit gut für heute!

 

32. Kapitel – Gottesdienst und Eheschließung auf dem ersten Nebengürtelpaar.

[NS.01_032,01] Was die Religion betrifft, so gibt es in diesen beiden Gürteln durchgehends keinen zeremoniellen oder gewisserart äußerlich sichtbaren Religionskultus; denn davon sind die Bewohner dieser Gürtel die abgesagtesten Feinde, weil sich nach ihren höchst ordnungsmäßig abgewogenen Grundsätzen etwas äußerlich Materielles ebensowenig mit einem allerpurst Geistigen verbinden ließe, als die Zahl zwei mit der Zahl sieben.

[NS.01_032,02] Aus diesem Grunde wird in diesen Gürteln niemand etwas erblicken, was ihm äußerlich genommen irgendeinen Anstoß auf etwas Höheres geben könnte. Auch gibt es bei ihnen aus diesem Grunde keine sogenannte Feier- oder Sabbatzeit.

[NS.01_032,03] Und aus eben demselben Grunde haben diese Bewohner auch durchaus weder eine noch die andere Art von Zeitmessungen und bestimmen daher nie einen Zeitraum. Denn sie sagen: Die Zeitbestimmung liegt in den Händen des höchsten Geistes, der Mensch aber soll nicht messen, wozu ihm Gott, der Allerhöchste, keinen Maßstab gegeben hat. Und sie sagen ferner: Unsere Welt hat der große Weltenbaumeister ausgedehnt vor uns und hat durch die Flächen jedermann einen Wink gegeben, daß er diese messen solle. Aber für die (Zeit-)Dauer hat Er nirgends einen Maßstab gesetzt; daher soll der Mensch dieselbe auch nicht eigenmächtig zerschneiden. Er hat uns zwar einen Maßstab gegeben, dieser Maßstab ist jedem das eigene Leben. Weiter hat Er noch einen großen Maßstab gezogen über das weite Himmelsgezelt; nach diesem Maßstab bewegen sich ferne Welten, und unsere eigene Welt richtet sich in ihrem Laufe selbst nach diesem großen Maßstabe. Aber uns hat Er weder für den einen noch für den andern Maßstab einen Zirkel in die Hand gegeben, daß wir denselben einteilen und bemessen könnten.

[NS.01_032,04] Aus diesem Grunde kümmern sich dann die Bewohner dieses Gürtels gar nicht um die Zeit. Bei manchen geht solches so weit, daß sie nicht einmal wissen, welches ihrer erwachsenen Kinder das älteste ist. Das Alter bestimmen sie dort bloß nach der Reife des Geistes, hier und da wohl auch nach dem Gewicht des Leibes.

[NS.01_032,05] Daß dann aus diesem Grunde von einem Sabbat keine Rede ist, werdet ihr aus dem bereits Angeführten leicht entnehmen können.

[NS.01_032,06] Worin besteht denn hernach die Religion, wenn wir dem Äußeren nach nirgends etwas erblicken, das uns an dieselbe mahnen sollte? – Bei diesen Bewohnern ist alles, was sie tun, von ihren Grundsätzen aus betrachtet, ein Gottesdienst. Zu diesem Gottesdienst haben und lehren ihre Weisen alle Menschen dieser Gürtel folgenden Grundsatz: Wir sind nicht durch uns selbst geworden, sondern die Kraft der allerhöchsten Weisheit Gottes hat uns also gestaltet und auf diesen Boden gestellt. Eben diese Kraft erhält und leitet uns beständig, und wir sind fortwährend in ihrer allerhöchst weisesten Hand. Wenn uns aber diese Kraft also gestaltet hat, uns beständig erhält und führt und allzeit unser wohl bedacht ist, – wie und wann sollten wir denn ein Werk verrichten, ohne daß wir bei jeder unserer Wendungen daran erinnert werden, daß wir sie nur zum Dienste Desjenigen verrichten müssen und auch allzeit verrichten wollen, der uns mit jeder möglichen Tatkraft fortwährend versieht.

[NS.01_032,07] Daher soll nie jemand daran gedenken, als täte er etwas für sich, sondern was er tut, das tue er für Den, der ihn mit Tatkräften versehen hat und fortwährend versieht. Die Weisheit und getreue Handlung danach ist der wahre Gottesdienst. Daher soll jeder dasjenige unverzüglich tun, was er in der Ordnung seiner Weisheit als vollkommen der Ordnung gemäß erkannt hat. Und so wollen wir allzeit Dem dienen, in dessen allerhöchster Weisheit die Absicht zugrunde gelegen ist, daß Er für uns solche Zwecke gestellt hat, durch welche wir nach der erkannten Ordnung eben dieser Seiner höchst vollkommenen Absicht entsprechen sollen.

[NS.01_032,08] Daher sollen wir Gott mit jedem Hauche aus unserer Lunge dienen. Und jeder unserer Schritte soll wohl abgemessen und wohl abgewogen sein. Denn aus allem erkennen wir, daß Gott in Sich Selbst die allervollkommenste Ordnung ist.

[NS.01_032,09] Wer demnach in all seinem Wirken dieser Ordnung entspricht, der dienet Gott, wer aber diese Ordnung leichtfertig übertritt und das Maß seiner Schritte und das Maß seiner Hände nicht vor Augen hat, der ist gleich einer unsinnigen Frucht, welche ihre Wurzelfasern in die Luft stoßen, die Äste aber ins Erdreich schlagen möchte. Es werden wohl mit der Zeit auch die Äste im Erdreiche Wurzel treiben; aber die in die Luft gekehrten Wurzeln werden sich dennoch nicht in Äste verwandeln und irgendeine dienliche Frucht bringen.

[NS.01_032,10] Wie aber jemand, da er noch ein Kind ist, nur kleine Schritte macht und mit seinen Füßen noch kein Maß treffen kann, da diese noch kein Maßverhältnis an und für sich haben und für eine gerechte Bewegung zu schwach sind; – wann aber das Kind die Vollreife erlangt hat und in allem männlich geworden ist, sodann haben auch seine Füße das rechte Maß überkommen, mit welchem er die großen Flächen übermessen kann, – also muß auch ein jeder Mensch mit seiner eigenen Schwäche anfangen und muß sich selbst mehr und mehr zu bemessen imstande sein. Hat er sein eigenes Maß vollends gefunden, so wird er mit diesem richtig gefundenen Maße das göttliche Maß bemessen können.

[NS.01_032,11] Das Maß aber ist die Ordnung; bevor jemand nicht seine eigene Ordnung erkannt hat, kann er auch nicht die allerhöchste Ordnung Gottes erkennen. Erkennt er aber diese nicht, so ist all sein Tun eitel; denn wie könnte eine Handlung einen Wert haben, wenn sie von jemand verrichtet würde, der da nicht wüßte, was er tut?

[NS.01_032,12] Daher sollte niemand etwas tun, wofür er kein Maß hat. Hat er aber das richtige Maß, so tue er danach; denn das richtige Maß ist die Ordnung Gottes, nach der ein jeder zu handeln berufen ist.

[NS.01_032,13] Sehet, das ist der eigentliche Hauptgrundsatz bezüglich der Religion dieser Gürtelbewohner. Sie sind demnach beständige Diener Gottes, und die ganze Lebensdauer ist für sie sonach ein ununterbrochener Sabbat.

[NS.01_032,14] Aus diesem Grunde ist auch ihre ganze Haushaltung und ihre Bewegung also abgemessen. Weil sie Gott als die höchste Ordnung erkennen, so wollen sie derselben auch mit gar nichts zuwiderkommen.

[NS.01_032,15] Nur einen einzigen Akt könnten wir gewisserart als eine religiöse Zeremonie betrachten, und das ist der Akt der ehelichen Verbindung zwischen zwei Gatten. Wenn sich nämlich zwei Gatten verbinden wollen, so geschieht dieses auf folgende Art: Zuerst sucht der Mann sich ein äußerlich wohlgestaltetes Wesen; und hat er irgendein solches gefunden, so begibt er sich sogleich zu den Eltern eines solchen weiblichen Wesens und sagt zum Vater, der zu dem Behufe aus dem Hause und dem Bewerber unter das Angesicht zu treten aufgefordert wird: „Ich habe das Angesicht deiner Tochter angesehen; es hat mir wohlgefallen. So du es willst, laß mich die Ordnung ihres Herzens prüfen.“

[NS.01_032,16] Und der Vater nähert sich dann dem Bewerber mit gemessenen Schritten: „Zeige mir das Maß deines Fußes und das Maß deiner Hand, und ich will dich dann in mein Haus führen und will dich sehen lassen das ganze Maß meiner Tochter.“ Hier streckt dann allzeit der Bewerber seine Hände aus und ebenso auch, wie weit es nur immer tunlich ist, seine Füße. Der Vater mißt dann die Hände und die Füße; und hat er das Maß für gut befunden, so führt er mit wohlgemessenen Schritten den Bewerber in seine Wohnung und läßt ihn erkennen das Maß seiner Tochter.

[NS.01_032,17] Entspricht nun dieses Maß dem Maße des Bewerbers, so gibt der Vater seine Tochter ohne den allergeringsten weiteren Anstand dem Bewerber. Hat aber das Maß nicht übereingestimmt, sodann tritt der Bewerber selbst sogleich zurück; denn das Maß der Tochter war gegen das seinige von einem ungeraden Verhältnis.

[NS.01_032,18] Wenn aber der Bewerber bei guten Maßverhältnissen die Braut genommen hat, so führt er sie sogleich außer den euch schon bekannten Kreis der strengen Ordnung und erwartet allda das ganze, bald nachfolgende Völklein eines solchen Hauses.

[NS.01_032,19] Wenn auch dieses außerhalb des strengen Kreises gekommen ist, sodann lassen sich bald alle zur Erde nieder und loben den großen Gott, daß Er den Bräutigam eine wohlgeordnete Braut hat finden lassen. Nach solchem Lobe erheben sich wieder alle, und der Vater legt dem neuen Brautpaare seine Hände auf und spricht zu ihm: „Die Ordnung Gottes hat euch zusammengeführt; in dieser Ordnung verbleibet auch fürder allezeit und ewig! Und so euch Gottes Weisheit Nachkommen verschaffen wird, da leitet sie in dieselbe Ordnung, durch welche ihr selbst zu einer Ordnung geworden seid.“

[NS.01_032,20] Darauf begibt sich der Vater mit seinem Völklein wieder in seine Wohnung; und der Bräutigam führt seine Braut in die Wohnung seiner Eltern. Wenn er bis zum Ordnungskreis gekommen ist, begeben sich sobald dessen Eltern und Geschwister mit offenen Armen zu ihm hin und führen das Brautpaar in die Wohnung.

[NS.01_032,21] Auch hier legt der Vater dem Brautpaar seine Hände auf und spricht dieselben Worte über dasselbe, welche zuvor der Vater der Braut gesprochen hat. Sodann wird Gott wieder ein Lob dargebracht, und danach ein wohlgeordnetes Mahl eingenommen.

[NS.01_032,22] Nach dem Mahle aber begibt sich der Bräutigam mit seiner Braut in Begleitung seiner Eltern, wenn sie noch leben, sonst aber auch mit einem Bruder und einer Schwester, in ein Kollegium, und zwar dasjenige, zu dessen Gebiete ein solcher Landbewohner gehört. Dort bekommt dieses neue Brautpaar vom obersten Weisen einen neuen Namen und ihm wird auch angezeigt, wo es sich ein neues Besitztum errichten mag.

[NS.01_032,23] Das Brautpaar aber verbleibt dann so lange, sich geistig und äußerlich vergnügend, in einem solchen Kollegium, bis durch die weisen Bauleute eines solchen Kollegiums ein Wohnhaus samt Besitztum vollendet ist. Sodann wird das Brautpaar mit allerlei Fruchtreisern versehen und begibt sich unter der Begleitung verschiedener Weiser in die neue Wohnung, und wird sodann vom Kollegium so lange mit Nahrung versehen, bis die eigene Anpflanzung hinreichende Früchte abwirft, wozu gewöhnlich nach eurer Zeitrechnung etwa ein Zeitraum von höchstens einem Jahr erfordert wird.

[NS.01_032,24] Die beiden Eltern oder auch Geschwister aber kehren wieder in ihre Heimat zurück, sobald der oberste Weise das Brautpaar übernommen hat. – In den Wohnungen besuchen sich dann weder Kinder noch Eltern noch andere Nachbarsleute; wohl aber zu öfteren Malen entweder in den Kollegien oder auf den freien Räumen vor den Wohnhäusern und sind da allzeit fröhlicher Dinge, wenn sie sich wiedersehen.

[NS.01_032,25] Sehet, diese Zeremonie kann in gewisser Hinsicht einzig und allein ein äußerer, sichtbarer Religionskultus genannt werden, und das darum, weil da eine Handlung geschieht, die vorerst ein äußeres Maß zum Grunde hat; denn bei einer jeden andern Handlung müssen zuerst die inneren Gedanken und Gefühle geprüft werden, bevor erst zu einer äußeren Handlung geschritten wird, welche aber dennoch zumeist so beschaffen ist, daß sie viel mehr von einer inneren, geistigen Tätigkeit abhängt, als von der Tätigkeit der Hände.

[NS.01_032,26] Ihr möchtet wohl auch hier von der Zeugung der Kinder und vom endlichen Sterben der Menschen noch etwas vernehmen; doch für diesen Doppelakt verweise Ich euch auf den Mittelgürtel der Sonne. In diesem gleichen die beiden Nebengürtel völlig diesem Mittelgürtel und die beiden Nebengürtel sich untereinander auch vollkommen. Und so wüßten wir demnach auch alles Denkwürdige, was diese beiden Gürtel betrifft, und wollen uns daher fürs nächste Mal sogleich zu den beiden Nachbargürteln wenden. Und somit gut für heute!

 

33. Kapitel – Das zweite Gürtelpaar – entsprechend unserer Erde.

[NS.01_033,01] Was da diese beiden Nachbargürtel betrifft, so sind sie ebenfalls von den zwei vorhergehenden Gürteln durch einen unübersteigbar hohen Gebirgsring getrennt. Von diesem Gebirgsringe laufen dann in den zu beschreibenden Gürtel nach allen Richtungen Gebirgszüge und verbinden sich sogar hier und da mit dem nächsten Gebirgsring, der den dritten Gürtel von diesem zweiten scheidet.

[NS.01_033,02] Dieser zweite Ring oder Landesgürtel ist bedeutend schmäler als die zwei vorhergehenden; dafür entspricht aber auch der nördliche wie der südliche nur einem einzigen Planeten.

[NS.01_033,03] Ein ununterbrochen fortlaufendes Gewässer befindet sich in diesen beiden Gürteln nirgends. Aber große und weitgedehnte Seen gibt es bedeutend viele, wie auch große Ströme und Flüsse. Besonders ist der südliche Gürtel bedeutend wasserreicher als der nördliche. – Also hätten wir demnach schon eine allgemeine Vorstellung dieser beiden Länder.

[NS.01_033,04] Wir haben aber bei den vorhergehenden beiden Gürteln gesehen und vernommen, daß sie dem Planeten Merkur und dem Planeten Venus entsprechen. – Welchem Planeten aber entsprechen demnach diese beiden Gürtel?

[NS.01_033,05] Um diesen Planeten als eure Erde zu entdecken, werdet ihr eben nicht nötig haben, zu starken Schauwerkzeugen eure Zuflucht zu nehmen; denn auf diesen Planeten könnt ihr fürwahr mit eurer Nase stoßen, da es der nämliche ist, der euch trägt. – Also eure Erde ist der entsprechende Planet für diese beiden Gürtel, und zwar der nördliche für die nördliche Erdhälfte, und der südliche für die südliche Erdhälfte.

[NS.01_033,06] Wollt ihr nun die Einrichtung dieser beiden Gürtel mit einem Blick erschauen, so tragt nur sämtliche Verhältnisse eurer Erde in staatlicher und persönlicher Hinsicht auf diese beiden Gürtel über, und ihr seid wie auf eurem eigenen Grund und Boden zu Hause. Nur müßt ihr den gerecht kultivierten Teil eurer Erde nehmen, und denselben sowohl von der nördlichen als südlichen Erdhälfte auf unsere beiden Sonnengürtel übertragen, so seid ihr dann vollkommen zu Hause. Denn heidnische Völker mit ihren Hauseinrichtungen werden allda vermißt, also auch die Mohren und mehrere andere dunkelgefärbte Menschengattungen und somit auch alle ihre häuslichen, politischen und religiösen Einrichtungen.

[NS.01_033,07] Aber also, wie es einst in den guten christlichen Zeiten unter den wahren Christen ausgesehen hat, und wie es ausgesehen hat mit dem israelitischen Volke, da es noch unter Josua stand, – so sieht es da überall aus; und zwar im nördlichen Gürtel gleich wie im guten Christentum auf Erden, und im südlichen Gürtel wie zu Zeiten Josuas unter den Israeliten.

[NS.01_033,08] Nun, so ihr solches wißt, werden wir auch mit unseren beiden Gürteln des zweiten Ringes gar leicht fertig werden, denn wenn da alles in der Ordnung sich vorfindet, wie auf eurer Erde, so brauchen wir demnach ja nichts mehr als nur überall des besonders Sonneneigentümlichen zu erwähnen, und wir haben dann alles, was uns zur genauen Erkenntnis dieser beiden Gürtel notwendig ist.

[NS.01_033,09] Worin besteht denn dieses Sonneneigentümliche zum Unterschied des planetisch Entsprechenden?

[NS.01_033,10] Dieses Sonneneigentümliche besteht fürs erste in der mehr vollendeten Vollkommenheit alles dessen, was ihr auf der Erde unter den zwei gegebenen Bedingungen erschauen möget.

[NS.01_033,11] Fürs zweite aber besteht das Unterschiedliche darin, daß es in diesen beiden Gürteln durchaus keine sogenannten Amphibien weder in den Gewässern noch auf dem Lande gibt und so auch keine reißenden Tiere. Es gibt wohl Tiere, die den reißenden gestaltlich ähnlich sind; sie sind aber deswegen dennoch von edler und sanfter Art. Auch haben sämtliche Tiere gegeneinander keine Waffen wie auf der Erde, sondern sie gleichen in dieser Hinsicht fast alle der Natur der Lämmer und nähren sich vom Grase und von Wurzeln.

[NS.01_033,12] Fürs dritte besteht das Unterschiedliche in der Vegetation. Ihr dürftet zwar alle über zweihunderttausend Gras-, Pflanzen- und Gesträuchgattungen antreffen, die da auf eurer Erde vorkommen. Aber dort sind sie fürs erste ebenfalls samenlos und wachsen allenthalben auf den ihnen eigentümlichen Plätzen frei aus dem Boden, ungefähr so wie auf eurer Erde das Moos, verschiedene Schwämme und auch einige wenige Pflanzen, besonders an den Äquatorgegenden eurer Erde. Aber dennoch können in diesen beiden Gürteln sämtliche Pflanzen und Bäume nicht nur durch das Überstecken der Reiser weiterverpflanzt werden, sondern auch durch die Früchte selbst, welche zwar an und für sich sämtlich kernlos sind; also wie es da im Morgenland eine Traubengattung gibt, die ebenfalls kernlos ist. Wenn aber eine oder die andere reife Frucht in den Boden gelegt wird, so wächst aus ihr bald wieder entweder eine gleiche Pflanze oder ein gleicher Baum.

[NS.01_033,13] Sehet, das ist hauptsächlich das eigentlich Unterschiedliche und Sonneneigentümliche.

[NS.01_033,14] Was aber da die Menschen und ihre Verfassungen sowohl in staatlicher, häuslicher und religiöser Hinsicht betrifft, so entsprechen sie vollkommen dem, wie es schon vorhin hier gezeigt wurde.

[NS.01_033,15] Ihr fragt: Glauben sie denn an Christum den Gekreuzigten? – Und Ich sage euch: Im ganzen nördlichen Gürtel kennt niemand einen andern Gott als allein Christum den Gekreuzigten! Denn Solchen haben ebenfalls dieselben Apostel dort verkündet, die Ihn hier verkündet haben. Nur müßt ihr das dortige Christentum nicht etwa mit hierarchischen Augen betrachten und müßt euch etwa nicht denken, daß es dort also Bethäuser und allerlei müßige und faule Klöster gibt, sondern der ganze Gürtel ist nur eine christliche Gemeinde, welche nur ein Evangelium hat und einen und denselben Christum treulich und wahrlich im Geiste und in aller Wahrheit anerkennt.

[NS.01_033,16] Der südliche Gürtel unterscheidet sich in der Religion von diesem nördlichen nur dadurch, daß in solchem die Bewohner auch den alttestamentlichen Vorbau gar wohl kennen zum Hauptbau des Neuen und ewig bleibenden Testaments; während die Bewohner des nördlichen Kreises zwar wohl auch Kenntnisse davon haben, aber sagen: Wir ehren und schätzen zwar alles das, was nur immer auf unsern Herrn eine auch noch so geringe Beziehung hat; aber so wir Ihn Selbst haben, da lassen wir das andere und bleiben bei Ihm! – Daher sind aber auch diese Bewohner des nördlichen Gürtels um vieles weiser als jene des südlichen; denn diese sind im Grunde selbst, die anderen aber am Grunde, – oder diese sind im Tempel und jene noch mehr im Vorhofe, – oder diese sind in der Liebe und daraus in aller Weisheit, und jene in der Weisheit und daraus erst in der Liebe.

[NS.01_033,17] Ihr möchtet wohl wissen, ob die Menschen auch hier zu sündigen fähig sind, und ob es demnach auch eine Taufe gibt zur Wiedergeburt und somit auch eine Erlösung vom Tode zur Gewinnung des ewigen Lebens? – Solches sind alle Menschen in allen Gestirnen imstande, also auch hier. Denn wo es Wesen in absoluter Freiheit gibt, da gibt es auch notwendig entweder gelegenheitliche oder für immer bestehende Grundgesetze, durch welche die freien Wesen ja eben erst ihre Freiheit zu erkennen imstande sind. Denn die Freiheit besteht ja einzig und allein nur darin, daß ein frei lebendes Wesen durch ein gegebenes Gesetz erkennt, daß es dasselbe zufolge seines freien Willens beachten oder nicht beachten kann. – Wenn es aber irgend freie Wesen gibt, deren Wille an irgendein oder das andere freie oder moralische Gesetz gebunden ist, entweder dasselbe zu beachten oder nicht zu beachten, so versteht sich ja dann von selbst, daß bei solcher Gelegenheit die Sünde oder die Übertretung des Gesetzes überall möglich ist, wo Wesen existieren, die eben eine solche Freiheitsprobe durchzumachen haben.

[NS.01_033,18] Also kann sich solches wohl auch von unserm Gürtel verstehen. Nur ist zufolge des Ernstes dieser Sonnenbewohner eine Sünde wider das Gesetz der Liebe beinahe noch seltener als bei euch die vollkommene Beachtung dieses Gesetzes.

[NS.01_033,19] Wenn es aber dessenungeachtet doch auch dort hie und da Sünder gibt, so muß es ja auch eine Vergebung der Sünden geben und somit eine Taufe und eine Erlösung. Die Erlösung, die Taufe und die Buße aber sind dort eins; denn ein jeder Sünder, wenn er zum Gesetze der Liebe zurückkehrt und sein Fehlen bereut und Christum in seinem Herzen ergreift und belebt, so hat er sogleich teil an der Erlösung, wird getauft durch den Geist und erlangt die Wiedergeburt zum ewigen Leben.

[NS.01_033,20] Solches ist auch im südlichen Gürtel der Fall; nur ist dort zufolge der etwas größeren Üppigkeit des Landes die Sünde etwas mehr gang und gäbe als im nördlichen Gürtel, und die Menschen sind mehr sinnlich als die des nördlichen Gürtels. – Sehet, das wäre demnach wieder etwas, besonders in jetziger Zeit, stark Unterschiedliches gegenüber der Erde.

[NS.01_033,21] Sonst aber findet sich alles also vor wie auf eurem Planeten. Es gibt sogar Städte und Dörfer und so auch einzeln wohnende Parteien. Ihr würdet euch sogar hoch verwundern, wenn ihr dort die schönsten Weingärten antreffen würdet, und die höheren Gebirge mit allerlei Waldungen überwachsen, bis zu denjenigen Höhen, da zufolge der reinen Luft nichts mehr gedeihen kann. Ja sogar den Pflug und die Sichel würdet ihr nicht vermissen. Nur müßt ihr euch alles in einem viel vollkommeneren Zustand vorstellen als auf eurem Planeten.

[NS.01_033,22] Die Menschen selbst sind nicht viel größer als auf dem Planeten Erde; aber sie sind viel schöner und vollkommener. Ihre Tracht ist ganz einfach, ungefähr so wie da dereinst das israelitische Volk bekleidet war.

[NS.01_033,23] Ihre Verfassung ist rein patriarchalisch und in ausgedehnter, staatlicher Hinsicht theokratisch. Daher aber stehen sie auch in ununterbrochener Verbindung mit den Himmeln und haben fortwährend einen sichtbaren geistigen Verkehr. Ja Ich Selbst weile zu öfteren Malen unter den Reinsten und Vollkommensten in der Liebe und Demut!

[NS.01_033,24] Was ihre Ehen betrifft, so werden diese wahrhaft im Himmel geschlossen, – das heißt aus der reinen Liebe zu Mir, und werden gesegnet von den Eltern und Engeln in Meinem Namen.

[NS.01_033,25] Die Zeugung des menschlichen Geschlechtes geschieht zwar durch den Beischlaf; aber dieser ist dort eine Handlung, welche zu den am meisten religiösen, andächtigen und geistigen gehört.

[NS.01_033,26] Das Absterben ist aber zumeist ein freier Austritt aus dem Leibe, welcher nach dem Austritt in einem eigens dazu bestimmten Acker beerdigt wird. – Die Verwesung geschieht äußerst schnell und ist allzeit mit einem großen Wohlgeruch begleitet, welcher alle Gemüter erheitert und belebt, da er ihnen gewisserart einen Vorgeschmack der rein himmlischen Lüfte bietet.

[NS.01_033,27] Auch diese Menschen haben keine Feiertage und keine Zeitrechnungen und kümmern sich auch gar wenig um was immer für Geheimnisse in der Natur der Dinge. Denn ihre höchste Weisheit besteht lediglich in dem, daß sie allzeit sagen: So wir Christum haben, da haben wir alles, ohne Den aber sind alle Dinge im unendlichen und ewigen Raum nichts als ein leerer Kreis!

[NS.01_033,28] Wenn aber jemand von euch dennoch über eines oder das andere von ihnen einen Aufschluß haben möchte, so werden sie solchen auch aus dem tiefsten Grunde zu geben imstande sein, obschon sie durchaus keine Schulen haben. Denn Christus ist ihre ausschließlich alleinige Schule; und ihr könnt versichert sein, daß aus dieser Schule die größten Gelehrten hervorgehen.

[NS.01_033,29] Ihr werdet etwa meinen, allda müssen ja eine Menge trauriger und betschwesterlicher und betbrüderlicher Menschen herumgehen, die sich kaum von der Erde wegzuschauen getrauen. – O mitnichten! Ich sage euch: So fröhliche, heitere und gesellige Menschen findet ihr auf der ganzen Erde nirgends als eben hier. Sie haben sogar Musik und Theater, wie auch große Konzerte; aber freilich wohl alles dieses in einem andern Sinn wie ihr es zumeist habt. Denn bei all diesen Unterhaltungen ist der Herr der allerleuchtendste Zentralpunkt, um Den sich da alles dreht, – während Er bei euch auf der Erde sogar unter den besten Umständen daheim gelassen wird; von andern Verhältnissen gar nicht zu reden!

[NS.01_033,30] Und so hätten wir in möglichster Kürze auch diese beiden Gürtel vollständig beschaut. – Daß aber auch die sonnenklimatischen Verhältnisse in diesem Gürtel nahe ganz dieselben sind wie in den anderen Gürteln, könnt ihr daraus ja sehr leicht entnehmen, weil sie so gut wie die andern zur Sonnenwelt gehören.

[NS.01_033,31] Daß demnach auch diese Gürtel reich sind an den verschiedenartigsten und oft wunderbar großen Naturerscheinungen, welche aber nie von verheerender Art sind, braucht kaum erwähnt zu werden. Und so hätten wir auch nichts mehr besonders Denkwürdiges von Seite dieser beiden Gürtel zu erwähnen.

[NS.01_033,32] Es dürfte vielleicht einmal in euch die Frage entstehen, ob der Mond eurer Erde nicht auch in diesen beiden Gürteln irgendeine Entsprechung findet? – Allein solches könnt ihr euch merken, daß da alle Monde der Planeten in der Sonne durchaus keine Entsprechungen haben. Denn die Monde haben ihre Entsprechungen nur auf den Planeten, zu denen sie gehören.

[NS.01_033,33] Jetzt sind wir aber auch mit unseren beiden Gürteln vollends zu Ende und wollen uns daher fürs nächste Mal sogleich zum nächsten, also dritten Gürtel wenden. – Und somit gut für heute!

 

34. Kapitel – Das dritte Gürtelpaar. – Dessen nördlicher Gürtel entsprechend dem Planeten Mars.

[NS.01_034,01] Wie wir schon vorhin bestimmt haben, also begeben wir uns denn auch nun auf den dritten Gürtel. Dieser Gürtel ist sowohl nördlicher- als südlicherseits der kleinste von allen und hat von einem Gebirgsgürtel bis zum andern im Durchschnitt einen Durchmesser von kaum etwas über tausend deutsche Meilen. Aber dessenungeachtet beträgt sein Kreis noch immer stark über dreimal hunderttausend deutsche Meilen.

[NS.01_034,02] Auch dieser Gürtel hat nicht ein ununterbrochenes Gewässer; aber dabei dennoch viel größere und weitgedehntere Seen als der vorhergehende.

[NS.01_034,03] Das Land an und für sich ist weniger gebirgig als alle die anderen, die wir bis jetzt kennengelernt haben, – außer gegen die Grenzgebirge, welche natürlicherweise noch bedeutende Ausläufer ins flache Land hinein haben. Diese Ausläufer, nebst einigen mehr unbedeutenden Zweigen von ihnen selbst, sind auch zugleich die einzigen Gebirge, welche dieses Land bedecken, welches, wie schon bemerkt, zumeist eben ist.

[NS.01_034,04] Da wir bis jetzt aber gesehen haben, daß da mit Ausnahme des Hauptgürtels alle anderen bisher bekanntgegebenen Gürtel den Planeten entsprechen, so läßt sich dann auch von eurer Seite fragen, ob denn dieser dritte Gürtel nicht auch einem Planeten entspricht? – Und ich sage euch, daß solches alles doch ganz in der Ordnung ist; – und so entspricht dieser Gürtel dem Planeten Mars.

[NS.01_034,05] Wie aber dieser Planet ein mehr armseliger Planet ist, ja in einer Hinsicht der allerdürftigste von all den Planeten, so ist auch sein entsprechender Gürtel der dürftigste von all den anderen Gürteln.

[NS.01_034,06] Worin aber besteht eigentlich diese Dürftigkeit? Diese besteht etwa nicht so sehr in der geistigen Hinsicht, sondern viel mehr in der naturmäßigen.

[NS.01_034,07] Denn fürs erste sind die Menschen von unansehnlicher und wenig schöner Form, sind klein und etwas dick, haben sonst auch durchaus nichts Anziehendes in ihrem Äußeren. – Ihre Farbe ist lichtbraun, manchmal aber auch ins ziemlich Dunkle übergehend. – Ihre Gesichtsbildung hat eine ziemliche Ähnlichkeit mit euren Grönlandbewohnern, einigen Lappländern und Eskimos. – Jedoch ihre Kleidung hat nicht Ähnlichkeit mit der Kleidung der soeben genannten Völker eurer Erde, sondern besteht in einer Art Schürze, welche um den Hals gebunden wird und von da über den ganzen Leib in mehreren Falten bis unter die Knie reicht. Sie hat sowohl für den Mann als für das Weib eine und dieselbe Form. Für die beiden Hände sind auf den beiden Seiten bloß zwei Öffnungen gelassen, damit die Menschen durch diese ihre Hände zu irgendeiner Arbeit herausstrecken können; wenn sie aber keine Arbeit haben, da ziehen sie ihre eben nicht gar zu reizend aussehenden Arme wieder unter den Mantel. Das ist sonach die erste Dürftigkeit.

[NS.01_034,08] Fürs zweite aber besteht die Dürftigkeit in der Vegetation und im Tierreich. Denn die Vegetation ist bloß auf einige wenige Gattungen unansehnlicher Fruchtbäume beschränkt, deren Pflege den Bewohnern dieses Gürtels eine notdürftige Nahrung abwirft. Das Gras dieses Gürtels, welches aber selbst noch sparsam vorkommt, gleicht ungefähr jenem Moose auf eurer Erde, welches ihr nicht selten auf manchen alten Bäumen oder dann und wann auch auf den alten Strohdächern ärmlicher Landmannshütten erblickt.

[NS.01_034,09] Der Boden ist hier schon ziemlich fest und mitunter auch sehr steinig und sandig, besonders an den Ufern der bedeutend großen Seen und Flüsse.

[NS.01_034,10] Das Tierreich aber besteht in einer einzigen Gattung Schafe, welche ungefähr dem euch nicht unbekannten Elentiere Sibiriens gleichen. Dieses Tier versieht sie mit einer ziemlich wohlschmeckenden Milch, und aus seiner sehr feinen Wolle bereiten sie sich ihre nötigen Kleider. – Dann existiert noch eine Wurmgattung, die sich vom Grase nährt. Diese Wurmgattung hat ungefähr die Eigenschaft eurer Seidenraupe und spinnt lange Fäden über dem Boden hin, ungefähr also wie die Spinne bei euch. Diese Fäden sammeln die Bewohner dieses Gürtels ebenfalls und verfertigen daraus einen Stoff, den vorzugsweise das weibliche Geschlecht zu Mänteln verwendet.

[NS.01_034,11] Die Luft ist nur von einer einzigen Vogelgattung belebt; aber diese ist ziemlich häufig. Die Einwohner halten diese Vogelgattung auch gezähmt und benutzen die Federn zur Bereitung ihrer Ruhebänke, welche in nichts anderem bestehen als in einem kleinen, von Erde aufgeworfenen Walle, über welchen diese Federn gelegt und hernach zugedeckt werden mit dem Zeug, aus welchem sie auch ihre Mäntel bereiten.

[NS.01_034,12] Aber so ziemlich belebt sind dabei die Gewässer, welche von den Gürtelbewohnern mittels kleiner Fahrzeuge an den Ufern herum befahren werden. Das wäre sonach wieder eine naturmäßige Dürftigkeit.

[NS.01_034,13] Fürs dritte aber besteht die Dürftigkeit auch noch in den Wohngebäuden; denn diese bestehen gewöhnlich aus einer Art nischenartiger Vertiefung in einem aufgeworfenen Erdwall. Der Erdwall erhebt sich etwa drei Klafter über die Erde. In diesen Erdwall werden Nischen hineingegraben, welche ungefähr eine Vertiefung von ebenfalls drei Klaftern haben. Um die Rundung der Nische ist eine schon vorbeschriebene Ruhebank angebracht; und im Hintergrunde, eben auch aus Erde bestehend, eine Art Tisch, auf welchen die Bewohner ihre Nährfrüchte legen, wann sie allenfalls ihre Mahlzeit halten wollen.

[NS.01_034,14] Hier und da, besonders gegen die Berge hin, gibt es auch größere Wohnungen, die aber in die Berge hineingegraben sind.

[NS.01_034,15] In diesen Wohnungen werden auch die notdürftigen Werkzeuge verfertigt, welche sie zu ihren (notdürftigen) Arbeiten vonnöten haben. Darin besteht auch schon die ganze Industrie und der ganze naturmäßige Reichtum der Bewohner dieses Gürtels.

[NS.01_034,16] Sehet, also ist dieser Gürtel, wie auch sein entsprechender Planet, in naturmäßiger Hinsicht äußerst dürftig ausgestattet. Aber nicht ebenso dürftig ist dieser Gürtel in der geistigen Hinsicht. Denn dafür, daß diese Bewohner wenig Reizes an der Gestaltung ihrer Welt finden, haben sie eine beständige innere Anschauung, durch welche dann ihre höchst dürftige Welt in ihnen selbst also verherrlicht und verklärt wird, daß sie ihnen eine bei weitem größere Freude gewährt, als die Welt des Mittelgürtels seinen Bewohnern.

[NS.01_034,17] Sie sind zwar keine Willenshelden, aber dafür desto größer in aller möglichen Selbstverleugnung. Sie sind in dieser Hinsicht wahre Diogenesse. Aus eben diesem Grunde aber gewinnt dann auch ihr inneres, geistiges Leben einen desto größeren Spielraum, und sie erblicken daher mit den Augen ihres Geistes in den unbedeutendsten Dingen Herrlichkeiten, von denen sich noch kein Weiser eurer Erde hat träumen lassen.

[NS.01_034,18] Daß demnach auch ihre staatliche, häusliche und religiöse Verfassung höchst einfach ist, läßt sich schon aus allem dem gar leicht schließen, was bis jetzt von ihnen ausgesagt wurde.

[NS.01_034,19] Ihre staatliche Verfassung ist eigentlich nichts anderes als ein Familienverhältnis, demzufolge näher verwandte Familien ihre Wohnungen in sehr geringen Distanzen nebeneinander errichten und darin untereinander in einem beständigen Frieden und in unzertrennbarer Einigkeit leben.

[NS.01_034,20] Ihre Bildung geht rein auf das Geistige. Denn sie tragen für nichts anderes Sorge, als daß der Geist der Kinder sobald als möglich zur inneren Selbständigkeit gelangt. Haben die Kinder davon durch ihr Tun und Lassen die erforderlichen Proben abgelegt, so werden sie zum „Gottmenschen“ hingeleitet und müssen Diesen erkennen als den Grund aller Dinge und als den alleinigen Führer des menschlichen Geschlechtes.

[NS.01_034,21] Denn sie sagen: Wenn du in einem fremden Hause bist, da gibt es für dich nicht viel zu schaffen und zu sorgen; bist du aber im Hause deiner Eltern, so bist du im selben schon versorgt. – Wir aber sind auf der Welt, wie in einem fremden Hause; was sollten wir da sorgen? – So wir aber in der Selbständigkeit unseres Geistes sind, so sind wir wie im elterlichen Hause und somit wohlversorgt; denn Gott, der allerbeste Mensch, sorget in diesem Hause für alle Seine Geschöpfe wie ein allerbester Vater für seine Kinder im eigenen Wohnhause. Somit haben wir nur eine Sorge, und diese ist, daß wir vor allem in dieses Wohnhaus kommen! Sind wir darinnen, so sind wir auch schon mit allem versorgt; denn obschon der allerbeste Gottmensch unsere äußere Welt nur dürftig ausgestattet hat, da sie uns eine fremde Wohnung ist, – so hat Er aber dennoch desto reichlicher diejenige heimatliche Wohnung ausgestattet, in welcher Er allein für uns alle sorgt wie ein allerbester Vater für seine Kinder.

[NS.01_034,22] Sehet, zufolge dieses ganz einfachen Grundsatzes besteht dann auch ihre religiöse Verfassung in nichts anderem als lediglich in dem nur, daß da ein jeder trachtet, fürs erste die Selbständigkeit seines Geistes zu erlangen, und zwar auf dem Wege der Demut und Selbstverleugnung, – und sodann aber den Gottmenschen stets mehr und mehr zu erkennen und von Ihm geleitet zu werden.

[NS.01_034,23] Das ist demnach aber auch schon alles, was die Bewohner dieses Gürtels in Hinsicht aller Bildung aufzuweisen haben. – Ihr findet allda keine Tempel, keine Bethäuser und durchaus keine Schulen. Sondern die väterliche Nische, welche sich in einem jeden Familienhause vorfindet, ist alles in allem; denn in dieser Nische versammelt der Vater von Zeit zu Zeit seine ganze Familie, welche manchmal aus dreißig Gliedern besteht, und lehrt sie die innere Heimat und in dieser den alleinigen, wahren Hausvater zu finden. Und hat er solchen Unterricht durch allerlei taugliche Gespräche und Erzählungen beendet, so segnet er seine Familie, und diese kann wieder zu einer oder der andern kleinen Arbeit gehen, oder sich aber auch in die eigenen, etwas kleineren Nischen begeben und allda in der Einsamkeit über das Vernommene nachdenken und zugleich Versuche machen, inwieweit die innere Wohnung und Heimat sich ihnen schon aufgedeckt hat.

[NS.01_034,24] Das Gebet und somit auch der ganze Gottesdienst besteht in nichts anderem als in der beständigen, lebendigen Sehnsucht, so bald als nur immer möglich mit dem allerbesten Gottmenschen, und somit auch mit dem alleinig wahren Hausvater, die über alles erwünschte innere Bekanntschaft zu machen.

[NS.01_034,25] Das Kennzeichen, wann einer oder der andere nahe vor der Tür zur Wohnung des großen Hausvaters ist, welche ihm ehestens soll aufgetan werden, besteht in dem Vernehmen von überaus volltönendem Sphärengesang. Dieser Erscheinlichkeit zufolge haben dann diese Bewohner auch einen Spruch, welcher also lautet: Wenn du vernehmen wirst, wie die großen Welten dem großen Hausvater ein erhabenes Loblied singen, sodann denke, daß du an der Schwelle derjenigen Türe stehest, welche da führet in die heilige Wohnung des alleinig wahren und überguten Hausvaters!

[NS.01_034,26] Wenn sodann einer oder der andere erzählen kann, daß er solches vernommen hat, so haben alle anderen eine große Freude daran und wünschen ihm Glück und Beharrlichkeit in der Verfolgung seiner Bahn.

[NS.01_034,27] Wenn aber jemand vollkommen in diese innere Heimat eingetreten ist, so wird in einem solchen Familienhause ein stilles Freudenfest gehalten, wozu auch die Nachbarn geladen werden. Dieses Fest aber ist dann auch das einzige, was ihr hier zu Gesichte bekommen möget, und besteht in einem fröhlichen und allzeit mäßigen Mahle und endlich in einem allgemeinen Lobe des allein wahren Hausvaters.

[NS.01_034,28] Diejenigen, welche schon völlig in der innern Wohnung zu Hause sind, werden auch mit der Menschwerdung des Herrn bekanntgemacht und haben darüber die allergrößte Freude. Jedoch wird ihnen nicht bekanntgegeben, wie undankbar die Menschen jenes Planeten gegen diesen überguten Hausvater sind, der ihrer Erde die unaussprechliche Gnade erwies, daß Er auf derselben sogar eine menschlich-fleischliche Natur annehmen wollte.

[NS.01_034,29] Nun sehet, da haben wir den ganzen nördlichen Gürtel. – Was aber dessen südlichen Korrespondenten betrifft, so schließt er in sich die vier kleinen Planeten, deren entsprechendes Verhältnis mit diesem Gürtel wir nächstens berühren wollen, um dann sogleich auf den vierten Gürtel überzugehen. – Und somit wieder gut für heute!

 

35. Kapitel – Der südliche Gürtel des dritten Gürtelpaares – entsprechend den Asteroiden.

[NS.01_035,01] Die schon erwähnten vier kleinen und gewisserart zerstreuten Planeten können auch tote Planeten genannt werden, da sich auf ihnen nur wenig lebende Wesen mehr vorfinden; und die sich noch vorfinden, sind ganz besonders naturmäßig und dem Geistigen nahe ganz fremd.

[NS.01_035,02] Diese Planeten sind auch in naturmäßiger Hinsicht so klein, daß selbst der größte von ihnen nicht einmal den Durchmesser eures Mondes hat. Und ihre Vegetation ist ebenfalls außerordentlich dürftig, so daß da außer einigen wenigen Kräutern und dürftig ausgestatteten Gesträuchen nichts vorkommt.

[NS.01_035,03] Nur auf dem größten kommt auch eine geringe Art von Fruchtbäumen zum Vorschein, welche aber kaum größer sind als die sogenannten Zwergbäume bei euch; und selbst diese Baumgattung trägt eine magere Frucht, die ungefähr euren Buchen- und Zirbelnüssen gleichkommt.

[NS.01_035,04] Die wenigen Menschen, welche von sehr kleiner Statur sind, nähren sich jedoch noch ganz behaglich von dem, was ihnen ihre kleine Erde abwirft und bekleiden sich mit den Federn einiger zahmer Vögel, deren Fleisch sie genießen, wie auch mit den Häuten einiger wenigen Haustiere, welche da ungefähr euren Kaninchen, Ratten und Mäusen gleichen. Das sind aber auch zugleich die größten Tiere dieser Erdkörper.

[NS.01_035,05] Es gibt wohl noch einiges Gewürm, einige wenige fliegende Insekten wie auch einige Frosch- und Fischgattungen in den Gewässern; aber diese Tiere werden von den wenigen Bewohnern nicht benutzt.

[NS.01_035,06] Die Wohnungen dieser Menschen sind zumeist aus Löchern im Erdreich bestehend, welche die Einwohner einem Vogelnest gleich mit allerlei weicheren Abfällen ausfüllen, und in denen sie dann beisammenliegen wie etwa junge Vögel in einem Nest.

[NS.01_035,07] Diese kaum zwei bis drei Spannen großen Menschen haben fast alle mit manchen Tieren eurer Erde den Winterschlaf gemein, da der Winter auf diesen vier kleinen Erden manchmal mehr als zwei Erdjahre fortdauert, manchmal aber auch kürzer ist, je nachdem ein solcher Planet sich bald mehr oder weniger, zufolge seines unregelmäßigen Laufes, der Sonne nähert.

[NS.01_035,08] Wie verschieden und unregelmäßig der Lauf ist, kann euch der Umstand belegen, daß diese sämtlichen vier Planeten zwischen der Mars- und Jupiter-Bahn um die Sonne also herumschwärmen, daß sich ein oder der andere dieser Planeten bald der Mars- bald wieder der Jupiter-Bahn nähert, während doch diese beiden Bahnen ziemlich viele Millionen Meilen voneinander abstehen.

[NS.01_035,09] Der Grund, warum diese vier Planeten gewisserart wie verlassen im Himmelsraum umherschwärmen, ist die einstmalige Trennung eines einzigen Planeten in vier Teile, – bei welcher Trennung viele und sehr bedeutende Teile in den großen Weltenraum hinaus zerstreut wurden und fast alle Planeten dieser Sonne, wie auch die Sonne selbst, mehrere und darunter ziemlich bedeutende Partikel erhielten. Dennoch aber blieben vier Teile auf diese Weise als abgerundete kleine Planeten mit ihren Gewässern an der Stelle ihrer Trennung zurück und bekamen eine neue Richtung in ihrem Lauf um die Sonne.

[NS.01_035,10] Die wenigen übriggebliebenen Menschen samt den wenigen Tieren und Pflanzen schrumpften dann auf diesen vier gewisserart neugestalteten Planeten ebenso zusammen wie die Planeten selbst.

[NS.01_035,11] Nun sehet, solches war hier notwendig vorauszuschicken, damit uns der dritte südliche Sonnengürtel desto ersichtlicher werden kann. – Wie sieht es demnach hier aus?

[NS.01_035,12] Dieser Gürtel ist von seinem nördlichen Korrespondenten gewaltig verschieden. Denn fürs erste ist er sogleich vom zweiten südlichen Gürtel nebst dem hohen Gebirgsringe auch noch durch einen breiten Wassergürtel getrennt. Sodann fängt erst ein überaus gebirgiges Land an, welches äußerst wenig Ebenen hat, und die wenigen Ebenen selbst sind noch mit Wasser bedeckt. An vier Punkten wird dieses Land sogar durch ein breites Gewässer von einem Gebirgsring bis zum andern also getrennt, daß es den Bewohnern des einen Landes nicht möglich ist, zu den Bewohnern des andern Landes zu gelangen. Denn die Einbuchtung des eigentlichen Ringwassers an einer solchen Stelle ist so groß, daß eure größten Weltumsegler sich nicht getrauen würden, darüber zu segeln, – fürs erste wegen der großen Wasserfläche, und fürs zweite, weil das Ringmeerwasser besonders in diesen Einbuchtungen fortwährend überaus stürmisch und von Wellen überdeckt ist, die manchmal größer sind als die höchsten Berge auf eurer Erde, über welche also zerrissene Wasseroberfläche sich wohl auch sicher selbst der allerbeherzteste Schiffer eurer Erde nicht wagen würde.

[NS.01_035,13] Diese vier, dergestalt voneinander getrennten Länder sind auch zugleich die allerkärglichsten auf der ganzen Sonne. Sie werden von den allerkleinsten Menschen bewohnt, welche nur irgendwo auf dem ganzen Sonnenkörper vorkommen. – Pracht ist hier nirgends zu erblicken, außer allein die des über den ganzen Sonnenkörper gleich verbreiteten eigenen Lichtes.

[NS.01_035,14] Auch hier haben die Menschen keine Wohnhäuser, sondern graben sich ebenfalls in die Berge ungefähr also gestaltete Löcher, deren vordere Mündung aussieht wie der Durchschnitt eines stumpfen Kegels. Solche Löcher gehen etwa bis zehn Klafter tief in den Berg hinein und sind in ihrem innersten Raum ebenfalls mit einer Art Nest versehen, welches den Bewohnern dieses Gürtels zur Lagerung und Ruhe dient. Wenn ein solches Nest schon ziemlich stark abgelegen ist, dann wird es ausgewechselt und mit einem neuen vertauscht.

[NS.01_035,15] Ebenso mager sieht es auch mit der Vegetation aus. Diese besteht ebenfalls nur in einigen wenigen Kräutern und in zwei gesträuchartigen Baumgattungen, auf welchen Früchte in ziemlich reichlicher Menge vorkommen, welche euren Haselnüssen und Mandeln gleichen. Eine saftige Frucht gibt es nirgends; nur die Wurzel eines Krautes, welches ungefähr euren weißen Rüben gleicht, aber um ein bedeutendes kleiner ist als diese, ist das einzige saftige Aliment, welches auf diesem Sonnengürtel vorkommt.

[NS.01_035,16] Ebenso dürftig ist dieser Gürtel mit den Tieren ausgestattet. Die Bewohner haben nur zwei Gattungen vierfüßiger Haustiere. Das eine hat ungefähr die Gestalt des Zobels eurer Erde, nur die Wolle ist reichlicher und zarter. Aus dieser Wolle verfertigen sich die Einwohner auch eine dürftige Kleidung, welche ungefähr so fabriziert wird, wie ihr verfertiget eure sogenannte Baumwollwatte. Sie legen nämlich diese Wolle auf eine ebene Fläche hin, etwa auf einen von Natur aus platten Stein (denn hier ist der Erdboden der Sonne sehr steinig). – Auf dieser Platte drücken sie dann die Wolle glatt nieder und bestreichen die Oberfläche mit einem klebrigen Saft, welchen ihnen eine Wurzel abwirft. Durch diesen Anstrich werden dann die Wollhaare miteinander verbunden, und das ziemlich dauerhaft so, als wären sie bei euch etwa mit einem aufgelösten Gummi elasticum überstrichen. Auf diese Art werden ziemlich lange und breite Blätter zustande gebracht. Aus diesen Blättern schneiden sie dann ihr überaus einfaches Kleid, welches in nichts anderem besteht als in einer einzigen, etwas steifen Schürze um die Lenden zur Bedeckung ihrer Scham; alles andere aber ist bloß.

[NS.01_035,17] Die Gestalt dieser Menschen ist an und für sich nicht abstoßend; besonders sieht das weibliche Geschlecht immerhin recht artig aus. Nur sind die Menschen im Durchschnitt kaum so groß als etwa fünf- bis sechsjährige Kinder bei euch.

[NS.01_035,18] Diese Menschen bewohnen am liebsten ziemlich hohe Gegenden; denn vor den Gewässern haben sie eine große Furcht. Sie meinen auch, wenn sie irgendein großes Gewässer erblicken, daß allda die Welt ein Ende habe und daß das Gewässer immer steige; zu welcher Idee sie das starke Wogen der großen Gewässer verleitet, aus welchem Grunde sie denn auch, wie schon bemerkt, sich vorzugsweise auf den höheren Gegenden ihrer Ländereien aufhalten.

[NS.01_035,19] Das wäre sonach das Landeigentümliche dieses Gürtels und die Bewohnbarkeit desselben von Seite der Menschen. – Es braucht dazu noch kaum erwähnt zu werden, daß allda nirgends auf dem Lande irgendein Luftbewohner zu erspähen ist; wohl aber gibt es dergleichen über den Gewässern, welche auch an und für sich von allerlei Getier belebt sind.

[NS.01_035,20] Da wir nun solches alles wissen, so bleibt uns nichts übrig, als auch noch die staatliche, häusliche und religiöse Verfassung zu erfahren; und haben wir diese erfahren, so haben wir auch schon alles Bemerkenswerte dieses ganzen Gürtels beschaut.

[NS.01_035,21] Was da die staatliche Verfassung betrifft, so besteht diese in nichts anderem, als daß sich die wenigen Menschen soviel als möglich familienweise voneinander entfernt absondern, damit zwischen einer und der andern Familie nie Eigentums- oder Grenzstreitigkeiten vorfallen mögen.

[NS.01_035,22] Bei einer Familie aber ist der älteste gleichsam ein herrschendes Oberhaupt, leitet alle anderen Glieder seiner Familie und bestimmt eines zu dem und ein anderes wieder zu etwas anderem.

[NS.01_035,23] Ihre Handwerkszeuge bestehen in nichts anderem als in einer kleinen Handschaufel, welche sie aus einer Art Ton bereiten. Dieses also bereitete Werkzeug wird an einen Ort gelegt, wo die Strahlen des Sonnenlichtes schon heftiger wirken; durch diese Strahlen wird dieses Werkzeug steinfest und ist dann schon völlig tauglich zum Gebrauche.

[NS.01_035,24] Der Gebrauch dieses Werkzeuges aber besteht zuallermeist in dem, daß sie mittels desselben ihre Wohnlöcher in den Boden der Berge eingraben. Ein zweiter Gebrauch dieses ziemlich scharfen Werkzeuges besteht dann auch darin, daß sie damit notdürftig ihre Kleidungsstücke zuschneiden oder vielmehr zuhacken. Und fürs dritte graben sie auch mittels dieses Werkzeuges ihre Kräuter und Wurzeln aus der Erde.

[NS.01_035,25] Noch ein Werkzeug, welches sie ebenfalls auf dieselbe Weise bereiten, besteht in einer Art Kamm. Mit diesem Kamm reißen sie dem bekannten Tier seine Wolle vom Leibe, welche aber gewöhnlich, wenn sie gewisserart reif geworden ist, sehr leicht von ihm zu bringen ist. Dann gebrauchen sie dieses Werkzeug auch noch für ein zweites, aber nur seltener vorkommendes Haustier, welches ungefähr so aussieht wie eine Miniaturkuh bei euch, und bei welchem kein Unterschied ist zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht. Dieses Tier hat acht Milchzitzen am Bauche. Wenn sie dieses Tier melken wollen, so schieben sie die eben nicht gar zu großen Zitzen zwischen die Zähne des Kammes und kämmen gewisserart die Milch aus den Zitzen, welches gewöhnlich über einem etwas ausgehöhlten glatten Steine geschieht.

[NS.01_035,26] Haben sie die Milch auf diese Weise ihrer Miniaturkuh ausgekämmt, dann lassen sie das gutmütige Tier wieder sein Futter suchen. Sie aber rühren dann in diese Milch zerstoßene Früchte ihrer Zwergbäume und bereiten sich auf diese Weise ein ihnen überaus wohlschmeckendes Mus, welches sie dann mit den Händen herausfassen und ganz behaglich verzehren.

[NS.01_035,27] Das ist aber nun auch alles, worüber sich ihre häusliche Verfassung erstreckt. – Und so hätten wir beinahe mit einem Hiebe die staatliche und häusliche Verfassung dargetan.

[NS.01_035,28] Ihre Religion ist aber auch ebenso einfach wie ihre Verfassung, sowohl politischer- als häuslicherseits.

[NS.01_035,29] Sie glauben an einen Gott, der da nach ihrer Vorstellung ein überaus großer, vollkommener und über alles mächtiger Mensch ist, und wissen auch, daß dieser überaus vollkommene Mensch Himmel und Erde gemacht hat.

[NS.01_035,30] Sie sind überaus demütig und furchtsam und haben daher auch eine überaus große Furcht vor diesem allervollkommensten Menschen. Sie haben auch Kenntnis vom Himmel und von der Hölle und kennen ihre Unsterblichkeit.

[NS.01_035,31] Die Hölle fürchten sie überaus stark; aber für den Himmel halten sie sich fortwährend für zu schlecht. Aus diesem Grunde haben sie dann auch eine bedeutende Furcht vor dem Tode des Leibes und suchen daher auch das Leben desselben solange als nur immer möglich zu erhalten.

[NS.01_035,32] Einige Älteste haben wohl auch manchmal sichtbare Zusammenkünfte mit den Geistern verstorbener Menschen ihresgleichen. Aber sie haben nie eine große Freude daran, wenn ihnen diese erscheinen; denn solches gilt ihnen allzeit als ein Zeichen, daß sie bald ihre Welt werden verlassen müssen.

[NS.01_035,33] Wenn ihnen solche Geister kundgeben, daß jener vollkommene Mensch sie überaus liebevoll aufgenommen habe, so freuen sie sich wohl sehr darüber; aber sich selbst halten sie stets für überaus unwürdig einer solchen Gnade. Denn sie sagen: Wir sind ja zu gering für solch einen Herrn, daß Er uns nur ansehen möchte, geschweige erst aufnehmen in eine höhere Gnade aus Ihm!

[NS.01_035,34] Sie beten daher auch sehr emsig und danken für alles, was sie genießen, ja sogar, wenn sie die kärglichen Früchte von ihren kleinen Bäumchen ablösen, für jede einzelne Frucht; und so auch für jedes einzelne Kräutchen, welches sie aus dem Boden der Erde nehmen, danken sie ganz inbrünstigst, halten sich dabei stets für unwürdig eines solchen Geschenkes und können nicht begreifen, wie dieser überaus vollkommene Mensch ihrer so überaus wohl gedenken kann!

[NS.01_035,35] Sehet, in solchem besteht die ganze, völlig zeremonienlose Religion. – Wenn ihr aber schon durchaus etwa irgendeine Zeremonie haben wollt, so besteht diese einzig und allein in dem ehelichen Verbande zweier Gatten.

[NS.01_035,36] Dieses eheliche Bündnis aber besteht wieder in nichts anderem als in einer gegenseitigen Umarmung und darauf folgenden Segnung des Ältesten einer Familie; sodann in einer allgemeinen Danksagung, und endlich in dem bald darauf erfolgenden Beischlafe, welcher Akt auch bei diesen Menschen zu den größten und erhabensten Feierlichkeiten gehört.

[NS.01_035,37] Ihre Toten umwickeln sie ganz mit allerlei Kräutern, graben dann in einer unteren Gegend ein ähnliches Loch in das Erdreich wie da ist ihre Wohnung, und legen in dieses offene Grab ihre Verstorbenen. Die Kräuter geben sie ihnen darum hinzu, damit diese, so sie allenfalls wieder erwachen möchten, sogleich eine Nahrung bei sich finden sollen.

[NS.01_035,38] Sie besuchen wohl auch in Gesellschaft ein solches Grab; da aber ihre Leiber überaus schnell verwesen, und sie darauf von ihren Verstorbenen gewöhnlich nichts mehr vorfinden, so sind sie der Meinung, daß entweder diese Verstorbenen wieder wach geworden sind und jetzt irgendwo herumirren, oder daß sie von Geistern abgeholt worden sind.

[NS.01_035,39] Aus diesem Grunde beten sie dann auch sehr vielfältig für ihre Verstorbenen und wünschen ihnen von ganzem Herzen alles Glück.

[NS.01_035,40] Nun haben wir aber auch schon alles beisammen, was da diesen Gürtel betrifft. Daher wollen wir uns auch von ihm hinwegwenden und fürs nächste Mal den vierten Gürtel betreten, auf welchem wir uns schon ein wenig länger werden verweilen müssen, weil wir da wieder sehr große Dinge zu sehen bekommen werden. – Und somit gut für heute!

 

36. Kapitel – Das vierte Sonnengürtelpaar – entsprechend dem Planeten Jupiter. – Die dortigen Menschen.

[NS.01_036,01] Was diesen vierten Gürtel betrifft, so sage Ich es euch gleich im voraus, daß der vierte Gürtel sowohl nördlicher- als südlicherseits dem großen Planeten Jupiter entspricht. – Ihr wißt, daß dieser Planet von allen Planeten wohl der größte und wohl um viertausendmal größer ist als eure Erde. Also sind auch die entsprechenden Gürtel die größten und herrlichsten nach dem Mittelgürtel, welcher an und für sich die eigentliche Sonnenwelt ausmacht und Entsprechungen hat mit all den andern Gürteln der Sonne.

[NS.01_036,02] Wie groß ist demnach der vierte, dem Planeten Jupiter entsprechende Gürtel, das heißt, sowohl nördlicher- als südlicherseits zusammengenommen? – Beide Gürtel zusammengenommen dürften wohl eine Breite von zwanzigtausend Meilen haben. Und ihre Länge dürfte im Durchschnitt bei zweimal hunderttausend Meilen betragen. Aus dieser Flächenmaßanzeige geht wohl hervor, daß dieser vierte Gürtel also auch vieles und Großartiges in sich fassen muß, da er an und für sich von einer so bedeutenden Flächenausdehnung ist.

[NS.01_036,03] Auch dieser Gürtel ist vom vorhergehenden durch einen überhohen Gebirgsgürtel getrennt. Dieses Gebirge ist überaus hoch und besteht zumeist aus dem allerhärtesten, weißen Marmor, welcher durch den allergrößten Hitzegrad nicht schmelzbar ist. Die höchsten Spitzen, welche gar wohl in die höchste Lichtatmosphäre der Sonne ragen, sehen zwar aus, als wären sie beständig weißglühend; allein solches ist mitnichten der Fall. Sie erscheinen nur darum so glänzend, weil ihre höchsten Scheitel für euch unbegreiflich weiß sind und daher von ihrer Oberfläche alle Strahlen, die von irgendwoher auf sie fallen, ganz vollkommen wieder zurückwerfen.

[NS.01_036,04] Die ziemlich ebenmäßig fortlaufenden Wände dieses hohen Gebirges werden zuunterst wieder von einem über zweitausend deutsche Meilen breiten Wasserring bespült, welches Wasser aber dennoch nicht ganz ununterbrochen fortläuft, sondern an vielen Stellen große Inseln und noch größere Halbinseln und bedeutende Landzungen aufzuweisen hat, welche Ländereien samt und sämtlich von den Menschen dieses Gürtels bewohnt werden.

[NS.01_036,05] Das Land selbst aber ist mehr flach als gebirgig. Und die Berge, welche auf dem Lande vorkommen, sind bei weitem nicht so hoch wie die Berge anderer, uns schon bekannter Gürtel. Dennoch aber sind sie (über dem Meeresspiegel der Sonne) viel höher als die höchsten Berge auf eurer Erde; aber sie sind nicht so steil und unersteigbar wie die eurigen. – Das Land selbst hat auch eine große Menge Seen, Ströme, Flüsse, Bäche und Quellen und ist daher an und für sich überaus gesegnet und fruchtbar.

[NS.01_036,06] Das Tierreich ist hier überaus zahlreich. Und das Land ist durchgehends reichlich bewohnt von Menschen.

[NS.01_036,07] Nun wüßten wir, wie das Land beschaffen ist, und wollen uns daher sogleich nach unserer alten Ordnung zum Menschen dieses Landes wenden. – Wie sehen denn hier die Menschen aus? – Was haben sie für eine Verfassung und was für eine Religion, und wie stehen alle anderen Dinge zu ihnen im Verhältnis? – Dieses alles wollen wir einmal mit einer allgemeinen Antwort dartun, sodann erst zum Sonderheitlichen schreiten.

[NS.01_036,08] Was die Menschen betrifft, so sind sie fürs erste ihrem Leibe nach außerordentlich groß, ihrer Gestalt nach äußerst wohlgebildet und ihrem Charakter nach die allersanftesten und allerbesten Menschen der ganzen Sonne.

[NS.01_036,09] Was ihre Verfassung betrifft, so ist diese fürs erste durchaus patriarchalisch und im Grunde ebenfalls theokratisch und sorgt in jeder Hinsicht für das allgemeine Wohl.

[NS.01_036,10] Also ist auch ihre Religion höchst einfach, ohne alle Zeremonie. Und die Bildung ihrer Kinder besteht demnach ebenfalls in nichts anderem als allein nur in dem, was da betrifft die vollkommene Einswerdung mit den Himmeln und mit dem Herrn.

[NS.01_036,11] Also hätten wir im allgemeinen dargetan die wichtigsten Verhältnispunkte der Menschen dieses Gürtels und wollen sonach zur sonderheitlichen Betrachtung übergehen.

[NS.01_036,12] Was also fürs erste die Größe des Mannes betrifft, so ist dieser nicht selten vom Fuße bis zum Scheitel hundert Klafter eures Maßes groß. – Was hat er für eine Farbe? – Sanft weiß, das heißt, ein wenig ins Blaurötliche übergehend, ungefähr so, wie da ist die Farbe eines Amethystes; aber nur natürlich um vieles blasser. Hier und da kommt eine solche Leibesfarbe sogar auf eurer Erde vor, und zwar namentlich bei den Gebirgsvolksstämmen des Kaukasus in Asien, wo auch besonders zart gebildete Weiber eine ähnliche Leibesfarbe aufzuweisen haben, besonders zur Zeit, wenn sie von der häufigen Gletscherluft angeweht werden. Also ist auch die Farbe der Bewohner dieses vierten Gürtels beschaffen.

[NS.01_036,13] Was haben sie wohl für eine Gesichtsbildung? – Ihr Gesicht ist durchaus männlich, das heißt, es ist keine Fratze, wie es dergleichen auf der Erde unter den Männern eine Menge gibt; aber im übrigen mehr abgerundet und sanfter als bei dem männlichen Geschlecht auf eurer Erde. Die Lippen sind ausgezeichnet, also auch die Mundwinkel. Das Kinn ist ziemlich hervorragend, aber nicht scharf markiert, sondern mehr sanft abgerundet und durchgehends bartlos. Das Haupthaar ist reichlich und lang und ist von dunkelbrauner Farbe; also sind auch die Augenbrauen und Augenlider gefärbt. Die Stirn ist hoch und gegen die Haare ausgezeichnet weiß. Die Ohren stehen in gutem Verhältnis mit den übrigen Gesichtsteilen, ebenso auch die Nase.

[NS.01_036,14] Der Hals ist proportioniert lang und rund, die Schultern sind sehr breit, und die Arme stehen in gutem, wohlabgerundetem Verhältnis mit den Schultern. Nur die Handflächen sind im Verhältnis zur übrigen Hand ungefähr um ein Fünftel größer, als es bei euch der Fall ist. – Die Nägel an den Fingern sind von derselben Farbe wie da ist der Leib; nur an ihren Enden werden sie ums Bedeutende blasser und sind überaus stark.

[NS.01_036,15] Also steht auch der ganze übrige Leib bis an die Hüfte in gutem Verhältnis. Das Gesäß jedoch ist wieder etwas hervorragender als bei euch auf der Erde. Die Folge dieses Hervorragens ist ein immerwährend überaus gerades Halten, besonders wenn ein solcher Mann steht und nicht geht. Der Grund aber liegt in dem, weil, wenn der Mann geht, er sich schon von Kindheit an stark vorwärts geneigt hält.

[NS.01_036,16] Die Füße sind dann wieder vollkommen regelmäßig. Also auch die Schamteile. Nur die Fußschaufeln sind wieder im Verhältnis etwas größer, als solches bei euch der Fall ist.

[NS.01_036,17] Wie ist denn der Mann bekleidet? – Das Kleid des Mannes – wie auch des Weibes – besteht in nichts anderem als in einer Vorschürze, um dadurch die Schamteile zu decken; alles andere ist bloß. Dessenungeachtet aber herrscht doch fast nirgends eine größere Züchtigkeit als bei diesen Gürtelbewohnern. – So ist also der Mann bestellt.

[NS.01_036,18] Das Weib ist um den ganzen Kopf des Mannes kleiner und ist in allen seinen Teilen überaus vollkommen abgerundet gebildet. Seine Haut ist noch ums Mehrfache feiner als die des Mannes; aber dessenungeachtet ist sie dennoch an und für sich dicker als die des Mannes. So möchte zum Beispiel die Haut des Mannes im Durchschnitt eine Dicke von etwa anderthalb Spannen eures Maßes haben; die des Weibes aber ist gut zwei Spannen dick, aber dabei viel weicher als die Haut des Mannes (und auch viel weicher und elastischer als die Haut der Weiber auf eurer Erde), und ist allenthalben überaus fein porös.

[NS.01_036,19] Die Brust der Weiber ist vollkommen rund und sitzt also am Brustblatte wie etwa zwei große Halbkugeln, welches dort für das Allerschönste gehalten wird.

[NS.01_036,20] Also ist auch das Gesicht überaus anziehend freundlich schön. Und das Haar des Hauptes geht bei den Weibern noch bedeutend unter das Knie und ist überaus reichlich. Die Farbe des Haares aber ist etwas lichter als die Farbe des Mannshaares.

[NS.01_036,21] Das Weib ist im allgemeinen fast auf keinem Planeten so schön gebildet wie hier. Und die Männer halten auch ziemlich große Stücke auf die leibliche Schönheit des Weibes. Denn sie sagen: Wenn das Weib eines gerechten Herzens und daraus eines gerechten Geistes ist, so muß auch ihr Leib ein gerechtes Ebenmaß haben. Hat aber der Leib ein solches Ebenmaß nicht, so muß das irgendeinen Grund haben, warum bei einem Weibe der Leib nicht die volle Gerechtigkeit erlangt habe. Die vollkommenste Gerechtigkeit aber ist von Seite des Herzens die beständige Fülle der Liebe zum Herrn, welche da ist die Nahrung des Geistes zum ewigen Leben. Der Geist aber ist der Werkmeister des Leibes; wurde er durch einen gewissen Grad der Ungerechtigkeit des Herzens verkümmert, so muß ja notwendig auch sein Werk verkümmert aussehen. Ob solche Ungerechtigkeit von den Eltern oder Kindern abhängt, solches ist zu ermitteln. Hängt sie von den Eltern ab, so sind die Kinder schuldlos; und an uns ist es, ihnen eine solche Verkümmerung nicht anzurechnen. Liegt die Ungerechtigkeit aber in ihrem eigenen Herzen zugrunde, so ist es unsere Pflicht, in ihnen ein gerechtes Herz schaffen zu helfen, um dadurch, wenn noch möglich, auch die Gerechtigkeit des Leibes wieder herzustellen. Wo aber solches nicht mehr tunlich sein sollte, da ist es unsere Pflicht wenigstens das Herz für sich allein also zurechtzubringen, daß der Geist von demselben die gebührende Nahrung fürderhin erlangen kann.

[NS.01_036,22] Sehet, aus diesem Grunde halten denn die Bewohner dieses Gürtels sehr große Stücke auf eine vollkommene leibliche Schönheit, besonders, wie schon gesagt, bei den Weibern; und lieben dieselben ungemein, wenn sie ihrer Ordnung gemäß sind. Ein unordentliches Weib aber wird gering geachtet und, wenn sie nicht in ihre Ordnung tritt, bald einer unangenehmen Schule unterworfen.

[NS.01_036,23] Das wäre nun alles, was sich über die Gestalt der Menschen dieses Gürtels als denkwürdig darstellen läßt. – Nächstens wollen wir ihre Haushaltung in den Augenschein nehmen. Und daher gut für heute!

 

37. Kapitel – Wohn- und Wirtschaftshäuser auf dem vierten Gürtelpaar.

[NS.01_037,01] Bevor wir zur eigentlichen Haushaltung übergehen können, wird es notwendig sein, mit den Wohnhäusern dieser Menschen zuvor eine kleine Bekanntschaft zu machen; denn ohne Haus gäbe es auch keine Haushaltung. Danach können wir die Frage tun: Wie sehen denn die Häuser aus, in denen diese berghohen Menschen wohnen, und woraus sind sie verfertigt?

[NS.01_037,02] Die Wohnhäuser dieser großen Menschen haben ziemliche Ähnlichkeit mit den Wohnhäusern des mittleren Hauptgürtels der Sonne und sind erbaut aus Steinen und Holz. Nur sind sie natürlicherweise im Verhältnis größer, wie auch die Menschen größer sind als auf dem Mittelgürtel. Doch müßt ihr das Verhältnis nicht allzugenau nehmen; denn im Mittelgürtel haben die Wohnhäuser, wie auch alle anderen Gebäude, mehr eine Prachthöhe als eine notwendige. Die Wohnhäuser dieses Gürtels aber sind nicht nach der Pracht, sondern nach dem Bedarf verfertigt. Und so werdet ihr nirgends ein höheres Gebäude finden als höchstens von zweimaliger Höhe eines dortigen Menschen; in welchen Gebäuden sich aber nirgends irgendwo Galerien und dergleichen Erhöhungen vorfinden, wie wir sie in den Wohnhäusern des Mittelgürtels wie auch in den ersten beiden Nebengürteln kennengelernt haben, sondern ihre Bewohnbarkeit ist zu ebener Erde.

[NS.01_037,03] Bevor wir aber noch die innere Einrichtung beschauen wollen, müssen wir doch die Form des Hauses und auch dessen allfällige Größe in Augenschein nehmen. – Die Form eines solchen Hauses samt dessen Größe aber wird sich am besten vor unseren Augen darstellen, wenn wir ein solches Haus vom Grunde werden aufbauen sehen; und so gebet denn acht.

[NS.01_037,04] Sehet, hier in einer großen Ebene wird soeben ein neues Wohnhaus errichtet. Ein Fleck von zweitausend Klaftern Länge und zweihundert Klaftern Breite, im geraden Viereck, ist dazu bestimmt. Ihr müßt euch aber darunter keine vollkommen mathematische Quadratfläche denken, sondern vielmehr eine zweihundert Klafter breite und zweitausend Klafter lange Bahn, welche zwar zu beiden Seiten der Länge nach geradlinig fortläuft, aber beim ersten Anfang etwas der Breite nach eingebogen, wie am andern Ende etwas ausgebogen ist.

[NS.01_037,05] Zu beiden Seiten, der Länge nach, seht ihr die Bewohner fünfhundert Säulen aufbauen, welche zweihundert Klafter hoch werden müssen. Eine jede Säule hat einen Durchmesser von fünfundzwanzig Klaftern. – Der Breite nach seht ihr sie beim Anfang, und somit auch beim Eingang, nur zwanzig Säulen auf dieselbe Weise aufführen, welche Säulen aber keinen so großen Durchmesser haben wie die der Länge nach. Das Ende aber seht ihr vollkommen geschlossen.

[NS.01_037,06] Über diese Säulen seht ihr die Erbauer mächtige Balken legen und innerhalb der Bahn noch zwei Reihen zwar gleich hoher, aber im Durchmesser um vieles weniger dicke Säulen errichten; und sehet sie alle diese Säulen wieder mit mächtigen Balken kreuz und quer verbinden. Und sehet ferner, wie da über diese Balken allenthalben verhältnismäßig starke Dielen gelegt werden, welche genau aneinanderpassen müssen, und das also, daß nirgends eine Fuge entdeckt werden kann.

[NS.01_037,07] Nun sind die Dielen gelegt. Jetzt sehet, wie da über denselben drei Dachgerüstreihen aufgeführt werden, von denen die mittlere um die Hälfte höher ist als die beiden äußeren. – Nun sind auch die Gerüste fertig. Sehet weiter! Diese Gerüste werden mit einer Art Latten verbunden, welche aber so nahe aneinander über das Gerüst angeheftet werden, daß zwischen der einen und der andern Latte nicht mehr als eine Linie Raum bleibt.

[NS.01_037,08] Nun wäre auch diese Arbeit vorüber. – Jetzt sehet, rings um das ganze Gebäude sind große Haufen Dachplatten aufgeschichtet. Auf mächtig starken Leitern steigen die riesigen Menschen auf und ab und decken das Dach, welche Deckung ganz auf dieselbe Art vor sich geht, wie wir sie im Mittelgürtel gesehen haben. – Die Platten sind nach innen ganz dunkel, nach außen aber sehen sie aus, als wären sie von feinst poliertem Golde.

[NS.01_037,09] Die Enden der Dachung, das heißt der Breite nach, werden zierlich mit diesem Golddachblech eingebogen und gewisserart eingefaßt. Im übrigen aber werden die Dachgänge offengehalten, damit durch dieselben beständig frische Luft streiche und das ganze Gebäude von oben herab in kühlem Zustande erhalte.

[NS.01_037,10] Da wir jetzt alles dieses geistig mit angesehen haben, so haben wir auch schon die Form und die Größe des Hauses. – Es bleibt uns demnach nur noch übrig, das Innere desselben ein wenig in Augenschein zu nehmen. Und so wird uns bald das ganze Wohngebäude bekannt sein und auch dessen eben nicht zu sehr komplizierter Zweck.

[NS.01_037,11] Sehet, zwischen den Mittelsäulen befindet sich der Länge nach, von der zweiten Säule angefangen, eine bei zwanzig Klafter eures Maßes hohe Wand, welche in der Mitte zwischen zwei Säulen eiförmig ausgebaucht ist, und das zu beiden Seiten. Seht ferner, wie das Oberste dieser Wand mit weichem Polsterwerk belegt ist. Ich meine, ihr werdet nicht lange raten dürfen, was da wohl der Zweck dieser Wand sein möchte. Diese Wand ist der eigentliche Ruheplatz eines solchen Wohnhauses, auf welchem die Menschen nach irgendeiner Arbeit auszuruhen pflegen.

[NS.01_037,12] Zwischen den äußeren Säulen aber erblicket ihr ebenfalls bei fünfzig Klafter hohe Halbsäulen. – Wozu dienen denn diese? – Sehet nur hinauf, wie ihre Flächen mit allerlei Früchten belegt sind, und ihr werdet nicht lange zu raten haben, um den Zweck dieser Säulen zu bestimmen. Sie sind die Speisetische der Bewohner dieses Gürtels.

[NS.01_037,13] Nun verfügen wir uns noch bis an das geschlossene Ende unseres großen Wohnhauses, welches ziemlich stark nach außen hinausgebogen ist. – Sehet, wie da ungefähr dreißig Klafter über dem Boden ebenfalls eine Erhöhung aufgebaut ist, die sich gegen das Innere des Wohnhauses, gegen die mittlere Reihe der inneren Säulen, ausbauchet und zuoberst eine Fläche hat, die sich an die ausgebogene Rundwand anschließt, so daß sie dadurch ungefähr eine solche Form darbietet, als wenn ihr ein Ei der Länge nach durchschneiden würdet.

[NS.01_037,14] Sehet ferner, wie auch diese Fläche, welche mehrere hundert Quadratklafter mißt, mit weichen Polstern über und über belegt ist. Wozu möchte wohl dieser erhabenere Ruheplatz dienen? – Dieser ist fürs erste der Hausvatersitz und fürs zweite auch der Lehrstuhl zum Unterricht für die ganze Familie von seiten des Vaters.

[NS.01_037,15] Sehet, jetzt sind wir schon mit dem ganzen Wohnhause fertig, welches für die drei einfachen Zwecke errichtet ist, nämlich für die Ruhe, für die Mahlzeit und fürs Lehramt.

[NS.01_037,16] Gibt es neben diesem Wohnhause keine anderen, gewisserart wirtschaftlichen Gebäude mehr? – Ein jedes Wohnhaus hat noch auf beiden Seiten seines Anfanges, in der Entfernung von etwa zweihundert Klaftern, zwei ebenso große Rondelle, welche aber aus einer geschlossenen und mit einigen runden Fenstern versehenen Wand bestehen. Jedes dieser Rondelle hat gegen das Wohngebäude zu eine für die Menschen verhältnismäßig hohe und breite Tür; aber das Rondell hat kein Dach, sondern ist offen. Die Wände sind nach innen mit allerlei Galerien versehen, welche aber nicht die Bestimmung haben, daß auf denselben herumgegangen werden solle, sondern sie haben allein nur die Bestimmung zur Aufbewahrung der notwendigen Hausgerätschaften, welche samt und sämtlich in dem einen Rondell aufbewahrt werden.

[NS.01_037,17] Das andere Rondell ist eine Speisevorratskammer und in mancher Hinsicht auch eine Küche. Denn in diesem Gürtel werden auch ein und die anderen Früchte gesotten und dann erst genossen. – Zu diesem Behufe ist auch in der Mitte dieses zweiten Rondells ein bei fünfzig Klafter über dem Erdboden erhabener Herd aufgeführt, welcher einen Durchmesser von sechzig bis siebzig Klaftern hat. In der Mitte dieses Herdes ist eine Vertiefung, in welche eine Art Erdöles gegossen wird. Dieses Erdöl wird durch einen aus gewissen Steinen geschlagenen Funken leichtlich entzündet, brennt dann mit einer heftigen und ganz weißen Flamme, welche einen großen Hitzegrad um sich verbreitet und die kochbaren Früchte in den wahrhaften Goldtöpfen, welche in einem Kreis um die Flamme gestellt sind, gar bald zur gehörigen Weiche kocht. – Das ist sonach auch die ganze Einrichtung dieses zweiten Rondells.

[NS.01_037,18] Ein jedes Rondell für sich aber hat einen Durchmesser von fünfzehnhundert Klaftern eures Maßes. – Ihr werdet heimlich fragen: Da wir bei der Darstellung dieser Rondelle anfänglich vernommen haben, daß deren geschlossene Wände mit einigen runden Fenstern versehen sind, so ließe sich wohl fragen, welchen Zweck diese Fenster haben möchten, da die Rondelle selbst von obenher nicht geschlossen sind?

[NS.01_037,19] Diese Fenster sind wegen der Durchlüftung angebracht; denn in diesem wasserreichen Gürtel ist die Luft nicht selten ziemlich feucht, weshalb dann in geschlossenen Räumen sich leichtlich ein Moder, oder wenigstens ein die Gerätschaften und die Früchte zerstörender Rost oder Schimmel erzeugen könnte. Um sonach diesem Übel vorzubeugen, werden überall gehörige Luftöffnungen angebracht, damit die Luft die inneren Räume beständig trockne und reinige.

[NS.01_037,20] Da dieser Gürtel zufolge seiner großen Ebenen vorzugsweise sehr reich ist an verschiedenen Luftströmungen, so ist es auch begreiflich, daß die Bewohner, welche sehr weise sind, eben diese Luftströmungen gar wohl zu benutzen wissen. – Nun hätten wir wieder einen Teil, der da zur Bewohnung dieser Menschen gehört, kennengelernt.

[NS.01_037,21] Damit wir aber eine solche Haushaltung, was die Gebäude betrifft, vollkommen vor uns haben, so mache Ich euch zum Schluß noch auf den großen Tiergarten aufmerksam, der da hinter den beiden Rondellen sich, je nach der Beschaffenheit einer Grundfläche, ausbreitet. Dieser Tiergarten ist ebenfalls mit einer Art Mauer umfangen, welche vom Boden auf allenthalben gleichmäßig bei siebzig Klafter hoch ist, eine Dicke von fünf Klaftern hat und nach außen hinaus von hundert zu hundert Klaftern mit einer Lehn- oder Stützmauer versehen ist. Dieser Tiergarten in mittlerer Größe hat der Länge nach einen Durchmesser von zehntausend Klaftern. Und was dessen Breite betrifft, so hat er nach der Beschaffenheit der Fläche auch nicht selten sechs- bis achttausend Klafter.

[NS.01_037,22] Dieser Garten ist bestimmt für ein Tier, welches zwar auf dieser Erde nichts Ähnliches hat; dessenungeachtet aber steht es bei den Einwohnern in dem Ansehen der Schafe bei euch. Die Größe dieses Tieres möchte wohl die Größe eines Elefanten bei euch ums Hundertfache übertreffen. Der Kopf hat Ähnlichkeit mit dem Kopf eines Kamels bei euch; der Leib gleicht dem einer Kuh, die Füße denen der euch bekannten Giraffe, da die vorderen um die Hälfte höher sind als die hinteren. Der Schweif aber bildet eine Wollkugel, deren Wolle von den Einwohnern zur Bereitung ihrer Schürzen verwendet wird, und welcher Zweck auch der einzige ist, warum die Einwohner dieses Tier also häuslich halten.

[NS.01_037,23] Nun wüßten wir vorderhand alles, wie da eine vollkommene Haushaltung bei den Bewohnern dieses Gürtels gestaltet und bestellt ist. – Und so können wir uns denn auch füglichermaßen an ihre häusliche Verfassung machen, welche wir als Fortsetzung dieser gegenwärtigen Mitteilung ein nächstes Mal kundgeben wollen. – Und so lassen wir es heute wieder gut sein!

 

38. Kapitel – Wesens- und Lebensart der Bewohner des vierten Gürtelpaares.

[NS.01_038,01] Einen Teil der häuslichen Verfassung könnt ihr schon aus dem entnehmen, so ihr nur einigermaßen aufmerksamen Blickes betrachtet habt, wie da ein solches Wohnhaus bestellt ist. Dessenungeachtet aber gibt es auch noch andere Verhaltungsregeln, welche sich aus der Ordnung der Wohngebäude nicht herausfinden lassen. Um aber diesen Verhaltungsregeln auf eine überzeugende Spur zu kommen, ist es notwendig, zuvor den Charakter dieser Bewohner ein wenig näher kennenzulernen.

[NS.01_038,02] Die Menschen dieses Gürtels gehören zu den allersanftesten, welche je irgendwo die Sonne oder andere Planeten bewohnen; ja ihr ganzes Benehmen ist von einer so sanften und demütigen Art, daß ihr euch davon durchaus keinen Begriff machen könnt.

[NS.01_038,03] So zum Beispiel traut sich sogar kein Mann, völlig ausgestreckt aufrecht zu gehen, um dadurch das kleinere Weib nicht zu nötigen, aufwärts zu ihm zu blicken. Auch macht der Mann beim Gehen mit den Händen ziemlich große Bewegungen, um dadurch für das ihn stets begleitende Weib die Luft abzukühlen und gewisserart zu verdünnen, damit das Weib ihm leichter folge. So hält er ebenfalls auch seine Füße, mit denen er sonst sehr lange Schritte tun könnte, in den gehörigen Schranken und macht daher aus purer liebzärtlicher Rücksicht, statt bequeme, siebzig Klafter lange Schritte, nur kaum zwanzig Klafter lange, damit das Weib ihm ja überall leicht und ungezwungen folgen kann. So führt zum Beispiel nie ein Mann ein Weib neben sich, daß sie mit ihm gleichen Schrittes ginge; denn da müßte sie ja selbst mit der Luft kämpfen und hie und da auch einen rauhen Weg betreten. Sie muß ihm daher folgen, damit sie einen gut abgetretenen Weg hat und mit der Luft nicht kämpfen darf.

[NS.01_038,04] Also ist der Mann auch gegen seine Kinder. Sie werden in lauter Liebe großgezogen, und jeder Unterricht, den ein Vater seinen Kindern erteilt, ist so weich, einladend und anreizend wie die allerweichste Wolle in entsprechender Hinsicht genommen.

[NS.01_038,05] Ein unfreundliches Gesicht wird von den Sonnenbewohnern dieses Gürtels schon als eine Sünde betrachtet; daher machen diese Menschen immer sanft lächelnde Mienen und sind so weichherzig, daß sie beim Anblicke eines anscheinend noch so gering leidenden Bruders alsbald zu Tränen gerührt werden und sich alle erdenkliche Mühe geben, ihm auf jede mögliche Art zu helfen.

[NS.01_038,06] Wenn da ein Nachbar zum andern kommt und sich eine Gefälligkeit von ihm erbittet, so findet er das freudigste Entgegenkommen; denn eine größere Bereitwilligkeit, seinem Nächsten gefällig und dienlich zu sein, könnt ihr euch durchaus nicht vorstellen, als solches bei den Bewohnern dieses Gürtels gang und gäbe ist. Denn wenn zum Beispiel ein Nachbar zum andern kommt und bittet ihn um die Darleihe irgendeines Werkzeuges oder um etwas anderes, so gibt der ersuchte Nachbar nicht nur mit der größten zuvorkommendsten Freundlichkeit das ersuchte Stück, sondern er fragt ihn noch höchst nötig, ob er nicht noch mehr bedürfe. Und wenn der andere solches dankbarst freundlich verneint, so läßt sich's der ersuchte Nachbar dennoch nicht nehmen, daß er dem andern das ersuchte Stück selbst bis zu dessen Wohnung hinträgt und ihm daselbst noch obendrauf seine Dienste anträgt, falls der andere Nachbar etwa nicht vollkommen bequem mit dem Werkzeuge umgehen könnte.

[NS.01_038,07] Ersucht ihn der Nachbar aber etwa um Früchte oder Kleidungsstoffe, so wird dem ersuchenden Nachbarn nicht nur das Ersuchte zehnfach gegeben, sondern der Geber trägt es noch, wie zuvor das Werkzeug, eigenhändig in die Wohnung seines Nachbarn und bittet ihn inständigst, daß er ihm solches ja nie entgelten solle.

[NS.01_038,08] Noch außerordentlicher ist diese zuvorkommende Freundlichkeit gegen ganz Fremde, welche manchmal Bereisungen machen, um ihre Welt näher kennenzulernen. Solche werden schon allezeit mit der allergrößten Auszeichnung aufgenommen, und es wird einem solchen die größte Ehre bezeigt, die nur immer bei diesen Einwohnern gang und gäbe ist. Diese Ehre besteht aber darin, daß ein fremder Gast sogleich in das Wohnhaus geführt und ihm zum Ausruhen mit aller Zuvorkommenheit der Hausvaterstuhl angetragen wird. Da haben dann alle Familienmitglieder nichts Notwendigeres zu tun, als einem solchen Gaste alle erdenkliche Aufmerksamkeit zu bezeigen. Und es gibt dann allzeit eine überaus rührende Szene, wenn ein solcher Gast wieder, zufolge seiner Weiterreise, seine freundlichen Gastgeber verläßt.

[NS.01_038,09] Wahrlich, wenn bei euch auf der Erde die zärtlichste Mutter einen Sohn hätte, der da in ein weit entlegenes Land verreisen müßte, so ist die Szene einer solchen schmerzlichen Trennung kaum ein schwacher Schatten dagegen, was die Bewohner dieses Gürtels da für ein Leidwesen tragen, wenn sie ein solcher Gast wieder verläßt.

[NS.01_038,10] Wenn er sie verläßt, so wird er fürs erste von dem Hausvater und allen seinen Familiengliedern über und über gesegnet, damit er ja glücklich durch alle Länder kommen möchte, und daß er sie womöglich bei seinem Rückzug ja wieder besuchen solle. – Sodann wird er mit allem, was er nur immer benötigt, versehen. – Und endlich, wann er sich von seinem Gastgeber entfernt, wird ihm beinahe von der ganzen Familie so weit das Geleit gegeben, bis er sich wieder in der Nähe einer andern Wohnung befindet. Allda wird er wieder gesegnet; und wenn er sich dann empfiehlt, natürlich überaus dankbar für all die empfangene Freundschaft, so sehen ihm die Begleitenden noch so lange nach, bis er sich ihren Blicken völlig entwunden hat; alsdann erst kehren sie wieder um und reden auf dem ganzen Rückwege von nichts als von dem Fremden, und daß ihn der liebe, gute Herr Himmels und der Erde ja vor jeglichem Ungemach bewahren möchte.

[NS.01_038,11] Aus diesen wenigen Beispielen könnt ihr nun schon ganz gut auf den übrigen Charakter dieser überaus sanften Menschen, und aus diesem Charakter aber auch auf ihre anderweitige Hausverfassung schließen.

[NS.01_038,12] Da wird nie jemand beordert, etwa eine oder die andere Arbeit selbst zu verrichten, sondern wenn irgendeine Arbeit für nötig befunden wird, so wetteifert alles miteinander, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen, damit ja niemandem irgend zu hart geschehe. Die ganze häusliche Verfassung besteht demnach in nichts anderem als in der vollkommenen, allerwahrhaftigsten Nächstenliebe; aus dieser heraus ergeben sich dann alle anderen Regeln.

[NS.01_038,13] Es besteht unter ihnen nirgends ein positives Gesetz, sondern die Liebe ist ihr alleiniges Gesetz; aber nicht etwa positiv, sondern lebendig im Herzen eines jeglichen.

[NS.01_038,14] Wenn sich etwa jemand hier und da nur im geringsten verstoßen hat gegen dieses Gesetz, so wird er alsogleich mit der größten Liebe und Sanftmut ermahnt, indem ein Hausvater zu ihm spricht: „Siehe, siehe, mein lieber Sohn! Du hast dich in deinem Herzen ein wenig vergessen und hast nicht bedacht, daß der Bruder, der dich um eine kleine Gefälligkeit ersucht hatte, einen ewigen unsterblichen Geist, wie du, in sich trägt. Dieser Geist ist ein lebendiger Geist aus Gott und ist ein Teil Seiner unendlichen Liebe, welche gleichen Maßes ausgeht unendlich und ewig. – Was können wir wohl Größeres tun und was dem großen, lieben und guten Herrn Himmels und der Erde Wohlgefälligeres, als so wir Seine unendliche Liebe in allen unseren lieben Brüdern erkennen und dieselben darum achten und lieben aus dem Grunde unserer Herzen, weil sie so gut wie wir Teile der unendlichen Liebe Gottes sind!? – Wir haben ja kein Gesetz, als das: Liebet die Liebe! – Unsere Brüder aber sind ja so wie wir – Liebe aus Gott. Wie sollten wir sie denn nicht lieben und nicht alles mit der größten Freundlichkeit gerne tun, was wir nur immer erschauen können, das sie von unserer Seite benötigen dürften!? Es gibt ja ohnehin wenig Gelegenheiten, unseren lieben Brüdern und Schwestern zu dienen. Wenn wir aber selbst noch diese wenigen Gelegenheiten außer acht lassen, wie steht es dann mit unserer Liebe zu Gott, der uns mit Seiner unendlichen Liebe allenthalben zuvorkommt?“

[NS.01_038,15] Eine solche Lehre genügt aber auch vollkommen, um denjenigen, der sich irgendeinmal gegen seinen Bruder ein wenig vergessen hat, also zu bewegen, daß er seinem Bruder darnach das Versäumte oder Übersehene mit der allergrößten Sanftmut und Freundlichkeit hundertfältig nachträgt.

[NS.01_038,16] Sehet, darin besteht nun auch schon die ganze häusliche Verfassung. Ich wollte aber, daß sie auch also unter euch zu Hause wäre! Wäre sie also zu Hause, da würde ein jeder Mein Wort lebendig in sich tragen. Aber statt einer solchen Verfassung ist bei euch nur die Verfassung des vollkommenen Eigennutzes zu Hause. Und Mein Wort in euch und in gar außerordentlich vielen Menschen gleicht einem verwesenden Leichnam im Grabe, an dem nichts mehr lebendig ist, als die um denselben kriechenden Würmer des Eigennutzes, welche da mit der Zeit sogar noch den Leichnam, was da ist der Buchstabensinn, völlig auffressen und endlich vernichten und so aus dem Tempel des Lebens ein Haus des Todes machen!

[NS.01_038,17] Beachtet also wohl diese häusliche Verfassung und vergleichet sie mit Meinem Gesetz der Liebe. Und ihr werdet daraus erst erkennen, daß fürs erste in dieser Liebe einzig und allein das ewige Leben verborgen ist. Fürs zweite werdet ihr auch erkennen, daß Ich allenthalben eine und dieselbe reinste Liebe bin. Und fürs dritte soll euch das auch die Wahrheit alles dessen verbürgen, was Ich euch kundgebe. Denn die Wahrheit ist ja nur ein Licht, welches der Flamme der Liebe entstammt. Und wenn ihr allhier die wahre Liebe findet, so habt ihr auch das wahre Licht, welches euch in sich selbst die vollste Wahrheit dessen verbürgt, was allhier derselben Liebe entflammt, welche der Grund aller ewigen Wahrheit ist.

[NS.01_038,18] Da wir nun solches wissen, werden wir auch auf diesem Grunde für das nächste Mal die staatliche Verfassung der Bewohner dieses vierten Gürtels gar wohl vor unsere Augen stellen und gründlich beschauen können. – Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

39. Kapitel – Allgemeine Lebensregeln. – Geselliges Verhalten zwischen Mann und Weib.

[NS.01_039,01] Was die staatliche Verfassung betrifft, so ist diese an und für sich gar nichts anderes als der eigentliche zeremonielle Teil der Religionsverfassung und enthält die Regeln, welche in bezug auf den innern Gottesdienst allzeit genau beachtet werden müssen.

[NS.01_039,02] Freilich sind diese Regeln auf dem diesem Gürtel entsprechenden Planeten Jupiter um sehr Bedeutendes vielfältiger als auf diesem Gürtel. Dessenungeachtet aber stehen doch die Regeln des Gürtels dem guten Teile nach in genauem Verhältnis zu denen auf dem Planeten Jupiter.

[NS.01_039,03] Denn hier gibt es fürs erste kein anderes politisches Oberhaupt als den Hausvater; – während es auf dem Planeten hier und da Menschen gibt, die sich ebenfalls für Herren halten und wollen, daß man sie auch für solche anerkennen solle; und die sich dessen weigern, werden sogar mit Gewalt und Züchtigung dazu getrieben. Und so gibt es auch auf dem Planeten Menschen, die sich für Halbgötter halten und wollen Mittler sein zwischen Mir und dem Volke. Diese Menschen wollen dann schon ganz besonders für Herren gelten und auch dafür gehalten werden. Wer ihnen solches nicht zugestehen will, den verdammen sie weidlichst; und in besonderen Fällen werden solche Widerspenstige sogar leiblicherweise zum Feuertode verdammt und verurteilt! Diese Herren sind gewisserart auch Heiden und beten die Sonne als das Angesicht Gottes an, obschon sie Mich als den Herrn nicht gerade leugnen. Der Unterschied zwischen diesen freilich wohl nicht so häufig vorkommenden Heiden dieses Planeten und zwischen den guten Bewohnern eben dieses Planeten besteht darin, daß diese Herren von Mir aussagen, Ich sei der allerhöchste und allergrößte Herr, während die Guten sagen, Ich sei der alleinige Herr!

[NS.01_039,04] Sehet, bei solchen und noch anderen Verhältnissen, welche auf dem Planeten gang und gäbe sind, müssen dann freilich wohl auch die staatlichen Regeln ums Unvergleichliche häufiger sein als auf dem entsprechenden Gürtel der Sonne, wo es durchaus keine Herren, keine Mittler, am allerwenigsten aber irgend heidnische Halbgötter gibt. – Daher müßt ihr auch die Regeln, welche hier kundgegeben werden, auf dem entsprechenden Planeten nicht als allgemein für gang und gäbe betrachten, sondern nur dem besten Teile nach.

[NS.01_039,05] Worin bestehen denn aber hernach auf dem vierten Sonnengürtel diese staatlichen Regeln? – Einige haben wir schon bei der Gelegenheit vernommen, da wir die häusliche Verfassung dargestellt haben; und so bleiben uns nur noch einige ganz besonders eigentümliche zu betrachten übrig.

[NS.01_039,06] Die erste Regel bezieht sich auf die Sprache. Derzufolge ist es einem jeden der Gürtelbewohner zur innern Pflicht gemacht, daß er besonders von geistigen Dingen niemals mittels artikulierter Zungenworte reden soll, sondern allein nur durch die Mimik oder Gebärdensprache, welche durch die Augen, durch die Stirn, durch die Lippen, Mundwinkel, durch das Kinn und beide Backen, unter Mithilfe der Hände, bewirkt wird. – Nur von naturmäßigen Dingen und mit den Fremden dürfen und können sie mit artikulierten Mundworten sprechen.

[NS.01_039,07] Solches beachtet aber ein jeder Bewohner dieses vierten Sonnengürtels durch die frühzeitige Übung so ungezwungen, wie ihr auf der Erde in einem schönen Garten ungezwungen zu lustwandeln pflegt, besonders wenn er euer vollkommenes Eigentum wäre.

[NS.01_039,08] Das wäre sonach eine Regel. – Eine andere Regel besteht darin, daß bei diesen Gürtelmenschen, wenn sie irgendwohin einen gemeinschaftlichen Gang tun, nie einer hinter dem andern gehen darf, außer allein die Weiber hinter den Männern. Auf dem Planeten ist aber solches sogar den Weibern nicht gestattet. – Zu diesem Behufe sehen sich sowohl die Bewohner des Planeten Jupiter, wie auch die des entsprechenden Sonnengürtels, alle Augenblicke um, ob niemand hinter ihnen einhergeht und sie beobachtet von rücklings. Wird irgend jemand erblickt, daß er einer solchen Gesellschaft, oder auch einem einzelnen Menschen, wenn auch noch in ziemlicher Entfernung, nachfolgt, so wird von der ganzen Gesellschaft, wie auch von einem einzelnen Menschen haltgemacht, und alles kehrt sich mit dem Gesichte gegen den Nachfolgenden und wendet sich nicht eher wieder um, als bis der Nachfolgende sie eingeholt hat.

[NS.01_039,09] Bei solcher Gelegenheit wird er auch sogleich gefragt, ob er von ihrem Rücken bei seiner Nachfolge etwas bemerkt habe. Gesteht der Befragte, daß er davon wohl etwas bemerkt habe, so wird ihm solches mit einer sanften Rüge verwiesen und wird ihm bemerkt, daß er es ja gegen niemanden fürder kundgeben solle. Hat er aber nichts bemerkt, so wird ihm bloß die kleine Gefahr vorgestellt, in welche er leicht hätte geraten können, wenn sie sich nicht diesmal so besonders emsig umgesehen hätten.

[NS.01_039,10] Hier werdet ihr sicher fragen: Wie kommen denn diese sonst so überaus sanften und guten Menschen zu solch einer Läpperei? – Ich sage euch aber: So läppisch diese Regel auf den ersten Augenblick auch immer klingen mag, so hat sie dennoch einen sehr weisen Grund, welchen ihr bald einsehen werdet.

[NS.01_039,11] Es ist schon erwähnt worden, daß diese staatlichen Verfassungen gewisserart den zeremoniellen Teil des innern Religionskultus ausmachen; aus diesem Grunde muß sich auch eine solche Verhaltungsregel entschuldigen lassen. – Wie aber? – Das soll sogleich folgen.

[NS.01_039,12] Das Gesicht und überhaupt die ganze Vorderseite des Menschen stellt die Wahrheit vor; die Rückseite eines jeden Menschen aber die Lüge. – Weil diese Menschen aber die Lüge für das einen Menschen allerentwürdigendste Laster halten und aus großer Liebe zu ihren Brüdern allzeit die vollste Wahrheit reden und durchaus kein Falsch an ihnen ist, so wollen sie sogar denjenigen Teil ihres Leibes nie einem vielgeliebten Bruder zeigen, welcher da, wenn auch allein nur sinnbildlich, der Lüge entspricht. Denn sie sagen: Ein Bruder soll vor seinem Bruder nichts so Geheimes haben, daß er es vor ihm verbergen sollte; niemand aber kann durch den Rücken seinem Bruder zeigen, was er in seinem Herzen birgt. Wer da aber seinem Bruder den Rücken zeigt, der sucht vor ihm sein Herz zu verbergen. Wer aber vor seinem Bruder allzeit offenen Herzens sein will, der wende stets seinen Rücken ab vom Angesichte seines Bruders, damit dieser ja niemals irgendeine allergeringste Gelegenheit haben solle, von seinem Bruder zu glauben, als hätte dieser etwas im Hinterhalt, daß er es nicht eröffnen will seinem Bruder. Wenn es aber schon der allerliebevollste, alleinige Herr des Himmels und der Erde gegen uns Menschen und gegen alle Seine Geschöpfe auf das sorgfältigste vermeidet, ihnen den Rücken zuzuwenden statt des allerheiligsten Angesichtes, aus dem uns das ewige Leben wie alle Weisheit zukommt; – warum sollen wir Menschen gegenseitig nicht beachten, was der allerliebevollste, alleinige Herr des Himmels und der Erde gegen uns Menschen und gegen alle Geschöpfe aus Seiner ewigen und endlos weisen Ordnung heraus beachtet?!

[NS.01_039,13] Sehet, von diesem Gesichtspunkte betrachtet, verliert dann der Gürtelbewohner durch die Beachtung dieser Regel nichts in den Augen der wahren Weisheit. Denn wo immer eine Handlung in der Liebe zu Mir und zu einem Bruder den entsprechenden Grund hat, da hört sie auch auf, unweise zu sein. Wo aber eine Handlung, wenn noch so zierlichen Aussehens, Eigenliebe und Eigennutz zum Grunde hat, da ist sie auch die purste Torheit und Läpperei in den Augen der reinen Geister.

[NS.01_039,14] Also hätten wir auch diese Regel kennengelernt und wollen sonach gleich wieder eine andere betrachten. Diese dritte Regel wird vorzugsweise nur im Wohnhause beachtet. – Worin besteht sie? – Diese Regel besteht darin, daß im Hause bei Gelegenheit der Ruhe niemand das Angesicht nach außen hinauskehren darf, sondern alles muß seine Augen in das Innere des Hauses richten. – Warum denn? – Weil diese Menschen sagen: In unserer Ruhe sollen wir unsere Augen zu Gott erheben; Gott aber ist das Inwendigste aller Dinge in der Entsprechung zu Seiner unendlichen Liebe. Daher stellt auch das Innere des Wohnhauses im entsprechenden Sinne die Liebe Gottes vor, von welcher nie ein Mensch seine Augen abwenden solle.

[NS.01_039,15] Auf dem entsprechenden Planeten haben die Menschen in ihren etwas anders gestalteten Wohnhäusern auch Betten, die sie gewöhnlich mit Feigenblättern (welche Frucht auf diesem Planeten häufig vorkommt) angefüllt haben. Diese Betten sind in den Wohnhäusern stets so gestellt, daß die darin schlafenden Menschen mit dem Gesicht gegen das Innere des Hauses gewendet sind. – Auf dem entsprechenden Sonnengürtel aber gibt es in den Wohnhäusern keine Betten, sondern nur die schon beschriebenen Ruhebänke zwischen den Säulen. Auf diesen Ruhebänken sitzen dann, wie schon voraus erwähnt, die Menschen also, daß ihre Gesichter gegen das Innere des Hauses gewendet sind.

[NS.01_039,16] Nur wenn sie ihre Mahlzeit einnehmen, betreten sie die beiden äußeren Gänge ihres Wohnhauses und kehren das Gesicht nach außen, weil sie, wie sie selbst sagen, allda ihrem Leibe oder ihrer äußeren Natur dienen; und dieser Dienst solle nicht mit dem Dienste Gottes vermengt sein.

[NS.01_039,17] Sehet, da hätten wir wieder einige solcher staatlichen Regeln, welche bei der genaueren Durchprüfung sicher einen sehr weisen Grund haben. Und so gehen wir wieder zu einer andern staatlichen Regel. – Wie lautet denn diese und worin besteht sie?

[NS.01_039,18] Diese Regel bezieht sich auf das Sitzen außer dem Hause, auf einem freien Platz, etwa unter dem Schatten riesenhaft großer Bäume. – Ein jeder Mensch sowohl männlichen als weiblichen Geschlechtes ist allda verpflichtet, also zu sitzen wie ungefähr bei euch die Türken, nämlich mit übers Kreuz geschlagenen Beinen, und das allzeit in einem Kreise mit dem Rücken nach außen und mit dem Gesicht gegen den Mittelpunkt des Kreises; und es muß womöglich allzeit zwischen zwei Männern ein Weib sitzen.

[NS.01_039,19] Diese Sitzordnung der Menschen dieses Gürtels gehört zu dem eigentlichen geselligen Leben; und während einer solchen Sitzung wird auch allzeit recht viel gesprochen und sich so die Zeit mit angenehmen Dingen verherrlicht.

[NS.01_039,20] Von was reden sie denn da gewöhnlich? Bei solcher Gelegenheit wird gewöhnlich mit der Mundsprache geredet, aber nie laut, und werden allerlei Dinge und Erscheinungen besprochen. Das allerliebste Thema ihres Gespräches aber bleibt immer der allerliebevollste, alleinige Herr. Wenn sie auf Den kommen, dann kommt nicht leichtlich ein anderes Thema in den geselligen Zirkel.

[NS.01_039,21] Wenn jedoch dieses Thema vorkommt, so hört auch alsobald die Mundsprache auf, und die Gebärdensprache tritt an ihre Stelle. Nur müßt ihr euch hier die Gebärdensprache nicht etwa als eine unverständliche, alberne Mimik eurer irdischen Komödianten vorstellen, sondern diese Sprache ist eine Sprache des Geistes, und ist eine vollkommene Sprache, durch welche jedes Ding bezeichnet werden kann, während die Mundsprache dagegen selbst in ihrer größten Vollkommenheit nur höchst armselig erscheint. Damit ihr euch aber von dieser Sprache einen gründlicheren Begriff machen könnt, so will Ich euch solches durch ein für euch wohlfaßliches Beispiel erhellen.

[NS.01_039,22] Stellet zwei sogenannte hellsehende Somnambulen zusammen; lasset die eine zum Beispiel einen Brief an jemanden denken und setzet die zweite Somnambule mit der ersten in den magnetischen Rapport, so wird diese sogleich imstande sein, denselben Brief niederzuschreiben, welchen die andere gedacht hat. – Sehet, dieses Beispiel, das ihr gar wohl verstehen könnt, gibt euch einen klaren Begriff, wie die Gebärdensprache dieser Gürtelbewohner beschaffen ist.

[NS.01_039,23] Das wäre demnach wieder eine Regel, die ihren guten Grund und Zweck hat. – Gehen wir aber wieder zu einer andern über, die darin besteht, daß jeder Mann bei der Mundsprache, wenn er mit einem Weibe spricht, sich ja sehr in acht nehmen soll, nicht zu laut zu sprechen; denn ein zu lautes Wort an das zarte Weib gerichtet, könnte das Weib glauben machen, als hätte der Mann etwas Unangenehmes gegen sie, und das könnte auf den zarten Organismus des Weibes wie auf ihren Geist ja leichtlich also zerstörend einwirken, daß sie dadurch fruchtunfähig würde.

[NS.01_039,24] Aus diesem Grunde ist dann auch die Zärtlichkeit von seiten des Mannes gegen das Weib so außerordentlich, daß ihr euch davon auf eurer rauhen Erde unmöglich einen Begriff machen könnt. Aus dieser Zärtlichkeit aber geht dann auch eine Wonne hervor, welche allda die Ehegatten gegenseitig empfinden, von welcher ihr euch ebenfalls keinen Begriff machen könnt.

[NS.01_039,25] Daß aber der Wert eines Weibes durch die ihm bezeugte Sanftmut und Zärtlichkeit ums Unglaubliche gesteigert werden kann, davon könnt ihr euch sogar auf eurer Erde einen dumpfen Begriff machen. – Wenn ihr je in irgendeiner Gesellschaft waret, so hat euch sicher auch dasjenige weibliche Wesen am meisten bestochen, das in der Gesellschaft eine allgemeine Achtung genoß; und je mehr ein solches Wesen achtungsvoll ausgezeichnet und berücksichtigt wurde, desto mehr mußtet auch ihr euch in ihrer Nähe beglückt fühlen. Solches ist freilich nur ein sehr mattes Beispiel und aus dem Grunde nur angeführt, weil man auf eurer Erde durchaus kein besseres finden kann. Aber dessenungeachtet kann es euch einen kleinen Begriff verschaffen, damit ihr daraus den Grund ein wenig näher beschauen könnt, demzufolge dort auf dem vierten Sonnengürtelpaare fürs erste das weibliche Geschlecht überaus zart, sanft und voll der innigsten Liebe ist, und wie dann fürs zweite mit diesem Charakter auch allzeit auf die natürlichste Weise sich eine äußere, überaus anmutige Schönheit verbindet.

[NS.01_039,26] Denn solches ist doch mehr als gewiß und sicher, daß die äußere Form des Leibes ein Abdruck des innern Charakters ist. Wenn es bei euch abstoßende Formen gibt, so sind diese aus der vieljährigen Verdorbenheit der Charaktere der Stammeltern bewirkt worden. Werden aber die Charaktere stets veredelt und mehr und mehr in ihrem innersten Grunde Mir ähnlich, so werden auch die äußeren Abdrücke derselben stets veredelter und verherrlichter zum Vorschein kommen.

[NS.01_039,27] Daraus könnt ihr aber auch dann schließen, daß die Weiber dieses Gürtels überaus schön sind und gewisserart überall Liebe und die größte Anmut und Holdseligkeit hauchen. Daraus wird dann auch wieder diese Regel begreiflich, welche der Mann bezüglich der Mundrede gegen das Weib zu beachten hat.

[NS.01_039,28] Mit dieser Regel aber wollen wir auch die heutige Mitteilung beschließen und für das nächste Mal die Fortsetzung einiger noch bei weitem wichtigeren staatlichen Regeln folgen lassen. – Und somit gut für heute!

 

40. Kapitel – Pflanzen- und Tierwelt auf dem vierten Gürtelpaar.

[NS.01_040,01] Bevor wir jedoch zu den noch wichtigeren Staatsregeln übergehen wollen, wird es notwendig sein, mit der pflanzlichen und tierischen Welt dieses Gürtels uns ein wenig bekannt zu machen.

[NS.01_040,02] Ihr werdet euch hier denken: Bis wir die überaus reichhaltige Pflanzen- und Tierwelt dieses Gürtels, wenn auch im flüchtigsten Maße genommen, durchschauen, werden wir noch lange nicht zu der Fortsetzung der ferneren, wichtigeren Staatsregeln kommen. Ich sage euch aber: Sorget euch nicht darum. Denn bei manchen Gelegenheiten verstehe Ich es, den Baum auf einen Hieb fallen zu machen. Und solches wird auch hier der Fall sein.

[NS.01_040,03] Bevor Ich aber diesen Hieb ausführen werde, muß Ich euch schon ein wenig wieder auf den Planeten Jupiter selbst führen. – Obschon dieser Planet gut viertausendmal größer ist als die Erde, die ihr bewohnt, so hat aber doch in Hinsicht sowohl auf die klimatische Beschaffenheit als, dieser zufolge, auch in Hinsicht auf die Vegetation und Tierwelt kein anderer Planet mit eurer Erde eine größere Ähnlichkeit als gerade dieser. Er hat zwar noch so manche Eigentümlichkeiten, von welchen andere Planeten gewisserart strotzen, die aber eurem Planeten fremd sind, sowohl in pflanzlicher als in tierischer Hinsicht; aber trotz dieser Eigentümlichkeiten möchtet ihr auf diesem Planeten wohl alles, nur in ziemlich vergrößertem Maßstabe, antreffen, was nur immer euer Planet auf und in sich faßt.

[NS.01_040,04] So wäre eine Eigentümlichkeit hinsichtlich des Pflanzentums, daß auf diesem Planeten manche weise und liebfromme Menschen eine solche Willensfähigkeit besitzen, die da gleichkommt jener Fähigkeit der Bewohner des Mittelsonnengürtels, und derzufolge sie auch ganz neuartige Bäume und Pflanzen dem Boden ihrer Erde entlocken können. Nur sind dann solche Bäume und Pflanzen samenlos und somit keiner Fortpflanzung fähig; während die positiven Pflanzen und Bäume, so wie auf eurer Erde, einen lebendigen Samen mit sich bringen.

[NS.01_040,05] Diese positiven Pflanzen aber sind keine anderen als, in veredelter Hinsicht, die eures Erdbodens. – So würdet ihr in der heißen Zone des Jupiter alle die tropischen Gewächse entdecken, in dessen zwei gemäßigten Zonen alle Früchte und Gewächse, welche auf eurer Erde in eben diesen Zonen vorkommen; und so auch die der kalten Zone. Aber nur müßt ihr euch all dieses um vieles veredelter und auch um vieles größer vorstellen, als es da vorkommt auf eurer Erde.

[NS.01_040,06] So würdet ihr zum Beispiel dort auf einer grasreichen Wiese ebenso zwischen den Grasstämmen herumwandeln, wie ihr auf eurer Erde ungefähr in einem jungen Walde herumwandelt; und die Bäume dürften auch ums Zehnfache größer sein als bei euch. Dessenungeachtet aber würdet ihr doch nirgends auf diesem Planeten jene riesigen Bäume wie auch jene riesigen Tiere antreffen, die wir auf dem Planeten Saturn kennengelernt haben.

[NS.01_040,07] Und so sind auch die Menschen des Planeten Jupiter bei weitem nicht so groß wie die auf dem vorbenannten Planeten Saturn und noch viel weniger so groß wie die Bewohner unseres dem Jupiter entsprechenden Sonnengürtels. Sondern die Menschen dieses Planeten sind kaum ums Drei- bis Vierfache größer als ihr auf der Erde.

[NS.01_040,08] Da wir nun dieses wissen, so können wir auch unsern Hieb wagen; und ihr könnt versichert sein, daß wir dadurch sowohl die Pflanzen- als die Tierwelt unseres vierten Gürtels kennenlernen werden. Betrachtet sonach die Pflanzen- und Tierwelt eurer Erde, stellet euch dieselbe in allem und jedem hundertfältig größer vor, so habt ihr auch schon die ganze Pflanzen- und Tierwelt dieses Gürtels vor euch.

[NS.01_040,09] Wenn ihr zum Beispiel eine Fliege von diesem Sonnengürtel vor euch hättet, so hätten an derselben fünf eurer Menschen dermaßen zu essen, um sich für die Not hinreichend zu sättigen. – So würdet ihr auch nicht leichtlich imstande sein, zehn Erdbeeren zu verzehren. Und eine Traube würden zwei ziemlich starke Menschen bei euch auf der Erde eben nicht gar zu leicht von der Stelle schaffen. Und wie sich alles dieses verhält, also verhält sich auch alles andere. – Mit den Tieren ist es derselbe Fall; mit alleiniger Ausnahme der Schlange, welche weder im Jupiter, noch in diesem entsprechenden Gürtel anzutreffen ist. Wohl aber gibt es Eidechsen, welche aber sämtlich guter Art sind. Diese halten sich gewöhnlich an den Ufern der Seen und Flüsse auf; zu den Menschenwohnungen gelangt nie ein solches Tier.

[NS.01_040,10] Nun sehet, jetzt erst können wir mit unseren staatlichen Regeln die Fortsetzung beginnen.

[NS.01_040,11] Und so gibt es ferner eine Regel, daß außer einigen wenigen Hausvögeln, wie da sind die Haushühner und Tauben, kein anderes Haustier, außer dem schon bereits bekanntgegebenen, zu Hause gehalten werden darf. – Hier werdet ihr fragen und sagen: Wenn diese staatliche Regel vollkommen wirksam sein soll, muß sie da nicht auch auf die Intelligenz der Tiere sich erstrecken? – Ich sage euch aber: Solches ist nicht nötig, denn diese Regel sagt den Bewohnern dieses Gürtels nur so viel, daß sie ihre nicht selten viele Quadratmeilen großen Hausgrundstücke also einzäunen sollen, daß diese von den Tieren nicht können betreten werden.

[NS.01_040,12] Hier werdet ihr wieder sagen: Aber diese Einzäunung wird den Bewohnern dieses Gürtels doch sicher sehr viele und große Arbeit verursachen. – Wenn sie die Arbeit also angreifen würden wie ihr, da hätten sie sicher mit einer solchen Einzäunung sehr viel zu tun; denn ein solcher Zaun hat nicht selten mehrere hundert Meilen im Umfange.

[NS.01_040,13] Wie stellen sie es darin hernach an? – Sie nehmen eine gehörige Menge guten Baumsamens, ziehen dann um ihren Grund eine Furche mit einem Werkzeug, welches einem Pfluge gleicht; nur wird er nicht von Tieren gezogen, sondern mit spielender Leichtigkeit von den überaus starken Menschen. In diese Furche wird dann von einem Weibe der Same gelegt und von einem nachfolgenden Weibe ebenfalls mit einem eigenen Werkzeuge die Furche wieder zugedeckt. Diese Arbeit geht so schnell vor sich, daß den zaunsetzenden drei Personen kein Vogel im schnellsten Fluge nachkommen dürfte. Und zufolge der großen Fruchtbarkeit dieses Bodens stehen in kurzer Zeit die gesäten Bäume bei zwanzig Klafter hoch über dem Erdboden ausgewachsen. Und im Verlaufe von etwa drei Jahren eurer Zeitrechnung ist eine solche lebendige Umzäunung so gut wie schon vollendet.

[NS.01_040,14] Möchtet ihr auch die Gattung dieser Zaunbäume kennen? – Da sage Ich euch, daß diese Bäume zumeist euren Zedern, Fichten und Tannen gleichkommen. Die Stämme wachsen so dicht nebeneinander heraus, daß sie eine förmliche Wand bilden, welche, wenn sie ausgewachsen, nicht selten über tausend Klafter hoch ist.

[NS.01_040,15] Nun sehet, über diese Wand kommt dann sicher kein Tier auf den mittels dieses Zaunes abgemarkten Grund. Und also erstreckt sich diese Hausregel auch darauf, daß ein jeder Grund auf die vorbeschriebene Art gehörig abgezäunt werden soll.

[NS.01_040,16] Wenn da jemand fragen würde: Warum verabscheuen denn die Bewohner dieses Gürtels so sehr die Tiere? – Dem diene folgendes zur Antwort: Die Bewohner dieses Gürtels sagen zufolge ihrer innern Weisheit: Die Tiere haben sämtlich noch unreine Seelen, welche durch ihr Benehmen die Seele des Menschen verunreinigen könnten, indem sie all ihre Verrichtungen aus ihrem Gerichte heraus tun. So der Mensch eine oder die andere Verrichtung eines Tieres leichtlich nachahmen würde, so würde er sich dadurch selbst aus seiner Freiheit in ein tierisches Gericht versetzen, welches ihm nach und nach an seiner Seele Schaden bringen könnte.

[NS.01_040,17] Aus diesem Grunde ist es denn unsere gegenseitige Liebespflicht, die Tiere von uns abzuhalten, und lieber eine Furcht vor denselben zu haben als eine unzweckmäßige Anhänglichkeit. Die Liebe zu den Tieren erzeugt mit der Zeit ein unlauteres Gemüt und macht die Seele selbst tierisch. – Daher soll niemand den Tieren fluchen; aber noch weniger soll er an ein oder das andere Tier sein geheiligtes Herz hängen.

[NS.01_040,18] Sehet, darin hat dann erst die vorbesagte Staatsregel ihren Hauptgrund, wie überhaupt der Bewohner dieses Gürtels für jede seiner Regeln einen höheren, weisen Grund hat.

[NS.01_040,19] Hier aber werden wieder einige fragen: Können denn die Bewohner dieses Gürtels den Fliegen und anderen fliegenden Insekten, wie auch den unzahmen Flugvögeln, einen Zaun setzen? Denn das sind ja doch auch Tiere, mit sicher nicht so reinen Seelen belebt wie die Menschen selbst.

[NS.01_040,20] Was die Fliegen betrifft und auch andere fliegende Insekten, so werden diese durch den Willen der Bewohner mit der größten Leichtigkeit ferngehalten. Und zudem halten sich diese Tiere auch zumeist nur an den Ufern der Meere, Seen und Flüsse auf.

[NS.01_040,21] Was aber die Vögel betrifft, so sind diese in ihrem Fluge niemandem gefährlich. So sie sich aber irgend niederlassen, so machen sie keine bleibende Stätte; und den Schaden, den sie zufügen, kann jedermann leicht verschmerzen, indem sie für den Schaden bezüglich der Reinigung – durch die Verzehrung von allerlei unreinem Gewürm – einen bei weitem größeren Nutzen stiften.

[NS.01_040,22] Aus diesem Grunde besteht denn auch eine zweite Staatsregel darin, daß niemand einen Vogel von der Stelle verscheuchen darf, wo er sich niedergelassen hat. – Auch hier sagen die Bewohner: Was sich über unsere Einzäunung erheben kann und diese Grenze nicht achten will, das wird zu unserem Besten von einem höheren Willen geleitet. Daher sollen wir allzeit dasjenige, was von oben herabkommt, nicht in die Flucht treiben, sondern uns nach dem Willen Gottes von ihm dienen lassen nach der Art, wie ein solches Wesen zu unserem Besten zu dienen bestimmt ist. – Und so lassen denn auch die Bewohner oft ganze Vogelheere auf ihrem Grunde Nahrung nehmen und sagen dabei: Alles, was arbeitet, ist seiner Nahrung wert. Daher lasset auch diese Arbeiter speisen, allda sie gearbeitet haben; denn sie kommen nicht ohne den Willen Gottes und können ohne denselben auch nicht weiterziehen.

[NS.01_040,23] Sehet, also hat auch diese Staatsregel ihren guten Grund. Ihr werdet aber mit der Zeit fragen: Wenn die Bewohner dieses Gürtels gegenseitig ihre Gründe also abzäunen, wo leben denn dann die vielen und großen Tiere? – Darum sorget euch nur nicht, denn die Gründe der Bewohner dieses Gürtels grenzen nicht so knapp aneinander wie bei euch; und so sind zwischen dem einen und dem andern Grunde nicht selten bei hundert Meilen breite Zwischenräume, welche den Tieren überlassen sind. Und so haben die Tiere im Durchschnitt mehr Wohnraum als die Menschen.

[NS.01_040,24] Aber wieder dürfte der eine oder andere fragen und sagen: Wir haben vernommen, daß die Menschen dieses Gürtels öfters Bereisungen machen; werden sie da nicht gefährdet von so manchen reißenden Tieren, wenn sie durch ihre Bezirke wandeln? – Solches ist eitel zu fragen. Denn fürs erste sind die Tiere dort zumeist sanfter Art und fürchten den Menschen. Fürs zweite ist hier der Mensch, vermöge seiner geistigen wie auch leiblichen Kraft, ein wahrer Herrscher seiner Welt. Und fürs dritte wird ein jeder Reisende bis zum nächsten nachbarlichen Grunde begleitet. Und so kann unter diesen drei Beihilfen wohl jedermann sicher reisen, besonders auch darum, weil er in der Sonne keine Nacht zu befürchten hat.

[NS.01_040,25] Sehet, das ist demnach wieder eine Staatsregel, welche darin besteht, daß zwischen den abgezäunten Grundstücken allzeit ein gehöriger Raum den Tieren überlassen wird, und jeder Grund rund herum sieben Eingänge haben muß, welche also beschaffen sind wie die sogenannten Überstiegel an euren Zäunen, über welche aber dort nur die großen Menschen ihre Füße setzen können, aber durchaus kein Tier.

[NS.01_040,26] Wie sehen denn aber diese Tierzwischenräume aus, in welche man durch die Zaunstiegel gelangt? – Diese Zwischenräume sind zumeist dicht bewaldet. Nur wo die Stiegel sind, sind die Waldungen gelichtet bis zu einem Stiegel eines nachbarlichen Grundes; und das sind die eigentlichen Wege, auf welchen jedermann seine Reisen sicher machen kann.

[NS.01_040,27] Bezüglich der Erhaltung dieser Wege gibt es dann auch eine gemeinschaftliche Staatsregel zwischen den Nachbarn, derzufolge ein jeder die Hälfte solcher Überwege beständig wohl gereinigt zu erhalten hat. Denn auch hier sagen die Bewohner: Die unreinen Tiere nur wandern durch der Wälder Dickicht, der Mensch aber soll allzeit offenen Weges gehen. Denn in der Tiere Macht liegt es nicht, sich den Weg zu lichten; wohl aber hat der Mensch die Macht, rein zu erhalten jeglichen seiner Pfade; auch muß ein jeder Weg gerade sein, damit er sich unterscheide von den gekrümmten Wegen derjenigen Wesen, die da die Wohltat der geraden Linie nicht erkennen, sondern nach allen Richtungen im Dickicht der Wälder irren.

[NS.01_040,28] Das wären sonach die wichtigsten staatlichen Regeln bezüglich der Grundwirtschaft. – Nächstens wollen wir noch einige betrachten und sodann uns zur Religion wenden. – Und somit wieder gut für heute!

 

41. Kapitel – Die Pflege des Weizenkorns und die sonstige Pflanzenzucht.

[NS.01_041,01] Eine fernere staatliche Regel besteht darin, daß die Bewohner dieses Gürtels das Weizenkorn pflegen und, wenn es reif geworden ist, in Bündel sammeln, die Ähren ausreiben und dadurch des reinen Samenkorns habhaft werden müssen.

[NS.01_041,02] Wozu verwenden sie dann diese Frucht? Diese Frucht, deren Körner nahe so groß sind wie bei euch ein kleines Hühnerei, wird auf die euch schon bekannte Art gesotten und dann sogleich genossen. – Wenn ihr euer Weizenkorn also sieden und dann genießen würdet, so würdet ihr dadurch zwar wohl eine recht nahrhafte Kost bekommen, die aber freilich eben nicht gar zu gut schmecken dürfte, weil das Weizenkorn eurer Erde nicht so viel Zuckerstoff in sich enthält wie das dieses Gürtels. Für die Bewohner dieses Gürtels aber ist ihr gekochtes Weizenkorn die allerangenehmste und beliebteste Speise.

[NS.01_041,03] Hier wird einer oder der andere fragen: Wie kann denn solches wohl als eine Staatsregel angesehen werden? – Ich aber sage: Nur eine kleine Geduld! Mit einem Wort kann man für äußere Sinne nicht sogleich einen ganzen Gegenstand bezeichnen. Höret aber nur, was die Bewohner von dieser Frucht sagen: Unter allen Fruchtgewächsen, die uns der große und alleinige Herr Himmels und unserer Erde bescheret hat, ist keines unseres Gewerbsfleißes würdiger als eben das Weizenkorn, weil keines so große Ähnlichkeit hat mit dem lebendigen Brote aus den Himmeln wie dieses. Alle anderen Früchte, wie ihr sie kennt, gedeihen sogestaltet, daß wir sie sogleich entweder von der Pflanze, Staude oder vom Baume in den Mund stecken können; aber das Weizenkorn, obschon die beste aller unserer Früchte, muß zuvor aus der Ähre, welche da ist voll Spitzen und Haken, gelöst werden, sodann erst gereinigt und, wollen wir es genießen, im (durch das Feuer lebendig gemachten) Wasser erweicht werden.

[NS.01_041,04] Nun betrachtet dagegen das Brot aus den Himmeln, welches ist das heilige Wort, das uns die Geister aus den Himmeln künden, – wie es diesem Weizenkorne gleicht, das da endlich nach mühsamer Zubereitung unsere Lieblingsnahrung ist! – Unter allerlei Bemühungen und dornigen Prüfungen kommen wir erst zum Besitze dieses himmlischen Brotwortes. Haben wir es einmal empfangen, dann müssen wir es erst in uns selbst durch unser Tun und Lassen reinigen. Denn, wie ihr wißt, wird es uns allzeit so gegeben, daß das eigentlich Nährende für den unsterblichen Geist stets mit hart zu lösenden Hülsen tiefer himmlischer Weisheit umschlossen ist. Haben wir endlich das reine innere Korn von diesen Hülsen befreit, dann erst müssen wir das noch harte Korn in unserem eigenen lebendigen Wasser des Geistes am Feuer der Liebe zu Gott weich sieden, damit es dann für unsern unsterblichen Geist zu einer ewig nährenden Speise werde.

[NS.01_041,05] Sehet, wenn ihr diese ausgesprochenen Worte nur einigermaßen betrachtet, so wird euch daraus sicher klar werden, warum die Anbauung dieses Korns auf diesem Gürtel als eine staatliche Regel betrachtet wird. – Also hätten wir wieder eine solche recht wichtige Regel kennengelernt.

[NS.01_041,06] Eine andere Regel bestimmt wieder die Ordnung, wie der sämtliche Grund mit Bäumen, Stauden und anderen Pflanzengewächsen bestellt sein muß. Auch hier läuft alles in länglichen Kreisen um das Wohnhaus. Am entferntesten von einem Wohnhause stehen die größeren Fruchtbäume, bis endlich der euch schon bekannte Fichtenzaun die letzte Reihe beschließt.

[NS.01_041,07] Auch diese Ordnung hat wieder ihren guten Grund. Denn sie entspricht nach der Weisheit dieser Bewohner Meiner Ordnung, derzufolge auch das Grobmaterielle, als Sinnbild schroffer und erhabener Weisheit, am weitesten von Meinem Liebeszentralfeuer absteht. Alles Zartere, Kleinere und Schwächere aber befindet sich stets näher und näher der ewigen Hauptwohnung Meiner Liebe. Darum schon ein altes Sprichwort ist, sogar auf eurer Erde: „Die Liebe Gottes ist dem Kleinen zugewandt!“ – Und Ich Selbst sagte einst auf der Erde: „Lasset zu Mir die Kleinen kommen; wehret es ihnen nicht, denn ihrer ist das Himmelreich!“

[NS.01_041,08] Aus dem werdet ihr gar leicht wieder ersehen, aus welchem Grunde die Ordnung zur Fruchtanbauung eines Grundes dort auch eine Staatsregel ist. Und solches werdet ihr um so leichter begreiflich erschauen, wenn ihr das bereits schon vor der Kundgabe dieser staatlichen Regeln Erwähnte ins Gedächtnis zurückruft, allda gesagt ist, daß diese Staatsregeln an und für sich den eigentlich zeremoniellen Teil der Religion bei den Bewohnern dieses Gürtels ausmachen.

[NS.01_041,09] Es gäbe zwar noch einige Regeln, allein wenn ihr die bereits bekanntgegebenen nur recht beachtet, so könnt ihr daraus gar wohl ersehen und gründlich schließen, daß alle anderen Regeln ganz denselben Grund haben wie die bereits bekanntgegebenen, welche auch an und für sich schon die wichtigsten sind.

[NS.01_041,10] Aus diesem Grunde wollen wir denn auch die Staatsregeln beschließen und uns zur Religion der Bewohner dieses Gürtels wenden.

 

42. Kapitel – Die Religion der Bewohner des vierten Gürtelpaares.

[NS.01_042,01] Was da die Religion betrifft, so ist diese fast nirgends so einfach wie hier.

[NS.01_042,02] Sie besteht in nichts anderem als in dem lebendigen Glauben, daß Gott ein allervollkommenster Mensch ist, und daß dieser allervollkommenste Mensch den Himmel, ihre Erde und alle Dinge und Wesen aus Seinem freien Willen heraus erschaffen, den Menschen nach Seinem Ebenmaße gemacht und ihn auf die Welt zu einem Herrn derselben gesetzt hat, damit er beherrsche die äußere wie seine eigene Welt, welche da ist das Naturmäßige eines jeden Menschen bei seinem Leibesleben. – Solches wird als Grundsatz ihrer Religion gelehrt und macht gewisserart den ersten Teil ihrer Religionslehre aus.

[NS.01_042,03] Im zweiten Teil ihrer Religionslehre aber wird gezeigt, daß der Mensch ein vollkommenes Gefäß ist zur Aufnahme des göttlichen Willens; und es wird ferner gezeigt, wie der Mensch nur durch die Aufnahme dieses Willens ein wahrhaft mächtiger Herr über alle anderen Geschöpfe der Welt, wie über die Welt selbst werden kann.

[NS.01_042,04] Auch wird dann in diesem Teil noch gezeigt, wie der Mensch des göttlichen Willens vollkommen habhaft werden kann, – nämlich durch die Erfüllung desselben. Denn es heißt da: Wer den Willen Gottes in sich vollkommen erfüllt, der muß ihn ja vorher vollkommen in sich aufgenommen haben. Es kann aber niemand den göttlichen Willen in sich aufnehmen, solange er seinen eigenen Scheinwillen nicht fahren läßt. Wie läßt aber der Mensch seinen Willen fahren? Der Mensch läßt seinen Willen fahren, wenn er ihn zu dem Zwecke gebraucht, zu dem er ihm von dem Schöpfer eingegossen wurde.

[NS.01_042,05] Wie lautet aber dieser Zweck? – Also lautet er: Der Mensch soll mit dem eigenen Willen den Willen Gottes erfüllen wollen und zu dem Behufe denselben erkennen wollen. Wem solches völlig ernst ist, den wird Gott auch alsbald in gerechtem Maße Seinen Willen erkennen lassen. Inwieweit aber jemand dann den Willen Gottes erkennt und tut zufolge seines eigenen Willens nach dem Willen Gottes, insoweit er denselben erkannt hat, – der vereinigt dann den eigenen Willen mit dem göttlichen, wodurch dann erst eine wahre Wiederverbindung zwischen Gott und dem Menschen bewerkstelligt wird, welches die eigentliche Religion ist.

[NS.01_042,06] Je mehr demnach im Zustande der Religion der Mensch sich bestrebt, den göttlichen Willen zu erkennen und danach zu handeln, desto mehr verbindet er sich auch mit der Kraft des göttlichen Willens. Und hat jemand sich den göttlichen Willen in solchem Grade zu eigen gemacht, daß er durchaus keinen eigenen Willen mehr hat (selbst dazu nicht, um den göttlichen Willen zu erfüllen), – sondern aller Wille in ihm schon ein rein göttlicher geworden ist, – sodann hat sich der Mensch nicht nur mit Gott verbunden, sondern er hat sich mit Ihm vereinigt.

[NS.01_042,07] Und das ist der Zweck der Religion, daß sich der Mensch mit Gott vereinigen soll, das heißt, er soll keinen andern Willen als Handlungsbeweggrund haben als allein den göttlichen.

[NS.01_042,08] Wer aber den allein göttlichen Willen zum Beweggrund aller seiner Handlungen hat, der handelt leicht und überaus wirksam. Denn die Allmacht des göttlichen Willens beurkundet sich überall und in jedem Menschen, wenn dieser Wille als reiner Beweggrund einer oder der andern Handlung auftritt. –

[NS.01_042,09] Sehet, in dieser kurzen Darstellung besteht der zweite Teil der Religion der Bewohner dieses Gürtels.

[NS.01_042,10] Und nun kommt noch der dritte Teil. – In diesem Teil wird allein das innere Leben dargestellt und das ebenfalls auf die kürzeste und einfachste Weise; was ihr sogleich aus der Lehre erkennen werdet, die Ich euch so wie die vorherigen buchstäblich anführen will.

[NS.01_042,11] Also lautet aber die Lehre des dritten Teils: Gott ist das ureigentlichste Leben Selbst. Darum in Gott Selbst an und für sich die größte Feindschaft gegen den Tod ewig unerbittlich waltet. Denn das Leben kann sich nie mit dem Tode befreunden. – Wie sollte Gott als das urewige, allereigentlichste Grundleben alles Lebens je eine Gemeinschaft und Freundschaft haben können mit dem Tode, welcher der allerschroffste Gegensatz alles Lebens ist?!

[NS.01_042,12] Diese in der ewigen Ordnung Gottes gegründete Feindschaft ist der „Zorn Gottes“. Wenn aber Gott, als der Grund alles Lebens, die Welt und die Dinge erschaffen hat aus Sich, da hat Er sie gewiß nicht aus Seinem Zorne, sondern aus Seiner endlosen Freundschaft geschaffen. Diese Freundschaft ist als Liebe das eigentliche Grundwesen Gottes, aus welchem wir und alle Dinge hervorgegangen sind.

[NS.01_042,13] So wir aber als selbst lebendige, denkende und wollende Wesen doch ersichtlich notwendigerweise aus dem Leben Gottes hervorgegangen sind, in welchem kein Tod denkbar ist, so sind wir auch sicher nicht für den Tod hervorgegangen, sondern nur für das Leben. Daß aber solches sich also verhält, mögen wir ja alle daraus klar entnehmen, daß wir als lebendige Wesen da sind.

[NS.01_042,14] Denn der Tod, dieses Unding ohne Sein, bloß nur als ein Begriff zum Gegensatze des Lebens, kann ja doch unmöglich irgend etwas hervorbringen. Denn könnte er solches, da müßte er zuvor dasein. Wie und wo aber könnte er dasein, indem das lebendige Wesen Gottes Seine eigene Unendlichkeit erfüllt, außer welcher keine zweite Unendlichkeit mehr denkbar ist, da die eine Unendlichkeit Gottes ewig unbegrenzt ist.

[NS.01_042,15] Da wir aber nun sind lebendig, denkend und uns selbst fühlend, so sind wir ja doch notwendig aus dem urlebendigen Gott da und sind, wo wir sind, in der Mitte Seines urewigen, allervollkommensten Lebens. Nichts kann uns von selbem trennen als nur auf eine kurze Zeit der von Gott uns gegebene, eigene Wille.

[NS.01_042,16] Haben wir diesen wieder mit Seinem Willen vereinigt, so sind wir auch dadurch in das Urgrundleben zurückgegangen, und es trennt uns nichts mehr von selbem – als zum Scheine nur die schwache Haut des Leibes. – Wenn diese nach dem Willen Gottes von uns genommen wird, so sind wir wieder vollkommen ein Leben mit Gott, welches sich dann im höchsten Grade der Klarheit ewig in aller göttlichen Vollkommenheit erkennen und beschauen wird.

[NS.01_042,17] Wie empfinden wir aber dieses urgöttliche Leben in uns? – Dieses urgöttliche Leben fühlen und empfinden wir durch die Liebe. Wer sonach die Liebe hat, der hat schon das Leben auch in sich. Wer aber die Liebe nicht hätte, der müßte noch weitere Prüfungen bestehen, und das so lange, bis sich die Liebe in ihm künden würde.

[NS.01_042,18] Die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern ist der Anfang des inneren Lebens. Wer aber aus dieser Liebe in die Liebe zu Gott übergegangen ist, der ist auch vom Anfange seines Lebens übergegangen in die Fülle des göttlichen Lebens selbst.

[NS.01_042,19] Denn wer seine Brüder und Schwestern liebt, der lebt schon in ihren Herzen und sie in dem seinigen. Wer aber dann Gott liebt, der lebt in Gott und Gott in ihm!

[NS.01_042,20] Es kann aber niemand aus der eigenen Liebe heraus Gott lieben, weil Gott die Fülle des Lebens ist. So aber jemand durch seine Liebe seine Brüder und Schwestern lebendig in sich aufgenommen hat, der hat dadurch seine eigene Lebenssphäre erweitert, damit er dann erst in diese die Fülle des göttlichen Lebens aufnehmen kann.

[NS.01_042,21] Denn das eigene Leben durch die eigene Liebe ist viel zu ohnmächtig zur Tragung der Fülle des göttlichen Lebens. Aber ein durch die Liebe in eines Menschen Herz vereinigtes Bruder- und Schwesterleben kann nach und nach also gestärkt und gekräftigt werden, daß es dann imstande ist, die Fülle des göttlichen Lebens in sich aufzunehmen.

[NS.01_042,22] Obschon zwar jeder Mensch für sich ein lebendes Wesen ist, so würde aber doch das Leben eines einzelnen Menschen in sich selbst als ein barster Tod gegen die Fülle des göttlichen Lebens erscheinen, und niemand könnte dieselbe ertragen, so sie über ihn kommen möchte in seiner dürftig lebendigen Abgeschlossenheit. Daher breitet die Arme eurer Herzen weit aus und umfasset alle Brüder und Schwestern mit der innigsten Liebe werktätig, so werdet ihr dadurch euer Herz zu einer geräumigen Wohnstätte umstalten, in welche dann die Fülle des göttlichen Lebens wird einziehen und allda ewige Wohnung nehmen können. Denn Gott ist groß und unendlich die Fülle Seines Lebens.

[NS.01_042,23] Wir wissen aber, daß in einem Punkte keine große Kraft herrschen kann. Wenn sich aber die Punkte vereinigen, so wird ihnen auch eine Kraft innewohnen, welche entsprechen wird der Größe ihrer Vereinigung. – Ist nicht unsere große Welt zusammengesetzt aus lauter Punkten? So wir aber einen Punkt davon nehmen und prüfen seine Kraft, wie gering erscheint sie gegen die unsrige, indem wir ihn zunichte machen können zwischen unseren Fingern. – Sind wir solches auch imstande mit unserer großen Welt? – O das ist ferne von uns! Denn die Kraft der Welt ist eine Fülle, die da entspricht der endlosen Vielheit der Punkte, aus denen sie besteht. Diese Kraft aber ist ebenfalls nichts anderes, als das stets mächtigst wirkende Leben Gottes in unserer Welt.

[NS.01_042,24] Der eigenliebige Mensch gleicht einem Punkte, welchen schon unsere Kraft zerstört. Was wird ihm erst geschehen zwischen den Fingern der göttlichen Lebenskraft? – Wenn wir aber unser Herz erweitern durch die Bruder- und Schwesterliebe, da vergrößern wir durch die Zusammenziehung der lebendigen, einzelnen Punkte in uns unsere eigene innere Welt (was alles die Bruder- und Schwesterliebe bewirkt) und bilden dadurch ein kräftiges Organ zur Aufnahme stets größerer Kräfte. Ist dieses Organ nach dem Willen Gottes vollkommen ausgebildet, gleich der äußeren Welt, die uns trägt, sodann erst wird dasselbe auch fähig werden, die Fülle höherer Kräfte in sich aufzunehmen, welche da ausgehen aus der urewigen, endlosen Fülle der göttlichen Lebenskraft.

[NS.01_042,25] Liebet daher eure Brüder und Schwestern, damit ihr Gott lieben könnet; denn ohne die Bruder- und Schwesterliebe kann niemand Gott lieben.

[NS.01_042,26] Sehet, das ist der ganze dritte Grundsatz vom Leben durch die wahre Religion.

[NS.01_042,27] Mit diesem Grundsatz ist auch der Ehestand vereinigt. Daher aber auch die Ehe nirgends so innigst gehalten wird, wie hier.

[NS.01_042,28] Daß solches alles in den beiden Gürteln, welche dem Planeten Jupiter entsprechen, ohne die geringste Ausnahme der Fall ist, könnt ihr schon aus dem entnehmen, daß Ich bei der Darstellung des nördlichen Gürtels gar nie ganz besonders des südlichen erwähnt habe. – Und somit wären wir auch mit diesem vierten Gürtel fertig und wollen uns sogleich auf den fünften begeben.

 

43. Kapitel – Das fünfte Gürtelpaar- entsprechend dem Saturn. – Land und Leute daselbst.

[NS.01_043,01] Was da den fünften Gürtel betrifft, so brauche Ich euch nur bekanntzugeben, daß dieser (fünfte) Gürtel sowohl nördlicher- als auch südlicherseits dem euch ganz wohlbekannten Planeten Saturn entspricht, so habt ihr schon einen ziemlichen Teil desselben erkannt, und wir werden mit der Darstellung dieses Gürtels darum auch um vieles eher fertig werden als mit der des vorigen.

[NS.01_043,02] Was den Gürtel an und für sich betrifft, so ist auch dieser von dem vorigen durch einen hohen Gebirgswall getrennt. Aber von diesem Gebirgswall laufen dann sogleich große Gebirgszüge über den ganzen, über viertausend Meilen breiten Gürtel. – Auf seiner nördlichsten Seite hat dieser dann einen Wassergürtel, der aber keine gleiche Breite, sondern viele Einbuchtungen in das Land hat. Manche Einbuchtung erstreckt sich zwei- bis dreitausend Meilen tief ins Land hinein. Die nördliche Uferseite dieses Wassers aber läuft dann ziemlich geradlinig fort und ist von lauter schroffen Gebirgswänden begrenzt.

[NS.01_043,03] Derselbe Fall ist es auch mit dem entsprechenden südlichen Gürtel; nur natürlicherweise im umgekehrten Verhältnis, – demzufolge der nördliche Teil bewohnbares Land ist, von den vielen Gebirgszügen durchwebt, und am südlichen Teil der Länder dieses Gürtels erst der Wassergürtel folgt, welcher ebenfalls gegen das bewohnbare Land große Einbuchtungen hat.

[NS.01_043,04] Wir werden aber dennoch allein den nördlichen Gürtel darstellen und durch die Verhältnisse des nördlichen Gürtels gewisserart auch stillschweigend die des südlichen mitnehmen.

[NS.01_043,05] Wie ist sonach auf diesem nördlichen Gürtel das Land beschaffen? – Schauet nur auf den Saturn hin, und ihr seht dadurch auch die Beschaffenheit der Ländereien dieses Gürtels.

[NS.01_043,06] Der Wohnbaum ist auch hier zu Hause, auch der Regenbaum, der Strahlenbaum, der Trichterbaum, der Spiegelbaum, der Wandbaum und der Allerleibaum, wie auch der Pyramidenbaum, – diese sind hier allenthalben anzutreffen. Nur sind sie hier noch großartiger, erhabener, schöner und feuriger in allem als auf dem Planeten Saturn.

[NS.01_043,07] Also sind auch alle Gesträuche und anderen Pflanzen in verherrlichterem Maßstabe vorhanden, die wir auf dem Planeten kennengelernt haben. Sogar die Schiffspflanze mangelt nicht und wird hier zum selben Zweck benutzt wie auf dem Planeten. Denn in diesem Gürtel fängt schon die Schiffahrt an.

[NS.01_043,08] Was die Tiere betrifft, so sind die gutartigen samt und sämtlich ebenfalls hier zu finden. Das große Mud aber und noch einige andere mehr bösartige Tiere des Planeten Saturn, wie auch noch der große Fisch und der große Vogel sind hier nicht zu finden, also auch die verschiedenen Muscheltiere nicht. Alles andere Getier aber ist da ebenso zu Hause wie auf dem Planeten. Und die große Kuh selbst fehlt nicht, sowie das euch bekannte Schaf der Gebirgsbewohner. – Nur ist, wie schon gesagt, hier alles veredelter und viel sanfter noch als auf dem Planeten.

[NS.01_043,09] Wollt ihr die sämtlichen Verhältnisse dieses Gürtels gewisserart auf einen Hieb durchschauen, so begebet euch nur zu des Planeten Gebirgsbewohnern. Allda könnt ihr alle Verhältnisse sowohl in bürgerlicher, häuslicher, staatlicher und religiöser Hinsicht kennenlernen.

[NS.01_043,10] Auch hier werden Tempel zum Gottesdienst errichtet. – Und die Zeitrechnung ist bei den Bewohnern dieses Gürtels nahezu auf dieselbe Weise einheimisch wie auf dem Planeten; der Unterschied besteht nur darin, daß die Bewohner dieses Gürtels nach dem Umschwunge der Sonne um ihre Achse die Zeit bestimmen, welchen sie in seiner Vollendung daran erkennen, daß ihnen ein gewisses Sternbild über den Zenit zu stehen kommt. Eine solche Umdrehung der Sonne, die ungefähr in neunundzwanzig Erdtagen erfolgt, gibt ihnen dann einen Zeitraum, welchen sie in sieben Perioden einteilen.

[NS.01_043,11] Die Zeit des Zenit ist gewöhnlich eine Feierzeit, wie auch bei den Saturnbewohnern der siebente Tag ein Feiertag ist. Diese Feierzeit wird auf dem Gürtel auf dieselbe Weise gefeiert wie auf dem Planeten.

[NS.01_043,12] Was ferner die Wohnung und die Kleidung und die Nahrung der Bewohner dieses Gürtels betrifft, so ist sie ganz gleich mit der auf dem Planeten (es versteht sich von selbst, daß hier allzeit die Gebirgsbewohner des Planeten gemeint sind).

[NS.01_043,13] Was den Menschen selbst betrifft, so gleicht er sowohl männlicher- als weiblicherseits ganz vollkommen in allem dem Menschen des Planeten, nur bezüglich der Größe nicht. In dieser Hinsicht sind die Bewohner des Gürtels um ein Drittel kleiner als die des Planeten.

[NS.01_043,14] Sie sind überaus sanfter Natur, scheuen nichts mehr als irgendeine Aufregung des Gemüts und haben aus diesem Grunde sogar vor der zu großen Liebe eine überaus hohe Achtung.

[NS.01_043,15] Aus diesem Grunde geht aber auch auf diesem Gürtel alles so ruhig zu, daß jemand von euch bei der großen Lebensfülle dieses Gürtels denken würde: hier hat der Tod unfehlbar seine Wohnung aufgerichtet. – Dem ist aber nicht also. – Die Bewohner sind unter sich recht fröhlich und voll heiteren Mutes. Sie sind auch dabei große Freunde der Töne und ergötzen sich oft, nach eurer Rechnung, viele Stunden lang an dem lieblichen Gesange ihrer zahlreichen Singvögel. Aber selbst sind sie ebensowenig Sänger und Musiker als die Bewohner des Planeten Saturn.

[NS.01_043,16] Sie haben mit den Geistern und auch nicht selten mit Mir Selbst noch häufiger Zusammenkünfte als ihre Brüder im Planeten.

[NS.01_043,17] Sie sind überaus keuschen Sinnes und achten ihre ungemein schönen Weiber bloß in ihrem Herzen.

[NS.01_043,18] Die Zeugung ist hier dieselbe wie im Planeten. Und der Wille ist noch um ein bedeutendes kräftiger als der Wille der Planetenbewohner. Demzufolge sie auch sogar einige samenlose Pflanzen ziehen und mit ihrem Willen alles Getier bändigen können.

[NS.01_043,19] Auch diese Gürtelbewohner können sich manchmal durch ihren Willen frei in die Luft erheben und im Notfall auch kurze Strecken über dem Wasser einhergehen. Aber weite Strecken getrauen sie sich nicht, indem sie sagen: Solches ist ein Wunder, dessen sich der Mensch nur im höchsten Notfall bedienen darf. Aber niemand soll daraus eine Ordnung machen. Denn der Geist Gottes bedient Sich Selbst der Wunderwerke nur dann, wenn sie Seine endlose Weisheit für nötig erkennt; sonst aber muß sich alles in der ewigen Ordnung bewegen. – Aus diesem Grunde wagen sie auch nie einen ununterbrochenen Gebrauch ihrer Willenskraft; sondern bedienen sich derselben nur dann, wenn es höchst notwendig ist.

[NS.01_043,20] Das ist auch alles wesentlich Unterschiedliche zwischen den Bewohnern des Planeten und den Bewohnern dieses Gürtels; alles andere ist völlig gleich.

[NS.01_043,21] Daß die Bewohner dieses Gürtels zumeist die Gebirge bewohnen, braucht kaum erwähnt zu werden; denn die Flachländer werden allda gewöhnlich den vielen Tieren überlassen.

[NS.01_043,22] Was den sogenannten „Hausknecht“ betrifft, so ist dieser auch hier zu Hause; aber nicht mehr als Tier, sondern als eine eigene, etwas untergeordnete Menschenrasse, die sich gegen die eigentlichen Bewohner dieses Gürtels geradeso verhält, wie sich zu euch ungefähr die wilden Negerstämme verhalten. Aber hier sind sie nicht mehr zum Dienste der eigentlichen Bewohner bestimmt, sondern zumeist als Flachlandbewohner dazu angeordnet, daß sie von den eigentlichen Bewohnern die wahre, menschliche Art zu leben erlernen und durch diese Lehre dann selbst zum Range des wirklichen Menschen emporsteigen. Aus dem Grunde ist dann auch ihre Lebensweise ganz dieselbe wie die der eigentlichen Hauptbewohner dieses Gürtels. Nur in der Zeugung seinesgleichen ist ein Unterschied, insofern diese untergeordnete Menschenklasse durch eine Art Beischlafes sich zeuget, welcher Beischlaf aber dennoch bei weitem nicht also fleischsinnlich ist wie bei euch.

[NS.01_043,23] Das ist aber dann auch vollkommen alles, was diesen Gürtel betrifft. – Und somit wären wir denn auch mit diesem fünften Gürtel sowohl nördlicher- als südlicherseits vollkommen zu Ende und wollen uns für das nächste Mal sogleich auf den sechsten Gürtel begeben.

 

44. Kapitel – Das sechste Gürtelpaar – entsprechend dem Uranus. – Betrachtung dieses Planeten.

[NS.01_044,01] Es ist schon bei der Darstellung des fünften Gürtels erwähnt worden, daß da nach dem Wasserring eine in ziemlich gerader Linie fortlaufende, hohe Gebirgswand das vorbenannte Ringgewässer beufert. Eben diese Gebirgswand ist zugleich auch der Anfang des sechsten Gürtels, sowohl nördlicher- als südlicherseits; nur ist sie südlicherseits weniger schroff als nördlicherseits.

[NS.01_044,02] Wie hoch ist wohl diese Gebirgswand? – Was ihre große Steile betrifft, so erhebt sich diese nur etwa zehn Meilen hoch über den Wasserspiegel. Nach dieser Steile aber bekommt dann dieses Ringgebirge sanftere Abdachungen, aber nicht etwa abwärts, sondern in die Höhe, und zieht sich nach dieser Abdachungssteigerung noch zu einer Höhe von zwanzig deutschen Meilen über die Steile. – Hat diese Abdachung ihren höchsten Punkt erreicht, dann fällt es anderseits in den sechsten Gürtel hinein, ganz sanft abwärts steigend, so daß der Fall der verschiedenen, oft mehrere Meilen breiten Gebirgsrücken bei einer Länge von einer Meile kaum zweihundert Klafter beträgt.

[NS.01_044,03] Und so zieht sich dieses Gebirge bis zum nächsten Wassergürtel ganz sanft abwärts fallend. Nur hier und da steigen wieder bedeutende Hügel empor, welche dann natürlicherweise einen stärkeren Fall haben.

[NS.01_044,04] Also ist denn der ganze sechste Gürtel beschaffen und ist somit, wie kein anderer, bis in die höchste Gebirgslinie bewohnbar.

[NS.01_044,05] Daß auch der entsprechende südliche sechste Gürtel also beschaffen ist, braucht kaum erwähnt zu werden; nur müßt ihr ihn euch nicht etwa symmetrisch gleich vorstellen, sondern im allgemeinen nur. Denn in einem jeden gibt es verschiedenartige Gebirgszüge, große Gebirgsebenen, Seen, Ströme, Flüsse und Bäche und zugleich auch sehr viele und sehr große Wasserfälle, welche in den beiden Gürteln verschiedenartig, bald hier, bald dort vorkommen, ohne deswegen darin etwa symmetrisch übereinzustimmen.

[NS.01_044,06] Die ganze Breite dieses Landes, von dessen Höhe bis zu dessen Niederung dürfte etwas über dreitausend Meilen betragen, und der Wassergürtel etwas über tausend Meilen. Also hätten wir einmal schon Grund und Boden dargestellt, auf dem wir uns bewegen wollen.

[NS.01_044,07] Damit wir aber nun dessen Beschaffenheit und Bestimmung desto gründlicher erkennen mögen, wird es auch hier notwendig sein, zuvor einen Blick auf den diesem Gürtel entsprechenden Planeten zu werfen.

[NS.01_044,08] Ihr werdet es nach der früheren Ordnung ohnehin leicht erkennen, daß dieser Gürtel keinem andern als dem Planeten Uranus entspricht. Und so wollen wir auch diesen Planeten zuvor ein wenig im allgemeinen beschauen.

[NS.01_044,09] Die Entfernung und Größe dieses Planeten kann euch ein jeder Kalender kundgeben; daran liegt ja aber auch am wenigsten für den Zweck, zu welchem wir den Planeten ein wenig besichtigen wollen. Sondern alles liegt daran, daß wir uns eine Notiz davon nehmen, (wie, warum und) wie gestaltet er da ist.

[NS.01_044,10] Sein körperlicher Inhalt dürfte eure Erde wohl ums Tausendfache übertreffen. Aus diesem kann dann schon entnommen werden, daß sein Flächenraum von ziemlicher Bedeutung ist; und der Uranus kann daher gar wohl als Planet beinahe ersten Ranges angesehen werden. – Sein bewohnbares Land befindet sich, wie im Saturn, zumeist unter dem Äquator; denn die Polargegenden sind wegen der zu großen Kälte, die dort herrscht, gänzlich unbewohnbar. Aber die Gegenden am Äquator haben immerwährend ein noch recht angenehmes Klima und sind sehr gebirgig.

[NS.01_044,11] Kein Planet von allen, die ihr bis jetzt kennengelernt habt, ist so voll von feuerspeienden Bergen wie dieser; besonders die nördlichen und südlichen Ufer der bewohnbaren Äquatorländer sind beinahe ununterbrochen mit feuerspeienden Gebirgsketten umzingelt. Die inneren Ländereien dagegen haben nur selten Feuerspeier und dafür ziemlich viel ebenes und gut bewohnbares Land.

[NS.01_044,12] Die Vegetation der Ländereien ist überaus üppig. Die Hauptfarbe der Pflanzen ist rotblau und die der Blüten gewöhnlich entweder ins Weißlichtgrüne oder ins Weißlichtblaue übergehend. – Mannigfaltig ist die Vegetation hier eben nicht und noch weniger gattungsreich; aber desto üppiger und riesiger gedeiht da alles, was nur immer auf dem Boden vorkommt.

[NS.01_044,13] Wie das Pflanzenreich so ist auch das Tierreich bezüglich des Reichtums der Gattungen sehr im Hintergrunde gegenüber dem Reichtum anderer Planeten. Aber die wenigen Tiergattungen, die da sowohl in den Gewässern als auf dem Lande und in der Luft vorkommen, sind überaus kräftig und zumeist riesig groß. Kleine Tiere, wie etwa bei euch das Reich der Insekten und Würmer, kommen dort nirgends vor, außer nur allein die Fliege, welche mit der eurigen einer Gestalt und Beschaffenheit ist.

[NS.01_044,14] Was die Menschen betrifft, so sind sie ziemlich groß, so daß der Mann etwa acht Klafter und das Weib gegen sieben Klafter mißt. – Ihr Charakter aber ist sehr stürmisch und heftig; daher es mit ihnen von eurer Seite im Ernste nicht gut aufzunehmen wäre. Sie sind überaus verwegen und voll des unternehmendsten Geistes. Sie scheuen keine Gefahr, und die Furcht vor dem Tode ist ihnen ganz fremd.

[NS.01_044,15] Aus diesem Grunde müssen sie auch stets durch verschiedene Mittel in tüchtigem Zaume gehalten werden, daß aus ihrer oft übertriebenen Tugend nicht leichtlich eine arge Untugend werde.

[NS.01_044,16] Auch die Geister der Verstorbenen aus diesem Planeten müssen sehr abgesondert gehalten werden; denn in irgendeinem Konflikte mit andern Geistern gehen sie gewöhnlich als Sieger davon.

[NS.01_044,17] Wer mit einem oder dem andern durch die innigste, alles aufopfernde Liebe nichts (aus)richtet, der mag ja sogleich sehen, wie er weiterkommt; denn auf dem Wege der Weisheit sind sie rein unzugänglich. Wenn aber jemand sie durch Liebe gewonnen hat, so kann er auch in jeder Hinsicht vom größten Glücke reden. Denn ihre Treue und Beharrlichkeit ist auch ebenso hartnäckig groß, daß dieselbe durchaus keine Prüfung mehr zu erschüttern vermag.

[NS.01_044,18] Aus diesem Grunde ist auch alle ihre Verfassung höchst einfach und beschränkt sich lediglich auf die Liebe. Was ihnen die Liebe eingibt, das tun sie auch, und zwar mit einer solchen Ausharrung, daß sie von einer begonnenen Tat durch gar nichts abzuhalten sind. Man müßte sie nur gänzlich vernichten, wenn man sie untätig machen wollte.

[NS.01_044,19] Damit ihr euch aber einen kleinen Begriff von der Beharrlichkeit dieser Menschen machen könnt, so will Ich euch dafür ein kleines Beispiel geben.

[NS.01_044,20] Nehmet an es hätte einer eine vorbestimmte Handlung begonnen; in der halben Handlung aber wird er vom Tode überrascht und muß natürlicherweise als Geist und Seele seinen Leib verlassen. Meinet ihr, daß er als Geist von der Stelle wegzubringen ist, da er bei der halben Handlung seinen Leib verlassen mußte? Mit nichts ist er davon hinwegzubringen, sondern legt als Geist seine Hand ans Werk und trennt sich nicht eher von der Stelle, als bis das Werk vollendet ist!

[NS.01_044,21] Aus diesem Grunde muß auch den Geistern dieses Planeten nach dem Tode ihres Leibes eine naturmäßige Handlungsfähigkeit so lange zugelassen werden, bis irgendein begonnenes Werk vollendet ist, sonst wäre ein solcher Geist, zufolge seines freien Willens, Ewigkeiten nicht von der Stelle zu bringen.

[NS.01_044,22] Also ist auch die Beharrlichkeit der noch im Leibe lebenden Menschen dieses Planeten. – Wenn es heißen würde: Von dieser hohen Gebirgsspitze bis zur andern muß eine Brücke gemacht werden, und die Einwohner dieses Planeten würden dieses Projekt in ihr Wollen aufgenommen haben, so wird da nicht eher gerastet und geruht, als bis die zwei Gebirgsspitzen mit der geplanten Brücke verbunden sind.

[NS.01_044,23] Daher sind auch diese kühnen Bauten auf keinem andern Planeten anzutreffen wie gerade auf diesem. – Was wären da eure Pyramiden Ägyptens und alle eure sogenannten Weltwunder?! – Denn was die Architektur anbelangt, so ist sie auf diesem Planeten im allerriesenhaftesten Maßstab vorhanden. – Damit ihr euch aber einen Begriff machen könnt, so will Ich euch auch davon ein paar kleine Beispiele geben.

[NS.01_044,24] Ich setze den Fall, die Bewohner dieses Planeten befänden sich auf eurer Erde und namentlich in eurem Lande. Ein Paar davon aber hätte eine Reise gemacht, zum Beispiel in die Schweiz, und hätte da an einem oder dem andern Gletscher ein besonderes Wohlgefallen gefunden. Das Bild dieses Gletschers prägt sich dann so tief in das Gemüt, daß ihn die Reisenden wie immerwährend vor sich sehen. – Wenn nun die zwei Reisenden wieder zurückkommen, so werden sie von den übrigen sogleich liebreichst befragt werden, was ihnen besonders Sehenswertes auf dieser Reise aufgefallen ist, und ob sie dasselbe auch ins Werk zu setzen gedenken? Bei dieser Gelegenheit wird von den zwei Reisenden der Lieblingsgegenstand sogleich beschrieben und nachher auf Tafeln gezeichnet. Wenn er aber einmal gezeichnet ist, so ist das schon so viel als die allereidlichste Versicherung, daß ein solcher Berg auch in einer andern Gegend errichtet werden muß. Zu dem Behufe würde dann sogleich zum Beispiel euer Schöckel samt seinen Nebenpartien in Anspruch genommen werden, und am selben Tag noch würdet ihr viele tausend Hände in Bewegung gesetzt sehen; und ehe zehn Jahre nach eurer Rechnung verlaufen würden, hättet ihr eine leibhaftige Jungfrau oder ein Wetterhorn oder ein Schreckhorn an der Stelle eures bescheidenen Schöckels vor Augen.

[NS.01_044,25] Sehet, das wäre ein Beispiel, inwieweit die Bewohner dieses Planeten die Baukunst treiben! – Wir wollen aber noch ein weiteres ansehen.

[NS.01_044,26] Ein Bewohner dieses Planeten hätte zum Beispiel einen Grund, natürlich von großer Ausdehnung. Die Mitte seines Grundes aber ist ihm unangenehmerweise von einem ziemlich hohen Gebirgsrücken durchschnitten, ungefähr im Maßstabe eurer Koralpe. – In diesem Fall wird sogleich beschlossen, den Berg mit allen seinen Verzweigungen entweder bis zur Hälfte abzutragen und alle seine Gräben damit auszufüllen; oder aber der Berg wird in einer Breite von einer Stunde bis zur vorliegenden Grundebene herab durchschnitten, so daß dann der Grundeigentümer ganz ebenen Fußes hindurchgehen kann. Das Material, welches bei dieser Gelegenheit der Abgrabung gewonnen wird, wird teilweise zur Begrenzung des Grundes verwendet; teilweise aber auch in andere Gebirgsgräben zu deren Ausgleichung gebracht.

[NS.01_044,27] Wenn es aber einem solchen Grundeigentümer angenehmer und zweckdienlicher scheint, so baut er über den ganzen Berg die schönste Straße und verziert diese links und rechts mit den großartigsten Pyramiden und anderen, ihm wohlgefälligen Zieraten. Die Straße aber darf ja nicht, etwa so wie bei euch auf der Erde, eine schlängelnde Gestalt haben, sondern sie muß allezeit ganz vollkommen gerade sein. Nun versuchet einmal, über eine Alpe eine gerade Straße anzulegen, so werdet ihr bald einsehen, mit welchen Unkosten und mit welcher für euch schauerlichen Arbeit und Mühe eine solche Straßenanlegung verbunden wäre.

[NS.01_044,28] Allein, alles dieses ist für den Uranusbewohner so gut wie eine willkommene Sache; denn je schwieriger irgendein Gelände ist, je großartigere Kräfte und Ausharrungen und Arbeit es verlangt, – mit desto größerer Begierde wird auch sobald die Hand ans Werk gelegt.

[NS.01_044,29] Also sind auch ihre Wohnungen gewöhnlich für euch kaum begreifliche Riesenwerke ihrer Baukunst. Meinet ihr, so ein Uranusbewohner würde sich mit einem von Steinen aufgebauten Hause begnügen, wie ihr da Häuser habt auf eurer Erde? – Solches dürfet ihr euch gar nicht denken. Denn dort könnte euer Sprichwort: „Er muß etwas Extras haben!“ –, in ziemlich gute Anwendung kommen.

[NS.01_044,30] Denn ein Bewohner dieses Planeten sucht sich für seinen Wohnungsbau irgendeinen Berg aus, der aber ganz vollkommen gesundsteinig sein muß. Alsbald wird der Berg ringsum zu einem Kegel skarpiert. Sodann wird der große Meißel und der tüchtige Hammer von mehreren hundert Händen zugleich ergriffen und ein solcher Berg auf diese Weise zur Wohnung umgestaltet, und zwar auf eine für den Geschmack dieser Bewohner großartig zierliche Weise.

[NS.01_044,31] Ein solches Wohnhaus hat dann auch mehrere Stockwerke, welche durch gute und breite Stufen miteinander verbunden sind. Und um jedes Stockwerk müssen nach außen starke Galerien führen. Ein also vollendetes Haus hat dann freilich wohl im vergrößerten Maßstab ungefähr das Aussehen wie ein babylonischer Turm, – nämlich auf die Weise, wie ihr ihn zu zeichnen pflegt. Aber ihr müßt euch nicht etwa vorstellen, als sehe ein jedes Wohnhaus also aus, sondern da hat wirklich ein jeder etwas „Extras“.

[NS.01_044,32] Das Allergroßartigste aber sind ihre Gottestempel; denn dazu werden hier und da ganze, besonders ausgezeichnete Gebirgszüge verwendet. Die Bewohner sind in dieser Hinsicht nämlich der Meinung, daß Ich an dem einen oder dem andern Gebirge ein besonderes Wohlgefallen habe, – welches sie daraus erkennen, wenn irgendein oft bis zehn Meilen laufender Gebirgszug sehr wenig zerklüftet ist.

[NS.01_044,33] Ein solcher Gebirgszug wird dann unfehlbar zu einem Tempel Gottes umgewandelt; jedoch allezeit nur bis zur Hälfte des Berges herab; denn der Tempel zur Verherrlichung Gottes muß allzeit viel höher stehen, als irgendein anderes Haus. Die Dächer mancher Tempel sind so hoch, daß sie selbst unter dem Äquator, wo es immer so warm ist wie bei euch im hohen Sommer, mit ewigem Schnee und Eis bedeckt sind.

[NS.01_044,34] Aus diesen wenigen Beispielen möget ihr wohl entnehmen, welches Geistes Kinder die Bewohner dieses Planeten sind. – So prachtliebend sie aber auch sind in ihren Gebäuden, so einfach sind doch wieder ihre anderen Sitten und Gebräuche. Ebenso sind auch ihre Kleidung und Nahrung von höchster Einfachheit.

[NS.01_044,35] Ihre Hauptverfassung besteht darin, sich gegenseitig in allem und jedem ohne irgendein Bedenken beizustehen.

[NS.01_044,36] Ihre Religion hat nichts anderes als die größtmöglichste Ehre Gottes zum Grunde. Und die Lehre in dieser Hinsicht ist ebenso einfach wie sie selbst und lautet also: Was wir immer tun, das tun wir zur Ehre Gottes! Im Geiste ehren wir Gott, wenn wir uns für gering halten, uns allgemein liebend umfassen und einander in allem und jeglichem beistehen. In der Tat aber ehren wir Gott, wenn wir unsere Kräfte zur Veredlung dessen anwenden, was Er uns angedeutet hat, daß wir es vollenden sollen zu Seiner Ehre. – Das ist dann aber auch die ganze Religion der Bewohner dieses Planeten.

[NS.01_044,37] In den Tempeln wird nicht etwa gebetet wie bei euch; sondern diese Tempel sind im Grunde nichts anderes als einerseits Denkmäler göttlicher Größe und Erhabenheit, auf der andern Seite aber auch großartige, allgemeine Versammlungsplätze zur Beratung irgendeiner großen Unternehmung zur Ehre Gottes.

[NS.01_044,38] Priester und andere Vorsteher des Volkes gibt es hier nicht. Sondern der älteste Hausvater einer Familie, welche manchesmal aus mehreren tausend Köpfen besteht, ist alles in allem.

[NS.01_044,39] Die Ehen werden hier strenge gehalten. – Die Zeugung des Menschen geschieht hier ebenfalls durch den Beischlaf.

[NS.01_044,40] Die Leichen der Gestorbenen werden allenthalben verbrannt und ihre Asche in zierliche Gefäße getan und dann in die Tempel versetzt.

[NS.01_044,41] Die männlichen Bewohner stehen in beständigem Verkehr mit den Geistern, aber nie sichtbar, sondern vernehmbar. – Die Weiber aber haben zu öfteren Malen auch Gesichte.

[NS.01_044,42] Was den Gewerbsfleiß betrifft, so sorgen die Weiber für die Kleidung und für den Tisch. Die Männer aber verrichten anderwärtige Arbeiten und sind ebenso geschickte Erz- und Baumeister.

[NS.01_044,43] In diesem Planeten wird auch geschrieben und gezeichnet; daher sie auch ein geschriebenes Wort haben, demzufolge sie Mich auch kennen in menschlicher Gestalt als Schöpfer und Herrn Himmels und der Erde, das heißt ihrer Erde. Sie wissen auch, daß Ich auf einer ähnlichen Erde als Mensch gewandelt bin im Fleische; da sie aber von diesem Planeten darum eine solche Meinung haben, als wäre er der allerhöchste Himmel, so wird es vermieden, daß sie den Standpunkt dieses Planeten jederzeit ermitteln können, weil sie sonst demselben göttliche Verehrung erweisen würden.

[NS.01_044,44] Das ist im allgemeinen aber auch alles, was ihr von dem Planeten vorderhand zu wissen braucht, um davon nutzbringenderweise auf den entsprechenden Sonnengürtel übergehen zu können.

[NS.01_044,45] Daß übrigens dieser Planet noch fünf Trabanten und um den Äquator einen starken Dunstkreis hat, welcher Dunstkreis von einigen scharf bewaffneten, astronomischen Augen als eine Art Saturnusring angesehen wurde, braucht hier kaum erwähnt zu werden, weil fürs erste die Monde eines Planeten ohnehin nicht in das Sonnengebiet, insoweit wir es verfolgen, aufgenommen werden. Was aber den Dunstkreis betrifft, so gehört dieser in die naturmäßige Sphäre eines Planeten und hat mit der Sonne insoweit nichts zu tun, inwieweit wir die Sonne betrachten und ihre Beschaffenheit uns wohlnützlicherweise vor das Gemüt stellen wollen.

[NS.01_044,46] Sonach können wir uns sogleich auf unsern sechsten Sonnengürtel begeben.

 

45. Kapitel – Das dem Uranus entsprechende sechste Gürtelpaar. – Menschen, Pflanzen- und Tierwelt daselbst.

[NS.01_045,01] Wie des Landes Boden auf dem sechsten Sonnengürtel hinsichtlich der Gestaltung beschaffen ist, haben wir schon gleich bei der ersten Bekanntschaft mit diesem Gürtel dargetan.

[NS.01_045,02] So bleibt uns nur übrig, hier den Stand des Menschen zu betrachten, wie er da leibt und lebt in entsprechender Ordnung mit dem Planetenbewohner. – Wie sehen demnach die Menschen in diesem Gürtel aus?

[NS.01_045,03] Was die Gestalt betrifft, so ist diese, wie wir bis jetzt in all den übrigen Gürteln gesehen haben, überall und so auch hier eine vollkommen menschliche, weil sie ein Ebenmaß Meines Wesens ist. Nur die Größe ist auf jedem Gürtel verschieden und spricht sich fast allenthalben in einem andern Maßstab aus. – Die Menschen dieses Gürtels sind noch einmal so groß wie die des Planeten und mehr als ums Zehnfache kräftiger als ihre entsprechenden Planetarbrüder.

[NS.01_045,04] Daher sind auch ihre Werke und ihre Bauten noch um vieles riesenhafter als jene, die wir auf dem Planeten kennengelernt haben. Auch diese Menschen sind überaus unternehmenden Geistes und haben eine große Lust an allerlei riesenhaften Unternehmungen.

[NS.01_045,05] So würdet ihr dort Gebäude erblicken, vor denen euch schauern würde. Selbst ihre Wohnhäuser sind für eure Begriffe von einer solchen Großartigkeit, daß ihr bis jetzt noch nichts Ähnliches vernommen habt. – Was aber ihre Gottestempel betrifft, so dürfte es sogar schwer sein, euch in diesem Punkte überhaupt ein gutes Bild geben zu können.

[NS.01_045,06] Bevor wir jedoch sowohl das eine wie das andere hinsichtlich der Gebäude näher kennenlernen, wollen wir noch die Gestalt des Menschen ein wenig näher betrachten. – Was dessen Größe betrifft, so könnt ihr diese im Vergleich mit den Planetarbewohnern ohne weitere Bestimmung leicht erkennen; aber nicht also die Form des Menschen. Diese ist es, welche wir näher betrachten wollen. – Wie sieht sonach ein solcher Mensch aus?

[NS.01_045,07] Die Füße sind eben nicht massig, aber dafür überaus muskelreich und stark gebaut. Die Fußsohle ist nahezu hornartig fest. Der ganze Tritt des Fußes aber ist im Verhältnis zum ganzen Fuß mehr klein als groß zu nennen. Das Knie ist, wie ihr zu sagen pfleget, ziemlich spitzig, weil die Kniescheibe wegen der Stärke des Fußes ausgezeichnet sein muß. Die Schenkel sind nicht sehr gerundet, sondern bei der geringsten Bewegung des Fußes muskelhügelig. Das Gesäß ist im Verhältnis stark und überaus elastisch fest.

[NS.01_045,08] Das Rückgrat erhebt sich mächtig stark und ist von bedeutender Breite; jedoch an den Lenden ums Kennen schmäler als zuoberst an den Schultern, wo die beiden Arme sitzen. Die Brust ist breit und mehr flach und ist ebenfalls überaus reich an Muskelbändern, die sich bei der Bewegung der Arme gewaltig hügelig erheben.

[NS.01_045,09] Die Arme und Hände sind ebenfalls nicht sehr umfangreich zu nennen und sind, so wie die Füße, überaus muskulös ausgezeichnet, mit sehr hervorstehenden Ellbogen versehen. Besonders aber sind die flache Hand und die Finger an derselben zu beachten. Die flache Hand hat einen außerordentlich stark hervorstechenden Daumenmuskel, welcher dann in einem breiten, kurzen, aber überaus starken Daumen endigt. Die Finger haben fast eine gleiche Länge und auch eine gleiche Stärke. Nur der kleine Finger ist etwas kürzer. Die drei Mittelfinger aber weichen sehr wenig von der geraden Linie ab. – Also ist die Hand beschaffen.

[NS.01_045,10] Der Hals ist im Verhältnis mehr kurz als lang und so auch mehr viereckig als rund. – Auf dem Halse sitzt ein verhältnismäßig starker Kopf; das heißt ein Kopf, dessen einzelne Teile sehr ausgezeichnet sind. Die Stirn ist hoch, aber gewisserart gegen die Haare hin vorgebogen und über den Schläfen wie in zwei Tippel auslaufend. Die Schläfen sind ebenfalls wie zwei etwas längliche Knollen hervorragend. So sind auch die Augenbrauen stark hervorstehend. Die Wangenknochen unter den Augen sind ebenfalls ziemlich stark vorgebogen. Die Augen sitzen tief, haben im Verhältnis zum Kopf eine mittlere Größe und sehen wildfeurig aus. Die Nase ist stark und hat in der Mitte ihrer Länge einen ziemlich stark hervorragenden Rüst. Der Mund ist im Verhältnis mehr groß als klein zu nennen und ist an beiden Winkeln stark muskelfaltig. – Das Kinn ist ebenfalls sehr hervorstehend und ohne Bart. – Also sind auch die Ohren im Verhältnis mehr groß als klein zu nennen und stehen mehr hintan vom Kopfe als bei euch.

[NS.01_045,11] Die Haare sind struppig und wachsen nie zu Locken, sondern haben ungefähr das Aussehen wie die Haare eines Mohren bei euch. – Die Hautfarbe ist licht-kastanienbraun.

[NS.01_045,12] Also sieht demnach der Mann aus. – Es braucht hier kaum erwähnt zu werden, daß die Schamteile ebenfalls im starken Verhältnis mit dem übrigen kräftigen Körperbau stehen.

[NS.01_045,13] Was die Kleidung betrifft, so trägt der Mann eine Art Hose, die mit den israelitischen Hosen viel Ähnlichkeit hat. Diese Hose wird mittels eines Bandes über den Lenden befestigt. Zuunterst unter dem Knie wird sie ebenfalls mit einem Bande ziemlich knapp angebunden. Das ist aber auch das ganze Gewand des Menschen, das heißt des Mannes, auf diesem Sonnengürtel. Auf dem Planeten aber ist jeglicher Mann nahe also bekleidet, wie einst die Israeliten bekleidet waren; nur ist die Farbe mehr licht als dunkel. – Also hätten wir nun den Mann.

[NS.01_045,14] Wie sieht denn das Weib aus? – Das Weib ist im ganzen genommen natürlicherweise viel runder als der Mann. Dessenungeachtet aber würde sie bei euch auf der Erde durchaus nicht in die Klasse weiblicher Schönheit aufgenommen werden. Denn was die Farbe betrifft, so ist sie nur ums Kennen heller als der Mann. Was aber sonst die fleischliche Üppigkeit betrifft, so dürfte der Bau eines solchen Weibes ganz wohl einem ziemlich magern Frauenzimmer bei euch gleichen.

[NS.01_045,15] Die Haare sind ebenfalls mehr wollig als lockig und hängen kaum bis auf die Schultern hinab.

[NS.01_045,16] Also ist auch die Brust mehr herabhängend als eiförmig rund und ist vorne gegen die Zitzen, oder nach eurer Sprache Saugwarzen, umfangreicher als an der Brust, allda sie hänget.

[NS.01_045,17] Die Kleidung des Weibes besteht ebenfalls in nichts anderem als in einer Art Schürzhose, welche, wie bei den Türken, in vielen Falten unter dem Knie geschlossen wird.

[NS.01_045,18] Der Kopf des Weibes trägt auch einen Hut, welcher ungefähr das Aussehen eines Kegels hat und mit einem Bande unter dem Kinn befestigt ist.

[NS.01_045,19] Also hätten wir Mann und Weib so gut als möglich abgebildet vor uns. Wenn ihr nun die leibliche Form dieser Menschen betrachtet, so braucht ihr eben keine zu großen physiognomischen Kenntnisse, um zu erraten, wessen Geistes Kinder diese Menschen sind. – Was wir sie haben tun und treiben gesehen auf dem Planeten, das tun sie auch hier, nur in bei weitem größerem Maßstabe.

[NS.01_045,20] Was da die Vegetation betrifft, so gleicht auch diese der auf dem Planeten. – Und so ebenfalls das Tierreich. Letzteres aber wird auf dem Sonnengürtel weniger benutzt als auf dem Planeten.

[NS.01_045,21] Dafür aber wird hinsichtlich der Vegetation mehr Sorge getragen als auf dem Planeten. – Besonders sind drei Gattungen Bäume zu berücksichtigen, welche eigentlich dem Bewohner dieses Gürtels die Hauptnahrung abwerfen. Ein Baum gleicht dem sogenannten Kokosnußbaum bei euch auf der Erde und wächst manchmal, besonders auf der Mittelhöhe des Landes, zu einer solchen Größe an, daß er mit seinen Ästen beinahe euer ganzes Land zudecken dürfte. Der Stamm dieses Baumes ist nicht selten so dick und kräftig, daß ihr, wenn er plattweg abgeschnitten würde, auf dessen Stumpf zehn solche Städte aufbauen könntet, wie da ist eure Wohnstadt. Die Höhe dieses Baumes steht übrigens in keinem Verhältnis zu dessen Stärke; denn im höchsten Fall erreicht er nur dreihundert Klafter. Aber desto kräftiger und weitauslaufender sind seine immerwährend fruchtreichen Äste. Und ihr könnt sicher annehmen, daß ein solcher Baum im Zeitraum eines Jahres, nach eurer Rechnung, bei zwanzig Millionen Früchte abwirft, von denen eine jede so groß ist wie ein zwanzig Eimer enthaltendes Faß bei euch.

[NS.01_045,22] Die Frucht selbst ist eingehüllt mit einer reichlichen und starken Wollfädenflechte, welche die Bewohner dieses Gürtels wegen ihrer Stärke, Biegsamkeit und Zähe zu Stricken und Seilen verwenden. Nach dieser Wollfädenflechte kommt eine feste Schale, die sich aber, wie bei einer gewöhnlichen Nuß bei euch, in der Mitte leicht auseinanderteilen läßt. Die Frucht selbst aber ist mit einem wohlschmeckenden, reichen Fleische gefüllt, welches ungefähr so schmeckt wie gute Haselnüsse bei euch.

[NS.01_045,23] Wenn die Bewohner davon essen wollen, so nehmen sie eine frische Frucht vom Baume, allda es immerwährend vollreife, halbreife und auch erst entstehende gibt, und verfahren dann mit der abgenommenen Frucht wie vorhin gezeigt wurde. – Sie nehmen zuerst die Wollfädenflechte von der harten Schale, spalten dann die harte Schale in zwei Teile, schneiden dann mittels krummer Messer das Fleisch heraus und verzehren es nach dem Bedürfnis ihres Magens. Die Schale aber verwenden sie zu allerlei Gefäßen.

[NS.01_045,24] Dieser Baum hat auch sehr große und weiche Blätter. Diese werden gesammelt, dann in große Säcke gesteckt und dienen sogestaltet den Bewohnern dieses Gürtels zur Fütterung ihrer Ruhebänke.

[NS.01_045,25] Ebenso beachtenswert ist ein zweiter Baum. Dieser Baum ist zwar bei weitem nicht so groß, kommt aber dafür häufiger vor und hat eine überaus köstliche Frucht. Die Frucht gleicht beinahe euren Trauben, nur sind der Beeren an einem Stiele nicht so viele beisammen; aber die da beisammen sind, sind von einem beträchtlichen Umfang, so zwar, daß ihr aus jeder Beere einen Eimer voll reifen Saftes auspressen könntet. Die Bewohner dieses Gürtels genießen nur den Saft von dieser Frucht und löschen damit ihren Durst.

[NS.01_045,26] Ein dritter Baum ist ebenfalls, wie schon erwähnt wurde, sehr zu beachten. Dieser Baum gleicht der Gestalt nach beinahe eurem Feigenbaum, wächst ebenfalls zu einer riesigen Größe und bringt eine Frucht zum Vorschein, welche der Form nach so ziemlich den Feigen bei euch gleicht. Wann sie aber vollends reif ist, so hat sie einen Gehalt, als wenn ihr bei euch Brosamen mit Honig vermengen möchtet. Diese Frucht wird überaus gern genossen von den Bewohnern dieses Gürtels; daher sie auch vielen Fleiß für die Kultur dieses Baumes verwenden.

[NS.01_045,27] Es werden aber auch die Früchte noch anderer Bäume genossen, sowie auch die der Pflanzen. Jedoch die Früchte der drei erwähnten Bäume machen den Hauptnahrungszweig aus.

[NS.01_045,28] Von den Tieren wird nur die sogenannte große, haarige Kuh gehalten, welche ungefähr mit einem Kamel bei euch eine Ähnlichkeit hat; nur hat sie keinen Höcker über dem Rücken. Was ihre Größe betrifft, so möchte sie wohl nahe ums Hundertfache einen Elefanten bei euch übertreffen. Was aber die Haare dieses Tieres betrifft, so hat es daran einen solchen Reichtum, daß ihr, wenn die Haare der Kuh abgeschoren sind, dieselben auf zehn eurer schwersten Wagen kaum weiterführen dürftet. Es braucht weiter kaum erwähnt zu werden, wozu die Einwohner dieses Gürtels diese Haare verwenden.

[NS.01_045,29] Somit wären wir mit der Darstellung sowohl des Menschen wie auch der Tier- und Pflanzenwelt in der hauptsächlichsten Hinsicht fertig und wollen uns sonach an die Werke der Menschen dieses Gürtels wenden.

 

46. Kapitel – Erzgewinnung und -verwertung, Baukunst und Wohnhäuser auf dem sechsten Gürtelpaar.

[NS.01_046,01] Unter den Werken dieser Menschen werden vorzüglich ihre Bauten und ihre Metallarbeiten verstanden.

[NS.01_046,02] In diesem Gürtel haben die Berge der Sonne eine Art Metall, das da völlig das Aussehen hat, als wäre bei euch Gold mit Eisen gebunden worden. Dieses Metall kommt allda fürs erste sehr häufig vor, fürs zweite ist es eben darum nicht schwer zu gewinnen, und fürs dritte ist es sehr geschmeidig, dabei doch federhart und dadurch zu allerlei nützlichen Hau- und Schneidewerkzeugen tauglich.

[NS.01_046,03] Um dieses Metall aber sehr tauglich zu bereiten, sind eben diese Gürtelbewohner überaus geschickt. Sie haben zu diesem Behufe auch überaus große Hüttenwerke, in denen dieses Metall zu allerlei Gerätschaften bereitet wird. Für den Zweig dieser Industrie widmen sich mehrere Menschen ausschließlich. Sie verlangen zwar nichts für ihre Arbeit; aber wer allda ein oder das andere Werkzeug haben will, der muß sie ebenso schwer mit Früchten und Eßwaren versehen, wie schwer da ein oder das andere Werkzeug ist.

[NS.01_046,04] Daß diese Werkzeuge manchmal nicht von zu leichter Art sind, könnt ihr euch leicht vorstellen, besonders die großen Hammerbeile; denn diese sind nicht selten fünfzig bis hundert Zentner schwer. Mit Hilfe solcher Werkzeuge können dann auch diese Bewohner gar leicht die riesenhaftesten Gebäude aufführen.

[NS.01_046,05] Es gibt zwar nur selten Wohnhäuser, das heißt, die Wohnhäuser sind nicht etwa so knapp aneinander, wie ihr euch vorderhand denken möchtet, sondern sie liegen in diesem Lande so weit voneinander abstehend, wie etwa die Residenzstädte bei euch. Aber wo ein solches Wohnhaus steht, da will es auch bei weitem mehr sagen als die größte Stadt auf eurem Erdkörper und hat dann auch im Verhältnisse seiner riesigen Größe eine sehr zahlreiche Bevölkerung. So gibt es nicht selten Wohnhäuser, in denen fünf bis zehn Millionen Menschen wohnen.

[NS.01_046,06] Aus dieser Angabe könnt ihr euch schon einen kleinen Begriff machen, was für eine kolossale Bewandtnis es mit einem solchen Wohnhause hat. – Um euch ein solches Haus speziell darzustellen, hättet ihr wenigstens zehn Jahre fleißig daran zu schreiben, ohne dabei noch ein volles Detail zu haben. – Damit ihr euch aber dennoch einen kleinen Begriff davon machen könnt, will Ich euch nur einen möglichst kurzen Abriß davon geben.

[NS.01_046,07] Ein solches Haus hat gewöhnlich sieben, manchmal aber auch zehn Stockwerke. – Wie aber sind diese Stockwerke eingeteilt? – Denket euch eine viereckige Fläche, die auf jeder Seite eine Länge von siebzig Meilen eures Maßes hat. Auf dieser Fläche, das heißt den äußersten Rand allenthalben berührend, erhebt sich das erste Stockwerk zu einer Höhe von dreißig Klaftern eures Maßes. Die Zimmerbreite dieses ersten Stockwerkes beträgt allzeit fünfzig Klafter.

[NS.01_046,08] Das Stockwerk, oder vielmehr dieses große Randgebäude, hat wie alle übrigen kein (Spitz-)Dach, sondern ist ganz flach gedeckt und an den Rändern, sowohl nach außen wie nach innen, mit festen und geschmackvollen Geländern versehen. Die Wände sind komplett, und in gerechten Entfernungen von fünf zu fünf Klaftern mit großen Fenstern versehen, allenfalls sogestaltig, wie bei euch in den Bethäusern die sogenannten gotischen Fenster aussehen. Ein jedes Zimmer zählt sieben bis zehn solcher Fenster.

[NS.01_046,09] Im Innern des Zimmers wird die Dachdecke nach der Länge dieses Randgebäudes von starken Säulen getragen. Die Fenster selbst sind mit einer Art Glas, wie bei euch, verschlossen; nur ist das Glas nicht also hart und spröde wie bei euch, sondern ist mehr elastisch und biegsam, da es aus dem Saft einer Wurzel, die allda in großer Menge gepflanzt wird, bereitet ist, – etwa also wie ihr bei euch aus den tierischen Abfällen den Leim bereitet. Das Glas ist aber allzeit von einer grünen Farbe, das heißt von der Natur aus; manchmal aber mischen die Bewohner dem Safte auch andere Farben bei; und so gibt es dann auch verschieden gefärbte Glasarten, aus denen die Fensterscheiben geschnitten werden.

[NS.01_046,10] Die Einrichtungen der Zimmer sind zwar sehr einfach, aber nichts weniger als geschmacklos. So sind auch die Wände und die Decke allezeit mit mannigfaltigen, wenn schon an und für sich mehr einfachen Zieraten geschmückt. – Der Fußboden eines solchen Zimmers ist gewöhnlich mit viereckigen, verschiedenfarbigen, platten Steintafeln belegt, welche alle fein abgeschliffen und poliert sind. Auf den Glanz der Gegenstände in einem Zimmer richten die Bewohner ein ganz besonderes Augenmerk.

[NS.01_046,11] Um die Säulen in der Mitte eines solchen Zimmers sind gewöhnlich große Rundbänke gezogen, ebenso auch um die Wände geradläufige Bänke, welche mit weichen Laubpolstern reichlich belegt sind, über welche Laubpolster dann erst zierliche Decken gezogen werden.

[NS.01_046,12] Wollt ihr nun wissen, wieviel Zimmer in einer Front des Randgebäudes vorhanden sind, so dürft ihr nur das fragliche Maß eines und des andern Zimmers nach der Anzahl der Fenster und ihrer Entfernungen bestimmen und dann durch ein solches Zimmermaß die ganze Länge von siebzig Meilen teilen, so könnt ihr euch die Menge der Zimmer ganz gut vorstellen. – Ein jedes Zimmer hat dazu noch seinen eigenen Eingang, sowohl von außen als wie von innen. Und sämtliche Zimmer eines ganzen Stockwerkes sind innen ebenfalls mittels Türen miteinander verbunden, so zwar, daß man durch die Zimmer alle vier Fronten eines Stockwerkes umgehen kann. Also führt auch von einem jeden Zimmer an der Wand, welche quer durch das Zimmer geht, eine zierliche und bequeme Treppe auf das freie, mit Geländern versehene platte Dach eines solchen Stockwerks. – Ein jedes Zimmer wird von einer eigenen Familie bewohnt.

[NS.01_046,13] Nun hätten wir auf diese Weise das erste Stockwerk. – Denket euch jetzt wieder einen freien Raum oder vielmehr eine Gasse in der Breite von fünfzig Klaftern. Hier fängt das zweite Stockwerk an. Dieses hat an und für sich wirklich zwei Stockwerke, das heißt, das erste gleichlaufend mit dem äußeren, großen Randgebäude, das zweite ruht auf dem ersten Stockwerk und erhebt sich noch einmal so hoch von der Erde wie das erste. – Die Einteilung und Einrichtung der Zimmer, sowohl des ersten als des zweiten Stockwerks, ist ganz dieselbe wie im ersten Randgebäude. Das Dach ist auch hier flach und zum freien Herumwandeln tauglich und ist ebenfalls mit festen, zierlichen Geländern versehen.

[NS.01_046,14] Denket euch nun eine Gasse, welche in geradester Linie nicht viel weniger als siebzig Meilen Länge hat, so kann auch das Großartige eines solchen Wohnhauses schon ein wenig einzuleuchten anfangen.

[NS.01_046,15] Gehen wir aber durch dieses zweite Gebäude (hin)durch! Und sehet, das Gebäude selbst hat eine Breite von fünfzig Klaftern so wie das erste. Und nun ist wieder eine fünfzig Klafter breite Gasse.

[NS.01_046,16] Hier sehen wir das dritte Stockwerk, von der Erde angefangen aus drei Stockwerken bestehend, jedes von gleicher Höhe mit dem äußeren Randgebäude, welches, wie schon gesagt wurde, sich dreißig Klafter über den Erdboden erhebt. – Also hätten wir demnach bei diesem dritten Stockwerk schon eine Höhe von neunzig Klaftern. – Hier finden wir wieder nichts anderes Neues als bloß den dritten Stock, der natürlicherweise ganz bequem über den zweiten hinwegsieht.

[NS.01_046,17] Gehen wir also auch durch dieses Gebäude! – Hier kommen wir wieder auf eine fünfzig Klafter breite Straße; allda sehen wir das vierte Stockwerk, welches den früheren Gebäuden in allem anderen völlig gleicht, nur daß es natürlicherweise in den unteren Stockwerken verhältnismäßig stärkere Mauern hat als die früheren Gebäude. – Auch hier ist das Dach flach und mit festen und zierlichen Geländern versehen, und man kann vom Dache auch natürlicherweise über die anderen drei Stockwerke bequem hinaussehen.

[NS.01_046,18] Gehen wir nun wieder durch dieses Gebäude, und wir erblicken abermals eine fünfzig Klafter breite Straße und ein fünf Stockwerke hohes Gebäude, welches natürlich etwas kürzere Fronten hat als das äußerste; allein die Verkürzung dieser Front gegen die des äußeren Randgebäudes beträgt noch nicht eine deutsche Meile. – Somit hättet ihr noch immer mehrere Tagereisen nötig, um nur eine Front dieses fünften Fünfstockwerkgebäudes abzureisen. – Daß auch dieses fünfte Stockwerkgebäude mit den anderen bis auf die größere Stärke der Mauern gleich ist, braucht kaum mehr erwähnt zu werden.

[NS.01_046,19] Gehen wir wieder durch dieses fünfte Fünfstockwerkgebäude, und eine neue Gasse von fünfzig Klaftern Breite eröffnet sich; und wir sehen die Front des sechsten Sechsstockwerkgebäudes. Dieses Gebäude ist ebenfalls von den anderen in nichts unterschieden als in der größeren Stärke der unteren Mauern und sodann auch – in der Farbe; denn von diesem sechsten Gebäude fangen die Stockwerke an, verschieden gefärbt zu werden, und zwar nach der Ordnung der Farben eines Regenbogens, was natürlicherweise einen überraschend herrlichen Anblick gibt. Die Dachfläche ist hier mit einem Pyramiden-Geländer umfaßt, auf dessen Pyramiden große Goldkugeln angebracht sind. – Das ist der Unterschied zwischen diesem sechsten Gebäude und den ersten, uns schon bekannten. – Was aber das Innere der Zimmer betrifft, so sind diese ebenso eingeteilt und eingerichtet wie die Zimmer der anderen, uns schon bekannten Gebäude.

[NS.01_046,20] Und so begeben wir uns wieder durch dieses sechste Sechsstockwerkgebäude. Hier treffen wir auf einmal eine tausend Klafter breite Straße. Diese Straße ist durchgehends also glatt abgeschliffen und poliert wie ein Spiegel bei euch. – Und endlich erhebt sich mit der großartigsten Säulenpracht das Siebenstockwerkgebäude. – Dieses Gebäude ist von den früheren nicht nur durch die verschiedene Färbung der Stockwerke unterschieden, sondern es unterscheidet sich auch durch die nach außen wie nach innen jedes einzelne Stockwerk tragenden Säulen. Denn die eigentlichen Wände dieses siebenten Gebäudes steigen erst innerhalb der mächtigen Säulengalerien auf. – Daß die Säulen der unteren Stockwerke immer stärker sind als die der oberen, versteht sich von selbst, weil sie die Last der oberen stets mehr und mehr tragen müssen. Jede Säulenreihe ist von einer andern Farbe, ebenfalls nach der Ordnung der Farben eines Regenbogens. – Das Dach ist ebenfalls flach und über einer jeden Säule erhebt sich ein Obelisk, der zuoberst abermals mit einer großen Goldkugel geziert ist. Ein jeder solcher Dachobelisk ist mit dem andern durch ein zierliches Geländer verbunden und bietet auf diese Weise einen überaus prachtvollen Anblick. – Dieses siebente Gebäude ist zufolge der nach außen wie nach innen gekehrten Säulengalerien, von denen eine jede bei zwanzig Klafter Breite hat, um soviel breiter als die anderen, so daß die ganze Breite eines solchen Gebäudes hundert Klafter beträgt.

[NS.01_046,21] Manches Wohnhaus hat hier ein Ende, – und der innere, noch überaus geräumige Platz ist dann ein allgemeiner Pracht- und Ziergarten, wohlversehen mit tausenderlei Arten kleinerer Baukünste, wie auch mit vielen Alleen fruchtbarer Bäume. Auch fehlen allda nicht allerlei Wasserkünste, darin die Bewohner dieses Gürtels große Meister sind, weil auch die verschiedenen Wasserleitungen in das Fach der Baukunst gehören.

[NS.01_046,22] Manche Wohnhäuser aber haben nach diesem siebenten Stockwerkgebäude noch drei, also noch ein achtes, neuntes und zehntes Stockwerkgebäude, wovon dann wieder jedes durch eine fünfzig Klafter breite Straße vom andern entfernt ist. Nur sind diese Gebäude, weil sie dem Siebenstockwerkgebäude gleichen, jegliches von einer Breite von hundert Klaftern. Dadurch wird freilich dann der innere, große Platz etwas enger; aber dennoch immer groß genug, so daß ihr noch stets mehrere Tagereisen vonnöten hättet, um ihn zu umgehen.

[NS.01_046,23] Nun sehet, das ist ein Wohnhaus dieser Bewohner des besagten Gürtels. Welche Pracht der Anblick eines solchen Wohnhauses gewährt, dazu ist eure Phantasie sogar zu klein, um sich das nur annähernd vorstellen zu können.

[NS.01_046,24] Doch ihr müßt euch diese Wohnhäuser nicht etwa als das Großartigste der Baukunst dieser Bewohner denken. Wenn wir erst ihren großartigen Straßen-, Brücken- und Tempelbau werden kennenlernen, dann erst werdet ihr im vollsten Maße die Baukunst der Bewohner dieses Gürtels, euch überaus hoch verwundernd, beachten können. Das Großartigste aber bleiben immerhin ihre Straßen und Brücken; denn von etwas Ähnlichem hat euch noch nie geträumt. Und ihr möget auch im voraus phantasieren wie ihr wollt, so könnt ihr versichert sein, daß die Darstellung einer solchen Straßen- und Brückenanlage alle eure noch so großartigen Phantasien bei weitem im Hintergrunde lassen wird.

[NS.01_046,25] Da ihre Darstellung – damit ihr euch einen klareren Begriff davon machen könnt – etwas gedehnter sein muß, so wollen wir sie für das nächste Mal aufbehalten und uns für heute bloß mit der Vor-Ankündigung begnügen.

 

47. Kapitel – Die große Ringstraße auf dem sechsten Gürtelpaar.

[NS.01_047,01] Ihr habt schon bei der Darstellung des Planeten Uranus vernommen, daß unter dessen Bewohnern der Grundsatz gilt, demzufolge alle Straßen gerade sein müssen. Obschon die Herstellung gerader Straßen auf dem ziemlich großen Planeten selbst schon mit vielen tausend Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so sind aber doch alle diese Schwierigkeiten nur für gering zu achten gegen diejenigen, die in diesem Gürtel das Erdreich oder vielmehr der Boden der großen Sonnenwelt darbietet.

[NS.01_047,02] In dem Planeten sind die höchsten Berge im außerordentlichsten Falle wohl fünf- bis sechsmal so hoch, oder auch noch etwas darüber, als die höchsten Gebirge eurer Erde. Was ist aber das gegen die Höhe der Gebirge auf der Sonne, die nicht nach Klaftern, sondern nach Meilen gemessen wird?! – Nun denket euch eine Hauptstraßenanlage, welche nur über die mittlere Höhe der großen Länder dieses Gürtels führt, und bedenket dabei die vielen überaus tiefen Täler, dann die vielen großen Ströme, Wasserfälle, Seen und hier und da sogar die Einbuchtungen des Meeres mittels der sogenannten Meereszungen. – Wenn ihr solches ein wenig überdenkt, so dürfte es euch wohl schon im voraus ziemlich klar werden, welch eine Bewandtnis es da mit dem Bau einer vollkommen geraden Straße hat.

[NS.01_047,03] Dann aber bedenket, daß diese Straße sich gleich einem Ring um diesen ganzen sechsten Sonnengürtel zieht, – und zwar sowohl nördlicher- als südlicherseits (mit dem Unterschiede nur, daß die Geländerverzierungen der südlichen Hauptgürtelstraße mehr abgerundet erscheinen als die des nördlichen Gürtels, welche mehr eckig und spitzig sind). Bedenket aber dazu noch immer, daß die Straße eine Länge von nahezu zweimalhunderttausend deutschen Meilen hat.

[NS.01_047,04] Wenn ihr solches mehr und mehr zu erwägen beginnt, so wird euch die Großartigkeit einer solchen Straße immer einleuchtender werden. – Bedenket aber noch hinzu, daß diese Straße allenthalben gleichmäßig zweitausend Klafter breit ist, so werdet ihr noch mehr zu stutzen anfangen. Bedenket, über wie viele tausend Täler, die nicht selten von der Linie der Straße an gemessen eine Tiefe von fünf bis zehn Meilen haben, diese Brücke führt. – Sehet, aller dieser, für euch kaum glaublichen Schwierigkeiten ungeachtet, zieht sich dennoch hoch über diesen schauerlichen Abgründen eine feste und zierlich gebaute Straße!

[NS.01_047,05] Nun hättet ihr schon den ersten Riß dieser Straße dargetan. Aber hier werdet ihr fragen und sagen: Die Anlage einer solchen Straße zu denken steht zwar nicht außer dem Bereich der Möglichkeit, – sie aber zu erbauen, da können wir nichts anderes sagen, als daß ein solches Werk wohl Gott möglich ist; ob aber dergleichen Werke auch geschaffene Wesen mit Hilfe der gegebenen Materie und mit der Kraft ihrer Hände zuwege bringen können, das begreife, wer es kann und mag. Wir aber halten die Sache so lange für rein unmöglich, als wir nicht wohlaussichtig davon überzeugt werden, welche höheren Kräfte diesen Menschen zu Gebote stehen, und wie sie mit diesen Kräften verfahren, damit solche Werke ihren Händen entstammen.

[NS.01_047,06] Ich aber sage: Nur Geduld! Betrachtet so manche Tiere auf eurer Erde und stellt sie bezüglich ihrer Werke mit euch in eine entsprechende Vergleichung, – und ihr müßt da notwendig beschämt erschauern, indem ihr eure größten Händewerke dagegen als armseligste Schneckenhäuser betrachten müsset. – Damit ihr aber solches ein klein wenig klarer erschauen möget, so will Ich euch nun fürs erste zu einem nicht selten über eine Klafter hohen Ameisenhaufen führen. Vergleichet einmal dieses Werk mit der Größe der Bauleute! Ist es im Verhältnis nicht offenbar größer und in Hinsicht ihrer Bauleute mehr, als so ihr, vermöge eurer Größe und Kraft, einen Chimborasso oder ein Himalaja-Gebirge aufgeführt hättet? – Solltet ihr dieses etwa übertrieben finden, so beliebet nur, ein wenig verhältnismäßig nachzurechnen, und ihr werdet die Sache als vollkommen bestätigt finden.

[NS.01_047,07] Nehmet zum Beispiel eine Ameise an, wie sie kaum eine Linie mit ihrem Köpfchen vom Boden der Erde entfernt ist. Nehmet dann eine Höhe von anderthalb Klaftern, welche Höhe nicht selten das Maß eines großen Ameisenhaufens ist. – Versuchet, wie oftmal allenfalls eine halbe Linie in der ganzen Höhe von neun Schuhen enthalten ist. Setzet dann eure Höhe ebensooft übereinander, und ihr werdet daraus gar leicht das Verhältnis finden, wie hoch und umfangreich eure Gebäude sein müßten, wenn sie verhältnismäßig der Größe eines solchen Ameisenhaufens gleichen sollten. – Ich will dabei der tausend Gänge und Katakomben eines solchen Ameisenhaufens gar nicht erwähnen, die alle riesenhaft groß für das Verhältnis ihrer Erbauer sind; denn es genügt die Größe des Haufens selbst, um das Verhältnis der Baukraft dieser kleinen Tierchen gegen die eurige ins klare zu stellen.

[NS.01_047,08] Also könnet ihr auch das Gebäude einer Biene betrachten. Sehet, wie kühn dieses Tierchen mittels eines kaum zwei Linien dicken bräunlichen Wachsstieles an irgendeine Wand ihr ganzes Zellengebäude hängt, welches gewiß mehr sagen will, als so ihr im gleichen Verhältnis den größten Palast an irgendeinen hoch in die Luft erbauten Bogen mittels riesiger Ketten angekettet hättet.

[NS.01_047,09] Ferner könnt ihr noch das Gewebe einer Spinne betrachten, wie weit dieses Tier oft seine Fäden auszieht und in der Mitte dieser Fäden in freier Luft seine Wohnung aufrichtet. Will dieses im Verhältnis nicht ebensoviel sagen, als wenn ihr zwischen den höchsten Gebirgsspitzen mächtige Seile und Stricke gezogen hättet und hättet dadurch hängende Brücken zwischen den Gebirgsspitzen über tiefen Gräben und Tälern errichtet!?

[NS.01_047,10] Ich könnte euch noch eine Menge noch großartigerer Beispiele kleintierischer Baukraft anführen, allein vorderhand mögen euch diese genügen. Wenn ihr sie gehörig betrachten wollet, so könnt ihr zur Genüge eure geringfügige Baukraft gegen die Baukraft dieser Tierchen ersehen. Wenn euch aber schon in dieser Hinsicht diese Tierchen beschämen, wie soll es demnach gar so unerklärlich sein, daß es irgend Menschen geben könne, die eure Baukraft in noch größerem Maßstabe hinter das Licht zu stellen vermögen als eben diese Tierchen?

[NS.01_047,11] Und eben von dieser Art sind die Menschen dieses unseres sechsten Sonnengürtels. – Ihre Hauptkraft spricht sich im Bauen aus, dieweil sie in geistiger Hinsicht denjenigen Organen im Leibe des Menschen entsprechen, durch welche der eigentliche vegetative Bau des Leibes bewerkstelligt wird.

[NS.01_047,12] Wenn wir nun dieses wissen, so können wir uns auch auf den mehr speziellen Teil der Erbauung einer solchen Riesenstraße einlassen. – Wo diese Straße über weitgedehnte Gebirgsebenen hingeht, da ist ihre Erbauung auch natürlicherweise leicht und mit geringen Kraftanstrengungen verbunden. Geht sie aber über tiefe und weitgedehnte Täler oder Gräben, so nehmen dann, nach der größeren Tiefe der Täler und Gräben, auch die Schwierigkeiten und Kraftanstrengungen zu. Denn da kann die Straße nur mittels hoher Brücken geführt werden. Wie sind aber diese Brücken erbaut?

[NS.01_047,13] Diese Brücken sind in Etagen eingeteilt. Ein Bogenwerk über das andere erhebt sich, und natürlich so hoch über dem Boden eines Tales oder Grabens empor, bis das Bogenwerk die Höhe der Straßenlinie erreicht hat. Ist solches der Fall, so werden die Bogengräben ausgefüllt und darüber massive, wohlbehauene, feste Steinplatten gelegt und zu beiden Seiten die so entstehende Straße mit einem mehrere Klafter breiten und verhältnismäßig hohen, steinernen Geländer versehen. – Die Etage eines Bogenwerkes mißt nicht selten fünfzig bis hundert Klafter; und ihr könntet auf Stellen kommen, wo oft von einer bedeutenden Taltiefe nahe zweitausend Bogenwerke übereinander stehen.

[NS.01_047,14] Es fragt sich hier wieder, besonders wenn ein Tal oft über hundert Meilen eures Maßes breit ist, wie lange diese Baumeister wohl zu tun haben, um ein solches riesiges Bogenwerk zu vollenden? – Ich sage euch: Kaum so lange, wie ihr Zeit brauchet, um ein Wohnhaus von mittlerer Größe aufzuführen. Denn fürs erste greifen bei einer solchen Gelegenheit nicht selten mehrere Millionen Hände ein solches Werk an, die da allein mit dem Bauen beschäftigt sind; ebensoviele Hände, die das Baumaterial bereiten, und dann ebensoviele, die es herbeischaffen.

[NS.01_047,15] Auch hier werden gewöhnlich nur die untersten Bogenwerke aus behauenen, großen Quadersteinen gebaut, welche mittels eines eigenen, klebrigen Steinkitts miteinander verbunden werden. – Die höheren Etagen aber werden dann aus gebackenen Steinen verfertigt, welche aus einem zähen Ton (welcher in den riesigen Gebirgen dieses Gürtels überaus häufig vorkommt) verfertigt und sodann an den alleinigen Strahlen des Sonnenlichts so lange getrocknet werden, bis sie ein bräunliches Aussehen bekommen und beim Anschlage einen festen Klang von sich geben. Haben sie diese bestimmte Gediegenheit erreicht, dann sind sie auch schon vollkommen geeignet zum Baue.

[NS.01_047,16] Also haben wir jetzt auch gesehen, wie eine solche Straße über Täler und Gräben geführt wird. – Nun aber haben wir noch Flüsse, Seen und sogar Meeresbuchten vor uns; wie wird denn darüber die Straße geführt?

[NS.01_047,17] Nur eine kleine Geduld, und wir werden sogleich sehen, wie unternehmend und wie geschickt und ausdauernd diese Baumeister die Straße allda zu bauen und zu führen anfangen. – Sie verfertigen eine Art Schiff aus festem Holz, welches Schiff eine Breite von zwanzig und eine Länge von tausend Klaftern hat; denn solches können sie auch leichtlich tun, indem sie allenthalben reichliche Wälder von solchen Bäumen besitzen, welche die Pyramidenbäume im Saturn nicht selten übertreffen dürften.

[NS.01_047,18] Ist ein solches Schiff oder vielmehr eine solche großartige Plätte fertig, dann wird auf der Plätte zu bauen begonnen. Durch die Schwere des Materials sinkt natürlich die Plätte tiefer ins Wasser. Sobald dann aber der erste Plättenkranz ungefähr mit der Oberfläche des Wassers in eine gleiche Höhe zu stehen kommt, wird sogleich wieder auf den alten Kranz ein neuer, allzeit mehrere Klafter hoher Kranz von beschlagenen und glatt behauenen Bäumen gelegt und mittels starken Klammern mit dem ersten fest verbunden. Sodann wird gewisserart das Joch auf der Plätte wieder höher gebaut. Drückt die Schwere des Materials wieder so tief ins Wasser, daß der neue Kranz sich der Oberfläche des Wassers nähert, so wird wieder ein neuer Kranz auf den früheren gelegt und sodann wieder weitergebaut. Und solches wird so lange fortgesetzt, bis die Bauleute wahrnehmen, daß die Plätte wenigstens auf einer Seite angefangen hat, am Boden des Wassers aufzusitzen. Ist der Boden des Wassers eben, so hat es weiter keine Schwierigkeiten mehr, und das Joch kann dann viele tausend Klafter hoch fortgeführt werden.

[NS.01_047,19] Wenn aber der Boden oder der Grund eines Wassers uneben ist, so vermehrt das freilich die baulichen Schwierigkeiten außerordentlich, und bei dieser Gelegenheit ist nichts anderes zu tun, als daß sich gewisse, eigens dazu abgerichtete Wassertaucher bequemen müssen, ins Wasser zu steigen und im Wasser selbst dann entweder den Grund zu ebnen oder, wenn derselbe etwa aus Klüften und Abgründen besteht, dieselben mittels nachgesenkter Materialien auszufüllen.

[NS.01_047,20] Manchmal jedoch sind die Klüfte so tief, daß sie unausfüllbar sind, und doch sollte das Joch über ihnen feststehen. – Was wird denn dann getan? – Dann wird ein überaus massiver, metallener Rost verfertigt und in das Wasser versenkt und unter dem Wasser dann auf die Klippen, welche aus dem Abgrund hervorragen, so geschickt unter das Plättenjoch gelegt, daß dann das Plättenjoch auf diesen riesigen Rost niedersitzt und überaus fest stehenbleibt.

[NS.01_047,21] Ihr möchtet hier wohl fragen: Ersticken die Arbeiter denn nicht, wenn sie so lange im Wasser arbeiten müssen? – Nein, solches ist allda nicht leicht der Fall. Fürs erste, weil zwischen der Sonnenluft dieses Gürtels und den Gewässern kein so großer Unterschied ist wie bei euch. Denn die Luft allda ist viel intensiver, daher aber auch die Gewässer viel subtiler. Und so kann ein Geübter auch unter dem Wasser recht wohl atmen und bekommt anstatt der Luft das Wasser in seine kräftige Lunge. Doch muß solches von frühester Jugend auf gewöhnt sein. Ist dies nicht der Fall, so geht freilich wohl auch der Mensch im Wasser erstickend zugrunde. Darum aber werden schon allzeit mehrere Menschen so an das Wasser gewöhnt, wie allenfalls bei euch so manche Schiffsmatrosen, die auch nicht selten eine halbe bis nahezu eine volle Glockenstunde unter dem Wasser ganz wohlerhalten leben können.

[NS.01_047,22] Solche Joche werden dann zu gleicher Zeit in Entfernungen von zwanzig Klaftern, je nach der Breite eines Stromes oder Sees, zu mehreren Tausenden auf einmal begonnen. Und sind dann die Joche auf dem Grunde feststehend, so werden sie zuerst über dem Wasser mit schweren und überaus starken, metallenen Stangen gegenseitig verbunden. Sodann erst werden über diesen Jochen neue Joche in Bogen gezogen. Und also wächst da ein Bogengang über dem andern so lange fort, bis endlich die Linie der Straße erreicht ist, – bei welcher Gelegenheit dann wieder ebenso verfahren wird wie über den Tälern.

[NS.01_047,23] Was tun diese Straßenbauer aber allda, wo sie an ziemlich breite Meeresbuchten stoßen und, wenn sie diese mittels ihrer Fahrzeuge visieren, bei jeder möglichen Verlängerung ihrer Meßruten auf keinen Grund stoßen? Denn es kommt nicht selten vor, daß so eine Meeresbucht nicht nur etwa mehrere hundert oder tausend Klafter, sondern manchesmal fünfzig bis hundert Meilen tief ist.

[NS.01_047,24] Bei solcher Gelegenheit wird dann zu den Schiffbrücken die Zuflucht genommen. Aber die Schiffe, die dazu dienen, sind dann von einer ebenso kolossalen Art wie die Straße selbst. Nur wird dann über diesen Schiffen keine steinerne, sondern eine aus den massivsten Bäumen zusammengefügte Brücke erbaut, welche aber über den Schiffen ebenfalls die Höhe der Straßenlinie erreichen muß.

[NS.01_047,25] Ein solches Schiff wird fürs erste aus den allerkolossalsten Bäumen verfertigt und gleicht eigentlich mehr einem ungeheuren Korbe als einem Schiffe. Ein solcher Schiffkorb hat dann gewöhnlich eine Länge von einer deutschen Meile und eine Breite von wenigstens fünfhundert Klaftern. Die Wände dieser Schiffkörbe haben gewöhnlich eine Höhe von dreihundert Klaftern und sind mit den massivsten Eisenstangen und Eisenklammern wie für ewig aneinander von Kranz zu Kranz befestigt. Der Boden eines solchen Schiffes, der gewöhnlich aus den allermassivsten Bäumen, dreimal übereinandergelegt, gebaut ist, ist zudem noch ganz mit einer Art dickem Metallblech beschlagen. Dieses Holz versteinert im Wasser. Über dem Wasser aber wird es mit einer eigenen Masse getränkt, daß es dadurch dann auch wie für ewige Zeiten unzerstörbar ist. Und bei einer solchen Schiffbrücke schließt sich dann auch ein Schiff fest an das andere an und ist durch überaus starke Metallklammern am andern so befestigt, daß am Ende diese großen Schiffkörbe eine ununterbrochene Linie über die ganze Meeresbucht bilden.

[NS.01_047,26] Blicket demnach im Geiste von irgendeiner Höhe über eine solche Schiffbrücke hin, und ihr müßt doch offenbar eingestehen, daß euch in dieser Hinsicht selbst eure allergroßartigsten Phantasien dagegen wie kleine Miniaturbilder vorkommen müssen.

[NS.01_047,27] Freilich wohl wird in dieser Zeit keine solche Straße mehr gebaut; denn diese Straße ist schon älter, als eure Erde von Menschen bewohnt ist, und weiset ungefähr ein Alter von sechzigtausend Jahren auf. Dessenungeachtet aber werden noch zu dieser Zeit kleinere Nebenstraßen mit dieser Hauptstraße verbunden und die Hauptstraße selbst hier und da schadlos gehalten, wozu öfter auch nicht viel weniger gehört als zu einer streckenweise ganz neuen Anlage.

[NS.01_047,28] Nun sehet, somit ist auch der riesenhafteste Bau der Bewohner dieses Gürtels dargetan. – Da sich darüber nötigerweise nichts mehr sagen läßt, so wollen wir das nächste Mal zur Besichtigung eines Tempels übergehen.

 

48. Kapitel – Eine Tempelanlage auf dem sechsten Gürtelpaar. – Die Vorwerke des Tempels.

[NS.01_048,01] Was da einen Tempel zur Verehrung Gottes bei den Bewohnern dieses Gürtels betrifft, so ist zwar an und für sich ein solcher Tempel nicht von einer so fortgesetzten, riesenhaften Bauart wie die uns jetzt schon bekannte Straße. Dessenungeachtet aber ist er dennoch, was die kunstvolle Bauweise betrifft, das außerordentlichste Meisterstück der gesamten Baukunst der Bewohner dieses Gürtels. – Zwei Dinge sind vorerst bei dem Bau dieses Tempels zu berücksichtigen, und dieses ist seine Größe und seine Höhe.

[NS.01_048,02] Was seine Größe betrifft, da wäre zum Beispiel euer Ungarn kaum groß genug dazu, um den gesamten Bau eines solchen Tempels auf seinem Boden aufzunehmen. – Was aber seine Höhe betrifft, da dürften wohl eure höchsten Berge kaum als Verzierungen an den verschiedenen Ecken und Ausrundungen des Tempels dienen.

[NS.01_048,03] Ist der Tempel ein Gebäude? – O nein; sondern ein solcher Tempel ist wie ein Wohnhaus auf diesem Sonnengürtel gewisserart ein Vielgebäude und gleicht eher einer Riesenstadt als einem einzelnen Gebäude.

[NS.01_048,04] Das Vorgebäude eines solchen Tempels besteht in einer über hundert Klafter hohen Ringmauer, welche aber nicht in ein gerades Viereck gezogen ist, sondern sich allzeit nach der Bodengestaltung des Landes richtet, allda ein solcher Tempel erbaut ist.

[NS.01_048,05] Etwa in einer Entfernung von tausend Klaftern hinter dieser Mauer sind in verhältnismäßigen Entfernungen Türme erbaut in der Art, wie ihr euch den sogenannten Turm Babylons vorstellt. Diese Türme sind alle von gleicher Höhe und überragen die Ringmauer um zwei Drittel ihrer Höhe.

[NS.01_048,06] Ist der Grund innerhalb der Ringmauer nicht vollkommen eben, so wird er an den Stellen der Vertiefungen ausgefüllt und eben gemacht; denn auf der Tempelstandfläche darf durchaus weder eine Erhöhung noch eine Erniederung vorkommen; und da heißt es im buchstäblichen Sinne: Die Berge müssen erniedriget und die Täler zu einem ebenen Wege werden.

[NS.01_048,07] Wozu dienen denn diese Türme? – Diese Türme dienen gewisserart dazu, wozu einst bei euch die großen Pyramiden Ägyptens gedient haben. Sie sind nämlich Grabmäler der Bewohner dieses Gürtels, welche zum Bezirke eines oder des andern Tempels gehören. – Aber ein solcher Turm ist nicht etwa das Grabmal eines einzelnen Menschen, sondern er ist als Friedstätte für viele Tausende und Tausende von Menschen errichtet. Sein Umfang zuunterst beträgt nicht selten vier deutsche Meilen, und seine Höhe ist über dem Boden etwas über dreihundert Klafter. Ein solcher Turm sieht dann freilich mehr einem gemauerten Berge als eigentlich einem Turme gleich. Bei manchem Tempel gibt es innerhalb der Mauer einige Hunderte solcher Türme.

[NS.01_048,08] Weiter gegen das Innere zu, ungefähr eine deutsche Meile von den Türmen entfernt, erhebt sich dann ein großes Rundgebäude bis zu einer Höhe von tausend Klaftern. Dieses Rundgebäude hat keine Etagen, sondern besteht aus lauter Bogen, über welche eine über zweitausend Klafter breite Straße führt. Diese Straße selbst ist mit den großartigsten und wohlverzierten Geländern sowohl nach außen wie nach innen umfaßt. Allenthalben, wo ein Bogenpfeiler dem Boden entsteigt, ist über der Straße noch eine Art großartiger Triumphbogen errichtet, der ebenfalls eine Höhe von fünfhundert Klaftern über der Straße hat. – Durch einen jeden Pfeiler kann man auf einer in dessen Mitte errichteten Wendeltreppe auf die Straße gelangen. Von der Straße aber führt dann wieder in der Seitenmauer eines Triumphbogens eine zweite Wendeltreppe bis auf die hohe Galerie des Triumphbogens selbst, welcher zuoberst flach ist und abermals mit festen, metallenen Geländern umfangen ist.

[NS.01_048,09] Diese Straße über diesen Bogen wird die Straße der göttlichen Ehre genannt. Auf dieser Straße pflegen die Menschen dieses Gürtels eine Art Prozession zu halten und loben auf dieser Wanderung die große Macht und Ehre Gottes.

[NS.01_048,10] Mit diesem Gebäude, welches noch immer einen Umfang von zwei-, drei-, manchmal auch bis vierhundert Meilen hat, wären wir fertig. – Nun gehen wir wieder eine deutsche Meile weiter. Allda erblickt ihr abermals einen Kranz von himmelhohen Türmen, welche aber mehr das Aussehen riesenhafter Obelisken als das der eigentlichen Türme haben.

[NS.01_048,11] Auf dem Boden seht ihr gleichhohe, kegelförmige Fußgestelle dieser riesenhaften Obelisken, wovon ein jedes Fußgestell schon eine Höhe von zweitausend Klaftern hat. Über diesen Fußgestellen erheben sich dann erst die riesenhaften Obelisken, die aber nicht viereckig, sondern kegelförmig rund sind und sich über den Fußgestellen zu einer Höhe von viertausend Klaftern erheben. Diese Rundobelisken sind aber nicht glatt aufsteigend wie ein Kegel, sondern steigen stufenförmig auf, so zwar, daß man von dem mit starken Geländern umfaßten Postamente außen bis zur Spitze dieses Obelisken gelangen kann. Damit solche Obelisken aber auch samt den Fußgestellen bestiegen werden können, führt durch ein jedes Fußgestell an einer Seite desselben eine Wendeltreppe bis zum Fuße des Obelisken, der auf diesen Fußgestellen ruht.

[NS.01_048,12] Wozu dienen denn diese Obelisken? – Sie dienen den Menschen zur Betrachtung der Stärke der göttlichen Weisheit. Denn die Bauleute dieses Gürtels sind natürlicherweise auch gute Rechenmeister und wissen, daß in einem Kegel der Meßkunst größte Geheimnisse verborgen sind, darin sie auch der Weisheit Grund suchen. Aus diesem Grunde stellen sie auch dieses Monument zur Ehre der Stärke der göttlichen Weisheit auf. – Also hätten wir auch diesen Teil des Tempels gesehen.

[NS.01_048,13] Verfügen wir uns nun wieder eine gute Meile landeinwärts. Hier erblicken wir kein Gebäude, sondern einen über eine deutsche Meile breiten Graben, der aber bis zuoberst mit Wasser gefüllt ist. Über dieses Wasser führt keine Brücke, sondern nur mittels zierlicher Kähne, welche an den Ufern fast in einer Unzahl vorhanden sind, kann man darüber gelangen. Der Graben aber darf nie tiefer sein als nur so, daß das Wasser einem Manne allenthalben bis zum Kinn reicht.

[NS.01_048,14] Setzen wir nun über dieses Wasser und begeben uns eine deutsche Meile weiter! – Sehet, hier ragt in schauerlicher Höhe uns schon der erste Vorhof des eigentlichen Tempels entgegen. – Eine achttausend Klafter hohe Mauer, ganz glatt und ohne Fenster nach außen, starrt uns an. Über dieser Mauer erblicken wir noch in bläulicher Ferne regelmäßige, weiße Spitzen wie Nadeln; an und für sich aber sind dies ebenfalls runde Ziersäulen des obersten Randes dieser Mauer, welche Säulen noch für sich eine Höhe von zweitausend Klaftern und einen Umfang von tausend Klaftern haben.

[NS.01_048,15] Sehet, hier ist ein geräumiges Bogentor durch dieses Riesengebäude. Aber so geschwinde, als ihr meint, werden wir nicht durchkommen; denn der Weg durch dieses Tor wird sich bis zu drei Stunden eures Maßes erstrecken. Das Tor bildet sonach einen großartigen Tunnel und zeigt zugleich die ganze Breite dieses riesigen Gebäudes an. Sehet es aber von inwendig und zählet alle die Galerien und die nahe zahllosen, tunnelartigen, in das Innere dieses Gebäudes führenden Bogengänge, und sehet auch zugleich, wie lebendig es auf diesen Galerien, deren es wohl Hunderte übereinander gibt, zugeht.

[NS.01_048,16] Was hat wohl dieses riesenhafte Gebäude für einen Zweck? – Das ist das eigentliche Schulhaus, in welchem es verschiedene Klassen gibt, wo die jungen Menschen in allem Möglichen unterrichtet werden.

[NS.01_048,17] Sehet zu ebener Erde dieses riesigen Gebäudes, – wie da im Hintergrunde der großen, tunnelartigen Gänge Feuer lodern, und höret ein wenig zu, wie es da knallt und klirrt. Sehet, das ist die Schule der Schmiede, in welcher sie allerlei Dinge aus Metall verfertigen lernen. Und so werdet ihr auf jeder Galerie etwas anderes finden.

[NS.01_048,18] Also wissen wir auch, wozu dieses Gebäude dient. Daher können wir auch dieses verlassen und unsere Tempelreise weiter fortsetzen.

 

49. Kapitel – Das Kunstmuseum des Tempels.

[NS.01_049,01] Sehet vor uns eine drei Meilen breite Fläche mit den herrlichsten Fruchtbäumen reihenweise besetzt. – Gehen wir durch diese duftenden Alleen, und sehet, hier sind wir schon wieder bei einem ebensobreiten Wassergraben.

[NS.01_049,02] Was erblicken wir denn über diesem Wassergraben? – Setzen wir wieder auf Kähnen darüber und tun noch einen Weg über eine glatte Fläche von etwa einer deutschen Meile!

[NS.01_049,03] Sehet, hier erhebt sich ein noch kolossaleres Gebäude als das frühere. Es ist zwar nicht so breit, aber wenigstens noch einmal so hoch wie das frühere. Es hat nach außen hinaus ebenfalls keine Fenster, aber dafür desto mehr nach innen.

[NS.01_049,04] Das ganze Gebäude ist hier nur in sieben Etagen eingeteilt, welche sich außen wie innen durch die Farben des Regenbogens unterscheiden. – Von außen erscheinen die Farben der riesigen Mauer nur als ununterbrochen fortgesetzte Streifen, welche parallel übereinander fortlaufen. – Innen aber sind die ungeheuer kolossalen Galerien also gefärbt, daß da jede eine andere Farbe des Regenbogens hat.

[NS.01_049,05] Jede Galerie hat an und für sich eine Höhe, daß ihr unter deren Bogengängen gar leicht Europas höchste Berge hinstellen könntet. Von den Galerien gehen dann in das Gebäude hinein ebenmäßige Bogengänge.

[NS.01_049,06] Wozu dient denn hernach das ganze Gebäude? Das ganze Gebäude dient zu höheren geistigen Betrachtungen. Es ist an und für sich ein Kunstmuseum, in dem allerlei Kunstwerke in jeder Hinsicht sowohl zur Anschauung als auch zum Studium ausgestellt werden.

[NS.01_049,07] Es könnte jemand fragen: Wozu denn zu diesem Zweck so unmäßig hohe Gemächer? – Geduldet euch nur ein wenig, und ihr werdet sogleich erschauen, daß die Sache nicht so unzweckmäßig ist, wie sie im ersten Augenblick erscheint. Denn das Kunstfach der Bewohner dieses Gürtels, besonders das Fach derjenigen Mechanik, die zum Bau notwendig ist, ist außerordentlich großartig und manchmal auch sehr kompliziert, – wie zum Beispiel ihre außerordentlichen Hebemaschinen, wie auch ihre Wurfmaschinen von einer nicht selten außerordentlichen Größe und vielfachen Komplikation sind. – Denket euch nur einmal die Riesenbauten dieser Menschen; denket euch, bis zu welcher, für euch kaum begreiflichen Höhe sie Steine von mehreren tausend Zentnern im Gewichte heben. Wenn ihr dieses nur ein wenig beachtet, so wird euch auch sicher nicht gar zu unbegreiflich sein, daß zur Erreichung solcher Zwecke auch entsprechende Mittel dasein müssen.

[NS.01_049,08] Wenn Ich nun sage, daß diese überaus hohen Gemächer angefüllt sind mit dergleichen mechanischen Kunstprodukten, so werdet ihr sie auch nicht im geringsten für zu hoch finden, sondern werdet euch noch obendrauf denken müssen, daß in diesen Gemächern nur Modelle, nicht aber die wirklichen Maschinen der allerverschiedensten Art aufgestellt sein können.

[NS.01_049,09] Aber ihr werdet sagen: Warum denn hier sieben Galerien übereinander und jede derselben von für euch so schauerlicher Höhe? – Solches wird sich dadurch erklären: Nehmet zum Beispiel nur ein Gerüst an, welches doch notwendig dasein muß, um nicht nur viele klafter-, sondern im Ernste meilenhohe Gebäude aufzuführen. Ein solches Gerüst besteht aus sieben Abteilungen, und jede Abteilung ist anders konstruiert; denn wäre eine wie die andere, so vermöchte die unterste das Gewicht der über ihr stehenden Abteilungen ja nicht zu tragen. Daher ist hier in diesen sieben Abteilungen übereinander ein ganzes Gerüst aufgestellt, und zwar in der Abteilung zu ebener Erde das erste Grundgerüst. – Wird ein Gebäude nicht höher geführt als diese erste Abteilung an und für sich ist, so genügt natürlicherweise dieses Gerüst. Wird aber ein Gebäude noch einmal so hoch geführt, so kann da jedermann in der zweiten Galerie, in dem gerade über dem Erdgeschoß stehenden Gemache, den Aufsatz oder die zweite Abteilung des Gerüstes beobachten und zugleich studieren; und so wird da für jede künftige, höhere Abteilung das Gerüst mit all seinen Bestandteilen weitergeführt. – Sollte ein Gebäude noch höher geführt werden, wie es bei den Tempeln auch gar wohl noch der Fall ist, so ist in der nächst anstoßenden Zelle, und zwar zu ebener Erde, der nächste Aufsatz zu sehen; und über dem wieder die allenfalls notwendigen anderen, noch höheren Aufsätze. – Nach der Verschiedenheit der Gebäude gibt es auch verschiedenartige Gerüste, die alle in diesem Kunstmuseum von Stufe zu Stufe zu sehen sind.

[NS.01_049,10] Also ist es auch der Fall mit den Hebemaschinen, mit den Zugmaschinen, mit den Wurfmaschinen, mit den Bindungsmaschinen, mit den Schubmaschinen, mit den Druckmaschinen und noch mehreren dergleichen Maschinen, welche alle zum Bau solch riesenhafter Gebäude notwendig sind.

[NS.01_049,11] Nun wüßten wir, zu welchem Zweck dieses riesenhafte Gebäude dient.

[NS.01_049,12] Sehen wir aber von diesem Gebäude nun hinweg wieder vorwärts, und wir erblicken abermals ein bei drei Meilen breites Feld vor uns, welches fürs erste mit allerlei Fruchtbäumen reichlich besetzt ist, mitten unter den Fruchtbäumen aber auch zugleich von allerlei kleinen baulichen Versuchen strotzt. Aus allem geht hervor, daß hier zugleich die Schule der Baukunst zu Hause ist. Daher gibt es hier auch eine große Menge kleiner Wohnhäuser für Zöglinge sowohl als für Lehrer, denen somit auch dieser Fruchtgrund zur freien Benutzung zukommt. – Das nächste Gebäude aber wollen wir erst das nächste Mal in Augenschein nehmen.

 

50. Kapitel – Die Hochschule der geistigen Erkenntnisse und der innerste Haupttempel.

[NS.01_050,01] Sehet, hier in einer Entfernung von etwa einer Meile vom Baumkreis ein staffelförmiges Gebäude, welches ungefähr aus siebzig Staffeln besteht, wovon jede eine Höhe von tausend Klaftern hat. In jeder Staffel erblickt ihr vier Stockwerke, welche mit Fenstern versehen sind, etwa nach der Art wie die gotischen Fenster bei euch auf der Erde; nur natürlich ein jedes Fenster um wenigstens das Fünfzigfache größer als bei euch. – Alsdann läßt sich hier fragen (da dieses Gebäude von aus- und inwendig also staffelförmig erbaut, und jede dieser Staffeln, sowohl nach außen wie nach innen, mit guten Geländern versehen ist), wozu wohl dieses Gebäude diene, welches, obschon es ein ziemlich innerer Teil des Tempels ist, aber dennoch einen Umfang von etlichen siebzig Meilen eures Maßes hat?

[NS.01_050,02] Dieses Gebäude dient einerseits zur Bildung der höheren geistigen Erkenntnisse und ist zugleich die Wohnung der Diener des eigentlichen, inneren, größten Tempelheiligtums.

[NS.01_050,03] Diese Diener werden in siebzig Klassen eingeteilt, und jegliche Klasse hat ihre eigene Beschäftigung im Tempel. Diejenige Klasse, welche die vier Etagen der ersten Staffel bewohnt, ist die niederste und gemeinste. Jede eine höhere Staffel bewohnende Klasse ist dann auch in ihrer Amtssphäre höherstehend und kommt immer seltener zur Tempelhandlung. Diejenige Klasse, welche die alleroberste, also die siebzigste Staffel bewohnt, kommt nur äußerst selten von ihrer Höhe herab zum Dienste des Tempels. Diese Staffel bewohnen demnach auch nur die obersten und tiefweisesten Priester eines solchen Tempels.

[NS.01_050,04] Ihr werdet hier fragen: Aber wer bringt denn diesen Menschen die Nahrung auf solche schauerliche Höhe? – Sehet, dafür ist schon gesorgt; denn eine jede solche, ebenfalls tausend Klafter breite Staffel ist zugleich ein vollkommener Garten, belegt mit guter, fruchtbarer Erde und bepflanzt mit allerlei mäßig großen Fruchtbäumen und anderen wohlgenießbaren Pflanzen und Wurzeln. Auch notwendige Tiere werden allda gehalten; denn sie haben in diesen Gärten hinreichendes Futter.

[NS.01_050,05] Es fragt sich noch etwas: Woher kommt denn das Wasser? – Durch großartige und künstliche Wasserleitungen. Denn dazu werden die Röhren von dem über hundert Meilen hohen Ringgebirgswall bis zu einem solchen Tempelgebäude gezogen, durch welche dann das Wasser nicht selten gegen tausend Meilen weit eures Maßes geleitet wird. Auf diese Art und Weise ist dann auch dieses riesenhafte Staffelgebäude durch vielfache Wasserleitungen allenthalben reichlichst mit Wasser versorgt. Ja auf diesen Staffeln sind nicht selten also große Wasserbassins errichtet, daß auf ihnen die Bewohner mit zierlichen Kähnen weit und breit herumfahren können; und auf dem Plateau der siebzigsten Staffel sind zwischen den Fruchtbäumen und Gärten sogar eine Menge Springbrunnen angebracht, wo das Wasser aus ziemlich hohen Obelisksäulen emporschießt und dann als ein reichlicher Regen in ein bedeutend großes Wasserbassin herabfällt.

[NS.01_050,06] Aber ihr werdet hier wieder sagen: Die Wohnungen aber werden feucht sein müssen, wenn das ganze Gebäude allenthalben also bewässert ist! – Sorget euch nicht darum! Denn dieses Gebäude ist aus lauter massiven Quadersteinen also zusammengekittet, daß es förmlich als ein überaus festes Schöpfungswerk zu betrachten ist. Durch diese nicht selten bei hundert Klafter dicken Mauerwerke dringt kein Tropfen Wasser hindurch; und das durch dieses Gewässer ganz unmerklich angesogene Mauerwerk wird durch die tüchtige Wärme der Sonne stets sogleich wieder getrocknet, daß da in den Gemächern nicht die allerleiseste Spur von Feuchtigkeit zu gewahren ist.

[NS.01_050,07] Auf dieses Gebäudes Staffeln kann man sowohl innen durch zahllose Stufen und Treppen, wie auch außen auf gerade gelegten, überaus bequemen und breiten Staffeln gelangen. Ihr würdet zwar auf diesen Staffeln nicht gut vorwärts kommen, da eine jede Staffel zwei Klafter hoch ist; aber für die sechzehn bis zwanzig Klafter großen Bewohner dieses Gürtels gehören dergleichen Staffeln zu den bequemsten, da sie auch Staffeln haben, wovon jede Stufe vier bis fünf Klafter hoch ist.

[NS.01_050,08] Neben einer jeden Stufenreihe, die außen bis zur höchsten Höhe hinaufführt und auf beiden Seiten mit tüchtigen Geländern versehen ist, führt, auch besonders nach dem innern Teil des Gebäudes hinein, eine sogenannte Rutschbahn. Diese dient etwa nicht dazu, als sollten die Menschen auf derselben herabrutschen; sondern sie dient vielmehr dazu, wozu bei euch die sogenannten Ausgüsse dienen. Denn diese Bahn ist eine offene Halbröhre; und es kann in dieselbe von einer jeden Staffel alles Unbrauchbare wie auch aller Unrat hineingeworfen werden, wonach er dann in diesem Schlauch hinabrutscht; und bleibt irgend etwas stecken oder hängen, so wird solches entweder durch einen nachgelassenen Wasserstrahl fortgeschwemmt, oder es kann auch über das Geländer der Stufen hinaus abgekehrt werden.

[NS.01_050,09] Da wir dieses Gebäude links und rechts als ein Staffelwerk gesehen haben, so wird es von selbst einleuchtend sein, daß es ein gleiches Dreieck bilden würde, so wir es irgend mitten durchschneiden würden. Daraus geht aber hervor, daß es unten zu ebener Erde nahe ebenso breit sein muß, als es von der Erde bis zur höchsten Staffel hoch ist. Aus diesem Grunde hat es dann ebenfalls auch einen Durchmesser von siebzigtausend Klaftern. Und die Eingangs- und Durchgangstore sind demnach auch nichts anderes als bei tausend Klafter hohe und bei hundert Klafter breite Tunnels, die im Innern sogar durch künstliche Leuchten erleuchtet werden müssen. Solches ist aber in diesem Gürtel, wie auch in anderen Gürteln, eben nicht so kostspielig, als ihr meinet. Denn es gibt in der Sonne eine überaus große Menge weißer Steine, welche so stark von sich selbst leuchten, daß ihr das Licht eines solchen Steines so wenig ertragen würdet als das Licht der Sonne selbst am hellen Mittag. Aus diesem Stein werden große, etwa bei zwei Klafter im Durchmesser habende Kugeln gemeißelt und dann sowohl in solchen weiten Tunneln, wie auch in den inneren Gemächern dieses Gebäudes, in gerechten Entfernungen auf viereckige Postamente gestellt. Dadurch werden dann sowohl die Tunnel als die inneren Gemächer sogar noch um einige Grade stärker erleuchtet, als euer Erdkörper erleuchtet ist am hellen Mittage. – Dieses Licht ist in der Sonne freilich ums ziemliche schwächer als das äußere Naturlicht; aber dessenungeachtet noch immer hinreichend stark, um alles recht deutlich auszunehmen und zu beschauen.

[NS.01_050,10] Solcher Eingänge oder vielmehr Durchgänge gibt es bei tausend durch dieses riesenhafte Gebäude. Wenn ihr imstande seid, eure Phantasie ein wenig zu beleben, so wird euch das Großartige und Wunderbare dieses Gebäudes nicht entgehen. – Gehet mit den Füßen eurer Phantasie auch hinauf auf die siebzigste Staffelei dieses Gebäudes und blicket von dieser hohen Terrasse in die fernen Gegenden herum wie auch auf alle diese Gebäude, die wir bisher schon kennengelernt haben, so werdet ihr euch von der außerordentlichen Pracht und Größe eines solchen Gebäudes überzeugen.

[NS.01_050,11] Kehret euch aber auf eben dieser hohen Terrasse, welche schon über siebzehn Meilen dem Erdboden entrückt ist, um und blicket in den innern Raum dieses Gebäudes, so werdet ihr schon den eigentlichen Tempel in keiner weiten Ferne mehr erblicken.

[NS.01_050,12] Sehet, dieses (Tempel-)Gebäude sieht keinem Gebäude gleich, sondern es ist vielmehr ein Berg von etwa einer Höhe von zwanzig Meilen eures Maßes; sein Umfang dürfte auch kaum mehr betragen. Und so sieht dieser eigentliche Tempel mehr einem (keineswegs symmetrisch, sondern wie zufällig erbauten oder hingestellten) riesenhaften gotischen Turme gleich, allda sich Spitzen über Spitzen und Zinnen über Zinnen erheben.

[NS.01_050,13] Dieser Tempel ist von tausend und tausend hohen Gewölben durchbrochen, und allenthalben seht ihr sowohl innen wie außen Staffeln emporsteigen. Die höchsten Spitzen dieses Tempels verlieren sich schon mehr und mehr dem Auge des Beschauers in den lichten Dunstkreis der Sonne; nur hier und da erblicket ihr noch einzelne Spitzen gleich hellen Sternen herab in die Tiefe blitzen.

[NS.01_050,14] Dieses ganze Gebäude, wie ihr in eurer Phantasie es mit ansehen könnt, ist aus lauter, euch schon bekannten, weißen Glanzsteinen erbaut und ist dadurch innen wie außen überall gleich hell. – Wenn ihr mit euren Augen euch einem solchen Tempel nur auf hundert Meilen nahen würdet, so würde euch das gewaltige Leuchten desselben plötzlich erblinden machen; denn im Freien glänzt dieser Stein noch ums Tausendfache stärker, als das freie Licht der Sonne von eurer Erde aus betrachtet. Aber für die Augen der Bewohner dieses Gürtels hat ein solches Gestein nur ungefähr denselben Grad des Lichtes wie bei euch eine Schneefläche, wenn sie von der Sonne beschienen wird.

[NS.01_050,15] Wie aber die Bewohner in einem solchen Tempel Gott verehren, davon wird erst bei Gelegenheit der Religion dieser Bewohner die Rede sein.

[NS.01_050,16] So hätten wir denn nun gesehen, wie ein solcher Tempel bei den Bewohnern dieses Sonnengürtels aussieht, und welche Größe er hat, und können somit wohl den Vergleich machen, welche von den drei Gebäudegattungen die großartigste und riesenhafteste ist.

[NS.01_050,17] Wenn ihr die Sache recht betrachtet, so müßt ihr offenbar sagen: Die große Straße bleibt noch immer der riesenhafteste Mittelpunkt baulicher Größe der Bewohner dieses Gürtels. – Was aber eigentlich die wunderbare, überaus mannigfaltige Baukunst betrifft, so steht ein solcher Tempel im Vergleich mit der Straße sicher höher und erscheint gewisserart als Höhepunkt der künstlerischen Baugröße der Bewohner dieses Gürtels.

[NS.01_050,18] Daß ein solcher gesamter Tempel auch von mehreren Millionen Menschen bewohnt wird, braucht kaum noch hinzu erwähnt zu werden. – Wie viele solcher Tempel mögen wohl in diesem Sonnengürtel vorkommen? – Nicht eben gar so viele. Mehr als zehn dürftet ihr wohl schwerlich finden. – Wie groß ist denn hernach der Bezirk eines solchen Tempels? – Dem Raume nach dürfte er wohl größer sein als auf eurer Erde Europa, Asien und Afrika zusammen.

[NS.01_050,19] Wieviel Wohnhäuser dürften hernach auf einen solchen Bezirk kommen? Der Zahl nach eben auch nicht gar zu viele, vielmehr dürfte die Zahl sich nur hier und da um zwei Einheiten über die Zahl zehn belaufen. – Fragt ihr aber dabei um die Zahl der Menschen, so dürfte dieselbe wohl auch auf ziemlich viele Millionen zu stehen kommen. Denn solches wisset ihr schon, daß die Wohnhäuser überaus bevölkert sind, daß sogar in manchem Wohnhause zwei bis drei Millionen Menschen leben. Rechnet ihr noch dazu die mehreren Millionen Tempelbewohner, so dürfte euch der Bezirk in Hinsicht der Bewohner sicher großzähliger erscheinen, als die Zahl der Tempel und Wohnhäuser vermuten läßt.

[NS.01_050,20] Alles andere Land, bis auf die tiefstgelegenen Ufergegenden des Meeres, wird zum Frucht- und Baumanbau verwendet. Talgegenden werden zumeist mit Wäldern bepflanzt, deren riesige Bäume dann zu den verschiedenartigen Bauten verwendet werden. Hochebenen und selbst die nicht gar zu steilen Hügelabhänge aber werden samt und sämtlich zur Anpflanzung fruchttragender Bäume wie auch anderer Pflanzen verwendet.

[NS.01_050,21] Wohnhäuser und Tempel aber werden allzeit auf solchen Stellen erbaut die sonst weder für die eine noch die andere Fruchtgattung gut taugen; gewöhnlich werden dazu sehr steinige Landgebiete verwendet. An der Hauptstraße gibt es wohl auch Kleinhäuser, wovon eines nur von höchstens hundert Menschen bewohnt werden kann; daher sind diese Häuser auch stets nur in geringen Entfernungen voneinander errichtet. Die Entfernungen betragen nach Verschiedenheit des Geländes höchstens zehn, zwanzig bis dreißig Meilen. Die Bewohner dieser Häuser führen die Aufsicht über die Straße und müssen auch kleine Mängel derselben ausbessern. Geschieht irgendwo ein größerer Schaden, so muß solches den Tempelbauleuten angezeigt werden.

[NS.01_050,22] Das ist jetzt aber auch alles, was wir in äußerer, naturmäßiger Hinsicht auf diesem Gürtel als denkwürdig zu beachten haben. Und so wollen wir uns denn nächstens wieder zu den drei Verfassungen, nämlich der häuslichen, staatlichen und religiösen, wenden. – Und somit gut für heute!

 

51. Kapitel – Häusliche, staatliche und religiöse Verhältnisse auf dem sechsten Gürtelpaar.

[NS.01_051,01] Ihr werdet euch wohl vorstellen und bei euch selbst sagen: Wo es so große Häuser gibt, da wird es wohl auch überaus große häusliche Verfassungen geben müssen, damit ein solches Haus in der gerechten Ordnung erhalten werden möchte. Allein solches ist hier mitnichten der Fall. Bei aller Großartigkeit des Hauses ist dennoch dessen Verfassung so höchst einfach, als ihr sie euch nur immer vorstellen möget. Und mit der häuslichen Verfassung ist auch zugleich die staatliche in eins zusammengeschmolzen.

[NS.01_051,02] Als einziges, was die häusliche Verfassung betrifft, ist besonders zu beachten: daß da jede Parteifamilie ihre Wohnung in steter, guter Ordnung und Reinheit zu erhalten hat; und ist allenfalls an dem großen Wohnhause irgendein beträchtlicher Schaden entstanden, welches zwar überaus selten zu geschehen pflegt, so müssen alle Glieder und Bewohner des großen Hauses zusammengreifen und den Schaden wieder ausbessern.

[NS.01_051,03] Ferner gehört noch zur häuslichen Verfassung, daß die Bewohner des ersten Stockwerkes, oder vielmehr des ersten Randgebäudes, die weitesten Gründe, die des zweiten Stockwerkes die etwas näheren, die Bewohner des dritten Stockwerkes die noch näheren, und so fort die Bewohner der höheren Stockwerke die immer näheren Gründe zu benutzen haben.

[NS.01_051,04] Ferner ist noch eine Hausregel, daß die Häuser bis zum sechsten Stockwerk keine Wasserleitungen haben dürfen, da sie wegen der geringen Höhe der Wohngebäude das nötige Wasser ohnehin leicht in ihre Wohngebäude bringen. Vom sechsten Stockwerkgebäude aber angefangen, muß jedes Wohnhaus mit Wasserleitungen versehen sein. – Also dürfen auch auf den obersten Terrassen der fünf ersten Gebäude keine Anpflanzungen geschehen; auf den hohen Terrassen der nächsten Gebäude aber können schon Gärten angelegt werden, in denen genießbare Pflanzen und Wurzelfrüchte gezogen werden.

[NS.01_051,05] So haben auch die Jüngeren immer die Verpflichtung, die höheren Stockwerke eines und desselben Hauses zu bewohnen. Die Stammväter aber wohnen allzeit in dem inwendigsten Gebäude, welches zugleich das höchste und prachtvollste ist.

[NS.01_051,06] Diese Stammväter haben dann auch den inwendigen, großen Garten zu benutzen und bewohnen auch darum dieses höchste Gebäude, damit sie von der hohen Terrasse dieses Gebäudes alle anderen übersehen können. Wenn sie auch gerade nicht in eigener Person allzeit solches zu tun pflegen, so haben sie aber an ihrer Statt stets einige Wächter auf der höchsten Terrasse aufgestellt, welche wechselweise das ganze Wohnhaus zu übersehen und den Patriarchen sogleich Nachricht zu geben haben, sobald sich nur immer irgendwo etwas zeigt, das da in einer kleinen Unordnung den Grund haben dürfte. Zu dergleichen Erscheinungen gehört irgendein ungewöhnlich emporsteigender Rauch oder auch eine Staubwolke. – Im übrigen aber hat ohnehin jeder Einwohner des Hauses die unausweichliche Verpflichtung, was immer für ein Ereignis sogleich an das Patriarchat anzuzeigen.

[NS.01_051,07] Dann besteht ebenfalls eine staatlich-häusliche Verfassung, derzufolge alle Kinder männlichen Geschlechtes zum Unterricht in den Tempel gebracht werden müssen. Nur das weibliche Geschlecht wird daheim für die betreffende Hauswirtschaft erzogen.

[NS.01_051,08] Wenn die Knaben aus den Tempelschulen wieder heimkehren, müssen sie vor den bestehenden Patriarchen Prüfungen ablegen über die Tauglichkeit, die sie sich in den Tempelschulen zu eigen gemacht haben. – Werden sie für vollkommen befunden, so können sie alsbald ehelichen und eine Wohnung für sich beziehen, deren es natürlich in einem so großen Wohngebäude eine Menge zu solchen Zwecken im Vorrate gibt. – Werden sie aber nicht vollkommen befunden, so müssen sie sich schon wieder gefallen lassen, noch einmal in dem Tempel den ziemlich gestrengen Lehrern einen eben nicht gar zu willkommenen Besuch zu machen. Dieser Besuch mundet weder den Lehrern noch den wiederkommenden Schülern, weil sich fürs erste die Lehrer dadurch kritisiert erschauen, wenn irgend Patriarchen mit ihren Schülern nicht zufrieden sind. Die Schüler werden dann aus diesem Grunde eben auch nicht auf die ausgezeichnetste Weise von den Lehrern empfangen, und der nachträgliche Unterricht wird auch allzeit ums Bedeutende unbarmherziger erteilt als der erste. – Da aber dann solche Schüler gewöhnlich bedeutend fleißiger sind als diejenigen, welche das erstemal in der Tempelschule sind, so geschieht es nicht selten, daß solche sehr geschickte Repetenten mit der Zeit selbst zu angehenden Tempellehrern werden und auf diese Weise sonach eben nicht gar zu schweren Herzens, wie ihr zu sagen pflegt, ein leichtes Kreuz über ihre Heimat machen. Denn die Tempelbewohner, besonders die Lehrer, stehen in einem überaus großen Ansehen, aus welchem Grunde einer auch lieber ein kleines Häuschen in dem uns schon bekannten Garten des Tempels bewohnt, als daß er ein erster Patriarch in einem Wohnhause sei.

[NS.01_051,09] Das wären aber sonach auch im wesentlichen alle häuslichen und staatlichen Regeln beisammen, das heißt, die da ein oder das andere Wohnhaus für sich beachtet. – Es gibt da nur noch nachbarliche Verhältnisse, vermöge welcher jeder Bewohner eines Wohnhauses bei außerordentlichen Fällen die Unterstützung zweier nachbarlicher Wohnhäuser ansprechen kann und darf, welche ihm dann auch ohne Widerrede nach seinem Verlangen gewährt werden muß. Sollte jedoch irgendwo ein ganz neues Wohnhaus errichtet werden, so darf solches niemals ohne den Tempelrat und ohne die Gutheißung des obersten Priesters geschehen. – Das wäre hernach auch das äußere staatliche Verhältnis.

[NS.01_051,10] Daß natürlich alle Wohnhäuser in allgemeinen Sachen dem Tempel die pünktlichste Folge zu leisten haben, wird sich in dem materiellen Teil der Religion deutlich bekunden.

[NS.01_051,11] Da wir so mit diesen zwei ersten Verfassungen zu Ende sind, können wir uns füglichermaßen zur Religion der Bewohner dieses Gürtels wenden. Damit wir aber diesen wichtigsten Zweig so vollkommen als möglich und dann auch so kurz als möglich beschauen mögen, wird es nötig sein, die Religion in zwei Teile, nämlich in den materiellen und in den geistigen, zu scheiden.

[NS.01_051,12] Und wir wollen daher auch sogleich die erste Frage stellen: Worin besteht denn allhier der materielle oder, besser gesagt, der werktätige Teil der Religion der Bewohner dieses Gürtels? – Dieser besteht in nichts anderem, als daß da jedermann alles, was er nur immer tut, zur Ehre Gottes tun solle; und soll daher auch seine Handlung wohl prüfen, ob diese zur Ehre Gottes tauge. Kann eine solche Handlung, das heißt eigentlich die Vornahme zu einer bevorstehenden Handlung, von jemandem nicht vollkommen als Gottes würdig erkannt werden, so hat dann ein solcher die Verpflichtung, seine beabsichtigte Handlung vor dem häuslichen Patriarchat kundzugeben und durchprüfen zu lassen, ob sie zur Ehre Gottes tauge oder nicht; wird sie hier als tauglich bezweifelt, so muß er solches ohne weiteres vor die Hohepriesterschaft des Tempels bringen. Hat diese die vorgenommene Handlung als zur Ehre Gottes für tauglich erkannt, so kann der Vorhaber seine Handlung ohne weiteres ins Werk setzen; wird sie aber da nicht für Gottes würdig erkannt, so muß der betreffende Anfrager fürs erste sogleich von seinem Vorhaben abstehen und fürs zweite für sein der Ehre Gottes unwürdiges Vorhaben eine Art Buße verrichten. Diese besteht darin, daß er eine bestimmte Zeitlang in dem Tempel irgendeinen untergeordneten Dienst versehen muß, wonach er sich dann wieder in seine Heimat begeben kann.

[NS.01_051,13] Das wäre somit eine Regel des materiellen Teils der Religion. – Eine zweite Regel besteht darin, daß alle Bewohner eines Hauses im Verlaufe von sieben oder auch zehn Sternlichtzeiten sich einmal zur Ehre Gottes im Tempel einfinden müssen, um allda die Lehren über Gott aus dem Munde der Hohenpriester in den verschiedenen Gemächern des Tempels zu vernehmen.

[NS.01_051,14] So hat auch jedermann die Verpflichtung, einmal in seinem ganzen Leben die höchste Spitze des Tempels zu ersteigen und allda seinen Dank für alles Empfangene und seine Bitte für alles noch Künftige Gott vorzutragen.

[NS.01_051,15] Also hat auch ein jeder Bewohner die Verpflichtung, nach Ablauf von zehn Sternlichtzeiten, von denen eine gewöhnlich etwas über neunundzwanzig Tage eurer Zeitrechnung andauert, einen gewissen Teil von den Hauptfrüchten seiner drei Hauptbäume an den Tempel abzuliefern.

[NS.01_051,16] Dann ferner, da die Hauptstraße ein Eigentum der Tempel ist, welche gewöhnlich allzeit in der Nähe dieser Hauptstraße erbaut sind, so muß ein jeder Hausinwohner allzeit bereit sein, mit all seinen Kräften, im Falle der Notwendigkeit, zur Erhaltung dieser Straße beizutragen.

[NS.01_051,17] Es wird hier sicher jemand fragen: Zu welchem Zweck ist denn eigentlich diese Straße erbaut? – Der erste Hauptzweck ist, daß durch diese Straße die Verbindung und die Einheit aller Bewohner dieses Gürtels, und somit auch aller Tempel, zur Ehre Gottes bewerkstelligt wird. – Ein zweiter Zweck dieser Straße aber ist, daß besonders diejenigen Menschen männlichen Geschlechts, welche Oberpriester werden wollen, Zeugnisse von allen bestehenden Tempeln haben müssen, daß sie zur Ehre Gottes diese ganze, bei zweimalhunderttausend Meilen eures Maßes lange Straße überwandert und dadurch die Bekanntschaft mit allen Tempeln gemacht haben. – Das ist somit der zweite Zweck dieser Straße. – Der dritte Zweck aber besteht auch darin, daß eben auf dieser Straße jedermann, der da Lust hat, sich viele Kenntnisse und Fertigkeiten zu sammeln, die schnellsten und zugleich bequemsten Reisen machen kann.

[NS.01_051,18] Denn auch hier hat man eine Art Wagen, mit denen man überaus schnell über die ebene Straße dahinfährt. Die Wagen werden aber nicht von Tieren, noch weniger von Menschen gezogen, sondern sie werden durch eine eigene Maschine in eine so schnelle Bewegung gebracht, daß, wenn sie so im schnellsten Zuge sind, eine abgeschossene Kanonenkugel sie nimmer einholen würde.

[NS.01_051,19] Wer hat denn für diese Wagen zu sorgen? – Fürs erste die Bauleitungen des Tempels; fürs zweite aber haben wir schon gehört, daß da an der Straße überall kleine Wohnhäuser bestehen, deren Einwohner fortwährend die Straße zu überwachen haben; ein jeder Einwohner eines solchen Straßenhauses muß dann auch beständig mit einer bedeutenden Anzahl solcher Wagen versehen sein, welche immer in Bereitschaft sein müssen, um allfällige Reisende aufzunehmen und bis zur nächsten Station weiterzubefördern. – Solches gehört eben auch, als vom Tempel Ausgehendes, in den materiellen Teil der Religion. – Nächstens die Fortsetzung.

 

52. Kapitel – Weiteres über die Religion der Bewohner des sechsten Gürtelpaares.

[NS.01_052,01] Ferner besteht vom Tempel aus eine Regel, vermöge welcher alle Seitenstraßen sich mit der Hauptstraße vereinen müssen. Auch muß von jeglichem Wohnhause eine gute, fahrbare Straße sowohl zum Tempel als auch zur Hauptstraße bewerkstelligt sein, und jede Straße muß gerade sein.

[NS.01_052,02] Muß eine Straße irgend bergauf gehen, so darf sie deswegen keine Windungen machen, um zur höher gelegenen Hauptstraße zu gelangen, sondern muß ebenfalls über Hügel und Gräben errichtet sein und sachte steigen, so lange, bis sie die Hauptstraße erreicht. Sind bei dieser Gelegenheit bedeutende Geländeschwierigkeiten vorhanden, so muß solches dem Tempel angezeigt werden. Und sobald werden dann vom Tempel aus die Nachbarn berufen, um einem oder dem andern Hause das Werk vollenden zu helfen; und solches tun sie dann auch alsogleich ohne Widerrede. – Ist aber irgendein Wohnhaus höher gelegen als die Hauptstraße, so darf der Weg nicht etwa sich winkelrecht mit der Hauptstraße verbinden, sondern muß eine solche Wendung nehmen, daß er sich wenigstens in einem Winkel von fünfundvierzig Grad mit der Straße verbindet.

[NS.01_052,03] Auch darf kein Seitenweg sich entgegengesetzt mit der Straße verbinden, etwa vom Aufgang der Sterne her, sondern allzeit vom Niedergange her, damit da niemand von seiner Wohnung zur Hauptstraße sich gegen den Niedergang, sondern jedermann sich gegen den Aufgang bewegen muß.

[NS.01_052,04] Ferner besteht wieder eine Regel, derzufolge niemand über den hohen Gebirgsringwall steigen darf, weil jenseits in dem fünften Gürtel, bald nach einer kleinen Abdachung, die endlos tiefen Steilen folgen, über die niemand weiter einen Fuß ohne die alleraugenscheinlichste Lebensgefahr zu setzen vermag. Denn die Bewohner dieses sechsten Gürtels können wohl von dem höchsten Ringgebirgswall in den fünften Gürtel schauen, ersehen aber allda nichts als ein endlos großes Meer. Von den Ländern des fünften Gürtels aber können sie vermöge der zu großen Entfernung nichts entdecken.

[NS.01_052,05] Daher sind sie auch der Meinung, daß mit diesen Gebirgshöhen die Welt aufhört, und dann ewige Gewässer anfangen. Von ihrer eigenen Welt aber haben sie die Vorstellung, als sei sie ein großer Ring, der zwar um und um über die großen Gewässer hervorragt, aber innerlich hohl und von den großen Gewässern allein nur ausgefüllt sei. – Dieses ist also die Volksidee. – Die ersten Weisen des Tempels aber wissen, da sie auch mit den Geistern in Verbindung stehen, gar wohl, welch eine Bewandtnis es mit ihrer Welt hat, aber sie teilen solches dem Volke nicht mit; denn sie sagen: Wüßte unser Volk, daß die Welt, die wir bewohnen, noch bei weitem größer ist als der Teil, den wir bewohnen, – so würde es unter den großen Gebirgsringwall einen Tunnel graben, durch denselben riesige Fahrzeuge an das jenseitige Meer setzen und das Land anderer Völker besteigen. Solches aber ist nicht der göttliche Wille. Also soll das Volk auch bei seiner unschuldigen Idee von seiner Welt verbleiben und da allzeit bereit sein, zur Ehre des großen, allmächtigen Gottes zu dienen.

[NS.01_052,06] Das wäre demnach wieder eine Regel. – Ferner besteht noch eine Regel darin, daß alle Straßenhäuser beständig mit reichlichen Eßwaren versehen sein müssen, um damit die reisenden Gäste bewirten zu können. Aus diesem Grunde aber hat dann auch jedes Wohnhaus die Verpflichtung über sich, die in seinem Bezirk vorkommenden Straßenhäuser damit zu versehen. – Sind hier und da manche Wohnhäuser der Hauptstraße zu fern entlegen, so müssen sie ihren Teil bis zu den Nachbarn befördern, welche dann denselben an die Straßenhäuser abliefern. – Das wäre somit alles Wesentliche, was den äußeren, werktätigen Teil ihrer Religion ausmacht.

[NS.01_052,07] Worin besteht denn dann der geistige Teil? – Der geistige Teil besteht in ganz einfachen Grundlehren über Gott, die jedermann wissen und somit auch in dem werktätigen Teil seiner Religion treulichst befolgen muß. – Wie lauten denn demnach diese Grundsätze? – Diese Grundsätze lauten also, wie da folgt:

[NS.01_052,08] Gott ist ein alleiniges Wesen und hat kein Wesen mehr außer Sich, das da wäre wie Er. – Er ist daher allein über alles mächtig, über alles erhaben, über alles heilig und voll der allerhöchsten Ehre. Sein Geschäft ist die Freiheit Seines Willens. Und Seine Weisheit ist die Beachtung Seiner eigenen, ewigen Ordnung. Er ist der Schöpfer aller Dinge. Alles, was Er macht, macht Er aus Seinem Willen; die Elemente sind Seine Gedanken, und Sein Wille formt sie zu Wesen. Er bedarf keiner Materie, wenn Er eine Welt baut, sondern die Materie sind Seine Gedanken, und Sein Wille ist der Baumeister nach der ewigen Ordnung in Ihm. Wir können Gott vorerst nicht anders erkennen als aus Seinen Werken, welche uns Seine große Macht und Seine große Ehre verkündigen. Darum können wir Gott auch nicht anders ehren, als so wir Seine Natur nachahmen und aus der von Ihm gegebenen Materie Werke nach der Freiheit unserer Erkenntnis zu Seiner Ehre errichten. Gott bedarf zwar unserer Werke nicht; denn Größeres erschafft Er in einem Augenblick, als wir mit all unserer Kraft in vielen Jahrtausenden. Dennoch aber bauen wir Werke, so groß und erhaben wir sie nur können, um dadurch Ihm werktätig darzutun, daß wir von Seiner ewig unendlichen Ehre unserem ganzen Wesen nach durchdrungen sind. Wenn wir auch noch so Großes errichtet haben, und haben darob von Gott kein Lob empfangen, so soll uns aber das dennoch nicht abhalten, noch immer Größeres zu tun. Denn wie sollten auch all unsere noch so großen Werke eines göttlichen Lobes sich erfreuen können, da sie alle zusammengenommen nichts vor Seinen Augen sind!? – Wenn aber Gott auch schon nicht auf unsere Werke sieht, so sieht Er aber doch auf unsern Willen und auf unsere Ausharrung zu Seiner Ehre. Und so werden wir von Ihm nicht zufolge unserer Werke, sondern nur zufolge der Beharrlichkeit unseres Willens gesegnet.

[NS.01_052,09] Da wir aber wissen, wonach sich Gottes Wohlgefallen richtet, so richten wir uns auch danach, daß wir uns allzeit dieses Wohlgefallens würdig machen können. – Um sich aber Gott wohlgefällig zu machen, muß ein jeder folgende Haupttugenden in sich unerläßlich beachten:

[NS.01_052,10] Erstens: Weil Gott der Allerhöchste ist, müssen wir die Allerniedrigsten sein. – Zweitens: Weil Gott allein nur allmächtig ist, so müssen wir allzeit unsere Ohnmacht vor Ihm bekennen. – Drittens: Weil Gott voll der höchsten Ehre ist, so müssen wir allzeit voll der tiefsten Demut sein. – Viertens: Weil Gott über alles heilig ist, so müssen sich allzeit unsere Knie vor Seinem Namen beugen. – Fünftens: Da Gott allein nur alle Dinge angehören, so dürfen wir sie uns nie zueignen und müssen Ihm allzeit dankbar sein für jede Gabe, und wäre sie nur ein einziger Wassertropfen; denn auch einen Wassertropfen vermag der Mensch nicht zu erschaffen. – Sechstens: Da in Gott allein alle Kraft und Macht ist, so soll ein jeder wissen, daß auch seine Kraft aus Gott ist, und daher auch niemand ohne Gott etwas zu tun vermag; wem aber Gott Seine Kraft verleiht, der vermag alles. Gott aber wird niemandem eine erbetene Kraft vorenthalten, wenn er dieselbe nur zu Seiner Ehre verwenden will. – Siebtens: Die größte Ehre, die wir aber Gott bezeugen können, besteht darin, daß wir uns gegenseitig lieben und achten und aus dieser Liebe und Achtung dann auch in Seinem Heiligtume es wagen, in aller Demut unseres Herzens Ihn Selbst zu lieben.

[NS.01_052,11] Sehet, in dem besteht nun das ganze geistige Wesen der Religion der Bewohner dieses Gürtels; aber ja nicht etwa allein in Worten, sondern allzeit vollkommen ernstlich in der Tat. – Daher es aber auch für alle Bewohner dieses Gürtels die größte Seligkeit ist, den Tempel zu besuchen und allda Gott die Ehre ihres Herzens geben zu können.

[NS.01_052,12] Und somit wären wir auch mit diesem Gürtel vollends fertig und wollen uns daher fürs nächste Mal auf den siebenten und letzten Gürtel der Sonne begeben. – Daß übrigens auf dem sechsten südlichen Gürtel sich alles genauso verhält wie auf dem nördlichen, ist ohnehin schon bei Gelegenheiten erwähnt worden.

 

53. Kapitel – Das siebente Gürtelpaar – entsprechend dem lange unbekannten Planeten Neptun (Miron).

[NS.01_053,01] Da auch dieser siebente Gürtel, den wir jetzt besuchen wollen, einem euch jetzt noch unbekannten Planeten entspricht, so wird es, um sich von diesem Gürtel einen vollkommenen Begriff machen zu können, notwendig sein, auch hier dem Planeten einen kurzen Besuch abzustatten, – da fürs erste ohne die Bekanntschaft mit dem Planeten der Sonnengürtel ohne Entsprechung dastünde, und fürs zweite dieser auch nicht so gründlich beschaut und erkannt werden könnte, wenn nicht zuvor sein korrespondierender Planet einigermaßen wenigstens beschaut und erkannt würde.

[NS.01_053,02] Also können wir uns füglichermaßen sogleich zu diesem Planeten wenden. – Damit wir aber einen Anhaltspunkt haben, um ihn in die Reihe der Planeten zu stellen, so wird es notwendig sein, ihm vorerst einen Namen zu geben. Demnach fragt es sich, da dieser Planet bisher von eurer Seite noch keinen Namen hat, welchen man ihm beilegen solle? – Ihr würdet da sagen: Das ist wohl gleichgültig, wenn er nur einen Namen hat, laute er wie er wolle; man wird sich dennoch allzeit dasselbe unter diesem Namen vorstellen.

[NS.01_053,03] Im Grunde hättet ihr freilich wohl recht. Aber wenn ihr bedenket, daß der Name eines Dinges eben nicht so gleichgültig ist, wie es ein oder der andere denken möchte, so wird es wohl auch hier sehr darauf ankommen, daß wir diesem Planeten keinen Ehren-, sondern einen wahren Namen beilegen. – Wo werden wir aber diesen finden? – Auf der Erde sicher nicht; denn diese weiß noch nichts von ihm. – In dem entsprechenden Sonnengürtel etwa? – Diesen kennen wir noch nicht. – Es wird somit am besten sein, diesem Planeten den Namen zu geben, den er von seinen Bewohnern hat. – Ihr würdet hier freilich wohl sagen: Aber diese kennen wir ja auch nicht. – Ich aber sage: Wenn auch ihr sie nicht kennt, so kenne doch Ich sie und weiß sehr genau, wie sie ihren Planeten nennen. – Nun fragt es sich: Wie heißt denn einmal dieser Planet? – Miron, was so viel besagt als: „Welt der Wunder“ – ist sein Name.

[NS.01_053,04] Sehet, aus diesem rechten Namen geht schon der erste Begriff hervor, und er sagt gewisserart mit einem Wort, was es mit diesem Planeten für eine Bewandtnis hat. Die Folge wird aber die Sache noch mehr rechtfertigen. – Und so können wir uns denn schon auf die ersten Elemente des Planeten Miron einlassen.

[NS.01_053,05] Wie weit ist er denn von der Sonne entfernt? – Etwas über eintausend Millionen Meilen in der größten Sonnenferne. – Wie groß ist er denn? Er ist seiner Größe nach ein Planet, der da zwischen dem Uranus und dem Saturn das Mittel halten dürfte, also um anderthalbtausendmal größer als eure Erde. – Was aber seinen Luftkreis betrifft, so ist dieser größer als der Luftkreis des Planeten Jupiter und hat einen Durchmesser von beinahe einmalhunderttausend eurer Meilen.

[NS.01_053,06] Wie schnell bewegt er sich denn um die Sonne? – Da dieser Planet eine sehr langsame Bewegung hat, so braucht er wohl nahe fünfhundert Jahre, bis er einmal seine Bahn um die Sonne vollendet.

[NS.01_053,07] Hat dieser Planet auch Monde? – Dieser Planet hat zehn Monde, welche in verschiedenen Entfernungen um ihn herumkreisen und durch ihre verschiedenen Stellungen die Nachtzeit dieses Planeten ziemlich gut erleuchten. – Sie sind von ihm ziemlich weit entfernt, so daß der erste schon über sechzigtausend Meilen von ihm absteht, und der letzte sich über eine Million Meilen von ihm entfernt hält. – Nach der Umlaufszeit dieses letzten Mondes, zu welcher er beinahe dreizehn eurer Monate braucht, werden dort auch die Jahre gezählt. Die Sonnenjahre dagegen werden dort nicht gezählt, weil sie fürs erste auf dem Planeten keine merklichen Unterschiede hervorbringen, fürs zweite aber wären sie auch zu lang, und fürs dritte könnten sie zufolge der nicht so langen Lebensdauer eines Menschen auch schwer gezählt werden, weil in einem solchen Sonnenjahre schon wenigstens fünf bis sechs Menschenalter inbegriffen sind.

[NS.01_053,08] Auch in diesem Planeten sind nur die Äquatorgegenden bewohnt; seine Polarländer aber sind von ewigem Schnee und Eis so sehr überdeckt, daß allda an eine Bewohnbarkeit dieser Gegenden gar nie zu denken ist.

[NS.01_053,09] Wenn ihr euch auf diesem Planeten befinden würdet, so möchtet ihr die Sonne kaum so groß erblicken als allenfalls einen kleinen Taler bei euch. Aber die Bewohner dieses Planeten erblicken sie dessenungeachtet so groß, wie ihr sie erblickt von eurer Erde. Der Grund liegt in der größeren Bildung des Auges, wodurch die Pupille mehr abgeflacht erscheint und daher auch ein größeres Strahlenbündel fassen kann als euer Auge. Der zweite Grund aber liegt auch in der für diesen Planeten überaus hoch über die Oberfläche reichenden Luftregion, durch welche auf dem äußersten Grenzgebiete derselben noch immer ein bedeutendes Quantum der Sonnenstrahlen aufgenommen wird, welche nach dem Gesetz der euch bekannten Strahlenbrechung gedrängter und gedrängter auf die Oberfläche des Planeten fallen und daselbst, besonders in den Äquatorgegenden, noch immer eine recht angenehme Temperatur bewirken.

[NS.01_053,10] Da dieser Planet aber auch natürlicherweise schon einer andern Sonne, welche von ihm freilich wohl noch sieben Billionen und neunmalhunderttausend Meilen absteht, um wenigstens tausend Millionen Meilen näher steht als eure Erde, und zudem auch noch sein Luftkreis von solcher Bedeutung ist, wie ihr schon vernommen habt, so geschieht es, daß ihm das Licht und auch einige Erwärmung von Seite der andern Sonne zugute kommt. Aber der Unterschied zwischen der Wärme der eigentlichen Sonne und dieser fremden ist dessenungeachtet so verschieden, wie allenfalls bei euch der tiefe Winter vom hohen Sommer.

[NS.01_053,11] Auf diese Weise benutzt dieser Planet auch die Strahlen noch anderer Sonnen, wodurch in seinen Polarländern das übermäßige Anwachsen des Eises verhindert wird; denn das Eis besteht dann nur bis zu einer gewissen Höhenregion, wie ungefähr solches auch auf eurer Erde der Fall ist. Über dieser Region aber, wo sich die Strahlen von allen Seiten her schon wieder zu begegnen anfangen, wird die Temperatur der Luft auch wieder insoweit mehr und mehr gemildert, daß sich allda weder Schnee noch Eis mehr zu bilden imstande ist. Solches, wie gesagt, könnt ihr auf eurer Erde selbst bemerken. Denn so da irgendeine Gebirgsspitze über sechzehntausend Fuß hinausragt, so ragt sie auch schon über die Eisregion hinaus. Aus diesem Grunde werdet ihr die höchsten Punkte des Chimborasso in Amerika sowie des Himalajagebirges in Asien, und noch mehrere andere Gebirgsspitzen dieser beiden Kontinente, schnee- und eislos erblicken. – Was die polarischen Verhältnisse dieses Planeten betrifft, so sind sie dieselben wie die eurer Erde.

[NS.01_053,12] Das bewohnbare Land selbst gleicht einem Gürtel und ist sowohl südlicher- als nördlicherseits von beinahe unübersteigbaren Gebirgszügen eingeschlossen, über welche niemand leicht in die Meeresgegenden gelangen kann, an welchen es schon beständig ungefähr so kalt ist wie etwa bei euch im nördlichen Teil Sibiriens. Das Meer wird fortwährend vom sogenannten Treibeis belastet; daher es auch nicht eben sehr rätlich wäre, sich mit Hilfe der Schiffahrt auf dasselbe zu wagen.

[NS.01_053,13] Da dieser über tausend Meilen breite Gürtel somit ein eingeschlossenes Tal bildet, welches nur von wenigen kleineren Gebirgszügen verunebnet ist, und dieser ganze Erdkörper sich binnen zehn Stunden um seine Achse dreht und daher eine Nacht von kaum fünf Stunden Länge gibt, – so ist eben dieser Gürtel auch so wohltemperiert wie allenfalls bei euch ein mittelwarmer Sommer. Diese Temperatur aber unterliegt dann gar keinem Wechsel mehr, außer nur demjenigen, welchen manchmal die Winde und die häufigen Mondeswechsel bewirken. Und es läßt sich von selbst daraus schließen, daß die Bewohnbarkeit dieses Planeten, trotz seiner großen Entfernung von der Sonne, eben nicht die unangenehmste und zur Hervorbringung und Belebung der nötigen Pflanzen- und Tierwelt gar wohl tauglich ist.

[NS.01_053,14] Also hätten wir die notwendigen Elemente dieses Planeten kennengelernt. – Es dürften zwar hier einige Sternkundige einwenden und sagen: Wenn es je noch irgendeinen Planeten gäbe in unserem Sonnengebiete, so hätten wir ihn sicher schon lange entdeckt, nachdem wir sogar die viel kleineren Kometen entdecken, wenn sie auch dem freien Auge gänzlich unsichtbar bleiben. – Ich aber sage hier: Solches Unentdecktbleiben hat darin den Grund, weil dieser Planet eine so langsame Bewegung hat, daß sie von all den astronomischen Instrumenten, zufolge der großen Entfernung und dann mehr noch zufolge des zu kurzen Zeitraumes der Beobachtung, nicht wahrgenommen wird. So geschieht es noch immer, daß dieser Stern als ein Fixstern beobachtet wird, – und zwar natürlich von einer ganz unbedeutenden Größe –, und auf diese Weise noch nicht als Planet erkannt werden kann. – Der gleiche Fall war ja auch mit dem viel näher stehenden Planeten Uranus, der ebenfalls mehrere tausend Jahre hindurch durch schwache Instrumente nur vorübergehend als ein kaum beachtenswerter Fixstern betrachtet wurde. Und somit dürfte es den Gelehrten auch einleuchtend sein, daß es trotz ihrer scharfen Beobachtungen noch immer einen Planeten geben kann, den sie als solchen, zufolge der Unzulänglichkeit ihrer Instrumente und Beobachtungen, noch nicht haben erkennen und näher bestimmen können.

[NS.01_053,15] Nachdem wir auch solches dargetan haben, können wir uns füglichermaßen über die Beschaffenheit dieses Planeten selbst hermachen. Unter der Beschaffenheit aber wollen wir nicht die Analyse des Planeten selbst, sondern nur dessen bewohnbaren Boden, dessen Beschaffenheit, Vegetation und dann die Bewohner verstehen.

 

54. Kapitel – Wunderbarer Pflanzenwuchs auf dem Planeten Miron (Neptun). – Veränderlichkeit der Lebensformen.

[NS.01_054,01] Was da den Boden dieses Planeten betrifft, so ist er im Durchschnitt mehr eben als gebirgig. Die Ebenen werden gewöhnlich von Bächen, Flüssen und Strömen durchfurcht, wobei dann die Ströme sich durch irgendeine Gebirgsschlucht unter großem Toben und Brausen in das Meer ergießen. Stehende Gewässer, wie Seen, findet man nirgends von einiger Bedeutung; die größten darunter dürften kaum einige Stunden im Umfange haben.

[NS.01_054,02] Aber desto mehr gibt es sowohl an der nördlichen als auch an der südlichen Gebirgsbegrenzung Vulkane und somit auch häufig siedendheiße Quellen, ja manchmal sogar ganz heiße Bäche, wodurch in diesem Lande auch um einen bedeutenden Teil die Wärmetemperatur erhöht wird. Denn fürs erste wird die Luft, welche diese Ebenen und Täler durchströmt, erwärmt, und so kann da von irgendeinem kalten Winde nicht leichtlich die Rede sein; fürs zweite wird aber dadurch auch das Land, oder vielmehr das Erdreich, schon von innen aus erwärmt und somit, wie gesagt, in der Temperatur erhöht, wodurch es dann aber auch sehr fruchtbar wird und allenthalben die merkwürdigsten Früchte hervorbringt.

[NS.01_054,03] Was da die Vulkane an und für sich betrifft, so ist bezüglich ihres Feuers zu bemerken, daß dessen Flamme, wie auch die Glut, nicht also wie bei euch auf der Erde eine schmutzig-rötliche Färbung in sich birgt, sondern eine lichtgrüne, welche fürs erste viel heller ist als die rote, und fürs zweite als Erwärmung eben auch wohltätiger wirkt als die rote Farbe des Strahles.

[NS.01_054,04] So erblicken die Bewohner dieses Planeten auch die Sonne selbst in einem grünlichweißen Licht. Der Grund davon liegt in der weitgedehnten atmosphärischen Luftregion wie auch in deren besonderen Reinheit. Aus eben dem Grunde erscheinen auch entfernte Landteile nicht also blau wie bei euch, sondern grün; die Ursache liegt ebenfalls im Lichte und zumeist, wie schon gesagt, in der atmosphärischen Luft. Dafür aber sind die Blätter der Bäume, der Gesträuche, der Pflanzen, wie auch das Gras blau; und es ist somit gerade umgekehrt der Fall, als es auf eurer Erde zu sein pflegt. Wir haben zwar auch schon im Saturn die blaue Farbe vorherrschend gefunden; aber sie ist allda noch bei weitem nicht so intensiv und lebhaft wie hier.

[NS.01_054,05] Hier dürfte mancher fragen: Wie ist wohl solches möglich? – Solches ist ganz leicht möglich und kann von jenen, welche tiefere Kenntnisse hinsichtlich der Farbenbrechung des Lichtes haben, gar leicht begriffen werden. Die grüne Farbe des Lichtes ist die intensivste und daher auch die kräftigste, weshalb sie auch auf den der Sonne näher liegenden Erdkörpern fast die ganze Pflanzenwelt durchdringt und aus derselben in den Blättern und jüngeren Zweigen widerstrahlt. Alle anderen Farben sind demnach auch weniger intensiv und können daher nur zartere Gegenstände durchdringen. – Die blaue Farbe aber ist die am wenigsten intensive, weshalb von ihr auch am wenigsten verzehrt wird und die Luft mit ihr stets angefüllt sein kann; aus welchem Grunde auf eurem Erdkörper entfernt liegende Gegenstände auch allzeit blau gefärbt erscheinen.

[NS.01_054,06] Aber auf unserem Planeten Miron ist es wegen seiner großen Entfernung wie auch wegen seines großen Luftreichtums, der ganz entgegengesetzte Fall. – Die grüne Farbe des Lichtes hat bei dieser weiten Entfernung des leuchtenden Körpers, als da ist die Sonne, notwendigerweise an der Intensität verloren; denn ihr könnt es annehmen, daß auf den ganzen Planeten Miron nicht so viele Sonnenstrahlen fallen wie auf das alleinige Afrika eurer Erde. Wenn nun diese wenigen Sonnenstrahlen auf die weitgedehnte Oberfläche der Mironluftregion fallen, so werden sie, als die wohltätigsten, alsbald von ihr aufgezehrt. Nur der blaue Strahl, als viel weniger belebend, wird durch die reine Luft hindurch gelassen und fällt auf das Pflanzenreich, – aus welchem Grunde dann auch, wie schon bemerkt wurde, die Pflanzen mit Ausnahme der Blüten zuallermeist in der schönsten blauen Färbung erscheinen. Jedoch dergleichen weitere mathematische Erörterungen sind für unsern Zweck nicht notwendig; auch ist in dem bereits kurz Erwähnten für jeden denkenden Geist schon ohnehin überaus viel gesagt. Daher wollen wir uns sogleich zur eigentlichen vegetativen Welt dieses Planeten wenden!

[NS.01_054,07] Was die vegetative Welt dieses Planeten betrifft, so ist sie für eure Begriffe im wahren Sinne genommen etwas außerordentlich Wunderbares.

[NS.01_054,08] So wächst zum Beispiel ein Fruchtbaum bis zu einer bestimmten Größe und Höhe von etwa hundert Klaftern mit der größten Üppigkeit fort, und das bis zu einem Alter von etwa zwanzig bis dreißig Mironjahren, – wobei nicht zu vergessen ist, daß ein Mironjahr beinahe dreizehn eurer Monate lang und kein Sonnenjahr, sondern nur ein Mondjahr ist. Hat ein solcher Baum seine höchste Vollendung erreicht, alsdann geht mit dem Baume von einem Tage bis zum andern eine plötzliche Umwandlung vor sich. Entweder verschwindet er plötzlich aus dem Dasein, und an seiner Stelle entdeckt der Forscher eine Menge ganz neuer Insekten; oder der Baum wirft seine Äste ab, die sich von ihm also losmachen wie etwa bei euren Bäumen die Blätter im Herbst, und dieser Stamm treibt nun ganz andere Äste und bringt mit der Zeit auch eine ganz andere Frucht zum Vorschein. – Wird der Baum zu Insekten, so leben diese eine Zeitlang, aber nur an der Stelle, da der Baum stand; dann aber sterben sie ab, und aus ihrem leicht verweslichen Moder entwickelt sich in kurzer Zeit eine neue Pflanzengattung, welche aber mit dem vorherigen Baum durchaus keine Verwandtschaft hat. – Ihr müßt auch nicht annehmen, daß da bei einer solchen Verwandlung zu jeder Zeit dieselben Insekten zum Vorschein kommen. Solches hängt dort vielmehr von der verschiedenartigen Stellung der Monde ab; und daher kann ein solcher zugrunde gegangener Baum zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten entweder in verschiedene Arten von Insekten übergehen, aus denen dann auch wieder verschiedene neue Pflanzen entstehen können, – oder der Baum kann nach Abwurf der Äste nach ebensolchen Umständen in verschiedene andere Baumgattungen übergehen.

[NS.01_054,09] Wie es aber mit einem oder dem andern Baum der Fall ist, so ist es auch mit den kleineren Pflanzen derselbe Fall.

[NS.01_054,10] Das Gesetz solcher Übergänge erstreckt sich auch auf das Tierreich bis zu den vierfüßigen, größeren und größten Landtieren. Das Reich der Amphibien, das Reich der sämtlichen Insekten, wie auch das Reich der sämtlichen Vögel ist dem Gesetze solcher Übergänge unterworfen. Aber nicht etwa auf die Weise wie auf eurer Erde das Reich der Raupen und der Insekten; denn bei euch wird aus derselben Raupe auch immer derselbe Schmetterling und aus demselben Wurm dasselbe Insekt. Allein auf unserem Planeten Miron geschieht das alles nach Umstand der Sache und der Zeit; daher kann dort niemand bestimmen was hier oder dort zum Vorschein kommen wird.

[NS.01_054,11] Aus diesem Grunde verlegen sich die Bewohner dieses Planeten auch durchaus nicht viel auf die Naturwissenschaft, besonders was die Pflanzenwelt und die untere Tierwelt betrifft. Wohl aber stellen sie ihre Beobachtungen in dem Punkte an, wo die Natur konsistent zu werden anfängt.

[NS.01_054,12] So geschieht es auf dem Miron auch zu öfteren Malen, daß da ein oder der andere Vogel, Schmetterling oder ein anderes fliegendes Insekt, seine Eier legt, und aus diesen Eiern, welche gewöhnlich in das warme Erdreich gelegt werden, kommt statt ähnlichen oder anderen Tieren eine neue Pflanzenwelt zum Vorschein, welche eine Zeitlang besteht, dann aber wieder gänzlich ausstirbt. Aus dem Moder dieser ausgestorbenen Pflanzen, wie auch nicht selten aus ihren Samenkörnern, entstehen anstatt der ähnlichen Pflanzen wieder neue Tiere; manchmal kann man sogar in den bedeutend großen und ziemlich festen Samenschalen oder Hülsen, wenn man diese eröffnet, schon ein ziemlich wohlausgebildetes Tierchen finden, welches entweder so gestaltet ist, daß es eine Ähnlichkeit mit einem schon irgendwann gesehenen Tier hat oder ein ganz neues, noch nie gesehenes ist.

[NS.01_054,13] Es dürfte vielleicht einer oder der andere sagen: Desgleichen finden ja auch wir auf unserer Erde; denn wem sollte es nicht bekannt sein, daß fast eine jede Frucht- und Kerngattung nicht selten ihr Gewürm in sich trägt, und daß die Gallusäpfel, Buchblattkörner, die Knopper des Eichbaumes, die rauhe Knorre des Rosenstrauches und dergleichen mehr nichts anderes sind als ganz eigentümliche Pflanzeneier, in denen ein lebendiger Wurm ausgeboren wird. – Ich sage aber: Solches ist zwar richtig, allein es liegt ein großer Unterschied zwischen einer fortwährend gleichartigen Erscheinung und einer stets veränderten.

[NS.01_054,14] Aus diesem Grunde kann dieser Planet denn auch wohl mit allem Recht Miron (Welt der Wunder) heißen, indem seine vegetative wie auch zum großen Teile animalische Gestaltung so außerordentlich veränderlich ist, daß da eine ausgestorbene Pflanze, ein ausgestorbener Baum oder eine ausgestorbene Tiergattung nicht wieder als vollkommen dieselbe zum Vorschein kommt. – Inwieweit aber dieser Planet noch seinem seltenen Namen entspricht, wird die Folge noch ins größere Licht stellen.

 

55. Kapitel – Der Treubaum, das lebendige Schilf und der fliegende Brotbaum.

[NS.01_055,01] Da wir schon unsere Betrachtungen auf diesem Planeten bei der Pflanzen- und Tierwelt angefangen haben, so wollen wir uns auch noch eine Zeit dabei aufhalten und allda noch so manches Seltsame erschauen.

[NS.01_055,02] Unter den überaus vielen Baumgattungen dieses Planeten zeichnet sich der sogenannte ewige Baum vorzüglich aus. Dieser Baum ist auch der einzige dieses Planeten, der niemals seine Form und Beschaffenheit ändert; weshalb er auch von den Bewohnern des Planeten Miron als ein Sinnbild der Treue aufgestellt wird. Er wächst überaus hoch, macht wenig Äste, und diese nie weit vom schlanken Stamme treibend. Seine Frucht ist daher auch stets eine und dieselbe. – Wie sieht aber die Frucht aus, und in was besteht sie?

[NS.01_055,03] Damit wir diese Frage voll beantworten können, wird es notwendig sein, zuvor mit dem Baume selbst eine etwas nähere Bekanntschaft zu machen, durch welche sich dann obige Frage von selbst beantworten wird. Dieser Baum wächst ungefähr also aus dem Erdboden wie bei euch die Korallenbäumchen aus dem Grunde des Meeres. Er hat nicht ein eigentliches Holz, das da sein wesenhafter Bestandteil wäre, sondern der Stamm samt den Wurzeln und Ästen besteht aus einer mineralischen Substanz, ungefähr aus derselben wie die Muscheln bei euch. Er ist daher auch ohne Rinde und ganz glänzend glatt, ins Weißbläulichmetallene schillernd. Die Äste jedoch sind ganz vollkommen weiß. Der Stamm dieses Baumes, besonders eines solchen von einem hohen Alter, ist nicht selten bei drei- bis vierhundert Klafter hoch und hat am Boden einen Umfang von zwanzig bis dreißig Klaftern. – Wie wenig Äste ein solcher Baum im Verhältnis zu seiner Größe hat, könnt ihr aus dem ersehen, daß selbst der größte deren nicht über zwanzig zählt; und keiner der Äste reicht über fünf Klafter vom Stamme hinaus.

[NS.01_055,04] Diese Äste selbst sind ebenso fest und unbeweglich wie der Stamm selbst; sie bestehen bloß in einem ziemlich runden und starken Stiel, der sich ganz waagrecht vom Stamme hinwegzieht. Zu beiden Seiten, in horizontaler Richtung, ist ein solcher Ast mit einer Art Rechen versehen, das heißt, er sieht so aus, als hätte man diesem Aste an beiden Seiten verhältnismäßig lange Sprossen eingepfropft. Diese Sprossen werden natürlich gegen das Ende des Astes kürzer und schwächer. – Das sind sonach die Zweige des Astes.

[NS.01_055,05] Ein jeder solcher Zweig läuft in eine Menge kleiner Röhrchen aus, durch welche fortwährend ein süßer Saft dringt, sich allda zu Tropfen bildet, und dann, etwas klebrig, auf die Erde hinabträuft. Dieser Saft bildet fürs erste den ganzen Baum und alle seine Bestandteile; was davon zur Bildung des Baumes tauglich ist, wird von ihm auch aufgenommen; nur das für den Baum Untaugliche wird als ein süßer und etwas klebriger Tropfen ausgeschieden. Wenn dieser Saft eine Zeitlang der Luft ausgesetzt ist, so wird er am Ende zu einem süßen Mehle, gleich dem Mannatau, – welches Mehl dann die Bewohner dieses Planeten sammeln, es mit der Milch ihrer Hausziegen vermengen und sodann als eine ihnen besonders wohlschmeckende Speise verzehren.

[NS.01_055,06] Nun sehet, hier ist die vorige Frage schon beantwortet; aber auch zugleich dargetan, warum dieser Baum der „ewige“ und „getreue“ genannt wird. – Der „ewige“, weil er fürs erste, wie schon gesagt, seine Form nie ändert, fürs zweite aber beinahe nie abstirbt, und fürs dritte, weil er durch sein beständiges Tropfen unablässig Früchte abwirft. – Aus diesem Grunde wird er auch der „getreue“ genannt, weil man unter seinen Ästen allezeit seine Früchte findet. Daher planieren auch die Bewohner dieses Planeten den Boden unter diesem Baume beinahe spiegelglatt, damit dadurch ja nichts von seinem köstlichen Safte verlorengehen möchte.

[NS.01_055,07] Sehet, obschon dieser Baum beständig ist, so ist er aber dessenungeachtet von einer sehr wunderbaren Art und gehört mehr unter das Tierreich als unter das Pflanzenreich. Denn sein ganzer, gewisserart mineralischer Wesensgehalt ist nichts als eine Ansammlung von kleinen Tierchen, welche sich auf irgendeinem ihnen zusagenden Teil des Erdbodens angesammelt und durch das Ablegen ihrer Hüllen eben diesen Baum gestaltet haben.

[NS.01_055,08] Ihr werdet hier fragen, wie solches wohl zuging und wie in einem solchen mineralischen Klumpen ein Saft in die Höhe steigt? – Nur eine kleine Geduld! Sogleich soll euch diese Sache anschaulicher gemacht werden. – Diese Tierchen, woraus ein ganzer solcher Baum von der Wurzel aus gebildet wird, sind lauter runde Scheibchen, welche zuunterst, in der Mitte des Scheibchens, zwei kleine Füßchen zum Auf- und Niedersteigen haben. Auf der einen Kante des Scheibchens, vor den Füßen, befindet sich eine Saugöffnung und an der hinteren Kante des Scheibchens der Entleerungskanal. – Diese Tierchen, wenn sie sich einmal satt gesogen haben und sich auch jedes tausendfach reproduziert hat, kriechen sodann vollkommen horizontal übereinander und bilden dadurch lauter vollkommen runde Säulchen, wovon ein jedes Säulchen wohl kaum eine Zehntellinie im Durchmesser hat. Diese Säulchen reihen sich fest nebeneinander auf, so daß immer drei Säulchenreihen aneinanderstoßen. Dadurch aber entsteht zwischen einer jeden solchen Dreisäulchenreihe eine spitzig dreieckige Röhre, durch welche der Saft vom Grunde auf, nach dem Gesetze der Haarröhrchen-Anziehungskraft, zu jeder Höhe emporsteigt.

[NS.01_055,09] Hat der Saft irgendeine ausmündende Stelle erreicht, – welche allzeit an den Ästen angebracht ist, und das zwar durch den natürlichen Instinkt dieser Tierchen, besser gesagt aber durch die ihnen innewohnende geistige Intelligenz, – so wird er von den an solchen Mündungen befindlichen, noch fortwährend lebenden Tierchen alsbald eingesogen oder aufgezehrt. Der Unrat hernach, welchen diese Tierchen von sich lassen, ist dann eben dieser klebrige Saft, der da von den Ästen herabträuft und als die Frucht dieses sicher denkwürdigen Baumes angesehen wird. – Wenn ihr nun dieses bedenket, so wird euch das Wunderbare dieses Baumes nicht entgehen.

[NS.01_055,10] Es fragt sich nur noch dabei, ob ein solcher Baum im Ernste gar nie abstirbt? – Dieser Baum stirbt geradeso ab, wie bei euch das Gestein der Gebirge. Wenn er nämlich durch irgendwelche Elementarereignisse beschädigt wird, so geschieht es, daß er zu verwittern und nach und nach wieder ins gewöhnliche Erdreich überzugehen anfängt. – Das wäre sonach ein sehr beachtenswerter Baum.

[NS.01_055,11] Ein zweites Gewächs fast derselben Art ist das sogenannte lebendige Schilf. Dieses wächst ebenfalls zu einem ziemlich hohen Stamme empor, manchmal zu einer Höhe von hundert Klaftern, und sieht beinahe so aus, wie wenn ihr lauter Trichter ineinandergesteckt hättet, welches natürlich also aussieht, als hättet ihr an eine Stange ziemlich große Ringe an Ringe gesteckt. Zwischen diesen Ringen oder Trichtern schwitzt ebenfalls ein süßer, klebriger Saft hervor, welchen besonders das Reich der Insekten sehr liebt. Wenn sich aber die Insekten an dem Safte satt gespeist haben, so gehen sie auch bei ihrer Mahlzeit zugrunde. Auf diese Weise werden dann auch diese Ringgalerien mit den Leichen der Insekten angefüllt. Und gar bald geht auch allda eine Übergangsszene vor sich, und man erblickt aus diesen Ringen allerlei Kraut hervorwachsen, durch welches dann dieser im Grunde tierische Baumstamm ein ganz vollkommen vegetatives Aussehen bekommt. Er macht beinahe die Figur, wie bei euch auf der Erde in den Gärten die beschnittenen Pappeln, welche da ebenfalls, wie ihr schon öfters gesehen haben werdet, das Aussehen von grünen Säulen haben. – Sind allfällige Früchte einer solchen metamorphosischen Anpflanzung genießbar, so werden sie ohne weiteres von den Bewohnern in Empfang genommen. Sind aber die Früchte nicht genießbar, so werden sie natürlicherweise unangetastet und unbeschädigt gelassen. – Dieser Schilfbaum ist demnach an und für sich, bloß als Stamm betrachtet, ebenfalls unveränderlich; aber durch diese Metamorphose ändert er sich dann natürlicherweise dem Äußeren nach, indem aus dem Pflanzentum, das aus seinen Ringen auf die vorbeschriebene Weise entsteht, bald wieder ein Tierreich und bald wieder ein Pflanzentum entstehen kann. – Sehet, das wäre demnach wieder ein denkwürdiges Gewächs.

[NS.01_055,12] Einer der merkwürdigsten Bäume dieser Art aber ist das dort sogenannte fliegende Brot. Wie ist denn solches möglich, eine fliegende Pflanze, ja sogar einen fliegenden Baum zu sehen? – Dies nimmt euch im ersten Augenblick wohl etwas wunder; allein die Folge wird die Sache ganz begreiflich machen. – In den mehr sumpfigen Gegenden entwächst dem Boden eine Art Baum, der beinahe den sogenannten Korallen- oder auch Hirschhornschwämmen bei euch gleicht. Dieser Baum wächst nicht selten zu einer Höhe von fünfzig Klaftern und hat zuunterst an dem verhältnismäßig sehr kurzen Stamme manchmal einen Umfang von sechzig Klaftern. – Der Baum besteht in seiner Wesenheit aus lauter Zellchen und Röhrchen, die durch ihre eigene Anziehungskraft recht fest aneinanderhängen und also ein Ganzes bilden, wie ungefähr die Zellchen und Röhrchen des vorher erwähnten Schwammes bei euch; nur mit dem Unterschied, daß die Zellchen und Röhrchen eures Schwammes sehr zart und gebrechlich sind, während sie bei diesem Baum unseres Planeten von zäher und elastischer Art sind. – Wenn dieser Baum einmal seine gehörige Größe und sein Alter von etwa zehn Jahren erreicht hat, sodann verschließen sich zuunterst seine Einsaugkanälchen (denn Wurzeln hat dieser Baum keine, da er auch dort ins Reich der Schwämme gehört). Haben sich aber diese Einsaugkanälchen geschlossen, dann vertrocknet in den Zellchen und Röhrchen der Saft. Durch das Vertrocknen dieses Saftes aber entwickelt sich dann in einem jeden Zellchen und Röhrchen eine Luft, welche zufolge der elastischen Zähe der Röhrchen nicht entweichen kann. Da diese Luft bei weitem feiner und leichter ist, als die schwere atmosphärische Luft dieses Weltkörpers, so geschieht es dann, daß die leicht gewordene Materie des Baumes von seiner eigenen Luft vom Erdboden gewisserart abgerissen wird; und der Baum selbst steigt dann, gleich einem Luftballon bei euch, in die Höhe und verweilt manchmal mehrere Tage lang in der Luft herumfliegend. – Hat sich mit der Zeit diese leichte Luft aus seinen Zellchen und Röhrchen durch die freilich wohl sehr engen Poren entladen, dann fängt auch der Baum wieder an, hinab zum Erdboden zu sinken. Wenn die Bewohner dieses Planeten irgend so einen schon ziemlich nieder in der Luft schwebenden Baum erblicken, so geben sie sich alle erdenkliche Mühe, mit Haken und Stangen sich dieses Baumes zu bemächtigen. Wie sie seiner habhaft werden, so wird er alsbald zerlegt und an den Strahlen der Sonne noch mehr getrocknet. Wenn er aber nach ihrer Wissenschaft den gehörigen Grad der Trockenheit erlangt hat, so wird er auch sogleich als ein recht wohlschmeckendes Brot bei Butz und Stengel aufgezehrt, – das heißt, nicht auf einmal, sondern nach und nach dem Bedarf gemäß.

[NS.01_055,13] Sehet, jetzt wissen wir, warum dieser Baum das fliegende Brot heißt, und was die Ursache seines Fliegens ist. – Nächstens des Wunderbaren mehr!

 

56. Kapitel – Blitzende Wälder. – Der Blasenbaum.

[NS.01_056,01] Auf den Gebirgen, welche in der Nachbarschaft bedeutender mineralischer Quellen oder wohl gar feuerspeiender Berge sich befinden, erwachsen oft in sehr kurzer Zeit ganze Wälder von den sogenannten blitzenden Bäumen. Diese Wälder aber haben natürlicherweise keinen Bestand; ihre Dauer erstreckt sich höchstens auf drei Jahre. Aber diese drei Jahre sind besonders den nachbarlichen Bewohnern sehr lästig, wenn auch eben nicht nachteilig; fürs erste, weil durch die Zeit des Daseins solcher Bäume eine solche Gegend ohne Lebensgefahr nicht zu passieren ist; fürs zweite aber, weil die sehr schwingungsfähige Luft dieses Planeten durch das unablässige Knallen von seiten dieser Bäume also angefüllt wird, daß da beinahe niemand in einiger Nähe eines solchen Waldes seines eigenen Mundes Laut vernehmen kann.

[NS.01_056,02] Ihr werdet hier fragen: Sind diese Bäume denn wirklich vegetabilischer Art? – Nein, das sind sie nicht, sondern sie sind, wie ihr in eurer Kunstsprache zu sagen pflegt, rein nur elektroplastisch. Wenn sich nämlich in der vorbesagten Gegend, entweder durch große mineralische Quellen oder durch feuerspeiende Berge, eine überschwenglich große Menge Elektrizität entwickelt, für deren Reichtum ihr auf eurer Erde keinen Begriff haben könnt, so zieht die in der Luft haftende Elektrizität die ihr verwandten mineralisch atomischen Teile aus dem Boden und aus der Luft zusammen; und durch diese Tätigkeit entstehen gar bald sichtbare Kügelchen und auch Häkchen, die sich aneinanderhängen und dann auf einen Teil des Erdbodens hinfallen, wohin sie am meisten angezogen werden. Durch solche elektrische Tätigkeit entstehen bald ganze Stämme über dem Erdboden mit mannigfaltig gestalteten, knorrigen Ästen versehen. Diese Äste saugen dann noch mehr Elektrizität an sich und lassen das Plus ihrer Fassungsfähigkeit bald wieder blitzend und knallend von sich.

[NS.01_056,03] Solches dauert gewöhnlich so lange, bis sich ein etwa in der Nähe befindlicher Feuerspeier zur Ruhe gelegt hat, oder bis überhaupt der elektrische (Über-)Reichtum einer Gegend sich mit der allgemeinen Elektrizität ins Gleichgewicht gestellt hat. Ist solches geschehen, sodann braucht es nur eines mäßigen Luftzuges, und der ganze Wald wird gleich einer Staubwolke von seinem Territorium gehoben und über Ländereien hin verstreut. Und dieses ist dann auch das Ende eines solchen Waldes.

[NS.01_056,04] Haben die Bewohner wohl auch einen Nutzen von solch einer Naturproduktion? – O ja, und das keinen geringen. Sie passen recht sorgfältig die Zeit ab, wann die Bäume eines solchen Waldes mehr und mehr anfangen, ihre Elektrizität zu verlieren. – Wann solches der Fall ist, dann nähern sie sich behutsam einem solchen Walde, nehmen Körbe mit sich und ziemlich lange, mit Spitzen versehene Stangen und auch auf langen Stielen befestigte Schaufeln. Mit den Stangen bestreichen sie vorerst einen solchen Baum und untersuchen, ob noch elektrische Tätigkeit in ihm vorhanden ist. Ist solche vorhanden, so wird ein solcher Baum mit dergleichen spitzigen Stangen so lange bestochen, bis dadurch alle Elektrizität von ihm entwichen ist. Ist solches der Fall, so fangen sie dann an, mit den Schaufeln die knorrigen Äste abzustechen und dann endlich den ganzen Baum in ihre Körbe zu fassen. Die Masse sieht dann ungefähr also aus wie eine Lava-Asche eurer Feuerspeier und ist unstreitig der allerbeste Dünger für ihre Felder. – Das ist sodann aber auch schon der ganze Gebrauch dieses Baumes.

[NS.01_056,05] Ihr werdet hier sagen: Warum gibt es denn bei uns keine solchen Erscheinungen? – Ich aber sage euch: Fürs erste ist eure Erde bei weitem nicht so elektrizitätsreich wie der Planet Miron, und fürs zweite kennt ihr auch die Erscheinungen eures Erdbodens und ebenso auch die Wirkungen der Elektrizität noch viel zu wenig, als daß ihr ganz begründet sagen könntet: Warum kommen ähnliche Erscheinungen auf unserem Erdkörper nicht vor? – Verfüge sich nur jemand zum Beispiel in mittelafrikanische Gegenden, und so noch in manche Gegenden unter dem Äquator, und er wird gar bald auf die seltsamsten, chimärenartigen elektroplastischen Gegenstände stoßen. Aber dennoch ist ein Unterschied zwischen der Elektroplastik eurer Erde und der dieses Planeten. Denn was bei euch nur im kleinen Maßstabe geschieht, geschieht dort in riesenhaften Umrissen, so daß sich dieses Verhältnis also gestaltet wie etwa eins zu ein- bis zweitausend.

[NS.01_056,06] Und so denn wären wir auch mit diesem merkwürdigen Baume fertig und wollen nun nur noch eines Gewächses erwähnen. Dieses Gewächs wird dort der Blasenbaum genannt. Dieser Baum wächst gewöhnlich in großer Gestalt an den Ufern der Seen, welche, wie ihr schon wißt, eben nicht von zu großer Ausdehnung sind. Die Gestalt dieses Baumes ist folgende: An einem bei dreißig Klafter hohen und bei drei Klafter im Durchschnitt habenden, ziemlich glattrindigen Stamme sind ungefähr drei, ein wenig nach aufwärts gehende, aber sonst geradgestreckte Astreihen befindlich; und zuoberst des Stammes schießen eine Menge solcher geraden Äste nach allen Richtungen hinaus. Am Ende eines jeden Astes ist eine Art Trichter gebildet, durch welchen eine Mündung durch den ganzen Ast, wie durch den ganzen Baum, sich kleinröhrig zieht. Dieser Baum ist ebenfalls mehr eine Schwammgattung als ein eigentlicher Baum, da er keine Wurzeln, sondern bloß einen stumpf-konischen Stiel im Erdreich hat.

[NS.01_056,07] Es fragt sich jetzt: Warum wird denn dieser Baum der „Blasenbaum“ genannt? – Sehet, an den euch schon bekannten Mündungen der Äste schwitzt ein Saft klebriger Art durch die Röhren heraus, und das bis zu einer gewissen Zeit; alsdann versiegt der Saft im Innern dieses Schwammbaumes und löst sich in einer Art Luft auf, welche Auflösung auch hier durch die große Tätigkeit der reichhaltigen Elektrizität bewirkt wird. – Da in diesen Trichtermündungen der Äste sich der Saft angehäuft und mehr elastisch verdichtet hat, so kann er nicht aufgelöst werden, hindert aber dadurch der im Innern des Baumes entwickelten Luft den freien Austritt.

[NS.01_056,08] Was geschieht dadurch für eine leicht begreifliche Erscheinung? – Keine andere, als welche ihr selbst schon oft als Kinder spielend mit dem Loder einer Seife gemacht habt. Nämlich: Die Luft tritt aus der Röhre hinter den elastisch klebrigen Saft in der trichterartigen Mündung des Astes, erhebt dann denselben und treibt ihn nicht selten zu einem mehrere Klafter im Durchmesser habenden Ballon auf. Wenn die Bewohner solches an dem Baume bemerken, so eilen sie mit starken Schnüren herbei, ziehen oder binden solch einen Ballon an der Mündung des Astes fest zusammen und schneiden ihn, zusammengebunden, vom Trichter ab. Und wenn die Masse dann vollkommen getrocknet ist und die gehörige elastische Intensität erreicht hat, lösen sie die Schnüre wieder und erhalten dadurch die schönsten und dauerhaftesten Beutel und Säcke, in denen sie alles aufbewahren können. Denn eine solche Blase ist in ihrem reifen Zustande noch viel haltbarer als eure Gummielastikum-Blasen und ist so zähe, daß sie selbst mit sehr scharfen Werkzeugen nicht leichtlich zerschnitten werden kann.

[NS.01_056,09] Der Baum selbst aber wird dann ebenfalls nach Hause gebracht und wird allda als ein hauptsächliches Brennmaterial betrachtet; fürs erste, weil seine Masse in getrocknetem Zustande fast nur Harz ist; fürs zweite, weil sich bei der Verbrennung der Materie dieses Baumes ein sehr angenehmer Geruch entwickelt, den die Bewohner dieses Planeten überaus lieben; und fürs dritte, weil die Flamme von dieses Baumes Materie überaus schön hell-lichtgrün ist, und bei der Verbrennung sich zudem nur sehr wenig Rauch entwickelt.

[NS.01_056,10] Dies wären sonach die seltensten Gewächse dieses Planeten, welche sonst wohl nirgends vorkommen. – Daher wollen wir uns nun der Kürze wegen für das nächste Mal auch sogleich zu dem noch wunderbareren Tierreich wenden.

 

57. Kapitel – Das Tierreich auf dem Planeten Miron. – Der Dampfer, der Donnerer und der Windmacher.

[NS.01_057,01] Was hier das Tierreich betrifft, so ist zum Teil erwähnt worden, wie dasselbe bis zu einer gewissen Stufe der immerwährenden Formenverwandlung unterliegt, und zwar wechselweise von den Pflanzen zu den Tieren und von den Tieren zu den Pflanzen. Sonach wollen wir nicht bei dieser unteren Stufe der Tiere, welche so sehr der Formenverwandlung unterliegt, unsere Betrachtungen anfangen, sondern wollen uns sogleich zu jener höheren Klasse der Tiere wenden, welche auf diesem Erdkörper schon einen bleibenden Standpunkt einnimmt.

[NS.01_057,02] Zu der Klasse dieser Tiere gehört vor allem eine bedeutende Gattungsanzahl verschiedener großer, vierfüßiger Tiere, welche das Land bewohnen. Ferner eine sonst nirgends als auf diesem Planeten vorkommende Tierklasse, nämlich die der zweifüßigen Tiergattungen; sodann einiges Geflügel. – Und endlich erst wollen wir den Menschen selbst in Augenschein nehmen.

[NS.01_057,03] Ein Tier aus der vierfüßigen Reihe unter dem Namen „der große Dampfer“, ist eines der seltensten Tiere dieses Planeten. Dieses Tier hat eine Größe, derzufolge es von den Füßen bis auf den Rücken bei dreißig Klafter mißt und hat um den Bauch einen Leibumfang von wenigstens sechsunddreißig Klaftern. Seine Füße sind verhältnismäßig lang und stark und nahe so gebaut wie die Füße eines Elefanten bei euch; nur sind sie zuunterst an den Tritten, anstatt mit stumpfen Klauen, mit starken, einer Bärentatze ähnlichen Krallen versehen. – Dieses Tier hat ebenfalls einen verhältnismäßig langen und starken Schweif, der mit einem reichlich gekrausten Haarbusch versehen ist, etwa so wie der Schweif eines Löwen bei euch. Der Kopf dieses Tieres sitzt auf einem kurzen, aber desto stärkeren Halse und hat eine bedeutende Ähnlichkeit mit dem Kopf eines Rhinozeros bei euch.

[NS.01_057,04] Statt des Horns auf der Nase hat es einen weiten und sehr geräumigen Trichter, welcher mehrere Klafter im Umfange hat. Über dem Trichter, an der Stirn, hat es zwei Rüssel, die bis zu dreißig Klaftern dehnbar sind. Mit diesen Rüsseln sammelt dieses Tier Wurzeln und allerlei andere, für dasselbe genießbare Früchte, legt diese in den weiten und geräumigen Trichter; und ist der Trichter angefüllt, so läßt es gar bald einen ganz heißen Dampf durch seine Nüstern in diesen Trichter. Dadurch werden die Früchte förmlich gekocht, und wenn sie gehörig weich geworden sind, so langt dieses Tier mit dem Rüssel in den Trichter, hebt die erweichten Nahrungsmittel nach und nach heraus und schiebt sie in seinen ziemlich weiten Rachen. Der Rachen aber ist zahnlos und besitzt statt der Zähne nur sehr starke Quetschmuskeln, mittels welcher es die in den Rachen gelegten und zuvor in dem Trichter schon gekochten Nahrungsmittel zerquetscht und sodann zu seiner Sättigung verschlingt.

[NS.01_057,05] Wenn dieses Tier seine Speisen kocht, so verbreitet es aus seinem Trichter nicht selten einen bei weitem stärkeren Dampf, welcher in dichten Wolken aufsteigt, als wenn bei euch auf der Erde ein sehr großes Gebäude in Flammen stünde, – weshalb das Tier auch, wie schon anfänglich bemerkt wurde, der große Dampfer genannt wird.

[NS.01_057,06] Auf keinem Planeten gibt es so viele entgegengesetzte tierische Polaritäten, die sich aus dem Grunde allzeit feindlich begegnen, wie auf dem Miron. Und so geschieht es denn auch, daß unser großer Dampfer eine Menge tierischer Feinde hat, welche ihm nach dem Leben streben. – Aber alle dieses Tier anfeindenden anderen Tiere kommen im Kampfe mit ihm sehr übel weg; denn so groß dieses Tier ist, so ist es aber dennoch äußerst behende und ganz besonders mit seinen beiden Rüsseln pfeilschnell. Wenn sich ihm demnach Feinde nähern und dieses Tier solches merkt, so stellt es sich, als ob es sie nicht merkte und läßt dadurch die Feinde ganz an seinen Leib kommen; sodann aber schießt es mit seinen Rüsseln plötzlich nach den Feinden, wirft sie in seinen weiten Dampftrichter, welcher sehr fest ist, und läßt alsogleich seinen heißen Dampf über sie los. Wenn noch einige andere sich ebenfalls nahenden Feinde solches Spektakel erblicken, so kehren sie gewöhnlich um und machen keine Miene mehr, diesen Feind anzufallen, sondern ziehen sich, wie ihr zu sagen pflegt, ganz bescheiden zurück und versparen ihren feindlichen Groll auf eine bessere Gelegenheit, bei welcher es aber einem und dem andern um kein Haar besser ergeht, als wir es soeben gehört haben. Nur gegen Menschen, vor welchen dieses Tier eine eigene Achtung hat, übt es nie diese Art Verteidigung aus, sondern treibt diese, wenn sie es zu sehr reizen, mit seinen stark schwingenden Rüsseln davon; läßt aber bei dieser Gelegenheit dennoch eine solche Masse Dampf seinem Trichter entsteigen, daß darob die Menschen in eine ganz dichte Wolke eingehüllt werden und dann nicht leicht merken können, wohin das Tier seinen Weg genommen hat. Die Menschen aber, wenn sie sich noch in dieser eben nicht gar zu angenehm duftenden Dampfwolke befinden, verhalten sich ebenfalls so lange ruhig, bis sich die Wolke wieder gelichtet hat; und ist solches geschehen, so ziehen sie sich gewöhnlich unverrichteter Sache zurück.

[NS.01_057,07] Das ist sonach schon ein denkwürdiges Tier dieses Planeten. Seine Nützlichkeit hat zumeist nur das metaphysische Feld zum Grunde, vermöge dessen es eine Übergangsstufe bildet von dem gewöhnlich metamorphosischen Pflanzenleben in das konstante Tierleben. Seine Farbe ist grünlichgrau.

[NS.01_057,08] Ein zweites nicht minder denkwürdiges Tier dieses Planeten ist der sogenannte Donnerer. Dieses Tier ist um ein Drittel kleiner als das vorige und ist in seiner Art einzig und allein diesem Planeten eigen. Dieses Tier hat einen besonders großen Bauch, welchen es noch obendrauf bei gewissen Gelegenheiten durch die Entwicklung einer innern Luft so außerordentlich auftreiben kann, daß es dann nicht selten einen Umfang von mehr als vierzig Klaftern um die Bauchgegend bekommt, während es sonst nur einen Umfang von etwas über zehn Klaftern hat. Dieses Tier hat nahezu die Ähnlichkeit mit einem sogenannten Känguruh, welches Tier bei euch auch den Namen „Beuteltier“ führt; nur hat es einen runden Kopf, ungefähr wie ein Affe bei euch, und seine Füße sind ebenfalls so gestaltet wie die eines Affen, aber natürlicherweise im Verhältnis zur übrigen Größe des Tieres gehörig stark und fest.

[NS.01_057,09] Auch dieses Tier nährt sich von Kräutern, mitunter auch von Baumfrüchten, und hält sich vorzugsweise in der Nähe der Gewässer auf. – Warum aber wird es der Donnerer genannt? – Solches wird sogleich ersichtlich werden.

[NS.01_057,10] Wenn dieses Tier von seinen Feinden verfolgt und irgend in die Enge getrieben wird, so treibt es seinen Bauch auf, wodurch es dann ein überaus lächerlich fürchterliches Aussehen bekommt. Ist der Bauch nun aufgetrieben, so begibt es sich augenblicklich ins Wasser und schwimmt behende vom Ufer hinweg. Ist es nun etwa bei zehn oder zwanzig Klafter vom Ufer entfernt, so fängt es, im Wasser schwimmend, mit seinen Vorderfüßen auf seinem stark gespannten Bauche zu trommeln an. Dadurch verursacht es einen solchen Lärm, daß darob sogar das Ufer in eine Art Schwebung gerät, als wäre ein kleines Erdbeben vorhanden. Durch diesen Lärm erschreckt es dann seine Feinde nicht selten so gewaltig, daß sich diese nicht so leicht wieder in eine solche schauderhafte Gegend zu begeben getrauen.

[NS.01_057,11] Selbst Menschen sind eben nicht die größten Freunde von diesem ziemlich unangenehmen Lärm, welcher manchmal, besonders bei den Männchen, von so intensiver Art wird, daß sich bei euch auf der Erde ein ziemlich naher Kanonendonner weidlichst schämen müßte.

[NS.01_057,12] Die Nützlichkeit dieses Tieres ist der des vorhergehenden ähnlich. Es wird auch von seiten der Menschen nie Jagd auf dasselbe gemacht, weil es sonst überaus sanfter Natur ist und keinem andern Wesen etwas zuleide tut, außer, wenn es verfolgt wird, durch seinen Lärm, den es gewöhnlich so lange fortsetzt bis sich die Feinde weithin geflüchtet haben; sodann aber begibt es sich wieder ans Ufer, entladet seinen Bauch von der Luft und treibt da wieder seine gewöhnliche Lebensweise fort. – Die Farbe dieses Tieres ist rücklings dunkelblau, vorn aber am Bauche ins Grünlichgelbe übergehend.

[NS.01_057,13] Das wäre sonach das zweite denkwürdige Tier dieses Planeten. – Und so gehen wir wieder zu einem andern über, welches ebenfalls nicht weniger merkwürdig ist.

[NS.01_057,14] Dieses dritte sonderbare Tier hat den Namen „der Windmacher“. – Bevor wir aber die Ursache seines Namens betrachten wollen, werden wir uns mit seiner etwas sonderbaren Gestalt beschäftigen. Wie sieht denn diese aus? – Für euch, wie ihr zu sagen pflegt, im wahren Sinne komisch. – Ihr habt auf eurer ganzen Erde nicht eine so lächerliche Tiergestalt wie die dieses Tieres. Ein Esel bei euch könnte dagegen als ein wahrer Weiser des Morgenlandes auftreten. Aus diesem Grunde wird auch dieses Tier gewöhnlich zahm gehalten, weil es den Bewohnern dieses Planeten sehr viele erheiternde Schauspiele macht, wovon sie große Freunde sind, da sie auch in geistiger Hinsicht in dem großen (Schöpfungs-)Menschen den Lachdrüsen des Bauches entsprechen.

[NS.01_057,15] Dieses Tier hat die zehnfache Größe eines Pferdes bei euch. – Die Farbe dieses Tieres ist ungefähr so rot wie ein schmutziger Ziegel bei euch. – Die Füße sind im Verhältnis ziemlich lang und etwas auswärts gebogen, besonders in dem Teil unter dem Kniegelenk, und sind vom Bauche an bis auf die beiden kamelartigen Stumpfklauen mit plump gekrausten Haaren stark bewachsen. Die Hinterfüße sind ebenfalls, wie die vorderen, nach auswärts gebogen und sind so behaart wie die vorderen. Die Bauchgegend ist mit zwei Reihen nackter Zitzen behangen, welche nicht selten eine halbe Klafter lang sind. Das Männlein hat zwar etwas kürzere Zitzen, aber desto ausgezeichnetere Geschlechtsteile; besonders ist der Hodensack bis zu den Knien der Hinterfüße herabhängend. Der Schweif ist vom Rücken weg ebenfalls mit plump gekrausten Haaren reichlich versehen und ist sehr lebhaft beschäftigt, um allfällige Insekten vom Leibe zu treiben. Die Rückengegend ist ebenfalls mit plump gekrausten Haaren versehen. Und so sieht der Mittelleib, besonders da der Steiß ziemlich stark aufgeworfen ist, der Form nach einem riesigen Pavian bei euch nicht unähnlich, bis auf die Füße und den Schweif. – Von dem ziemlich plump voluminösen Leib erhebt sich ein schlanker Schwanenhals; auf diesem zierlichen Schwanenhalse sitzt ein euren Mauleseln nicht unähnlicher Kopf; nur sieht er noch stumpfer aus als der Kopf eines Maulesels und hat auch noch bei weitem größere und weniger gespitzte Ohren als eure Maulesel. Die Ränder der Ohren sind ebenfalls stark behaart in der Art wie die Füße. Und vom unteren Kinnbacken hängen ein paar lange, ganz nackte Zitzen von graulicher Farbe, welche nur hier und da mit einigen ziemlich langen Haaren bewachsen sind. Zudem hat das Tier einen sehr weit aufzusperrenden Rachen, aus welchem es eine mehrere Klafter lange Zunge nach Bedarf strecken kann. – Also wäre die Gestalt dieses Tieres.

[NS.01_057,16] Warum heißt es aber der „Windmacher“? – Wenn dieses Tier, zufolge seiner für die Bewohner dieses Planeten sehr lächerlichen Gestalt, über die Maßen geneckt und gereizt wird, so bläht es sich auf, rollt seine Zunge zu einem Rohr zusammen und bläst dann aus diesem Rohr so gewaltig, daß es einen Menschen, der auf diesem Planeten eine sehr beachtenswerte Größe hat, wenn er sich nicht versieht, mit leichter Mühe umwirft. Besonders aber wendet dieses Tier seinen Wind allda gerne an, wo es vor sich eine Menge lockerer und zugleich schmutziger Gegenstände erblickt. Diese bläst es dann seinen Neckern und Beleidigern zu; und da geschieht es dann nicht selten, daß einige zu mutwillige Necker dieses Tieres ganz übel bedient werden. Aber eben diese Erscheinung macht dann erst den sogenannten Hauptspaß dieser Bewohner aus, und zwar nicht so sehr wegen des Faktums selbst, als besonders wegen der überaus lächerlichen Stellung, welche dieses Tier bei dergleichen Operationen einnimmt.

[NS.01_057,17] Das ist aber auch, von seiten der Menschen betrachtet, die ganze Nützlichkeit, für welche sie sich dieses Tieres bedienen. Sonst aber ist seine Nützlichkeit ähnlich der der zwei früheren Tiergattungen. Und so sind wir denn mit diesem Tier fertig und wollen unsere Betrachtungen das nächste Mal fortsetzen.

 

58. Kapitel – Die Miron-Ziege. – Der Bodendrucker.

[NS.01_058,01] Aus der Reihe der vierfüßigen Tiere dieses Planeten wollen wir noch drei Klassen, oder vielmehr drei Gattungen, erwähnen und kurz beschauen; sodann nach einem allgemeinen Überblick sogleich zu den zweifüßigen übergehen.

[NS.01_058,02] Das nächste Tier, das wir aus der Reihe der Vierfüßler betrachten wollen, ist die gemeine Ziege, welche ebenfalls einheimisch ist und von den Bewohnern als ein nützliches Haustier gehalten wird. Dieses Tier hat ungefähr die zehnfache Größe einer großen Kuh bei euch, sieht aber weder einer Kuh noch einer Ziege eurer Erde ähnlich, und ist daher so, wie es in diesem Planeten vorkommt, auf keinem andern Planeten wiederzufinden. – Wie sieht denn hernach dieses Tier aus? – Der Mittelleib ist überaus voluminös, so daß der Umfang des Bauches nicht selten zwölf Klafter beträgt. Die Füße aber sind im Verhältnis ganz stelzenhaft mager. Statt der Klauen eurer Ziegen hat dieses Tier, fast nach der Art eurer Gänse oder Enten, mit starker Zwischenhaut versehene Zehen; jedoch vorne nicht mit spitzigen, sondern mit stumpfen Krallen. Der Steiß dieses Tieres läuft in zwei förmliche Kegel aus, wovon ein jeder über anderthalb Klafter sich über dem Rückgrat erhebt. Zwischen diesen beiden Steißkegeln sitzt ein verhältnismäßig langer, rüsselartiger Schweif, welcher am Ende mit einem mäßigen Haarbusch bewachsen ist. Bis auf die Rückenzeile hat das Tier kurze Haare; auf der Rückenzeile aber stehen lange und steife Borsten reichlich und dicht aneinander, welche nicht selten über zwei Ellen lang sind und manchmal so dick wie ein schwacher Gänsekiel bei euch. Allda aber, wo die Füße den Leib verlassen, sind sie mit einem dichten Wulst von gekrauster Wolle ringförmig umfangen; ebenso auch mit einem kleineren unter dem Kniegelenk. Vor den beiden Füßen erhebt sich dann ein vollkommen runder Hals, der ebenso lang ist wie der ganze Körper und durchweg mit kurzen Haaren bedeckt ist. Auf diesem Halse sitzt dann ein Kopf fast von der Gestaltung eines Kamels bei euch, nur ist er dadurch unterschieden, daß er von der Stirn geradeaus drei ziemlich lange und wohlgespitzte Hörner hat, wovon das mittlere etwas stärker und länger ist als die beiden äußeren. – Gerade in der Mitte des Bauches hängen bei dem Weibchen, welches gemolken werden kann, vier starke Zitzen herab, – wodurch den Bewohnern eine recht wohlschmeckende und sehr fette Milch zuteil wird. – Also sähe demnach dieses Tier der Form nach aus.

[NS.01_058,03] Was ist aber so eigentlich das Merkwürdige dieses Tieres? – Das Merkwürdige dieses Tieres ist, daß es in drei Elementarreichen seine Nahrung suchen kann, nämlich auf dem Wasser, auf dem Lande und in der Luft. – Hier werden einige sagen: Das finden wir nicht so merkwürdig! Also leben bei uns alle vierfüßigen Tiere; denn auch sie leben vom Wasser, vom Lande und von der Luft. – Allein die Sache verhält sich hier anders. Diese Ziege kann ins Wasser gehen und da, gleich den Gänsen bei euch, herumschwimmen und die häufig vorkommenden Wasserkräuter verzehren. Dieses wäre noch nicht so sehr merkwürdig, denn auch auf der Erde gibt es vierfüßige Tiere, welche sehr gute Schwimmer sind und denen auch die Wasservegetation gar wohl mundet. – Dieses Tier aber kann sich auch frei in die Luft erheben und fängt allda, sich hurtig nach allen Seiten bewegend, die vom Winde getragenen Blätter wie auch noch sonstige plötzliche Luftvegetationen ab und verzehrt sie. Denn solches muß noch hinzubemerkt werden, daß die Luft dieses Planeten von allerlei seltenen meteorischen Erscheinungen überfüllt ist und nicht leichtlich ein Tag verstreicht, wo nicht ganze Wolken von fremdartigen Pflanzen, Samenkörnern, fremdartigen Tieren und dergleichen mehr auf kurze Zeiten die Luft erfüllen. Diese meteorischen Erscheinungen aber fallen selten auf den Boden, sondern schwimmen in der Luft ganz behaglich fort, welches allda um so leichter der Fall ist, weil die Luft dieses Planeten viel intensiver und schwerer ist als die Luft eures Erdkörpers.

[NS.01_058,04] Wenn demnach dieses Tier eine frugale Luftpromenade machen will, so bläht es seinen Bauch durch die Entwicklung einer innern Luft recht auf, dirigiert sich dann mit seinen leichten Füßen nach allen möglichen Richtungen und befindet sich da am besten, wo es in eine solche meteorisch planetarische Wolke kommt. Hat es sich allda satt gefressen, sodann segelt es wieder seiner Heimat zu und hat sich zwischen seinen beiden Steißkegeln auch noch einen kleinen Vorrat mitgenommen.

[NS.01_058,05] Dieses Tier ist sonst überaus gutmütiger Art, hat aber dessenungeachtet mehrere tierische Feinde. Diese Feinde aber werden dieses Tieres, wenn es sie nur frühzeitig genug erspäht hat, nicht leichtlich Meister. Denn beim Anblick eines oder des andern Feindes erhebt es sich schnell in die Luft, schwimmt dann in derselben eiligst seinen Feinden zu und stößt mit seinen Hörnern mit großer Behendigkeit von der Luft herab auf seine Feinde. Wenn diese von geringer Größe sind, so faßt es dieselben wohl auch mit seinen festen Zehen, trägt sie schwindelnd hoch in die Luft und läßt sie dann fallen. Die Feinde wissen und merken sich aber solches auch; daher machen sie sich auch alsbald aus dem Staube, sobald sich dieses Tier anfängt in die Luft zu erheben.

[NS.01_058,06] Den Menschen aber ist dieses Tier überaus zugetan, tut ihnen nie etwas zuleide und kostet sie auch soviel wie nichts. – Es geschieht daher nicht selten, daß sich bei einer Haushaltung mehrere Hunderte solcher Tiere aufhalten und den Einwohnern einen reichlichen Unterhalt verschaffen. Die Tiere verlassen eine Haushaltung nicht leicht; es müßte nur sein, daß ein Mensch eines oder das andere dieser Tiere getötet hätte. Dann ist es aber auch auf längere Zeit aus; denn da begeben sich sämtliche Tiere, und wenn es mehrere Hundert an der Zahl wären, von solch einer Haushaltung hinweg und bereichern eine andere.

[NS.01_058,07] Die Farbe dieses sicher sehr denkwürdigen Tieres ist im allgemeinen grünlichrot; die größeren Haarwüchse sind dunkelblau, die Borsten und der Schweif, die Steißkegel und der Hals sowie die drei Hörner auf dem Haupte sind blendend weiß.

[NS.01_058,08] Ein ferneres, ebenfalls sehr denkwürdiges Haustier ist der dort sogenannte Bodendrucker. Dieses Tier hat ungefähr die Gestalt eines Elefanten bei euch; nur sind seine Füße, wie auch sein Rüssel, anders beschaffen als die eines Elefanten; denn die Füße sehen also aus, als wären dem Tiere vier Kegel angehängt, deren breite Teile zuunterst, und deren Spitzen mit dem Leibe also verbunden wären, als wären sie in denselben hineingesteckt. Der sonstige Leib aber hat, bis auf das zehnmal größere Volumen, vollkommene Ähnlichkeit mit einem Elefanten bei euch. Der Kopf gleicht bis auf den Rüssel ebenfalls dem Kopfe eures Elefanten; nur der Rüssel ist im Verhältnis etwas kürzer und am Ende noch einmal so breit wie am Kopf, von dem er als eine verlängerte Nase ausgeht. – Also sähe demnach dieses Tier aus.

[NS.01_058,09] Warum hat es aber den Namen „der Bodendrucker“? – In diesem Namen bekundet sich größtenteils auch die Nützlichkeit dieses Tieres. Denn allda, wo es sich aufhält, stampft es den Boden ganz eben und ruht nicht eher, bis es eine Fläche, die es sich zu seiner Wohnung ausersehen hat, vollkommen ebengestampft hat.

[NS.01_058,10] Dieses Tier wird ebenfalls gezähmt und von den Bewohnern bei der Erbauung ihrer einfachen Wohnhäuser gewisserart als Grundsteinleger gebraucht. Bei dieser Gelegenheit dürfen die Menschen nur eine Furche ziehen, insoweit sie einen vollkommen ebenen Grund haben wollen. Wenn ein und das andere Tier dann auf eine solche befurchte Stelle hingeführt wird, so beginnt es sogleich den Boden zu ebnen, wühlt da mit seinen zwei geraden, langen Fangzähnen und mit seinem sehr kräftigen Rüssel das Erdreich auf und planiert auf diese Weise – trotz eines mathematischen Baumeisters – die vorgezeigte Fläche. Ist die Fläche einmal locker planiert, alsdann geht das Stampfen an. Durch dieses Stampfen wird ein solcher Boden so eben und fest gemacht, daß fürs erste sogar eine Wasserwaage, darauf gelegt, sicher das Medium halten würde; und fürs zweite, was die dadurch bewirkte Festigkeit des Bodens betrifft, so würdet ihr mit euren Krampen und Picken zu tun haben, um ihn wieder aufzulockern.

[NS.01_058,11] Dieses Tier ernährt sich ebenfalls von Kräutern und Wurzeln und hat ausnahmsweise beinahe keine Feinde, bis auf einige manchmal vorkommende Insekten. – Seine Farbe ist fahlgrün. Und da sich von diesem Tiere nichts von Bedeutung mehr erwähnen läßt, so wollen wir zu dem nützlichsten, zugleich aber auch merkwürdigsten Haustier dieses Planeten übergehen.

 

59. Kapitel – Die Miron-Kuh.

[NS.01_059,01] Was ist das für ein Tier? – Es ist kein anderes, als was da ist die Kuh bei euch, nur sieht sie bei weitem anders aus als die Kuh auf der Erde. Auch übertrifft ihre Nützlichkeit ums Vielfache und Mehrseitige die Nützlichkeit eures gleichen Tieres. – Damit wir uns aber von allem einen hinreichenden Begriff machen können, was da dieses Tier betrifft, so wird es notwendig sein, uns auch hier vorerst mit der Gestalt dieses Tieres bekannt zu machen.

[NS.01_059,02] Wie sieht demnach dieses Tier aus? – Fürs erste, was da betrifft seine Größe, so mißt es vom Steiße angefangen bis zum Scheitel des Kopfes zwanzig Klafter und vom Fußtritte bis zur Höhe des Rückgrates zehn. – Der Mittelleib dieses Tieres zeichnet sich ebenfalls durch einen beinahe unverhältnismäßig großen Bauch aus. – Die Füße aber sind im Verhältnis nahe also, wie bei der uns schon bekannten Ziege mehr schwach und mager. Am Steiße sitzt ein langer, buschiger Schweif, der durchaus mit Mähnen, beinahe also wie bei einem Pferde bei euch, bewachsen ist. – Der Rücken dieses Tieres ist fast kamelartig; nur ist er nicht so plötzlich aufgebogen wie bei einem Kamel, sondern allmählich vom Steiße angefangen, und verliert sich also wieder abnehmend bis zur Schultergegend der beiden Vorderfüße. – In der Gegend der beiden Schultern erheben sich zwei oval zusammengedrückte Kegel, ungefähr eine halbe Klafter über den Rücken, und geben dadurch dem Tier ein etwas schroffes Ansehen; denn wenn das Tier geht, so bewegen sich auch diese zwei zusammengedrückten Ovalkegel stets verschoben kreuzweise zueinander.

[NS.01_059,03] Gleich über den Schultern hinaus erhebt sich ein von oben bis unten breiter, aber bezüglich des ganzen Leibes recht schmaler Hals, auf welchem ein verhältnismäßig großer Kopf sitzt, welcher nahe das Aussehen hat wie der Kopf eines Maulesels bei euch, nur ist er verhältnismäßig groß. Auf dem Kopfe hat dieses Tier nur ein Horn; dieses aber ist aufrechtstehend und nicht so von der Stirn nach vorwärts auslaufend, wie es bei euch auf der Erde bei den selten gewordenen Einhörnern der Fall ist. Auf diesem Horn sitzt eine vollkommen runde Knolle wie eine Kugel, die etwa eine kleine Klafter im Umfange hat und von einer sehr harten Masse ist, etwa so wie der Quarz bei euch. Dieses Horn ist an der Stirn, an seinem Fuß eigentlich, mit einem starken, etwas struppigen Mähnenbusch umwachsen. Unter diesen Mähnen erst sind zwei große und feurige Augen, welche an Schärfe alle anderen tierischen Augen übertreffen. Die Zunge dieses Tieres ist ausgestreckt über eine Klafter lang, das heißt über den Rachen hinaus, und ist ganz stachelig, etwa so wie die Haut eines Igels bei euch. Mit dieser stacheligen Zunge kann dieses Tier seine Nahrung bequem und fest ergreifen, sie dann in seinen Rachen hineinziehen, zwischen den starken Druckzähnen zermalmen und sodann zu seiner Ernährung verschlingen.

[NS.01_059,04] Was die Behaarung des ganzen übrigen Leibes betrifft, so hat er bis auf die Extremitäten die schönste, feinste und reichste Wolle zu seiner Behüllung; nur die Füße, die beiden schon benannten Kegel über den Schultern und die Ohren sind kurzhaarig. Dieses Tier ist auf diesem Planeten das einzige, welches ungefähr solche Klauen hat wie eine Hirschkuh bei euch. Etwas vor den zwei Hinterfüßen, am Bauche, befindet sich ein verhältnismäßig großes Euter, welches bei diesem Tier mit sechs Zitzen versehen ist, welche aber nicht in zwei Reihen, sondern in einer Linie fortgehen. – Die Wollfarbe dieses Tieres ist ganz weiß, die am Schweife und am Horn vorkommenden Mähnen aber sind dunkelbraunrötlich; die kurzbehaarten Teile aber sehen fahl aus. – Also hätten wir die ganze Gestalt dieses Tieres vor uns.

[NS.01_059,05] Wenn wir dieses Tier betrachten, wie es sich nun gestaltlich vor uns befindet, da muß ein jeder von euch sagen: Dieses Tier scheint wohl nützlich zu sein; aber etwas Außerordentliches und Denkwürdiges sieht doch nirgends heraus. Allein Ich sage hier, wie ihr zu sagen pflegt: Obschon zwar nicht alles Gold ist, was da glänzt, so kann aber auch ebensogut recht vieles Gold sein, was nicht glänzt. Denn wer das Gold glänzend haben will, muß es ebensogut zuvor polieren wie ein anderes Metall. Also wollen wir uns auch an die Politur dieses Tieres machen, und es wird sich da wohl zeigen, wieviel des merkwürdigen Goldes hinter ihm steckt. Wir wollen daher auch zuerst das Denkwürdige und wahrhaft in das Wunderbare gehende dieses Tieres in Augenschein nehmen, bevor wir dessen vielseitige Nutzwirkung betrachten wollen.

[NS.01_059,06] Die erste Merkwürdigkeit dieses Tieres besteht darin, daß es sich mit dem Menschen dieses Planeten förmlich durch eine Art Sprache verständigen kann. Diese Sprache besteht in Zeichen, welche dieses Tier mittels seiner Vorderfüße tut, und die es dann mit der Mimik seines Kopfes, seiner Zunge und seiner Augen begleitet. – Ihr müßt nicht glauben, daß solches dem Tier erst eingelernt werden muß, etwa auf die Art, wie ihr auf eurer Erde so manches Tier lehret, sondern solches ist dem Tier schon von Grund an eigen. Diese Fähigkeit wird freilich wohl durch einen zeitgemäßen Umgang mit Menschen sehr erhöht; aber gelehrt braucht sie auf keinen Fall zu werden.

[NS.01_059,07] Diese Tiere sind dadurch auch für allerlei künftige Erscheinungen die verläßlichsten Propheten. Und wenn sie in ihrer Eigentümlichkeit durch den Umgang mit Menschen es zu immer größerer Fertigkeit gebracht haben, so bestimmen sie künftige Erscheinungen wie etwa große Ungewitter, große Luftverfinsterungen durch allerlei meteorische Gebilde, große Erdbeben, zukünftige Entstehung von blitzenden Bäumen und dergleichen mehr, was diesen Planeten betrifft, nahe bis auf eine Sekunde voraus.

[NS.01_059,08] Aus diesem Grunde aber haben die Menschen dieses Planeten vor diesem Tier auch eine ganz besondere Achtung, welche sich hier und da sogar in eine Art Abgötterei verloren hat. Allein da die Bewohner dieses Planeten auch in Verbindung mit der Geisterwelt ihres Planeten stehen, so ist eine solche Abgötterei nie von langer Dauer, sondern gleicht vielmehr einem kurzen Übergang, der da ähnlich ist der Begeisterung so mancher albernen Dichter bei euch, die da nicht selten vor einer aus Holz oder Stein geschnitzten Statue Lieder schreien, als ständen sie vor einem Engelsgeist des dritten Himmels. Solches ist ebenfalls eine Abgötterei; aber, wie ihr es schon zu öfteren Malen werdet erfahren haben, eben nie von zu intensiver und zu langer Dauer. So ist es auch auf diesem Planeten um so mehr der Fall, wo sie immer mehr einer starken Verwunderung über die Fähigkeiten dieses Tieres als einer Abgötterei gleicht.

[NS.01_059,09] Sehet, diese Eigenschaft des Tieres übertrifft schon sicher alle anderen Eigenschaften der Tiere, die wir bisher kennengelernt haben. – Hat dieses Tier noch mehr denkwürdige und wunderbare Eigenschaften? – O ja; höret nur weiter!

[NS.01_059,10] Die zweite wunderbar merkwürdige Eigenschaft dieses Tieres besteht darin, wie es seinen Feinden, deren es auch eine Menge zählt, begegnet. Wie verteidigt es sich denn gegen seine Feinde? – Fürs erste merkt dieses Tier genau, wo ein Feind seiner lauert. Wo irgend aber solches der Fall ist, da streckt es seine stachelige Zunge aus dem Rachen und geht schnurgerade auf seinen Feind los. Durch das Herausstrecken der Zunge hat sich dieses Tier, zufolge seiner innern Organisation, mit einer ungeheuren Masse von positiver Elektrizität gefüllt. Merkt das Tier nun, daß es vollgeladen ist, sodann macht es seinen Rachen zu, nachdem es die Zunge zuvor eingezogen hat, kehrt sein Kugelhorn gegen den Feind und läßt alsbald die volle elektrische Ladung von diesem seinem Kugelhorn auf den Feind losbrechen, der bei dieser Gelegenheit, wenn schon nicht ganz getötet, aber dennoch von dem außerordentlich heftigen elektrischen Schlag so gedemütigt wird, daß er sicher auf der Stelle seinen Lauerplatz verläßt und nicht leichtlich einen zweiten Versuch mehr wagt, sich diesem Tier feindlich zu nähern. Das wäre sonach eine zweite, sicher denkwürdige Eigenschaft dieses Tieres.

[NS.01_059,11] Die dritte merkwürdige Eigenschaft dieses Tieres aber besteht darin, daß die Bewohner, wenn sie von ihm die Milch haben wollen, es nie zu melken brauchen. Sie brauchen nur ein Gefäß hinzustellen, und sobald tritt dieses Tier mit seinem milchreichen Euter über das Gefäß und läßt anfänglich freiwillig seine Milch aus seinen Zitzen in das Gefäß; ist aber das Euter nicht mehr so voll, daß die Milch nicht gewisserart freiwillig den Zitzen entträuft, sodann melkt sich das Tier selbst mit seinen Vorderfußklauen bis auf den letzten Tropfen aus, indem es geschickterweise seine Zitzen zwischen die zwei Klauen faßt und dann behutsam abstreift; und hat es sich vollends ausgemolken, sodann zeigt es dies den Menschen an, die dann das Gefäß nehmen und die Milch zu ihrem Gebrauch verwenden können.

[NS.01_059,12] Eine vierte denkwürdige Eigenschaft dieser Tiere besteht darin, daß sie bei Gelegenheit großer Stürme lebendige Blitzableiter bilden. Denn dieses Tier hat die natürlichste Anhänglichkeit zum Blitz. – Wenn da irgend mit Elektrizität schwer beladene Wolken daherziehen, so stellen sich diese Tiere gesellschaftlich auf einem höheren Punkte auf, strecken da ihre Zunge gegen die Wolke und entladen sie dadurch nicht selten gänzlich von ihrer Elektrizität; entladen aber dann diese nie plötzlich durch das Horn, sondern lassen sie allmählich durch die beiden Schulterkegel ausströmen, welche zu diesem Zweck den Tieren eigen sind. – Vermöge dieser Eigenschaft sind sie auch die besten Nachtwächter menschlicher Wohnungen dieses Planeten. Denn zur Nachtzeit ist es, außer einem den Tieren bekannten Menschen, nicht ratsam, sich einem solchen Hause zu nahen. Wer solches täte, setzte sich der größten Gefahr aus, vom Blitz entweder erschlagen oder aber zum wenigsten doch sehr beschädigt zu werden.

[NS.01_059,13] Daß dieses Tier vermöge solcher Eigenschaften noch zu manchem verwendet wird, läßt sich aus dem bereits Bekannten wohl sehr leicht schließen. Daß es zum Beispiel bei den Jagden, die da häufig vorkommen, und bei noch so manchen anderen Gelegenheiten nicht fehlt, könnt ihr euch leicht denken. Und so haben wir denn mit der Betrachtung der merkwürdigen Eigenschaften dieses Tieres auch schon dessen Nützlichkeit gar wohl wahrgenommen. Es braucht nur noch hinzu erwähnt zu werden, daß es mittels seiner reichlichen Wolle die Menschen mit der besten Kleidung versieht, so haben wir das ganze, nützliche Tier vor uns; und wir wollen uns daher für das nächste Mal zu den Zweifüßlern wenden, nachdem wir noch zuvor einen ganz kleinen Blick über das sonstige Tierreich werfen werden. – Und somit gut für heute!

 

60. Kapitel – Der große Reichtum der Tierwelt auf dem Miron. – Die zweifüßigen Tiere.

[NS.01_060,01] Wir haben schon bei Gelegenheit der Darstellung des Planeten Saturn recht klärlich vernommen, daß in einem jeden Planeten sich ähnliche oder verwandte Dinge vorfinden, wie sie auf einem andern Planeten vorhanden sind, der zu einer und derselben Sonne gehört. – Somit könnt ihr auch füglich annehmen, daß auf diesem Planeten, den wir soeben vor unseren Augen haben, auch sicher ähnliche Tiere wie auf eurer Erde vorkommen, welche freilich wohl in den einzelnen Teilen sich von den eurigen unterscheiden, sowohl in der Gestalt als in der Größe und Farbe; – dessenungeachtet aber würdet ihr eben nicht mit zu großer Schwierigkeit diejenigen Tiere dieses Planeten bald herausfinden, welche mit denen eures Erdkörpers verwandt sind. – Aber nicht nur die Tiere eures Erdkörpers, sondern auch die Tiere anderer Planeten existieren hier unter manchen Abartungen, sowohl der Größe als der Form und der Farbe nach.

[NS.01_060,02] Ja es fehlt hier sogar das Mud des Saturns nicht und bewohnt ebenfalls nur einige Inseln außerhalb des eigentlichen Kontinentlandgürtels; aber es ist ein großer Unterschied bezüglich der Größe zwischen dem Mud des Planeten Miron und dem des Planeten Saturn. Denn auf dem Planeten Miron ist dieses Tier kaum zwanzigmal so groß als etwa ein Elefant bei euch. Wenn ihr das gegeneinanderhaltet, so wird euch der Unterschied sicher auffallen.

[NS.01_060,03] Also gibt es auch noch andere Tiere; aber wie schon gesagt, mit so mancher Veränderung, welches alles kundzugeben für den Zweck dieser unserer Mitteilung zu viel Zeit benötigen würde. Denn auf diesem Planeten gibt es allein über hunderttausend Tiergattungen der Vierfüßler, welche nicht der Metamorphose unterliegen. – Denket euch erst das Heer derjenigen Tiere, die man dort die Übergangstiere nennt; endlich das ebenso sehr zahlreiche Reich der Zweifüßler. Daraus wird euch wohl klar werden, welche Zeit es benötigen würde, um jede Gattung dieser Tiere beschaulich darzustellen. – Daher genüge für das ganze Tierreich dieser allgemeine Überblick und zugleich die Versicherung, daß es beinahe auf keinem Planeten so wesenbunt wie auf diesem zugeht, – ohne daß darum der Mensch in irgendeiner Sphäre seines Seins und Wirkens beeinträchtigt wird. Denn des Platzes, von dem solche Tiergenerationen allein Besitz nehmen können, gibt es eine Menge – und das von großer Ausdehnung. – Besonders dienen dazu die transmontanischen Ufergegenden der Meere, in denen es wahrhaft wimmelt von Wesen aller Art, welche nur selten, und manche gar nie, über die beiden großen Gebirgszüge kommen, um im eigentlichen, für Menschen bewohnbaren Lande ihre Wohnung aufzurichten; und kommen auch manchmal einige über diese Gebirge, so werden sie als Fremdlinge auch gar bald wieder von den landeinheimischen Tieren zum Rückzug genötigt.

[NS.01_060,04] Da wir sonach mit den Vierfüßlern nichts Besonderes mehr unternehmen wollen, so wenden wir uns sogleich zu den Zweifüßlern hinüber. – Ihr werdet hier wohl fragen und sagen: Was Wunder müssen denn das für Tiere sein? Sind es Vögel oder Affen? Denn diese zwei Tiergattungen sind wohl so beschaffen, daß sich der Vogel auf zwei Füßen bewegen muß, und der Affe sich zumeist auf seinen zwei Hinterbeinen bewegen kann.

[NS.01_060,05] Ich sage euch aber: Mit den Zweifüßlern hier hat es eine ganz andere Bewandtnis; denn sie sind weder Vögel noch Affen. – Ihr werdet euch vielleicht hier denken, daß darunter etwa gar eine Art Viertel-, Drittel- oder Halbmenschen zu verstehen sind? – Auch dieses ist nicht der Fall; denn diese Tiere haben nicht selten mit dem Menschen kaum die allergeringste Ähnlichkeit. – Jetzt fragt es sich erst, was denn das eigentlich für Tierwesen sind? – Sehet, da auf diesem Planeten schon alles einen gewissen wunderbaren Anstrich hat, so ist solches auch mit dieser nur allein diesem Planeten eigentümlichen Tiergattung der Fall!

[NS.01_060,06] Damit wir aber, wie ihr zu sagen pflegt, auf einen Hieb einen Baum zum Fallen bringen und gleich einem Helden Mazedoniens einen verworrensten Knoten lösen, so sage Ich euch, um diese Tiergattung mit einem Strahl zu beleuchten: daß sie im Grunde nichts anderes ist als eine Wiederholung sämtlicher vierfüßigen Tiere, die sich aber statt auf vier Füßen allein nur auf zwei Füßen bewegen.

[NS.01_060,07] Was die Körper anbetrifft, so besteht in den Formen bloß darin ein Unterschied, daß sie durchaus mehr als ums Fünffache kleiner sind als die der eigentlichen Vierfüßler, und daß die zwei Füße natürlicherweise etwas verschiedener sind als die Vorder- oder Hinterfüße der Vierfüßler. Denn fürs erste sind die zwei Füße im Verhältnis durchaus stärker als bei den Vierfüßlern; und fürs zweite sind die Tritte der Füße gedehnter und ausgezeichneter. Sie sind aber dessenungeachtet von den Füßen des Menschen dadurch allgemein unterschieden, daß sie die Knie ihrer Füße nach rückwärts haben, während der Mensch sie nach vorwärts hat.

[NS.01_060,08] Ein besonders merkwürdiger Unterschied der Füße dieser Zweifüßler von denen der Vierfüßler besteht darin, daß die Füße dieser Zweifüßler vom Bauche bis zum Knie mit einer sehr leichten und dehnbaren Haut verbunden und somit gewisserart zusammengewachsen sind, welche Haut aber dessenungeachtet diese Tiere nicht im geringsten in ihrem Gehen behindert. Weshalb diesen Tieren solche Haut gegeben ist, wird sich im Verfolg ganz klar zeigen. Wenn diese Tiere große, weitgedehnte, vogelartige Krallentritte haben, so sind diese Krallen mit einer solchen Haut verbunden, die Füße aber dann nur bis zum Knie mit der vorbenannten Haut versehen.

[NS.01_060,09] Diejenigen Tiere, deren Füße bis zum Tritt mit der Haut verbunden sind, haben in der Gegend, da der Hals den Leib verläßt, verhältnismäßig große und starke Fächerarme, nicht unähnlich den Flossen der Fische bei euch. Diejenigen Tiere aber, die da nur bis zum Knie mit der Haut bewachsen sind, da sie behäutete Krallen besitzen, haben diese Fächerarme nicht, dafür aber einen ziemlich langen, ebenfalls fächerartigen Schweif.

[NS.01_060,10] Warum sind denn sonach diese Tiere also eingerichtet? – Diese Tiere sind darum so eingerichtet, weil sie samt und sämtlich Bewohner des Landes sowohl als auch der Luft sind, – fast auf dieselbe Weise wie bei euch die Fledermäuse und noch andere Flattertiere. – Alle diese Tiere können sich, zufolge einer in ihrem Organismus entwickelten, überaus feinen und leichten Luftgattung, gleich euren Ballonen in die auf diesem Planeten besonders intensive Luft erheben; und wann sie sich also in die Luft erhoben haben, so können sie mittels dieser Zwischenfußhaut und der Fächerarme, oder mittels der Krallenhäute und des Fächerschweifes, in der Luft sich nach allen Richtungen so geschickt bewegen wie die Flattertiere bei euch.

[NS.01_060,11] Ihr werdet hier wohl fragen: Was haben denn diese Tiere eigentlich für einen Zweck auf diesem Planeten? – Einen sehr bedeutenden. Denn fürs erste bilden sie in metaphysischer Hinsicht die Übergangsstufe vom eigentlichen Tierreich zum Menschen. Fürs zweite aber sind sie in naturmäßiger Hinsicht die in diesem Planeten allernotwendigsten und allerbewährtesten Luftreiniger. Denn wie sehr die Luft dieses Planeten nicht selten bis zu einer Höhe von fünfzig bis hundert deutschen Meilen mit allerlei meteorischen und zugleich metamorphosischen Tier- oder mitunter auch Pflanzenwesen erfüllt und belebt ist, wurde zum Teil schon erwähnt. Aber es bleibt uns noch dessenungeachtet ein Bedeutendes zu erwähnen übrig, und ihr könnt es mit größter Zuversicht annehmen, daß sich dergleichen Erscheinungen besonders gegen die Abendzeit so anzuhäufen anfangen, daß darob die Sonne so gänzlich verfinstert wird, wie solches bei euch noch gar nie, außer einer totalen Finsternis, bemerkt wurde. Wenn denn eine solche meteorische oder metamorphosische Erscheinung im Anzuge ist, dann erheben sich auch bald Millionen solcher Tiere mit ungemeiner Steigschnelligkeit von den Gebirgen, manchmal auch mehr unwirtlichen Tälern und Gräben, und erreichen gar bald eine solche meteorische oder metamorphosische Wolke. Daß diese Tiere hier eine ihnen wohlschmeckende Mahlzeit halten, braucht kaum erwähnt zu werden. Sie speisen nicht selten eine über hundert Kubikmeilen große inhaltsschwere Wolke in einem Zeitraum von wenigen Stunden beinahe ganz rein auf. Daß solches dann für die Menschen eine große Wohltat ist, braucht ebenfalls kaum erwähnt zu werden.

[NS.01_060,12] Auch das auf diesem Planeten fast durchgängig metamorphosische Reich der Vögel, welches ebenfalls in jeder Hinsicht sehr reichhaltig ist, wird von diesen Gästen in gehörigem Zaume gehalten.

[NS.01_060,13] Ihr werdet hier fragen: Fallen aber diese sonderbaren Zweifüßler nicht auch mitunter den Menschen zur Last? – O nein! Denn diese Tiere sind überaus scheu und bewohnen daher stets nur solche Punkte, Plätze und Gegenden des Landes dieses Planeten, die sonst für Menschen und auch andere Tiere nicht leicht zugänglich sind, oder, wo sie noch zugänglich sind, in einer solchen unwirtlichen Nacktheit erscheinen, daß Menschen und andere Wesen hier nicht viel zu suchen haben.

[NS.01_060,14] Somit wären wir auch mit dieser Tiergattung fertig und wollen uns daher zum Menschen dieses Planeten wenden.

 

61. Kapitel – Die Menschen des Miron. – Wohnhäuser und Dörfer daselbst.

[NS.01_061,01] Was die Menschen dieses Planeten betrifft, so sind sie nicht so groß wie die Bewohner des Planeten Saturn, aber doch wieder größer als die des Planeten Uranus, – obschon sie unter sich selbst bedeutenden Größenunterschieden unterworfen sind. So gibt es nicht selten Menschen, die eine Höhe von vierzig Klaftern, und wieder Menschen, die oft kaum eine Höhe von etwas über zwanzig Klaftern erreichen. In dieser Hinsicht gleicht denn dieser Planet beinahe eurer Erde, allda es auch für das Verhältnis menschlicher Leibesgrößen sehr verschiedene Varianten gibt. Dies ist auf unserem Planeten Miron auch der Fall mit dem weiblichen Geschlecht.

[NS.01_061,02] Was hernach die körperliche Form beider Geschlechter betrifft, so ist sie gewöhnlich von sehr schöner Art, obschon es auch hier bedeutende Abweichungen gibt. Um uns also von der Gestalt der Menschen dieses Planeten in aller Kürze einen möglichst vollkommenen Begriff machen zu können, wollen wir uns an die Mittelklasse in jeder Hinsicht halten; denn von diesem Standpunkt werden sich dann ohnehin leicht alle möglichen Nebenlinien erkennen lassen. Und so wollen wir fürs erste den Mann von dreißig Klaftern Höhe und das Weib von etwa achtundzwanzig Klaftern in Augenschein nehmen.

[NS.01_061,03] Wie sieht denn der Mann aus? – Der Mann hat ein ziemlich ernstes, aber durchaus nicht abstoßendes Aussehen. Seine Gliedmaßen sind vollkommen männlich nach der Art eines vollkommenen Mannes bei euch. Sein Haupt ist mit langen, zumeist ringelartig gelockten Haaren versehen, welche von dunkelgrüner Farbe sind. Die Hautfarbe des Mannes ist weiß, hier und da nur ein wenig ins Lichtgrüne übergehend. Die Lippen sind zwar rot, schillern aber auch etwas ins Grüne. So sind auch die Augen niemals blau oder grau, sondern variieren in der grünen Farbe. Der reichliche Kinnbart des Mannes ist ebenfalls grün; nur ein wenig blasser als die Kopfhaare. Auch die Nägel an den Fingern sehen so aus, wie ein recht starkes grünes Glas; während die Finger gewöhnlich vollkommen weiß sind, wenn sie reinlich gehalten werden, was in diesem Planeten übrigens zuallermeist der Fall ist. – Die Zähne im Munde sind also bläulich wie Perlmutter bei euch und schillern ganz sanft in verschiedenen Färbungen. – Die Stimme des Mannes ist sehr wohlklingend, aber gewöhnlich sehr tief, so daß ein gewöhnlicher Redeton sich beständig in der tiefsten Region eurer Kontratöne bewegen dürfte, und das in einer für eure Ohren so sonoren Stärke, daß ihr ihn in einer Entfernung von zwei bis drei Meilen noch gar wohl einem Donner ähnlich vernehmen würdet. – Obschon aber auch das Weib ziemlich tief spricht, ist dennoch ihre Stimme angenehmer und gewisserart biegsamer als die des Mannes. Sie ist daher besonders für das männliche Geschlecht dieses Planeten überaus anziehend; um so mehr, weil dieser Planet gewisserart die eigentliche Heimat der Tonkunst ist. Man pflegt nämlich hier diese Kunst nicht nur mittels der verschiedenartigen und beugsamen Menschenstimmen, worunter sich freilich wohl die weiblichen am meisten auszeichnen, sondern auch durch mannigfaltige musikalische Instrumente.

[NS.01_061,04] Also hätten wir gesehen, wie der Mann aussieht, und zwar in seinem nackten Zustande; und so wollen wir auch das Weib unbekleidet betrachten. – Es dürfte vielleicht einer oder der andere fragen, warum denn nicht auch die Kleidung zugleich mit der dargestellten Gestalt? – Der Grund liegt darin: Weil hier die Kleidung fast so verschiedenartig ist wie bei euch, so läßt sich hier nicht wie auf einem andern Planeten darüber eine feste Form aufstellen. – Denn auch hier tragen die Männer (nach Verschiedenheit des Landes und ihrer Sitten) verschiedene Röcke, Mäntel, Beinkleider, Schuhe und Hüte, – und ebenso auch das Weib. Wollt ihr demnach einen bekleideten Menschen männlichen oder weiblichen Geschlechts vor euch haben, so müßt ihr ihn schon selbst anziehen, welches euch eben nicht gar zu schwer werden dürfte. Ihr dürft zu dem Zweck nur die besseren europäischen und asiatischen Nationaltrachten, freilich wohl im vergrößerten Maßstabe, auf die Bewohner dieses Planeten übertragen, so habt ihr sie denn auch bekleidet vor euch! – Und da wir solches wissen, so können wir füglichermaßen ohne Bedenken uns einem nackten Weibe nahen und dasselbe beschauen nach seiner Art.

[NS.01_061,05] Das Weib ist gewöhnlich von ungemein schöner Art, ja manchmal von wunderbarer Schönheit. In seiner Erscheinung spricht sich eine wunderbare Süße und Anmut aus; Rundung, Weichheit und Zartheit sind die beinahe niemals mangelnden Auszeichnungen des weiblichen Körperbaues. – Die Haut ist ungemein zart und von blendend weißer Farbe, etwa wie frisch gefallener Schnee auf einer Alpe bei euch, nur die Wangen gehen zumeist ins sanft Grünrötliche über. – Die Haare sind schwarzgrün und schillern bei Lichte wie eine Pfauenfeder bei euch; so sind auch die Dunstlocken unter den Armen ausgezeichnet und schillern wie Diamanten; und ebenso sind auch die Schamlocken. – Die Nägel an den Fingern sind äußerst lebhaft grün und glänzen wie fein poliertes Glas, welches sich auf den überaus weißen und runden Fingern bei den Weibern dieses Planeten überaus gut ausnimmt.

[NS.01_061,06] Das Antlitz dieser Weiber hat zumeist diejenige Form, die ihr nach euren Grundsätzen zu den schönsten rechnet. Eine glatte, hohe Stirne, ziemlich starke Augenbrauen, große und sehr lebhafte Augen, deren Pupille ein feuervolles Grün mit manchmal rot durchbrechenden Strahlen spielt. Die Nase ist gerade und allenthalben sanft abgerundet. Also ist auch der Mund im rechten Verhältnisse zu allen übrigen Teilen. – Das Kinn ist weder zu spitz noch zu breit, sondern es hat mehr eine vollkommen eiförmige Gestalt, in der Mitte mit einer mäßigen Einbiegung versehen.

[NS.01_061,07] Der Hals ist mittelmäßig lang und rund; der Nacken vollkommen, daß da nirgends irgendein Knochenausdruck zu bemerken ist. – Die Brust ist überaus voll. Und unter der Brust wird das Weib bis an die Hüfte schlank; dann aber wird es wieder sehr zunehmend und ist in der Gegend der Schenkelgelenke so breit wie ihre Schultern, das heißt von einer Schulterlinie über den Rücken zur andern. – Daß auch die Füße in der Ordnung sind, braucht kaum erwähnt zu werden.

[NS.01_061,08] Nun möget ihr das Weib noch nach eurem Belieben bekleiden, so könnt ihr euch dann schon einen Begriff machen, wie da ein so recht wohlgestaltetes Frauenzimmer aussieht. Nur müßt ihr sie nicht etwa zu einer Pariser Putzdocke machen, sondern, wie gesagt, nach irgendeiner Nationaltracht der Landvölker müßt ihr sie kostümieren.

[NS.01_061,09] Nun hätten wir den Menschen vor uns. Dieser Mensch aber hat noch keine Wohnung. Somit wird es vor allem notwendig sein, ihm auch eine Wohnung zu geben. Denn die Menschen dieses Planeten wohnen so gut wie ihr in Häusern. Also ist es nur notwendig, zu wissen, wie die Häuser aussehen; ob sie einzeln oder vergesellschaftet, wie etwa die Dörfer bei euch, beisammenstehen; und wir haben dann unsere schönen und großen Menschen dieses Planeten schon mit Wohnung versorgt.

[NS.01_061,10] Wie sehen denn die Häuser aus? – Die Häuser sehen hier beinahe so aus wie bei euch; nur haben sie nie mehrere Stockwerke, sondern allein das Erdgeschoß, und sind der Wand nach nie höher als höchstens anderthalbmal so hoch, als wie da der Mann groß ist. Die Dächer sehen ebenfalls so aus wie die Dächer eurer Landwohnhäuser; nur sind sie etwas zugespitzter als bei euch, etwa so wie die Dächer gotischer Bethäuser.

[NS.01_061,11] Ein Haus hat nie mehr als drei Zimmer; eines zur Wohnung fürs männliche Geschlecht und eines zur Wohnung fürs weibliche Geschlecht und eines, welches gewöhnlich das mittlere ist, zum allgemeinen gegenseitigen Verkehr. – Wie groß sind denn solche Zimmer? – Im Verhältnis zu den Menschen dieses Planeten nicht zu groß und nicht zu klein. So groß aber ist jedes, daß es eine Gesellschaft von hundert Menschen leicht fassen kann.

[NS.01_061,12] Aus welchem Material sind denn die Häuser gebaut? – Durchgehends aus behauenen Steinen. – Die Fenster der Zimmer sind hoch, aber nicht zu breit, und sind ebenfalls mit einem elastischen Naturglas, von der Art wie etwa euer Frauenglas, versehen, welches ebenfalls in Rahmen, gewöhnlich aus Metall, eingefaßt ist. Die Farbe dieses Glases ist verschieden, je nachdem es die freie Werkstätte der Natur liefert. Die Bewohner haben zwar auch ein künstliches Glas; dieses aber verwenden sie zu ganz anderen Zwecken; wovon noch später die Rede sein wird.

[NS.01_061,13] Neben den Wohnhäusern sind auch wirtschaftliche Gebäude, sowohl zur Wohnung für ihre Haustiere wie auch noch für allerlei andere hauswirtschaftliche Zwecke, aufgeführt. – Dann sind vor den eigentlichen Wohnhäusern auch noch Kinderhäuser von nicht mehr als einem Zimmer erbaut. Diese Häuser sind so hoch wie das Wohnhaus, nur sind sie natürlicherweise dem Umfange nach kleiner.

[NS.01_061,14] Es braucht nur noch hinzuerwähnt zu werden, daß die Menschen hier zumeist in Dörfern beisammen wohnen, so haben wir sie schon gehörig untergebracht und wollen nächstens ihre weiteren Verhältnisse verfolgen.

 

62. Kapitel – Eigentumsverhältnisse auf dem Miron. – Gemein- und Sondereigentum.

[NS.01_062,01] Wenn wir unsere Mironbewohner unter das Dach gebracht haben, so wird es zu dieser Unterbringung doch sicher notwendig sein, ihnen auch Grund und Boden hinzuzufügen; denn ohne den wird es sich hier, ebenso wie allenthalben, ein wenig schwer leben lassen. Es fragt sich demnach: Wie ist denn das Grundwesen bestellt? Hat ein Dorf gemeinschaftliche Gründe, oder hat jeder Hausbewohner seinen eigenen, ausgemessenen Grund, auf welchem er die notwendigen Nährfrüchte für sein Haus gewinnt?

[NS.01_062,02] Es ist hier, ganz genau genommen, weder das eine noch das andere der Fall; sondern beide Fälle sind hier auf eine für euch sicher merkwürdige Weise vereinigt. – Wie aber solches? Das wird gleich die Folge zeigen! – Fürs erste hat ein jedes Dorf einen vollkommen gemeinschaftlichen Grund, welcher im Verhältnis zu den Bewohnern und ihren Bedürfnissen groß genug ist, um alle in überhinreichender Fülle mit Nährfrüchten aller Art zu versehen; und niemand kann sagen: Das ist mein Grund und Boden! Aber ein jeder kann vom ganzen Grunde die Früchte ernten, und so kann doch wieder ein jeder sagen, und das zwar auf jeder Stelle des gemeinschaftlichen Grundes: Das ist unser Grund!

[NS.01_062,03] Solches wäre richtig. Aber es steckt jetzt im Hintergrunde die Frage: Wenn somit das ganze Dorf einen Grund gemeinschaftlich besitzt, wie verhält sich dann zu diesem Allgemeinbesitz ein sonderheitliches Besitztum? – Ich sage euch: Nichts leichter als das! Das sonderheitliche Besitztum erstreckt sich nur auf solche Flächen, die ein oder der andere Bewohner für eine gewisse Zeiternte mit eigener Hand für die Hervorbringung von Kleinfrüchten bearbeitet hat. Ist dann ein Fleck von einem Hause eines Dorfes eigens bearbeitet, so muß er mit dem des Hauses eigenen Zeichen abgesteckt werden. Von der Zeit dieser Absteckung bis zur Zeit der Ernte ist dann ein solcher Grundfleck dem Bearbeiter von keiner Seite her bestreitbar eigen. Nach der Erntezeit aber fällt er wieder der Allgemeinheit anheim und kann sogleich ohne alle Widerrede des vorigen Besitzers von einem andern Hause besteckt werden.

[NS.01_062,04] Was aber die Großfrüchte betrifft, deren Produzenten natürlicherweise die euch schon bekannten Bäume sind (welche nicht der Metamorphose unterliegen), so sind diese samt und sämtlich ein Gemeingut des ganzen Dorfes. Wenn da ein Baum beerntet wird, so wird die Ernte von allen Dorfbewohnern zu gleichen Teilen in Beschlag genommen.

[NS.01_062,05] Was aber die sogenannten metamorphosischen Früchte betrifft, wie etwa die Kleinpflanze und das Kleingesträuch, welches eine Zeitlang als solches dasteht, dann wieder vergeht und sich in einer tierischen Art reproduziert, so ist hier das Recht der Eigennehmung dem ersten, der so etwas antrifft, eingeräumt; nur hat ein solcher Erntenehmer den ganzen Gewinn der ganzen Dorfgemeinde anzuzeigen. Und wenn sich ein oder das andere Haus äußert, als möchte es auch einen Teil daran haben, so ergeht nach den dort üblichen Humanitätsgesetzen eine freundliche Bestimmung, wie viel zum Verhältnis der ganzen Ernte ein oder das andere Haus wünscht. Ist eine solche Bestimmung ergangen, so wird ihr von dem Haupterntenehmer auch alsogleich gewillfahrt.

[NS.01_062,06] Derselbe Fall ist es auch mit dem euch schon bekannten fliegenden Brot. Wer es fängt, ist der Hauptbesitzer davon und teilt es ebenfalls, nach den freundschaftlichen Bestimmungen von seiten der anderen Häuser, eben an diese anderen Häuser aus. Doch müssen die Bestimmungen also bestellt sein, daß sie nicht über die Hälfte einer solchen zufälligen Ernte ansprechen; denn diese muß dem Haupterntenehmer zu eigen verbleiben.

[NS.01_062,07] Was aber da die Haustiere betrifft, so gehören diese wieder zum allgemeinen Besitztum. Aber dennoch, was ihre Produkte, wie Milch und Wolle betrifft, so sind diese nicht genau teilbar. Denn allda tritt das Recht des „primo occupanti“ ein. Jedoch mit der Bedingung, daß ein Nachbar nicht das Recht hat, sein Besitzrecht auf die Milch auszudehnen, welche eine Kuh vor dem Hause eines andern gelassen hat. – Vielmehr kommt hier das Recht des „primo occupanti“ dem Hause zu, allda die Kuh ihre Milch gelassen hat, und nicht demjenigen Nachbarn, welcher allenfalls zuerst seine Hand auf den Milchtrog gelegt hätte.

[NS.01_062,08] Ferner aber gehören dennoch wieder alle mineralischen Produkte vollkommen zu gleichen Teilen allen Dorfbewohnern zu; und es müssen daher auch von allen Häusern eine gleiche Anzahl Arbeiter dazu beschickt sein. – Wie mit den mineralischen Produkten verhält es sich aber auch mit den Jagdgewinnen; auch diese werden als eine allen Bewohnern gleichteilig zugute kommende Beute betrachtet.

[NS.01_062,09] Erzeugnisse aber, welche der häuslichen Kunst angehören, sind jedem Hause vollkommen eigentümlich und können nur entweder durch Tausch oder Freundschaft an ein anderes Haus übertragen werden. Dazu gehören vorzugsweise verschiedene musikalische Instrumente und wohl auch andere mechanische Produkte, welche hier sehr häufig verfertigt werden, und das von gewöhnlich vielfach nützlicher Art. Worin aber diese, wie auch die musikalischen Instrumente, bestehen, wird am gehörigen Platze schon näher bestimmt werden.

[NS.01_062,10] Da diese Menschen, wie euch schon bekanntgegeben wurde, sich nahe also kleiden wie ihr, so könnt ihr wohl auch voraussetzen, daß sie zur Erzeugung ihrer Kleidungsstoffe aus aller Art tierischer Wolle auch allerlei Weber haben müssen. Diese Weber sind nicht in allen Häusern; sondern für diese ist gewöhnlich in der Mitte des Dorfes ein eigenes, großes Fabrikhaus erbaut. – Wenn die Wolle in den Häusern in Fäden gesponnen ist, so wird sie mit dem Zeichen des Hauses in das große Fabrikhaus gebracht. Allda wird sie dann bald zum verlangten Zeug gewebt und von dem Hause, welches sie hingeschafft hat, wieder als Kleidungsstoff in Besitz genommen.

[NS.01_062,11] Es dürfte hier einer fragen: Was haben denn da die Weber für einen Lohn dafür? – Einen allgemeinen und keinen sonderheitlichen. – Ein solches Fabrikhaus wird fürs erste von der ganzen Dorfgesellschaft erbaut. Die Weber haben dann für nichts zu sorgen, sondern ein jedes Haus gibt alljährlich einen bestimmten Teil seiner ganzen Ernte an dieses Fabrikhaus ab. Dafür aber haben dann diese Weber die Verpflichtung, jedem Hause die verlangte Arbeit zu liefern, und das ohne sonderheitliches Entgelt.

[NS.01_062,12] Derselbe Fall gilt auch für die Kleidungsverfertiger. Denn hier gibt es auch im Ernste Schneider und Schuster, welche aber ebenfalls ohne sonderheitlichen Lohn arbeiten müssen, da sie auch, so wie das Weberfabrikhaus, von der ganzen Gemeinde versorgt werden.

[NS.01_062,13] Nun wüßten wir beinahe schon alle häuslichen Verhältnisse, und wie rechtlich diese Dorfgemeinden miteinander leben. – Es fragt sich demnach nur noch, ob hier ein Vorsteher ist oder keiner?

[NS.01_062,14] Im Grunde ist hier kein Vorstand; sondern alles beruht auf dem gegenseitigen Übereinkommen. Dessenungeachtet werden aber dennoch die Ältesten des Dorfes, welche auch zugleich Priester und Lehrer sind, in wichtigen Fällen als Ratgeber betrachtet; und wenn sie zusammen etwas beschlossen haben, so wird ein solcher Beschluß von der ganzen Gemeinde unwiderruflich angenommen.

[NS.01_062,15] Gibt es hier keine Kaiser und Könige? – O nein! Ein jedes Dorf in seiner Allgemeinheit ist sein eigener Herr in allem. – Aus diesem Grunde gibt es hier denn auch keine Steuern und keine Kriege. – Zudem sind auch die Dörfer gewöhnlich in solchen Entfernungen voneinander angelegt, daß darob ein jedes Dorf zu seinem Unterhalt ein gehörig großes Landtum besitzt, welches nicht selten größer ist als euer ganzes Kaisertum Österreich.

[NS.01_062,16] Und so denn wüßten wir, bis auf die kleinhäuslichen Verhältnisse, alles, was die Bewohner dieses Planeten betrifft. – Die kleinhäuslichen Verhältnisse, wie auch die mit den nachbarlichen Dörfern, wollen wir nächstens in Augenschein nehmen. – Und somit gut für heute!

 

63. Kapitel – Häusliche Verhältnisse, gute gesellschaftliche Lebensregeln, Musik und Musikinstrumente auf dem Miron.

[NS.01_063,01] Was wird denn unter den kleinhäuslichen Verhältnissen verstanden? – Nichts anderes als allein nur diejenigen Regeln, welche in bürgerlicher Hinsicht von jedem einzelnen Hause an und für sich zu beachten sind. – Zu solchen Regeln gehören demnach alle Freundschaftsverhältnisse und die von ihnen abgeleiteten gegenseitigen Tunlichkeiten, wodurch die Familie eines Hauses sich gegenseitig beliebetätigt und zu erkennen gibt, daß die Glieder in einem Hause sich allernächst verwandt sind.

[NS.01_063,02] Die erste Regel heißt demnach: Achtung auf Achtung, Liebe auf Liebe und Freundschaft auf Freundschaft! – Dieser ersten Regel folgt eine zweite, und diese lautet: Auge auf Auge, Hand auf Hand und Herz auf Herz! – Eine dritte Regel lautet: Tritt für Tritt, Ohr für Ohr und Gang für Gang! – Nach diesen angegebenen Regeln richtet sich alles in einem Hause.

[NS.01_063,03] Das Elternpaar ist das Oberhaupt der Familie, der Vater für den männlichen und die Mutter für den weiblichen Teil. Da aber Vater und Mutter hier wahrhaft einen Leib ausmachen, so vereinigen sich diese beiden obersten Pole zu einem Wirkungspunkte. Was demnach der Vater will, das will auch die Mutter. Und so ist im ganzen Hause, sowohl männlicher- als weiblicherseits, eine und dieselbe Verfassung.

[NS.01_063,04] Darum ist die Regel: „Achtung auf Achtung“ im ganzen Hause allgemein. Es achtet der Hausvater sein Weib und dieses den Hausvater, und beide werden dadurch eins, weil nur aus solcher Achtung die wahre, reine Liebe hervorgehen kann. – Also achten demnach auch die Brüder ihre Schwestern und die Schwestern ihre Brüder, und also in aufsteigender Linie alle Kinder ihre Eltern, wie auch wieder umgekehrt die Eltern ihre Kinder. Und der jüngere Bruder achtet den älteren und der ältere den jüngeren. Und also ist es auch der Fall bei den Schwestern, und also auch gegenseitig von einer älteren Schwester zu einem jüngeren Bruder und von einem älteren Bruder zur jüngeren Schwester.

[NS.01_063,05] Dadurch ist dann alles auf der Grundfeste der gegenseitigen Achtung durch das Band gegenseitiger Liebe verbunden, welche sich in der gegenseitigen, überaus süßen Freundlichkeit ausspricht. – Dadurch aber sind ja auch alle anderen Regeln schon erfüllt. Denn Aug' auf Aug' heißt doch unter solchen liebefreundlichen Verhältnissen sicher: zusammensehen, einstimmigen Herzens sein und mit Händen einander unterstützen, und ferner auch gerne einander die Füße leihen, gerne einander anhören und gerne dahin gehen, wohin einer oder der andere geht.

[NS.01_063,06] Manchmal wohnen in einem Hause nicht nur eine, sondern oft drei, vier bis fünf Familien, so daß es gewisserart fünf Paare Eltern gibt, die alle mit mehr oder weniger Kindern bereichert sind. Aber alle diese Familien in einem Hause stehen also zusammen, daß da von irgendeinem Zanke wohl nie die Rede ist; im Gegenteil, je mehr Familien oft in einem Hause beisammen wohnen, desto inniger und somit auch gesegneter, geht es da zu. Diese Menschen sind wahrhaft so verliebt ineinander, daß sie sich eher alles antun ließen, bis da einer imstande wäre, einem Gliede der Familie über die Schranken der Achtung nur im geringsten zu nahe zu treten; sondern ein jedes, – selbst schon von den kleinsten Kindern angefangen, die da ihr Kinderhaus verlassen haben, – wird solche gegenseitige Achtung mit der größtmöglichsten Zartheit beachten.

[NS.01_063,07] Aus diesem Grunde lieben diese Menschen auch die Musik so sehr, weil sie ihrem innern Charakter, unter allen Künsten und Wissenschaften die sie besitzen, am meisten entspricht; und die Musik gehört denn auch zu einer häuslichen Hauptbeschäftigung.

[NS.01_063,08] Damit wir uns aber von diesen tonkünstlerischen Menschen einen näheren Begriff machen können, wollen wir zuerst ihre musikalischen Instrumente ein wenig durchmustern und sodann erst einer kleinen musikalischen Produktion unsere Ohren leihen.

[NS.01_063,09] Was die musikalischen Instrumente betrifft, so haben sie durchaus keine Ähnlichkeit mit den euren; daher auch die Musik dort ganz anders klingt als bei euch. – Blasinstrumente wie auch Saiteninstrumente sind hier nirgends anzutreffen. Aber statt der Saiten- eine Art Glockeninstrumente, dann Scheibeninstrumente und auch Kugelinstrumente sind hier zu Hause.

[NS.01_063,10] Was das Glockeninstrument betrifft, so wird dieses aus einer Art sehr wohlklingenden Metalls also angefertigt: Es werden mehrere Glocken in der Art von Halbkugeln gegossen; diese Glocken werden dann von groß bis zu klein auf einer Spindel befestigt; nachdem sie zuvor gehörig poliert und nach eurer chromatischen Tonleiter reinst gestimmt worden sind. Auf einer Spindel stecken bei einem vollkommenen Instrument allzeit für drei Oktaven solche Glocken, nach der Stimmung ungefähr von eurem D in der Kontraoktave anfangend und von da drei Oktaven aufwärts steigend. – Die Töne werden auf doppelte Weise den einzelnen Glocken dieses Instruments entlockt, entweder durch das Anschlagen mit einem etwas weichen Hammer oder durch das Reiben mittels der Finger, welche zuvor in ein wenig gesalzenes Wasser gehalten werden. Dieses Instrument wird gewöhnlich von den Männern gespielt und ist kein Soloinstrument, sondern ein harmonisches Begleitungsinstrument zum Gesange der Weiber.

[NS.01_063,11] Nach diesem Instrument kommt das Scheibeninstrument. Dieses ist aus dem schon einmal erwähnten Glase verfertigt. Die Scheiben stecken ebenfalls auf einer Spindel, welche so wie die frühere gedreht wird, und der Ton wird durch das Reiben mit beharzten Fingern hervorgebracht. Dieser Ton ist überaus durchdringend, und das Instrument ist gerade allenthalben um eine Oktave höher gestimmt als das frühere und wird somit nur zur Verstärkung der Harmonie des schon bekannten Glockeninstruments gebraucht.

[NS.01_063,12] Das vorzüglichste und zugleich Soloinstrument ist dasjenige, was wir schon früher mit dem Namen Kugelinstrument bezeichnet haben. Da aber dieses Instrument einer ziemlichen Mechanik unterworfen ist, so wollen wir davon bei der nächsten Gelegenheit ausführlich sprechen, wie auch über die Art und Weise, wie dieses Instrument von den Musikern sehr geschickt gehandhabt wird. – Und somit gut für heute.

 

64. Kapitel – Kugelinstrument, Tonkunst und Tonschrift, Optik, Mechanik und Schreibkunst auf dem Miron.

[NS.01_064,01] Das Kugelinstrument ist zusammengesetzt aus lauter gewundenen Röhren, die nach außen hin mehr abgeflacht sind; nur gegen innen zu haben sie eine vollkommen runde Gestalt. – Die Kugel hat in ihrer weitesten Ausbauchung drei Klafter im Durchmesser; unter dieser weitesten Bauchung der Kugel sind auch die dicksten Röhren gewunden. Gegen die Pole der Kugel aber, welche trichterförmig offen sind, sind nach abstufender Ordnung auch stets kleinere Röhren angebracht.

[NS.01_064,02] Diese Kugel ruht auf einem offenen Dreifuß, unter welchem ein starkes Windgebläse angebracht ist, aus welchem Gebläse durch die Füße unseres Dreifußgestells der Wind in die Kugel geleitet wird. Neben den schon erwähnten Haupttonröhren laufen noch kleinere Windröhren, deren Mündungen über den Löchern angebracht sind, welche von den Haupttonröhren aus der Kugel etwas erhaben hervorbrechen. Da, wo der Wind in die verschiedenen Röhren verteilt wird, ist allenthalben eine Ventilklappe angebracht, welche durch einen eigenen Mechanismus geöffnet oder wieder geschlossen werden kann. Wird die Klappe geöffnet, so wird dadurch der Wind durch die Mündung an das tonbildende Loch des Tonrohres gebracht; im Gegenteil aber dann abgeschlossen, und der Ton hat mit dem Abschlusse natürlicherweise auch ein Ende, ungefähr also wie bei euren Orgeln.

[NS.01_064,03] So wüßten wir demnach, wie dieses Instrument beschaffen ist. Es fragt sich jetzt nur: Wie wird dieses Instrument denn gespielt? – Dieses Instrument wird, ungefähr so wie eure Orgeln, mittels einer Art Tastatur gespielt; nur hat die Tastatur eine andere Gestalt, und die halben Töne sind anders eingeteilt als auf euren Klavieren. Denn die Skala, die ihr die diatonische nennt, ist hier keine Grundskala; sondern ihre Grundskala besteht aus lauter ganzen Tönen, zwischen welchen überall ein halber Ton sitzt. – So ist demnach auch die Tastatur. Diese besteht eigentlich aus zwei Reihen länglicher, ungefähr einen Schuh breiter Halbkugeln. Diese Tastatur wird die untere genannt. Zwischen einer jeden solchen untern Taste, etwas höher und auch etwas kürzer, ist ebenfalls eine, aber nur einen halben Schuh breite, längliche Halbkugel angebracht. – Ihr werdet hier sagen: Wären denn flache Tasten nicht besser als solche abgerundete? – Für eure Finger mögen flache Tasten wohl dienlicher sein als abgerundete; aber für die starken Finger unserer Mironbewohner sind wieder diese Tasten besser. Denn hätten sie flache Tasten, so müßten diese wenigstens noch einmal so breit sein, damit sie einzeln könnten abgedrückt werden, – da ein Finger eines Mironbewohners vorn nicht selten bei zwei Schuh im Durchmesser hat. Durch die Erhabenheit der Taste aber kann der Spieler jede einzelne Taste, welche einen sehr geringen Fall hat, gar leicht und unbeschadet der zwei Nebentasten eindrücken. Nun seht ihr schon den Vorteil dieser Tastaturform für unsere Bewohner.

[NS.01_064,04] Jetzt wäre uns das ganze Instrument bekannt. – Es fragt sich nur, was für einen Ton es denn eigentlich hat? – Der Ton dieses Instruments gleicht zumeist einem Flötentone bei euch; nur ist er ums Unvergleichliche stärker, kann aber durch eine eigene Vorrichtung, durch welche die Polarschalltrichter dieses Instruments entweder mehr geöffnet oder gedeckt werden, vom Fortissimo bis ins Pianissimo übergehen.

[NS.01_064,05] Auf diesem Instrument sind unsere Mironbewohner hin und wieder wirklich große Künstler. Manche besitzen eine solche Fertigkeit in der Behandlung dieses Instruments, daß sich die größten Künstler bei euch hoch verwundern würden, dort einen solchen Kugelspieler zu hören. Dieses Instrument fehlt daher auch in keinem Hause und ist so allgemein beliebt, daß ein Mensch, der wenigstens nicht etwas auf demselben hervorzubringen vermag, für sehr einfältig gehalten wird, welcher Fall jedoch nur äußerst selten vorkommt.

[NS.01_064,06] Ihr möchtet wohl auch wissen, was für Musikstücke diese Musiker spielen, und ob sie etwa auch Tondichtungen haben so wie ihr? – Ihr könnt es glauben, an dergleichen Produkten ist auch hier durchaus kein Mangel. Denn fast in einem jeden Hause ist sicher auch ein Komponist daheim, der mittels farbiger Zeichen zwischen drei gezogenen Linien, durch welche die drei Oktaven bedeutet werden, seine Ideen entweder auf Metallplatten oder auch auf Steintafeln, manchmal wohl auch auf dünne, glatt gehobelte Holztafeln niederschreibt.

[NS.01_064,07] Diese Tonzeichen sind viel einfacher als die eurigen. Denn durch sechs Farben bezeichnet er die sechs ganzen Töne, und zwar durch runde Punkte wie bei euch. – Die halben Töne aber werden durch gleich große Nullen von derjenigen Farbe gemacht, aus welcher der vorliegende Grundton besteht. Dadurch kann er auf einer Linie die ganze Skala von einer Oktave schreiben. – Will er nun einen Akkord setzen, so setzt er diese Punkte von verschiedener Farbe, so wie ihr, übereinander; aber so, daß sie nicht die zweite Linie beirren, aus welchem Grunde auch die drei Linien allzeit in gehöriger Distanz voneinander gezogen sind.

[NS.01_064,08] Ihr werdet hier sagen: Solches wäre ganz gut und richtig; wie aber bringt er da die rhythmische Einteilung heraus? – Auf die leichteste Weise! – Er zieht die nacheinander in gleichem Zeitmaße zu spielenden Tonzeichen mittels einer Linie zusammen, unter diese Linie setzt er dann entweder eine Zahl oder drückt diese Zahl auch durch Punkte aus. Soll eine Note länger ausgehalten werden, so steht sie für sich allein da; und durch ein bestimmtes, unter der Note angebrachtes Zeichen wird angedeutet, wie lange sie auszuhalten ist. Und zu Anfang eines jeden Tonstücks wird, ebenso wie bei euch, ein bestimmtes Zeitmaßzeichen gesetzt, nach welchem sich die fernere Einteilung eines Tonstücks rhythmisch zu richten hat; und der Rhythmus wird, ebenso wie bei euch, durch kleine Querlinien bezeichnet.

[NS.01_064,09] Das ist aber auch das Wesentlichste über die Art und Weise, wie unsere Mirontondichter ihre Ideen aufzuzeichnen pflegen. – Da sich ihre Instrumente allzeit nur innerhalb dreier Oktaven bewegen, so langen sie mit diesen drei Linien auch vollkommen aus und haben somit auch nur einen einzigen Schlüssel. Geht auch zum Beispiel das Scheibeninstrument um eine Oktave höher, so hat dieses mit der Sache keine Not; denn das Ganze liegt dann nur am Instrument, welches dieselben Tonzeichen in seiner Lage geradeso spielt, wie das um eine Oktave tiefer liegende. – Was aber hier für die Instrumente gilt, dasselbe gilt um so mehr noch für die Sänger, welche nur gar selten mit ihren Kehlen den Umfang ihrer Instrumente erreichen.

[NS.01_064,10] Ein ganzes, volles Orchester besteht außer den Sängern demnach nur aus drei Personen und – bei dem Kugelinstrument –, einem Blasewerkrührer. Diese drei Menschen bringen aber mit Hilfe des einzigen Blasewerkrührers einen solchen Toneffekt hervor, daß ihr bei einer solchen Produktion in einer dreistündigen Entfernung noch vollauf zu hören hättet. Denn fürs erste haben diese Instrumente, zufolge der sehr intensiven und elastischen Luft dieses Weltkörpers, einen außerordentlich starken Ton, und fürs zweite sind die Sänger hier auch überaus gut bei Stimme; denn ein recht forcierter Ton eines solchen Mironsängers dürfte bei euch auf der Erde mit seiner Kraft wohl eine ziemlich lebhafte Kanonade unvernehmbar machen.

[NS.01_064,11] Für eure Ohren wäre ein solches Konzert in der Nähe wohl ein wenig zu stark; aber in einer gehörigen Entfernung würde euch dasselbe sicher nicht wenig entzücken. Denn ihre Tondichtungen sind von sehr erhabener Art, bewegen sich sehr selten in den Dur-Tonarten, sondern meist in den Moll-Tonarten, welche bei ihnen halbe Tonarten genannt werden.

[NS.01_064,12] Sie haben in ihrer Musiktheorie drei Tonarten: eine ganz harte, welche der Grund der übrigen ist; dann eine ganze Tonart, welche ähnlich ist eurer Dur-Tonart; und dann haben sie eine halbe Tonart, welche eurer Moll-Tonart entspricht. Diese nennen sie die allein genießbare Frucht ihres Tonbaumes; die ganze Tonart ist bei ihnen der ungenießbare Stamm des Baumes; und die harte Tonart ist die Wurzel dieses Baumes, welche, so wie der Stamm, als ungenießbar erklärt wird. – Und so denn hätten wir auch das Wesen der Tonkunst der Bewohner dieses Planeten kennengelernt.

[NS.01_064,13] Es bleibt uns demnach nur noch zu erwähnen übrig, daß die Menschen dieses Planeten auch im Fache der Optik dasselbe leisten wie im Fache der Akustik. – Und ihr könnt schon aus diesem Umstand gar leicht entnehmen, daß sie auch im Fache der Rechenkunst und Astronomie bewandert sind.

[NS.01_064,14] Daß sie zur Erzeugung von dergleichen Instrumenten auch im Fache der Mechanik bewandert sein müssen, braucht kaum erwähnt zu werden. Ihr würdet euch verwundern, so ihr hier sogar die allerzweckmäßigsten Zeitmesser mechanischer Art fast allenthalben antreffen würdet, welche viel sicherer und genauer als eure besten Uhren die Zeit messen und die kleinsten Teile derselben genau bestimmen. Solche Techniker sind in einem jeden Dorfe gleich den Professionisten zu Hause und haben dazu auch eigene Werkstätten nebst den Wohnhäusern.

[NS.01_064,15] So besitzen die Menschen dieses Planeten auch Schriftzeichen, durch welche sie Worte niederschreiben können, und zwar auf dasselbe Material wie das, auf welches sie ihre Tonzeichen niederschreiben. – Aus diesem könnt ihr doch sicher schließen, daß die Menschen dieses Planeten in jeder Hinsicht sehr gebildet sind.

[NS.01_064,16] Was aber ihre religiöse Geistesbildung betrifft, davon wollen wir ein nächstes Mal ausführlich sprechen. – Und daher gut für heute!

 

65. Kapitel – Innerliche, tatfreudige Religion auf dem Miron. – Zeugung und Totenbestattung. – Sternkunde als Mittel der Gotteserkenntnis.

[NS.01_065,01] Bei den Bewohnern dieses Planeten gibt es durchgehends keinen zeremoniellen sogenannten Gottesdienst; und ihr ganzes Religionswesen hat nichts anderes aufzuweisen als allein die innere Erkenntnis eines Gottes.

[NS.01_065,02] Sie haben sogar keine Gebete, sondern an deren Statt die alleinige innere Bildung des Geistes, durch welche sie in alle ihre sonstige Wissenschaft und Weisheit geleitet werden. Sie sagen: Einen Gott mit Worten anbeten ist läppisch, eines unsterblichen Menschen unwürdig und einem allerhöchsten Gott unwohlgefällig. Wer aber in seinem Geiste die wahre Bestimmung seiner selbst erkannt hat und derselben zufolge lebt, der ist Gott angenehm. Und das beste Gebet und die größte Ehre, die wir Gott erweisen können, ist es, so wir der Bestimmung gemäß leben, die Er in uns gelegt hat und uns allzeit getreulich in uns selbst finden läßt. – Sehet, das ist aber auch schon das Ganze ihrer Religion, oder: nach diesem Grundsatze leben und handeln die Menschen dieses Planeten; und dieses Leben und Handeln ist der eigentliche Gottesdienst, den sie allezeit begehen.

[NS.01_065,03] Darum haben sie auch keine eigentlichen Feiertage, sondern ein jeder Tag ist bei ihnen ein solcher. Denn sie sagen: An so viel Tagen wir leben, an ebensoviel und an denselben Tagen leben wir aus Gott. Darum soll in den Tagen kein Unterschied sein, und es soll keine Stunde geben, in der wir Gottes weniger eingedenk sein sollen als in einer andern und darum auch in keiner mehr als in einer andern. Denn wie wir vom Eingange in diese Welt bis zum Ausgange aus derselben ein beständig fortwährendes Leben haben, und wie wir nicht sagen können, daß wir in einer Stunde weniger oder mehr leben, also sollen wir auch in einer oder der andern Stunde nicht mehr oder minder andächtig sein als in einer gewöhnlichen Stunde unseres Lebens. –

[NS.01_065,04] Ferner sagen sie noch, weil es hier und da auch manchmal eigentümliche Andächtler gibt: Was nütze es dem Menschen, so er zu Zeiten mit seinem Munde gewisse Gebete herlallen und wieder andere Zeiten davon ruhen möchte? Sollte denn Gott, der beständig Heilige, nur zu gewissen Zeiten von unserer menschlichen Seite einer Verehrung würdig sein und zu anderen Zeiten wieder nicht? Wie würde sich solches wohl vertragen mit einem reinen Geiste, der da erkennet, daß Gott allzeit gleich heilig ist und daher auch allzeit gleich von dem Menschen durch sein ganzes Tun und Lassen verehrt werden soll? – Was sollte unsere ohnmächtige Zunge allein, – als wäre sie der alleinige Teil des Menschen, der Gott die Ehre geben könnte? So wir aber dem ganzen Wesen nach von Ihm erschaffen sind, sollen wir darum nicht auch dem ganzen Wesen nach und allezeit Gott die Ehre geben? – Ja, solches ist recht und des Menschen allein würdig. Daher handeln wir, wie wir zu handeln in unserem Geiste die ewige Bestimmung finden. Wer also handelt, der handelt allzeit der göttlichen Ordnung gemäß. Wer aber der göttlichen Ordnung gemäß allzeit handelt, so wie er dieselbe erkennt in sich, der ist es, der mit seinem ganzen Wesen in jedem Augenblick seines Lebens Gott die gerechte Ehre gibt. –

[NS.01_065,05] Sehet, wenn ihr die Religionsgrundsätze der Bewohner dieses Planeten nur ein wenig in euch beachtet, so werdet ihr auch das verstehen, wovon Paulus spricht, indem er sagt: „Betet ohne Unterlaß!“ – Denn wer nach Meiner Ordnung lebt und darum Meine leichten Gebote hält, der ist es ja, der da betet oder Mir die Ehre gibt – ohne Unterlaß. Wer aber da meinet, er müsse Tag und Nacht mit seinen Lippen wetzen, der ist entweder ein Narr, oder er ist ein Betrüger. Denn es ist ja doch oft genug in der Schrift erwähnt, in was für einem Ansehen lange Lippengebete bei Mir stehen.

[NS.01_065,06] Wie sonach ein jeder Mensch auch auf dieser Erde leben sollte, also leben in unserm Planeten Miron die Menschen mit höchst seltener Ausnahme. – Es gibt wohl auch hier und da mannigfaltige Abirrungen. Aber die Verirrten werden sobald von den Weisen zurechtgebracht, und es ruht ein Weiser nicht leichtlich eher, als bis er einen verirrten Bruder oder eine verirrte Schwester wieder auf den rechten Weg gebracht hat. – Die Verirrungen in diesem Planeten aber sind nie von so grober Ausartung wie bei euch. Die meisten sind im Bereiche der Meinungen zu finden, welche sich aber mit viel leichterer Mühe wieder berichtigen lassen, als bei euch die großen Ausartungen auf dem Wege der blindesten Selbstsucht.

[NS.01_065,07] Wenn ihr aber schon auf dem Felde der Religion etwas Zeremonielles haben wollt, so möget ihr dazu die Zeugung des Menschen und dann endlich das Hinscheiden desselben für eine solche religiöse Zeremonie betrachten.

[NS.01_065,08] Denn die Zeugung geschieht alldort, wenn schon durch den Beischlaf, auf eine höchst erbauliche Art. Dieser Akt wird allzeit am Morgen vollzogen, und das nie im Hause, sondern in einem, auf einem benachbarten hohen Berge eigens zu diesem Behufe erbauten Tempel.

[NS.01_065,09] Ebenso werden die Leiber der Verstorbenen auf einen andern hohen Berg gebracht, allwo sie dann unter einem wieder eigens erbauten Tempel auf dem Boden der Erde, mit den Gesichtern nach aufwärts gekehrt, gelegt und da mit abgemähtem Grase bedeckt werden, wodurch sie dann auch alsbald verwesen und im Verlaufe von etwa drei Tagen so ganz zunichte werden, daß da vom ganzen, großen Leichnam nicht mehr die allerleiseste Spur anzutreffen ist. – Solches wäre demnach ebenfalls als eine Zeremonie zu betrachten.

[NS.01_065,10] Ihr Hauptgottesdienst und ihre vornehmlichste göttliche Verehrung aber besteht in der Musik und in der Astronomie. – Was die Musik betrifft, davon haben wir ohnehin schon umständlichermaßen gesprochen. Aber bezüglich der Astronomie bleibt uns noch so manches zu erwähnen übrig. Denn aus der Astronomie lernen diese Menschen Meine Allmacht und Größe und zugleich auch die überaus große Ordnung, welche darum in Mir sein muß, weil schon in der sichtbaren Welt alle die großen Werke in einer solch erstaunlichen Ordnung sich bewegen und miteinander verbunden sind.

[NS.01_065,11] Daß auf dem Felde der Astronomie vorzugsweise ihre Monde die Hauptaufmerksamkeit auf sich ziehen, läßt sich daraus leicht entnehmen, weil fürs erste die Bewohner dieses Planeten, zufolge ihrer großen Entfernung von der Sonne, von all den der Sonne näher stehenden Planeten nie etwas zu sehen bekommen, außer höchstens dann und wann den Uranus, – und weil dann ferner der ganze gestirnte Himmel außer ihren Monden nahe keine beweglichen Weltkörper aufzuweisen hat, außer höchst selten irgendeinen zaudernden Kometen, welcher aber in dieser Entfernung von der Sonne allzeit schweiflos und somit nur ganz unansehnlich erscheint.

[NS.01_065,12] Das Merkwürdigste bei ihrer Mondesastronomie und zugleich ihren Geist sehr Beschäftigende ist, daß sie im Grunde nur drei Monde und doch wieder zehn Monde haben.

[NS.01_065,13] Ihr werdet fragen: Wie ist dies wohl möglich? – Fürs erste sage Ich euch: Nichts leichter als das! – Wie aber? – Solches soll euch sogleich durch ein anschauliches Bild bekanntgegeben werden.

[NS.01_065,14] Nehmet an, was ihr auch füglichermaßen annehmen könnt, daß die Sonne ein vollkommener Planet ist. Ist aber die Sonne ein vollkommener Planet, was sind demnach die Erdkörper als da zum Beispiel der Merkur, die Venus, die Erde usw.? – Ihr werdet sagen: Das sind Monde der Sonne. – Wenn Ich euch nun frage: Wieviel solche Monde hat denn die Sonne? – Da werdet ihr sagen: Merkur 1, Venus 2, Erde 3, Mars 4, Pallas, Ceres, Juno und Vesta 8, Jupiter 9, Saturn 10, Uranus 11 und Miron 12. – Nun aber sage Ich: Wieviel Monde hat die Erde? Ihr sagt: Einen. – Wieviel hat denn der Jupiter? – Ihr sagt: Vier. – Wieviel hat deren der Saturn? – Ihr sagt: Sieben. – Wieviel hat deren der Uranus: – Ihr sagt: Fünf. – Wieviel hat deren der Miron? – Ihr sagt: Nach der ersten Zahl drei. – Das gibt somit zusammen zwanzig Monde. – Was sind denn diese Monde hernach zur Sonne? – Ihr könnt unmöglich etwas anderes sagen als: Das sind Nebenmonde. – Gut! Mehr brauche Ich nicht! – Nun begeben wir uns wieder auf unsern Miron.

[NS.01_065,15] Dieser etwas wunderbare Planet hat das Eigentümliche, daß sein erster Hauptmond ebenfalls noch zwei Nebenmonde hat, die sich um ihn bewegen und mit ihm erst gemeinschaftlich die Bahn um den Hauptplaneten machen – also wie euer Mond mit der Erde um die Sonne. – Der zweite und höher stehende Mond hat ebenfalls wieder zwei Nebenmonde und ist größer als der erste. – Der dritte Mond, als der höchste, hat sogar drei Trabanten oder Nebenmonde, wodurch er auch von den anderen zwei Monden leicht unterschieden wird, damit dann durch seinen Umschwung die euch schon bekannte Jahreszeit dieses Planeten berechnet wird. – Nun habet ihr das ganze, undurchdringliche Geheimnis gelöst vor euch!

[NS.01_065,16] Aber, wird jemand sagen: Warum war denn nicht gleich in der anfänglichen, allgemeinen Andeutung davon die Rede? – Ich aber frage euch: Warum seht denn ihr mit freiem Auge die vier Trabanten des Jupiter nicht, sondern sie müssen zufolge der starken Entfernung jedem Beobachter mit dem Jupiter selbst wie auf einem Punkt zusammengeschmolzen erscheinen, und erst ein tüchtiges Fernrohr vermag diesen fünffachen Einpunkt also zu lösen, daß ihr dann sowohl den Planeten als auch dessen Monde gehörig voneinander abgesondert erblickt. – Ihr werdet sagen: Der Grund liegt in der Ordnung unserer Augen, derzufolge wir nicht selten eine fernliegende Vielheit als eine konkrete Einheit erschauen. – Und Ich aber antworte euch auf die frühere Frage: Ebenso liegt es auch in Meiner Ordnung, euch geistig noch fernliegende Dinge, wenn sie zusammengenommen ein Ganzes ausmachen, nur als ein Ding aufzuführen und dieses eine Ding erst dann in seine Mehrheit aufzulösen, wenn wir uns im Geiste demselben also genähert haben, wie allenfalls ihr euch dem Jupiter durch die Hilfe eines guten Fernrohres genähert habt. – Sehet, das ist demnach doch auch eine Ordnung und ist vollkommen gerecht bemessen nach Meinem Plan.

[NS.01_065,17] Wenn euch Gelehrte eurer Erde sagen: Wir haben drei Nebelsterne entdeckt! –, haben diese Gelehrten richtig oder falsch gesprochen? – Ich sage euch: Richtig und falsch! – Denn richtig, weil sie wirklich nicht mehr als drei Nebelsterne entdeckt haben; falsch aber, weil ein jeder solcher Nebelstern nicht selten ein wahrhafter Trillionstern ist. Wie groß der Unterschied zwischen „drei“ und „mehreren Trillionen“ ist, brauche Ich euch nicht auseinanderzusetzen; und ihr müßt von selbst erkennen, wie irrig die Zahl drei sich gegen die Vielheit der entdeckten Sterne in diesen angegebenen drei „Nebelsternen“ verhält.

[NS.01_065,18] Ich meine aber nun: Diese angeführten Beispiele werden hinreichen, um darzutun, daß die Art und Weise, wie Ich ein oder das andere Ding nach und nach enthülle, eine sowohl naturmäßig als auch geistig vollkommen ordnungsmäßige ist.

[NS.01_065,19] Nur dürften einige fragen: Aus welchem Grunde müssen denn bei dem Planeten Miron, wie sonst bei keinem andern, dessen drei Hauptmonde noch Nebenmonde haben? – Auf diese Frage will Ich so ganz eigentlich keine Antwort geben; sondern setze dieselbe nur bedingend an. – Wer solches aus gelehrt kritischer Lust wissen möchte, der beliebe Mir zuvor aus seinem Geiste darzutun, warum zum Beispiel die Planeten Merkur, Venus und Mars und die vier kleinen Planeten gar keine Monde haben? Warum hat der bei weitem größte Planet Jupiter nur vier Monde und der kleinere Planet Saturn nebst seinem Ringe sieben? – Wer Mir dieses gründlich dartun kann, dessen Geist will Ich auch die Ursache der Nebenmonde des Planeten Miron enthüllen.

[NS.01_065,20] Unsere Sache aber ist vorderhand die Sonne und nicht eine speziellste Darstellung eines Planeten. Somit wissen wir von diesem Planeten auch hinreichend, was wir für unsern Zweck zu wissen notwendig haben, und wollen daher nicht mehr länger auf seinen Gefilden verweilen; sondern uns für ein nächstes Mal ungesäumt auf unsern siebenten Sonnengürtel zurückbegeben. – Und somit lassen wir die Sache für heute wieder gut sein!

 

66. Kapitel – Das siebente Gürtelpaar und seine riesenhaften Bewohner.

[NS.01_066,01] Der siebente und letzte bewohnbare Gürtel der Sonne ist vom sechsten Gürtel zwar durch keinen gar zu hohen Gebirgswall getrennt, aber dafür durch einen desto breiteren Wassergürtel.

[NS.01_066,02] Was aber die Berge betrifft, so sind sie hier zumeist von beständig feuerspeiender Natur. – Wie groß hier und da ihre Krater sind, ist schon einmal erwähnt worden.

[NS.01_066,03] Nach dem breiten Wassergürtel folgt ein eben nicht zu sehr gebirgiges, bewohnbares Festland. Dieses Land ist zugleich auch das allerfesteste der ganzen Sonne, sowohl südlicher- als nördlicherseits, und hat in sich, ohne die Meeresbreite gerechnet, bis zum Polargebirgsstock hin eine Breite von sechstausend Meilen, das heißt im Durchschnitt genommen.

[NS.01_066,04] Die Polargegenden der Sonne, oder vielmehr ihre Pole, sind, wie die Pole der Planeten, für alle Zeiten der Zeiten unbewohnbar. Darum sind sie auch von diesem letzten bewohnbaren Gürtel durch einen überaus steilen und hohen, blanksteinigen Gebirgskranz abgeschnitten. Die Berge sind so hoch, daß sie mit ihren Spitzen nicht selten sogar über die glänzende Sonnenluft hinausreichen, welche, im Durchschnitt genommen, bei sechshundert Meilen über dem eigentlichen Sonnenboden sich befindet. Jedoch soll diese angegebene Zahl nicht als eine normalmäßige betrachtet werden. Denn wie es schon auf eurem Erdkörper große Varianten zwischen den Lufthöhen über der Erde gibt, um so mehr werden solche Varianten auch in der Sonne vorkommen, welche in ihrem innern Wesen noch viel lebendiger ist als irgendein Planet.

[NS.01_066,05] Da wir nun den Gürtel vor uns haben, so wollen wir eben nicht zu lange mehr das tote Land betrachten, sondern uns dafür sogleich zu seinen Einwohnern wenden.

[NS.01_066,06] Was die Einwohner, das heißt die Menschen dieses Gürtels, betrifft, so unterscheiden sie sich von ihren entsprechenden Brüdern in dem Planeten Miron beinahe in nichts anderem als lediglich in ihrer, für euch im Ernste fabelhaften Größe. Denn die Menschen dieses Gürtels sind so groß, daß sie auf der Erde sicher eure Himalaja- und Chimborasso-Höhen zu Spazierstäbchen gebrauchen könnten. Ihr müßt euch freilich nicht denken, als seien hier alle Menschen vollkommen gleich groß. Denn fast in keinem Gürtel und auf keinem Planeten gibt es so viele Größenunterschiede unter den Menschen wie auf diesem. – Dessenungeachtet aber werden Menschen von etwa zwei- bis dreihundert Klaftern Höhe von den eigentlichen Bewohnern als kleinwinzige Zwerglein betrachtet. Denn was die eigentliche Größe eines vollkommenen Menschen dieses Gürtels betrifft, so ist er von der Fußsohle bis zu seinem Hauptscheitel nicht selten vier-, fünf- bis sechstausend Klafter hoch. – Doch dergleichen Riesen sind auch keine Normalmenschen in diesem Gürtel. Sondern was die Normalmenschen betrifft, so schwankt ihre Höhe zwischen acht- und zwölfhundert Klaftern.

[NS.01_066,07] Zumeist aber wohnen diese Riesen nahe an dem Polargebirgsgürtel, allda sie auch ihre hinreichende Nahrung finden. Weiter gegen die Meere dieses Gürtels zu aber werden die Menschen auch immer kleiner. Und auf den bedeutenden und häufig vorkommenden Inseln wohnen die sogenannten Zwerge, die aber dennoch größer sind als alle anderen Gürtelbewohner der Sonne. Daher müßt ihr euch auch diese Inseln in eurer Phantasie nicht gar zu klein vorstellen.

[NS.01_066,08] Wenn ihr die kleinste etwa also veranschlagt wie ganz Asien und Europa zusammengenommen, so dürfte euer Maß ziemlich richtig sein. Diese Inseln sind wohl zumeist durch Landzungen mit dem festen Lande verbunden; aber sie sind nur für unsere Zwerge passierbar. Die größeren Bewohner dieses Landes dürften über eine solche Landzunge, oder vielmehr Landenge, nicht zu leicht kommen, da sie fürs erste für ihre Füße zu eng wäre; und wäre hier und da auch das nicht der Fall, so wäre aber dennoch fürs zweite ihr Grund zu wenig fest, um eine wandelnde Last von vielen tausend Zentnern also zu tragen, daß dieselbe nicht einsinke. – Im Gegenteil aber können die Zwergmenschen gar wohl ihre Füße an das feste Land setzen und allda Bereisungen machen bis zu den großen Riesen, von welchen sie allezeit überaus zärtlich und liebfreundlich aufgenommen werden. Da kann man mit gutem Grunde sagen: Sie werden von den Großen wahrhaft auf den Händen herumgetragen.

[NS.01_066,09] Wie aber auf diesem Gürtel die Größen verschieden sind, so unterschiedlich sind auch, wie nicht leichtlich irgendwo anders – besonders auf der Sonne – die Hautfarben der Menschen. Mit Ausnahme der alleinigen rein schwarzen Farbe möchtet ihr hier wohl alle Färbungen antreffen. – So sind zum Beispiel die gar großen Riesen dunkelfeuerrot, abwärts bis ins ganz Lichtrosenrote. So gibt es auch grün und blau gefärbte, welche Farbe sich sogar in das Blaßgelbe verliert. Und so gibt es noch eine Menge Farbenmischungen, welche alle anzuführen ein eigenes Buch erfordern würde. – Es gibt zwar wohl auch in den anderen Sonnengürteln kleine Abweichungen in der Farbe; aber dennoch ist überall ein und derselbe Grundton der Färbung ersichtlich. Hier aber habt ihr nicht nur eine chromatische, sondern eine wahrhaft enharmonische Tonreihe der Färbungen.

[NS.01_066,10] Wie ist denn die Sprache dieser Menschen? – Die Sprache ist hier doppelter Art, nämlich: die Gebärdensprache und die Zungensprache. – Merkwürdig ist, wenn ein Riese mit einem Zwerge spricht. Sobald er bemerkt, daß der Zwerg mit ihm etwas reden möchte, so hebt er ihn alsogleich auf und hält ihn an sein Ohr. Spricht aber der Riese mit dem Zwerge, so hält er ihn so weit als er nur kann von seinem Munde entfernt und redet dann so hoch und so schwach er nur kann, damit dem Zwerge durch seinen Ton ja kein Leid geschehen möchte. Denn würde so ein Riese in seiner gewöhnlichen Tontiefe und Tonstärke reden, so würde fürs erste der kleine Zwerg das Wort vor lauter Tiefe nicht vernehmen, und die einzelnen Stimmvibrationen würden ihn zu sehr erschüttern. Um solches zu vermeiden, gebrauchen diese Großen im Umgange mit den Kleinen die größte Vorsicht. – Wenn so ein Riese auf eurer Erde ein ziemlich lautes Wort aussprechen würde, so würde das ein so starkes Erdbeben erzeugen, daß durch dessen Erschütterung mehrere Länder um den Besitz aller ihrer Städte kämen; auch die Gebirgsspitzen würden dadurch einen äußerst bedeutenden Schaden überkommen.

[NS.01_066,11] Es dürfte jemand fragen: Wie steht es denn dann allenfalls mit ihren Wohnungen? – Da sage Ich: Fürs erste haben diese gar großen Riesen keine anderen Wohnungen als den Sonnenerdboden. Sie wohnen somit ganz im Freien. Und da der Boden sehr fest ist, so kann er sie wohl tragen.

[NS.01_066,12] Zudem sind diese großen Menschen bei all ihrer sonstigen Massivität überaus zartfühlend, und so ist ihr Gang und all ihr Tun und Lassen von überaus sanfter und zarter Beschaffenheit. Sie leben untereinander überaus friedsam, und so sie irgendwohin gehen, machen sie im Verhältnis zu ihrer Größe sehr kurze und zugleich auch sehr langsam nacheinander folgende Schritte und lassen den Fuß allzeit ganz sanft auf den Boden, gleichsam als fürchteten sie, unter ihrem Tritte etwas zu zerstören. – Daher geben sie auch bei jedem Tritt sorgfältig acht auf den Boden, ob sich da nicht irgend etwas rege oder bewege. Wann sie solches merken, so beugen sie sich sobald herab und untersuchen, was da ist; und hat sich da etwas Lebendes vorgefunden, so wird es mit der größten Behutsamkeit zur Seite gesetzt und von ihnen erst nach solcher Räumung wieder ein behutsamer Schritt weiter getan.

[NS.01_066,13] Aus diesem Grunde kommen diese Riesen auch nur höchst selten an die sehr belebten Meeresgegenden, weil sie da zu sehr achtgeben müssen, um mit ihren Tritten nicht etwas zu zerstören. – Wenn sie so eine Reise unternehmen, gehen sie gewöhnlich in den ziemlich breiten Flüssen und Strömen. Denn allda gibt es für sie am wenigsten aus dem Wege zu räumen. Aber auf dem Lande, und besonders an den festen Ufergegenden des Meeres, werden sie beinahe gar nie gesehen.

[NS.01_066,14] Ihr möchtet wohl wissen, wovon diese Menschen leben und worin ihre Nahrung besteht? – Diese Menschen leben von Baumfrüchten, welche auf riesenhaft großen, permanenten Bäumen in reichlichster Menge vorkommen, dann aber auch von solchen Produkten, welche sie durch ihren Willen (so wie manche andere Sonnenbewohner, die wir schon kennen) dem Sonnenboden entlocken. Denn die Willensvegetation ist auf diesem letzten Gürtel allgemein. – Eine dritte Nahrungsquelle aber ist in diesem Gürtel auch die an allerlei Meteoren außerordentlich reiche Sonnenluft. Denn es hat hier mit der Luft beinahe dieselbe Bewandtnis wie mit der des entsprechenden Planeten Miron; nur natürlich alles in riesenhaft größerer Form als auf dem Planeten. So gibt es auch hier ein fliegendes Brot; wobei aber manchmal so ein fliegendes Stück eben nicht ungebührlich einen kleinen Trabanten eines Planeten abgeben könnte.

[NS.01_066,15] Wenn ihr nun solches betrachtet, so wird es euch auch sicher einleuchtend sein, daß der große Gastgeber, der so viele Myriaden und Myriaden Zentralsonnen speisen muß, daß sie stets gesättigt sind, – wohl auch noch Mittel finden wird, um solche Menschen zu sättigen. Denn die naturmäßige Erhaltung einer Zentralsonne, gegen welche die Erde nicht einmal als Stäubchen betrachtet werden kann, wird doch sicher mehr benötigen als die Erhaltung eines Menschen, und wäre er so groß, daß er von der Erde bis auf den Mond reichen würde. – Es ist eines und dasselbe, ob ein Körper groß oder klein ist, so wird er in Meiner unendlichen Speisekammer sicher nicht zugrunde gehen.

[NS.01_066,16] Und so habt ihr euch durchaus nicht zu sorgen um die Erhaltung solch großer Wesen; denn vor Mir gibt es nirgends etwas Großes. Das, was ihr groß nennet, ja unnennbar groß, ist vor Meinen Augen kaum wert, ein Atom genannt zu werden. Der (große Schöpfungs-)Mensch, der da besteht in zahllosen Hülsengloben-Heeren, ist vor Mir nicht größer als ein kleinster Punkt in den Tiefen der Unendlichkeit!

[NS.01_066,17] Aus diesem Wenigen werden euch diese einige tausend Klafter hohen Menschen des siebenten Sonnengürtels sicher noch ganz bescheiden vorkommen. – Daher wollen wir uns nun auch nicht mehr mit ihrer leiblichen Größe und Erhaltung befassen, sondern wollen uns dafür zu ihren Verhältnissen, Verfassungen und endlich zu ihrer Religion wenden. – Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

67. Kapitel – Lebensverhältnisse und Geistesart der Bewohner des siebenten Gürtelpaares.

[NS.01_067,01] Was die gesellschaftlichen Verhältnisse der Bewohner dieses Gürtels betrifft, so sind diese, wie schon erwähnt, nahe ganz dieselben wie auf dem entsprechenden Planeten. Nur gibt es hier nirgends, so wie auf dem Planeten, Wohnhäuser und somit auch keine Dörfer. Aber die Menschen wohnen auf gewissen Gebieten doch stets gesellschaftlich beisammen und benutzen ein allgemeines Gebietsgrundeigentum, das heißt, der ganze bedeutend große Grund gehört niemandem einzeln zu eigen.

[NS.01_067,02] Was der Grund somit natur- und normalmäßig trägt, – damit hat ein jeder allenthalben das Recht, sein Bedürfnis zu stillen. Was aber jemand zufolge seines Willens dem Boden zu entlocken vermag, das ist ihm allein eigen. Aber nach den unter ihnen bestehenden Freundschaftsgesetzen mag er von dem Eigenerzeugten wenigstens ein Drittel der Allgemeinheit zugute kommen lassen. – Also ist es auch der Fall mit jenen Besitznehmungen, welche, wie ihr zu sagen pflegt, zu den „zufälligen“ gehören, oder von welchen ihr zu sagen pflegt: Das ist ein Land, wie sich's gehört; denn da fliegen einem die gebratenen Vögel von selbst in den Mund!

[NS.01_067,03] Ihr werdet euch noch erinnern können, daß die Luft des Planeten Miron nicht selten auf wunderbare Weise Lebensmittel erzeugt, die nur abgefangen und sodann in den Mund geführt zu werden brauchen. – Noch mehr ist dies aber auf diesem Gürtel der Sonne der Fall, und ganz besonders auf dem nördlichen. Denn weil eben die Polargegenden der Sonne diejenigen sind, aus welchen das ganze Heer ihrer Planeten seine reichliche Nahrung bekommt, so könnt ihr es euch wohl leicht vorstellen, daß sich bei solch reichlichen Ausspendungen nicht selten eine Menge Brosamen über den Polargebirgsgürtel in den siebenten Gürtel herein verlieren. – Und so gibt es für die Bewohner dieses Gürtels auch immer etwas zu naschen.

[NS.01_067,04] Aus eben dem Grunde ist auch das Klima dieses Gürtels bedeutend kühler als das der anderen Gürtel, – da die Luft dieses Gürtels beständig mit allerlei fruchtbaren Dünsten erfüllt ist, aus welchen dann endlich allerlei gute Dinge zur leiblichen Erscheinlichkeit kommen, – welche Erscheinlichkeiten den Bewohnern dieses Gürtels nicht minder willkommen sind, als den Israeliten in der Wüste der Mannaregen. – Was sonach diese Luft freiwillig abwirft, das gehört demjenigen, der es zuerst gefunden hat und es dann in seinen Besitz nahm; doch mag er davon allzeit der Allgemeinheit die Hälfte zugute kommen lassen. – Darin also besteht die gesellschaftliche Verfassung dieser Bewohner.

[NS.01_067,05] Da aber diese größten Menschen der Sonne keine Häuser haben, so fragt es sich: Wie sind demnach ihre Wohnungen beschaffen? – Sie suchen sich auf den Hügeln, welche von ziemlicher Bedeutung sind, die flachen und weichen Stellen aus. Auf diesen lassen sie ein dichtes Gras wachsen, welches sehr elastisch ist und nicht selten eine Höhe von mehreren Klaftern erreicht. Eine solche, oft ein, zwei bis drei Quadratmeilen einnehmende Grasfläche umpflanzen sie dicht mit überaus hochwachsenden, riesigen Fruchtbäumen. Eine solche Fläche, mit solchen Bäumen umfangen, ist demnach das allgemeine Wohnhaus, davon ein Teil von den Männern, ein Teil aber von den Weibern bewohnt wird. Diese Art Wohnhäuser, oder vielmehr Wohnplätze, haben niemals eine ganz regelmäßige Form, sondern richten sich nach der Fläche eines solchen Hügels.

[NS.01_067,06] Alles andere Land um einen solchen Hügel, welches nicht selten einen Flächenraum von achthundert bis tausend Quadratmeilen einnimmt, ist ein allgemeiner Grund, der den Bewohnern der Fläche zugute kommt.

[NS.01_067,07] Wer ist denn der Erste einer solchen Gesellschaft? – Die Ordnung ist dieselbe wie in dem Planeten. Die Eltern sind den Kindern alles. Und irgend der Älteste, oder – wenn es dergleichen mehrere sind –, wird in wichtigen Fällen zu Rate gezogen, welcher Rat aber dann auch allzeit auf das eifrigste befolgt wird.

[NS.01_067,08] Wie stehen denn solche Gesellschaften sich gegenseitig im Verbande? – Überaus freundschaftlich, wenn sie zusammenkommen. Denn bei ihnen gibt es keinen Unterschied, und am allerwenigsten einen solchen, wie ihn die Bewohner dieser Erde finden, indem sie mit den dunkler gefärbten Brüdern wie mit den Tieren einen Handel treiben. Im Gegenteil, ein Mensch wird auf diesem Sonnengürtel von einem Andersgefärbten stets höher geachtet als ein Gleichgefärbter, und das zwar aus dem Grunde, weil die Bewohner glauben, daß der große Schöpfer dadurch einen neuen Beweis von Seiner unzugänglichen Weisheit habe anzeigen wollen. Daher studieren dann diese Menschen emsig nach, ob sie nicht irgendeine Spur finden könnten, um aus ihr oder in ihr zu erfahren, welche allerweiseste Absicht der große, allmächtige Schöpfer etwa mit dieser Färbung gehabt haben dürfte. Aus eben dem Grunde besprechen sie sich auch sorgfältigst mit einem solchen anders gefärbten Menschen, um etwa durch seine Äußerungen der innern Weisheit auf die Spur zu kommen. Und da ist dann jedes Wort aus dem Munde eines solchen Andersgefärbten wie ein gefundener Schatz, welcher nach allen Seiten sorgfältig betrachtet und dann zergliedert und gezählt wird bis auf den innersten Grund.

[NS.01_067,09] Also sind auch die verschiedenen Größen der Menschen auf diesem Gürtel ein bedeutender Grund der gegenseitigen Achtung; denn auch diese werden ebenso wie die Farben betrachtet.

[NS.01_067,10] Sind die Bewohner dieses Gürtels aber auch so industriös wie die des Planeten? – Das eben nicht. Denn sie bedürfen vieles dessen nicht, was den Bewohnern des Planeten nötig ist; denn da sie keine Häuser und sogar auch keine Kleider haben, so fallen damit auch viele materielle Industriezweige hinweg.

[NS.01_067,11] Aber was da wieder tiefere, innere, geistige Kenntnisse und Wissenschaften anbelangt, so sind sie darinnen den Bewohnern des Planeten überaus viel überlegen. – Außer ihrem starken Willen haben sie auch keine anderen Werkzeuge als ihre beiden Hände und ihre gesunden Sinne.

[NS.01_067,12] Wie sieht es denn mit der Musik aus? – In materieller Hinsicht, wie ihr zu sagen pflegt, überaus schlecht. Denn sie besitzen weder musikalische Instrumente, noch können sie mit ihrer Stimme, welche zu tief liegt, irgend etwas der Musik Ähnliches hervorbringen. Aber desto musikalischer sind sie in ihrem Geiste und haben demzufolge das eigene, innere Vermögen, sich gegenseitig ihre inneren Geisteskonzerte also vernehm- und fühlbar mitzuteilen, als ihr euch durch Worte eure Gedanken mitteilen könnt.

[NS.01_067,13] Wie geschieht aber dieses? – Fast auf dieselbe Art, wie da auch so manche sogenannten Somnambulen bei euch diejenigen Töne und Harmonien sehr deutlich vernehmen können, welche sich ihr sogenannter Magnetiseur denkt und in sich fühlt. – Ihr werdet zwar fragen: Wie ist solches wohl möglich? – Auf diese Frage sage Ich euch fürs erste, daß der geistige Mensch ebensogut Ohren und alle anderen Sinne hat wie der naturmäßige. Wie aber der naturmäßige Mensch mit seinen naturmäßigen Sinnen den Gesang eines andern Menschen vernehmen kann, – so gut, und noch ums unvergleichliche vollkommener, kann solches der Geist mit seinen unvergleichlich zarteren Sinnen. – Daraus aber ist ja doch einleuchtend, daß Menschen auch ohne Instrumente und ohne materielle Gesangsfähigkeit noch immer die tüchtigsten Musiker sein können. Denn wäre solches nicht der Fall, so wäre auch unter euch nie eine Musik entstanden. Denn woher hätte es der erste Musiker genommen, so sein Geist nicht schon ein tüchtiger Musiker gewesen wäre? – Aus diesem nun Gesagten könnt ihr dann ja recht wohl begreifen, wie unsere Bewohner des siebenten Gürtels ohne musikalische Instrumente und ohne äußere Gesangsfähigkeit recht überaus vortreffliche Musiker sein und sich damit auch gegenseitig, Mich allertiefst lobend, ergötzen können.

[NS.01_067,14] Die Musik des Geistes soll ja allezeit entsprechen dem tiefsten, innersten Lobe, das ein Geist Mir aus seiner innersten, himmlischen Tiefe darzubringen vermag, – also wie es der „Mann nach Meinem Herzen“ und noch andere Sänger Meiner Ehre taten, und wie es allzeit alle Engelsgeister der Himmel tun. – Wenn aber die Musik so wie bei euch gehandhabt wird, da wäre gar vielen Musikern besser, sie musizierten mit Klapperschlangen auf den öffentlichen Bällen, als mit ihren wohlklingenden, musikalischen Instrumenten, deren Töne da, im Geiste zusammengenommen, nichts anderes sind, als ein mächtiger Posaunenruf des Satans zum ewigen Tode! – Doch genug von dem! – Denn zu welcher Entartung die Musik derzeit bei euch gekommen ist, wisset ihr ohnehin.

[NS.01_067,15] Wie sieht es denn mit der Astronomie der Bewohner dieses Gürtels aus? – Sehr gut, und gerade so wie mit der Musik. – Mit ihren Augen sehen sie zwar, ausnahmsweise für diesen Gürtel, zufolge seiner beständigen Umdunstung, ein Gestirn am weiten Firmamente nie. Aber desto bestimmter sehen sie solches in ihrem Geiste. Und sie sind auf diesem Wege in diesem Fache so bewandert, daß ihnen fremde Weltgebiete nahe so bekannt sind wie ihr Gürtel.

[NS.01_067,16] Sie wissen sogar – wenn auch nicht alle, aber die Weisesten aus ihnen ganz bestimmt –, wie der vollkommene Planet Sonne bestellt ist, und was alles für Kostgänger er auf seiner Oberfläche wie in seinem Innern und auch in den Sphären über sich birgt und trägt. Aber sie wissen es auch, daß sie mit ihrem Leibe so lange da zu verbleiben haben, als es ihrem Geiste bestimmt ist, denselben zu tragen. – So sind die Bewohner dieses Gürtels also im Ernste nicht so auf den Kopf gefallen und etwa so unbehilflich, wie sie auf den ersten Augenblick in ihrer riesenhaft großen Nacktheit erscheinen.

[NS.01_067,17] Wenn da jemand fragen möchte: Warum aber sind diese Menschen dem Leibe nach gar so unglaublich groß, während ihr Geist bei aller seiner Vollkommenheit dennoch nichts Größeres aufzuweisen hat als ein anderer vollkommener Geist eines, leiblich genommen, unvergleichbar viel kleineren Menschen? – Seht, das ist wieder eine Frage, auf welche sich statt der Antwort nur gewisse andere Fragen geben lassen. Denn könntet ihr nicht ebensogut fragen: Warum ist denn der Eichbaum zur Tragung seiner unbedeutenden Frucht so groß? – und warum gerade derjenige Apfelbaum, der die größten Äpfel trägt, nicht nur im Verhältnis zum Eichbaum, sondern sogar im Verhältnis zu seinen Bruderbäumen gewöhnlich der kleinste? – Ferner könntet ihr auch fragen: Warum hat denn der große Elefant die kleinsten Augen, im Verhältnis zu anderen Tieren; und eine Fliege und noch andere dergleichen fliegenden Insekten im Verhältnisse zu ihrer Kleinheit die größten Augen?

[NS.01_067,18] Es ließen sich noch eine Menge solcher etwas lustigen Gegenfragen aufstellen. Allein es mögen diese zwei hinreichen, um euch und auch so manchen anderen erschaulich zu machen, daß Ich so eine Menge Eigentümlichkeiten habe, für welche Ich eben nicht allzeit aufgelegt bin, Rechenschaft abzulegen, – besonders nicht den Menschen in ihrem naturmäßigen Zustande, in welchem sie aus Meinen, wieder ganz eigentümlich wohlberechneten Gründen – einer höheren Weisheit unzugänglich sind. – So aber dieser Zustand der Prüfung ein volles Ende haben wird, dann wird es schon noch immer Zeit sein, durch die ganze Ewigkeit, die vollkommenen Geister in allerlei Weisheit zu führen. Daher lassen wir auch unsere großen Menschen auf diesem Gürtel einstweilen wie sie sind. Einst wird schon für den Geist ein zuständlicher Zeitpunkt kommen, wo er solches alles wird einsehen lernen.

[NS.01_067,19] Da wir nun die gesellschaftlichen Verhältnisse der Bewohner unseres siebenten Gürtels durchblickt haben, so wollen wir uns fürs nächste Mal zur Religion dieser Menschen wenden, in welcher sich noch so manche scheinbaren Widersprüche über die Darstellung der Sonne ausgleichen werden. – Und somit gut für heute!

 

68. Kapitel – Grundsätzliches über die Religion der Sonnenbewohner und das Wesen göttlicher Offenbarungen.

[NS.01_068,01] Wenn ihr die Religion der Bewohner des Planeten Miron betrachtet habt, so muß euch darin schon ein kleiner Vorgeschmack gekommen sein, wie die Religion hier auf diesem siebenten Sonnengürtel gestaltet sein möchte. Nur muß euch dabei nicht aus den Augen gehen, daß der entsprechende Sonnengürtel sich niemals gleich-polarisch, sondern in allem nur gegen-polarisch, das heißt solar zu all den Verhältnissen eines ihm entsprechenden Planeten, verhält. Und so ist denn solches auch der Fall mit der Religion.

[NS.01_068,02] Auf einem Planeten geht die Religion aus dem Materiellen ins Geistige über, und somit ist auch das Materielle notwendig vorwaltend vor dem Geistigen. – Auf der Sonne ist dies gerade der umgekehrte Fall. Die Religion geht da aus dem Geistigen ins Materielle über und erscheint als der schaffende, wesenhafte Grund aller Dinge daselbst. Aus diesem Grunde ist denn auch alldort das Geistige vorwaltend vor dem Materiellen.

[NS.01_068,03] Um aber diesen Unterschied noch deutlicher zu machen, müßt ihr euch die Sache also vorstellen: So ihr Bewohner eines oder des andern Planeten die Materie und ihre geformten Produkte vor euch habt, da bewundert ihr dieselben; und so ihr sie recht scharfsinnig betrachtet, so wird doch sicher ein jeder fragen: Wie entsteht oder entstand dieses oder jenes? Was ist wohl der Grund davon? – Durch dergleichen Fragen und möglich darauf erfolgte Antworten führet ihr euch immer tiefer. Und wenn ihr nach den gerechten Regeln forscht und sucht, so müßt ihr ja endlich notwendig auf das Geistige kommen, also auf ein selbständiges Leben, indem euch die regungslose, tote Materie am Ende zuruft: Ich kann mich ja unmöglich selbst gebildet und noch weniger belebt haben! – Mit andern Worten heißt das aber nichts anderes als: Ihr geht den antisolaren Weg – vom Materiellen ins Geistige über.

[NS.01_068,04] In der Sonne ist der Weg ganz umgekehrt, wie schon oben gesagt wurde. Da sieht niemand ein Ding an, wie es da vor ihm ist, sondern sein erster Blick ist der Grund, und von diesem aus geht er dann erst stufenweise diejenigen Wege durch, nach welchen sich aus dem Geistigen eine naturmäßige Wesenform ausgeboren oder ausgebildet hat, – und dieser Weg wird dann der solare genannt.

[NS.01_068,05] Also gestaltet ist denn auch bei euch selbst jede Offenbarung; sie geht vom Geistigen ins Materiell-Formelle über. Aus diesem Grunde müssen dann ja nicht selten die Außenformen wie widersprechend erscheinen, während sie von innen, aus der allerhöchsten und wohlberechneten Ordnung, entspringen.

[NS.01_068,06] Damit euch dieses wieder einleuchtender wird, so will Ich euch nur ein kleines Beispiel geben: Betrachtet einmal einen alten Baum! Er würde sich, vorausgesetzt daß er ganz gesund ist, am besten dadurch betrachten lassen, so ihr den Stamm gerade quer durchschneiden und sodann von seinem Kerne aus mit scharfen Augen betrachten möchtet alle die stets unordentlicher werdenden Holzumgebungen des Kernes, – bis ihr auf seine äußerste rauhe Rindenumgebung kommen möchtet. Wenn ihr da den Kern und dessen nächste Umgebung sehen würdet, wie dieser ganz vollkommen ordnungsmäßig gebildet ist, so ist doch sicher vorauszusehen, daß euch dabei eine große Bewunderung über solche große Ordnung ergreifen müßte. Möchtet ihr aber dann die stets weiter vom Kerne entfernten Holzkreise zu betrachten anfangen, so werdet ihr da auf unordentliche Kreise kommen, und ihr werdet euch sicher fragen: Woher diese Unordnung? Das widerspricht ja offenbar dem vollkommen runden Kern. Denn wir entdecken da Aus- und Einbüge, die nicht selten ein, zwei bis drei Zoll ausmachen, und doch ist der Kern rund! Was hat denn da den Holzkreis eingedrückt und da wieder hinausgeschoben? – Und wenn ihr dann endlich erst auf die äußere Rinde kommen würdet, – saget Mir, woher werdet ihr euch da wohl die höchste Unordnung der Rinde selbst und endlich die groben Furchen des Baumes erklären? – Ihr werdet doch notwendig sagen müssen: Je mehr bei Lichte wir dieses betrachten, einen desto größeren Widerspruch finden wir zwischen dem Kerne und der äußern Umhüllung dieses Baumes. – Sehet, solches lehrt euch schon ein einziger Durchschnitt eines Baumes!

[NS.01_068,07] Damit euch aber die ganze Sache noch klarer wird, wollen wir sie ein wenig mehr beleuchten. – Wenn ihr zum Beispiel den Baum auf mehreren Stellen durchschneiden, dann diese Durchschnitte bei immer gleichem Kerne miteinander vergleichen würdet, wie mächtig verschieden werdet ihr sie da finden! – Allein diese Verschiedenheiten sind noch zu wenig auffallend. Daher wollen wir die Sache auch noch ein wenig tiefer betrachten!

[NS.01_068,08] Nehmen wir zum Beispiel das Samenkorn eines Baumes! Ihr könntet zum Beispiel hundert Eichnüsse miteinander vergleichen, ja sie sogar abwägen. Wenn ihr übrigens die vollkommen schönen Früchte dieses Baumes nehmet, so wird dabei des Unterschiedes in kaum merklichem Verhältnisse vorkommen. Und wenn ihr aus den Körnern noch dazu die Keime auslöset und sie an und für sich mikroskopisch betrachtet, so werdet ihr in einem jeden solchen Keimwärzchen eine und dieselbe Ordnung finden. – Jetzt aber, Meine Lieben, nehmen wir uns die Mühe und machen einen kleinen Spaziergang in einen Eichwald! – Ho, ho! werdet ihr sagen, da sieht ja nicht ein Baum dem andern gleich! Dieser da hat solche Äste, jener wieder andere, und nicht zwei im ganzen Walde sind sich der Form nach ähnlich! Ihr werdet etwa meinen, vielleicht herrscht doch in den Wurzeln eine größere Ordnung und entspricht deren Zustand mehr und mehr dem Keime? – Lassen wir die Bäume nur ausgraben; denn im Geiste ist solches ja leicht möglich. Besehet da die Wurzeln, wie sie ebenso verschieden und sich gegenseitig unähnlich sind wie die Stämme und Kronen der Bäume selbst!

[NS.01_068,09] Wenn ihr solches nur ein wenig betrachtet, müßt ihr da nicht der Wahrheit gemäß laut ausrufen: Welch eine Unordnung, welch ein Widerspruch gegen die außerordentlich übereinstimmende und gleichmäßige Ordnung im Keime! – Wie kann aus solcher Ordnung eine solche, sich in allen Stämmen, Ästen und Zweigen widersprechende Unordnung entstehen!

[NS.01_068,10] Sehet, darin liegt es, was zu verstehen und wohl zu begreifen euch überaus not tut, so ihr von jeder äußerlich-formellen, geistigen Offenbarung durch den Buchstabensinn einen wahren Nutzen ziehen wollt. Denn das Geistige ist eine in sich selbst bestimmte Kraft und ist mit sich selbst in der größten Ordnung. Wenn aber diese Kraft, aus sich selbst hinaustretend, sich äußern will, so muß sie ja doch, als in sich die größte Ordnung, wohl innewerden, wie sie sich den äußeren Verhältnissen gegenüber möglicherweise äußern kann, um fürs erste ihr ureigentümlich Beschaffenheitliches nicht aus den Augen zu lassen, übrigens aber also zu wirken, daß sie auch mit den äußeren Umständen im Einklang steht.

[NS.01_068,11] Sehet, aus dem wird etwa doch klar werden, daß wenn Ich, als die Urkraft Selbst, aus der allerreingeistigsten, ewigen Ordnung Mich für die Außenwelt äußere, Ich auch stets diese zwei Regeln, als der Grundurheber derselben, auf das genaueste beachte; und zwar eben dadurch, daß dabei von dem eigentlich Göttlich-Heiligen in Seiner Fülle nichts vergeben wird, sondern dasselbe allenthalben allerhöchst-vollkommen beschaffenheitlich innewohnen muß. Was aber dann die formelle Äußerung nach außen betrifft, so muß sich diese dennoch wieder fügen nach den äußeren Umständen und muß daher notwendig in der Äußerlichkeit in allerlei widersprechend erscheinen, während sie doch in sich selbst in dem allerhöchst ordnungsmäßigen Einklange steht; – also wie die Eichbäume an und für sich beschaffenheitlich doch immer dieselben sind und sich, zufolge ihrer Produktionen, immer auf eine und dieselbe Grundordnung zurückbeziehen, wenn sie sich auch noch so sehr in der äußern Form zu widersprechen scheinen.

[NS.01_068,12] Werden aber hier nicht einige sagen: Wie steht denn diese Erklärung mit der Religion der Bewohner des siebenten Gürtels im Einklange? – Ich aber sage: Die Folge wird es zeigen, wie notwendig diese Erklärung war, um das Fach der Religion, wie auch alles andere geistige Wesen nicht nur der Bewohner des siebenten Gürtels, sondern auch aller anderen Gürtel – im wahren Grunde zu verstehen und daraus den gerechten Nutzen zu ziehen.

[NS.01_068,13] Ich habe schon früher erwähnt, daß eben bei Gelegenheit der Darstellung der Religion dieser Bewohner des siebenten Ringes so manche scheinbare Widersprüche im Verlaufe dieser ganzen Mitteilung sollen ausgeglichen werden. – Wie würdet ihr solches wohl je ohne diese nun vorangegangene Erklärung ruhig und sicher einsehen? – Da ihr aber nun solches wisset, so wird es auch weiter keine große Schwierigkeit mehr sein, für euch alles solches zu berichtigen, und euch den Unterschied zwischen der solaren und antisolaren Wirkung zu zeigen.

[NS.01_068,14] Aus diesem Grunde wollen wir denn auch das Fach der Religion so ganz eigentlich erst in der nächsten Mitteilung beginnen. – Somit gut für heute!

 

69. Kapitel – Der wahre Verständnis-Schlüssel für alle Religionen und Offenbarungen.

[NS.01_069,01] Was sonach das eigentliche Fach der Religion betrifft, so besteht dieses bei den Bewohnern dieses siebenten Gürtelpaares darin, dem Wesen Gottes aus allen Teilen ein einstimmiges Lob darzubringen.

[NS.01_069,02] Aus diesem Grunde werden auf diesem Gürtelpaar auch alle Dinge also erforscht, daß sie, von innen aus betrachtet, immer einen und denselben Grund haben müssen. Es kommt da nicht auf groß oder klein an, auch nicht auf viel oder weniger; oder ob da gesagt wird: Dies ist ein größtes Ding und dies wieder ein kleinstes; oder: hier eine solche Entfernung, angegeben durch eine Zahl, und gleich daneben eine andere Entfernung, angegeben mit einer andern Zahl. Werden solche Unterschiede nur von außen betrachtet, so sind sie sichtbar und widersprechen sich; von innen aus betrachtet aber sind sie sich völlig gleich.

[NS.01_069,03] So zum Beispiel möchte Ich euch sagen: Die Entfernung von eurer Wohnstadt bis zu einer nächsten Stadt, zum Beispiel in eurem Oberlande, beträgt sieben Meilen; wieder möchte Ich euch sagen: Die Entfernung von eurer Wohnstadt bis zur nämlichen Stadt beträgt zehn Meilen; und wieder möchte Ich euch sagen: Solche Entfernung beträgt zwanzig Meilen, und zwar eines und desselben Weges; ja Ich könnte euch noch mehrere verschiedenartige Entfernungszahlen angeben. Wenn ihr die Sache äußerlich betrachtet, so könnt ihr nicht umhin, mit gutem Verstandesgewissen zu behaupten: Das ist ja ein offenbarer Unsinn! – Denn solches muß ja doch ein Blinder einsehen, daß eine bestimmt ausgemessene Entfernung von etwa sieben Meilen nicht verlängert oder verkürzt werden kann, vorausgesetzt, daß die Wegmaßlinie stets eine und dieselbe bleibt. – Dem Außen nach ist diese Einwendung gegründet und können demnach sieben, zehn und zwanzig Meilen nicht ein und dasselbe sein. – Welches Gesicht aber bekommt diese Angabe von innen aus untersucht? – Das ist eine andere Frage.

[NS.01_069,04] Damit ihr aber die Identität solcher Angaben einsehen möget, so will Ich euch auch in diesem Falle mit einem anschaulichen Bilde zu Hilfe kommen. – Wie stellt ihr euch etwa die Stadt Bruck vor? – Ihr saget: Also, wie wir sie noch allzeit gesehen haben. – Ich frage euch wieder: Wo könnt ihr euch denn das vorstellen? – Ihr werdet sagen: Fürs erste in uns, das heißt durch die Kraft unserer Einbildung und Rückerinnerung an das naturmäßige Standbild dieser Stadt. – Gut, sage Ich. Seid ihr bei dieser Vorstellung in euch auf einen bestimmten Platz angewiesen, oder seid ihr im Geiste genötigt, diese Stadt euch gerade nur da vorzustellen, wo sie sich befindet? Ihr könnet im Geiste diese Stadt doch sicher in jede beliebige Entfernung versetzen. – Nun seht, wir haben unterdessen genug und wollen die Sache weiter verfolgen. – Wenn es, von innen aus betrachtet, für den Geist so gut wie einerlei ist, wo er sich diesen Ort vorstellen will, und ihm diese Vorstellung auch allzeit nur dieselbe Mühe kostet, da fraget dann euern Geist, welchen Unterschied er wohl zwischen den angegebenen Entfernungen findet? – Wird er für das sieben Meilen entfernte Bruck, um sich dasselbe irgendwo vorzustellen, wohl weniger Zeit bedürfen als zu einem hundert Meilen entfernten? – Wer nur einigermaßen die große Fertigkeit seiner Gedanken kennt, der wird doch schon in sich die Erfahrung gemacht haben, daß er keinen Unterschied findet, sich die Entfernung einer Meile und gleich daneben eine Entfernung von mehreren Trillionen Meilen zu denken. Wenn solches aber für den „Geist“, oder „von innen aus betrachtet“, vollkommen eines und dasselbe ist, so wird es ja doch auch klar sein, daß all die Dinge von innen aus betrachtet, wie sie von einem und demselben Punkte ausgehen, also auch in einem und demselben Punkte ein und dasselbe sind.

[NS.01_069,05] Solches könnt ihr schon in der allgemeinen Begriffszusammenziehung finden. – Unter welchem allgemeinen Namen könnt ihr euch denn alle geschaffenen Dinge, ohne Unterschied ihrer äußeren Beschaffenheiten, Eigenschaften und Formen, verständig vorstellen? – Ihr saget: Unter dem allgemeinen Ausdrucke: Wesen oder Geschöpfe. – Gut, sage Ich. Saget Mir aber: Wie unterschieden findet ihr wohl in solchen allgemeinen Bezeichnungen die endlose Vielheit der allerverschiedenartigsten Wesen? – Hier müßt ihr doch offenbar gestehen und sagen: In diesen allgemeinen Ausdrücken ist durchaus kein Unterschied all des zahllos Erschaffenen sichtbar. Denn in diesen beiden Ausdrücken spricht sich nur eine gleichbedeutende Vielheit der geschaffenen Dinge aus. – Ich frage wieder: Warum denn? – Wenn ihr einigermaßen das Vorhergehende betrachtet, so könnt ihr auf dieses „Warum“ keine andere Antwort geben, als daß ihr saget: Weil in ihrem Entstehungsgrunde alle die endlos vielen und verschiedenartigsten Dinge völlig eins sind. – Wenn Ich noch hinzufüge und frage: Wie und worin? –, so müßt ihr doch gewisserart mit der Nase euch daran stoßen und sagen: Weil alle Dinge aus der göttlichen Liebe hervorgehen, so müssen sie ja auch in eben dieser göttlichen Liebe so vollkommen einig vorhanden sein, wie diese göttliche Liebe in Sich Selbst vollkommen einig ist.

[NS.01_069,06] Wenn jemand hier allenfalls einwenden möchte: Ja muß denn gerade alles aus der göttlichen Liebe hervorgegangen sein? Gott ist ja auch die allerhöchste Weisheit. Ist es daher nicht füglicher, statt der Liebe Seine endlose Weisheit als das hervorbringende Prinzip aller Dinge anzunehmen? Denn wir sehen ja doch solches unter uns Menschen, da es einige darunter gibt, die eine starke Portion Liebe besitzen, so zwar, daß sie alle ihre Brüder und Schwestern als allerexakteste Philanthropen aufzehren möchten; wenn sie aber bei all ihrer Liebe nicht auch ihre Verstandeskräfte auszubilden suchten, so wird aus all ihrer großen Liebe spottwenig zum Vorschein kommen, – während wieder andere Menschen, welche nicht mit einer so starken Portion Liebe begabt sind, durch ihre vielseitigen Kenntnisse große Dinge ins Werk zu setzen vermögen. – Solcher Einwurf wäre wohl einiger Beachtung wert, wenn Gott und ein Mensch ganz vollkommen eines und dasselbe wären. Da aber dazwischen ein starker Unterschied obwaltet, so ist auch bezüglich der Liebe in Gott und der Liebe im Menschen derselbe starke Unterschied vorhanden; obschon ein eigentlich rechter Mensch in diesem Punkte seinem Schöpfer am meisten ähnlich sein solle.

[NS.01_069,07] Bei Gott geht die Weisheit also aus der Liebe hervor wie das Licht aus der Flamme. Wenn auch demnach die Dinge in ihrer Verschiedenartigkeit von der göttlichen Weisheit gestellt und geordnet werden, so kann aber doch niemand mehr in Abrede stellen, daß sie im Grunde des Grundes endlich dennoch samt der Weisheit aus der Liebe hervorgehen müssen. – Nun sehet, da wir solches nun sicher einsehen, so muß es ja auch klar sein, daß vom innersten Grunde betrachtet sich alles in der allergrößten Ordnung also ergreifen und finden muß, als wäre äußerlich kein Unterschied dazwischen. Die Mannigfaltigkeit der schon in der vorigen Mitteilung betrachteten Bäume läuft endlich im Samenkorne wieder in die alte, einfache, unterschiedslose, ewige Ordnung zusammen.

[NS.01_069,08] Wer sonach aus dieser inneren Ordnung, oder noch mehr deutsch gesprochen, wer aus seiner inneren Liebe zu Mir, als dem Grundkeime aller Wesen, sich selbst und alle die Wesen betrachtet, der wird überall eine und dieselbe Einheit und eine und dieselbe sich überall ergreifende Ordnung finden!

[NS.01_069,09] Betrachtet zum Beispiel den Baum des Lebens oder das geschriebene Wort, sowohl des Alten als des Neuen Testaments: wie viele tausend Äste, Zweige und Wurzeln möget ihr wohl an demselben erkennen? – Nicht eine Wurzel, nicht ein Ast, nicht ein Zweig sieht dem andern ähnlich. Dem Äußern nach scheint sich alles zu widersprechen. Lehrsätze über ein und dasselbe lauten verschieden. Prophetische Voraussagen über ein und dasselbe Ereignis sind von verschiedenen Propheten auch verschieden bezeichnet. Sogar die vier Evangelisten erzählen ein und dieselbe Sache mit anderen Worten und unterscheiden sich auch in verschiedenen Zahlenangaben. Ja sogar manche Orte geschehener Tatsachen werden häufig nicht völlig übereinstimmend bezeichnet, und so variieren auch nicht selten die Zahlen der Zeit. – Wer nun von der äußerlichen Anschauung auf den innern Zusammenhang kommen will, der wird den Weg doch sicher verfehlen und wird das Zentrum so schwer treffen, wie jemand, der von außen einen Baum anbohren und behaupten möchte: wie er da den Bohrer angesetzt habe, so müsse er damit bis zum Kerne dringen. So er aber hernach den Gang seines Bohrers untersuchen wird, da wird sich doch sicher zeigen, daß er mit seinem Bohrer den Kern um mehrere Zoll verfehlt hat. – Wenn er aber den Baum eher spaltet und bohrt dann vom Kerne nach außen, wird er da wohl möglicherweise je die Rinde verfehlen können? – Warum denn nicht? – Weil im Kerne alles in eins zusammenläuft. – Aber im Äußern ist der Kern durchaus nicht zu finden. Es könnte jemand nur, wie ihr zu sagen pflegt, durch einen blinden Zufall mit seinem Bohrer das Zentrum treffen. Was wird ihm aber solches wohl nützen? Wird er darum nun imstande sein, bei jedem Baume, den er wieder anbohrt, das Kernzentrum zu treffen?

[NS.01_069,10] Seht, also nützt auch die äußere, gewisserart antisolare Verstandesweisheit so viel als nichts. Ein solch äußerlicher Verstandesweiser wird beständig wie ein Blinder herumtappen, und alles wird nur ein halbes Erraten, aber nie eine volle, innerlich überzeugende Gewißheit sein. – Wer aber mit seinem Bohrer auf dem solaren Wege die gespalteten Bäume vom Kerne aus anbohrt, kann der je die Rinde verfehlen?

[NS.01_069,11] Sehet, das ist der richtige Schlüssel, nicht nur allein zur Beleuchtung und Eröffnung der wahren, innern Weisheit bezüglich der Religion der Bewohner unseres siebenten Sonnengürtels, sondern für euch auch noch um vieles mehr bezüglich eurer geoffenbarten Religion und auch hinsichtlich dieser gegenwärtigen neuen Veroffenbarung, – damit ihr dann durch eben diesen Schlüssel, oder wahren, innern Weisheitsbohrer, nicht nur allein das Geoffenbarte, sondern auch alle Dinge und Erscheinungen von dem wahren, innern, in sich allenthalben einigen, sich nie widersprechenden Grunde und Hauptstandpunkte der innern Weisheit, also aus dem Zentrum eurer Liebe zu Mir, betrachten könnt.

[NS.01_069,12] Der weitere Verfolg wird euch die Religion der Bewohner unseres siebenten Gürtels in ein noch größeres Licht stellen. Und so mögen wir uns wieder mit dem Gesagten heute begnügen!

 

70. Kapitel – Gottesinnigkeit als Religions- und Lebensgrundzug auf dem siebenten Gürtelpaar.

[NS.01_070,01] Wir haben schon gestern vernommen, daß derjenige, der vom Zentrum aus bohrt, unmöglich je die Rinde des Baumes verfehlen kann – fürs erste, weil die Rinde den ganzen Baum umgibt, und fürs zweite, weil vom Zentrum aus bis zum umgebenden Kreise allzeit ein gerader und sicherer Weg führt. – Wer aber das Zentrum eines Kreises nicht hat, der wird dasselbe vom Kreise aus allergenaust wohl schwerlich finden, weil er vom Kreise aus das Zentrum wird suchen müssen.

[NS.01_070,02] Es wird aber jemand sagen: Es ist alles gut und wahr; wenn man aber einen Baum erst über den Kern spalten muß, um dann vom Kern aus zu bohren, so ist das doch eine schwierige Arbeit! – Und Ich sage: Allerdings! Denn zur Erforschung der Wahrheit und allzeitigen Untrüglichkeit wird auch sicher mehr erfordert als zur Erfindung einer oder der andern Lüge. Soll man aber darum sich scheuen, die reine Wahrheit zu suchen, weil zu ihr der Weg schwerer ist als zur Lüge? – Ich meine, solches wird wohl niemand behaupten. – Also ist es auch mit der Spaltung des Baumes. Es ist da leichter, von außen nach innen zu bohren und dann zu sagen: man hat das Zentrum getroffen, – als den Baum zu spalten und vom Zentrum nach außen zu bohren.

[NS.01_070,03] Dessenungeachtet aber erfordert die Wahrheit solches. Und man muß das Leben suchen, wo es ist, und dann vom Leben ausgehen, – nicht aber da, wo es nicht ist, und somit als Toter vom Tode aus das Leben finden und ergründen wollen!

[NS.01_070,04] Wer sonach den rechten Weg gehen will, der muß allezeit den solaren, aber nicht den antisolaren gehen. Und der Baum muß gespalten sein, damit des Lebens Zentrum an das Licht kommt.

[NS.01_070,05] Dieses wäre alles gut, wird so mancher sagen; wie sollen wir aber den Baum spalten? Zuoberst sitzt die Krone, und zuunterst sind die Wurzeln! – Ich aber sage: Säget die Krone ab, tut die Wurzeln hinweg, so bleibt euch der Stamm, und dieser kann mit leichter Mühe gespalten werden.

[NS.01_070,06] Aber hier werdet ihr schon wieder sagen: Was will dann das bedeuten? Wir verstehen es nicht! – Was ist die Krone des Baumes? – Das sind die weltlichen Wißtümlichkeiten, die im äußern Verstande haften.

[NS.01_070,07] Was werden etwa die Wurzeln sein? – Ihr dürfet nicht weit greifen, sondern nur die Frage beantworten: zu welchem Zweck oder aus welchem Grunde die Menschen ihren Verstand mit allerlei Weltkenntnissen bereichern? – Und die Wurzeln werden ganz sichtbar vor euch auftauchen. – Solltet ihr etwa die schwere Antwort nicht finden, so kann Ich sie euch sagen! Nämlich – daß darunter all die weltlichen Interessen und Vorteile verstanden werden. Diese weltlichen Interessen und Vorteile vereinigen sich zu einem Kerne des Baumes, welcher da bezeichnet die Eigenliebe des Menschen, – welche Eigenliebe sich dann in den Ästen und Zweigen in allerlei nützliche Verstandeswissenschaften ausbreitet, damit sie durch dieselben stets mehr Nahrung für ihr eigenes Wesen finden möchte.

[NS.01_070,08] Sonach wird dieses Bild jetzt etwa doch verständlich sein. Die Krone hinweg! Die Wurzeln hinweg! Den Stamm spalten! –, damit die Eigenliebe nach außen gekehrt und zur Liebe zum Nächsten und zu Gott wird und also umgekehrt den Strahlen der ewigen Lebenssonne ausgesetzt wird! – Sehet, also nach außen gekehrt wird die Liebe ersichtlich und kann in sich selbst erforscht werden; und wo immerda ein Bohrer der innern Weisheit angesetzt wird, wird er ausgehen vom erleuchteten Grunde und wird die Rinde oder den äußern Kreis allzeit in der geradesten Richtung treffen, ohne denselben mühsam zu suchen.

[NS.01_070,09] Einige aber werden sagen: Das Bild ist gut und läßt sich hören; aber bei solcher Operation ist der Baum ja hin! – Und Ich sage euch: Wenn dieser äußere Baum nicht hin wird, so wird der innere mit der Zeit samt dem äußern zugrunde gehen. Geht aber der äußere des innern wegen zugrunde, so wird der innere erhalten. Denn wer das Leben liebt, der wird es verlieren; wer es aber flieht, der wird es überkommen. Das heißt, mit andern Worten gesagt: Wer das Weltleben liebt, der wird des Geistes Leben verlieren; wer aber des Geistes Leben liebt und verachtet das Leben der Welt, der wird das Leben des Geistes überkommen.

[NS.01_070,10] Wer also das Leben des Geistes liebt und dasselbe überkommt, der hat sich selbst gespalten und hat sein innerstes Leben dem Lichte aus Mir geöffnet. Und dieses Licht ist der wahre Weisheitsbohrer, welcher alles durchdringt, und das zwar von demjenigen Punkte aus, allda alle Dinge und Wesen in eins zusammenlaufen.

[NS.01_070,11] Da wir nun solches wissen, so wissen wir auch schon beinahe alles, was die Religion der Bewohner unseres siebenten Sonnengürtels betrifft. – Diese besteht lediglich in dem: alles von innen aus zu beschauen, und aus diesen inneren Beschauungen ein wahres, inneres, lebendiges Lob Mir darzubringen.

[NS.01_070,12] Worin aber besteht dieses Lob? Dieses Lob besteht in der vollkommenen Einung durch das Zurückkehren alles äußern Naturmäßigen in das einfach Geistige. Möge die Äußerlichkeit noch so zerstreut sein als sie will, so muß sie sich endlich im Innern doch als eine vollkommene, gleichlautende Einheit aussprechen lassen.

[NS.01_070,13] Dieser Ausspruch lautet: Gott ist die Liebe! Alles was da ist, ist eine Ausstrahlung dieses ewigen Heiligtums. Und dieses Heiligtum findet Sich in Seiner endlosen Allheit in Sich Selbst endlos vollkommen also, wie es Sich findet in uns, Seiner Ebenmäßigkeit. – In dieser Ebenmäßigkeit sind wir dann, zufolge des in uns aufgefundenen, einigen Heiligtums, selbst einig mit dem urewigen, in Sich Selbst allervollkommenst einigen Heiligtume, welches ist Gott, die alleinige Liebe. – Also lieben wir Gott, so wir Seine Liebe haben; denn Gott läßt sich mit keiner andern Liebe lieben als allein mit der eigenen, einigen. – Wer demnach Gott lieben will, damit er ewig in Ihm lebe, der muß die Liebe Gottes in sich haben als eine vollkommene Einigung mit Gott, welche da ist eine Rückbringung alles dessen in der geheiligten Einheit, was die ewige, einige Liebe zufolge Ihrer großen Erbarmung in zahllosen Gnadenstrahlen aus Sich gestreut hat.

[NS.01_070,14] Sehet, das ist der eigentliche Grundsatz der Religion dieses siebenten Gürtels. – Dieser Grundsatz aber ist demnach auch das Grundprinzip aller Handlungen der Menschen dieses Gürtels.

[NS.01_070,15] Und so stellt auch ihr ganzes Wesen solchen Grundsatz ersichtlich dar. – Sie sind äußerlich nackt, weil sie das Äußere nicht achten. Aber desto bekleideter sind sie inwendig, weil ihnen alles an dem Geiste gelegen ist. – Sie sind großen Leibes, zum Zeugnis, daß sie alles Äußere umfassend nach innen führen, um es da zu einen. – Sie sind von verschiedener Größe, damit sie diese äußeren Unterschiede im Geiste aufheben und einig machen. – Also sind sie auch verschiedenfarbig, welches da entspricht der Teilung des Lichts oder dem Auswendigen der Dinge, – damit alle diese Farben in ihrem Geiste zu einem Lichte vereinigt werden. – Sie bewohnen die äußersten Gürtel der Sonne, zum Zeichen, daß das Äußere zum Inwendigen geführt und da mit demselben eins werden soll. – Also leben sie von allerlei Früchten, teils von solchen, die ihnen frei wachsende Bäume und Gesträuche abwerfen, teils von den Früchten, welche ihr Wille dem Boden entlockt, und teils von denjenigen Nahrungsmitteln, welche ihnen die Luft wie ein Wunder zuführt, – zum Zeichen, daß der Mensch alle ausgestreute Gnadenfülle aus der ewigen Liebe in sich aufnehmen soll.

[NS.01_070,16] Sehet, also geht demnach auch ihr ganzes Streben dahin, daß sich in ihnen alles in der Liebe zu Gott vereinen soll. Das Größte dem Äußern nach gilt ihnen gleich wie das Kleinste. – Da sie wohl die Bewohner der ganzen Sonne aus ihrem Geiste heraus kennen, so sagen sie: Die Bewohner des Mittelgürtels, als die von aller äußern Pracht am meisten strotzenden, sind die kleinsten Menschen der Sonne. Würden sie nach dem äußern Maßstabe sprechen, so würden sie sicher noch kleinere finden, wie wir sie im Verfolg dieser Eröffnungen über die Sonne und ihre Bewohner gefunden haben. Allein da sie alle Dinge bloß von innen aus betrachten, so benennen sie dieselben auch also, wie sie dieselben in sich finden. – Ich mache euch hier darauf aufmerksam, daß Ich im Verlaufe der Schilderung des Mittelgürtels Selbst ausgesagt habe, als seien sie die kleinsten; allein solche Aussage verhält sich eben nach dieser gegenwärtigen Beleuchtung. Denn wo immer das Auswendige überaus prachtvoll und mannigfaltig ausgestattet ist, da ist das Inwendige am kleinsten. Wo aber das Äußere ohne allen Prunk dasteht, da ist das Innere desto größer.

[NS.01_070,17] Hier im siebenten Gürtel haben wir nirgends einen äußern Prunk gesehen; dafür ist aber auch das Innere am größten. Wenn hier auch die äußere Form zur größten wird, so schadet das der Sache nichts; denn solche Größe ist dann nur eine Folge der wahrhaften, innern Übergröße und ist ein Zeichen dessen, wovon wir schon gesprochen haben. – Also wird auch manchmal das Maß eben des Mittelgürtels verschieden angegeben; allein auch solches geschieht zufolge des allezeit mitbegriffenen Maßstabes der Menschen, die da solchen Gürtel bewohnen. – Und so verhält sich noch so manches von innen aus betrachtet ganz anders, als es äußerlich ins Auge fällt.

[NS.01_070,18] Da wir nun solches wieder erfahren haben, so können wir auch das Gegebene allzeit auf eine zweifache Art betrachten, nämlich von außen und von innen. – Wo irgendeine Spalte im Äußern ersichtlich ist, da denket, daß auch diese Spalte im Zentrum in eins zusammenfließt. Und betrachten wir das Gegebene von innen aus, so werden wir ohnedies allzeit den geraden Weg treffen und werden zum voraus erkennen, daß da die äußeren Auswüchse und Unebenheiten sich im Zentrum dennoch als eins finden müssen und demselben unmöglicherweise je eine andere Richtung geben können, wenn sie sich untereinander auch durch noch so große Klüfte, Sprünge, Erhöhungen und Vertiefungen unterscheiden sollten.

[NS.01_070,19] Somit wären wir auch mit der Darstellung der Religion der Menschen dieses Gürtels zu Ende und wollen daher nächstens nur noch einiges von ihrer Zeugung, Geburt, Ehe und ihrem Absterben sprechen und sodann uns zur innern Sonne begeben, welche wir so kurz als nur immer möglich im allgemeinen durchgehen wollen. – Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!

 

71. Kapitel – Zeugung, Ehe und Sterben auf dem siebenten Gürtelpaar.

[NS.01_071,01] Da die Zeugung des Menschen dessen erstes Auftreten ist, oder vielmehr das Eingehen aus dem Geistigen in die naturmäßige Sphäre, so wollen wir auch damit beginnen. – Wie wird denn hier bei diesen großen Menschen der Sonne die Zeugung bewerkstelligt?

[NS.01_071,02] Wenn ihr auf die Produkte des Landes aufgemerkt habt, wie diese aus dreifachen Quellen herrühren, so möget ihr daraus auch ersehen, daß es mit der Zeugung des Menschen nahe derselbe Fall ist. Sie wird sonach ebenfalls auf eine dreifache Weise begangen; aber nicht entweder auf die eine oder auf die andere, sondern allzeit auf die zur Einheit vereinigte dreifache Art.

[NS.01_071,03] Ihr werdet hier fragen: Wie ist solches wohl möglich? – Und Ich sage euch, daß solches gar wohl möglich ist. Denn selbst bei euch ist eine Zeugung ja auch ebenfalls eine dreifache. Nur ist sie umgekehrter Ordnung, da bei euch die sinnliche zuerst und dann erst, euch gewisserart zuallermeist unbewußtermaßen, die seelische und geistige erfolgt. – Bei den Sonnenmenschen aber ist die geistige Zeugung das erste. Dann folgt die seelische und endlich erst die leibliche.

[NS.01_071,04] Wie geschieht denn die geistige Zeugung? – Durch das innere Wort an das innere Wort. – Wodurch die seelische? – Durch den Willen an den Willen. – Wodurch die leibliche? – Durch ein Sichergreifen, welches ungefähr also aussieht wie eine brüderliche Umarmung. – Nach einer solchen Umarmung haucht der Mann das Weib an, und der ganze Akt der Zeugung ist vollbracht; denn was der Johannes von der Werdung des Fleisches spricht, wird hier buchstäblich ausgeführt.

[NS.01_071,05] Die große Bedeutung liegt dann in dem werdenden Menschen als Grund verborgen, aus welchem er selbst hervorgeht, und den er endlich mit seiner Entwicklung als solchen in sich erkennt; und dieser Grund ist das Zentrum, in welchem sich alles einet auf die Art, wie Ich es euch zur Genüge gezeigt habe.

[NS.01_071,06] Also hätten wir auch von der Zeugung nichts mehr zu erwähnen. – Wie geschieht aber die Ehe? – Die Ehe geschieht ebenfalls wie die Zeugung auf eine dreifache Art. – Irgendein äußerer Beweggrund führt zwei Gatten niemals zusammen, sondern lediglich der innere. Sind sie im Worte eins und sodann auch im Willen, so werden sie auch am Leibe eins.

[NS.01_071,07] Wenn sonach ein Mann im Alter von etwa hundert Jahren (eurer Zeitrechnung) irgendeines Vaters Tochter also erkannt hat, daß er in ihr sein Wort und seinen Willen gefunden hat, so geht er zum Vater und spricht zu ihm: „Siehe, ich habe in dieser deiner Magd mein Wort und meinen Willen gefunden, also will es demnach der große Gott, daß ich sie zum Weibe nehmen solle. Solches gebe ich dir kund, damit du deine Magd erforschen und dann ihren Leib an den meinigen führen möchtest, auf daß ich sie umarme und in ihr eine neue Frucht des Lebens zeuge.“ – Auf solche Rede beruft dann der Vater seine Tochter und spricht zu ihr: „Siehe hier vor dir den Mann, dessen Wort und Willen du trägst nach dem Willen des allmächtigen Gottes; daher werde sein und lasse dich umarmen von deinem Gatten! Gottes Segen sei mit euch und Sein Wort sei euer Leben jetzt, allezeit und ewig!“ – Darauf führt er seine Tochter dem Bräutigam zu, und die Ehe ist geschlossen. – Im Falle aber der Vater der Tochter nicht mehr am Leben wäre, was jedoch überaus selten geschieht, – so übernimmt dieses Ehebindungsgeschäft entweder ein ältester Bruder des Vaters, in Ermangelung dessen aber auch ein anderer, dem ein verstorbener Vater noch zu seinen Lebzeiten seine Kinder überantwortet hat. – Also wären wir auch mit dieser Handlung zu Ende.

[NS.01_071,08] Wie geschieht denn das Sterben dieser großen und zumeist bei tausend Jahre alt werdenden Menschen? – Was den Akt des Sterbens betrifft, so ist dieser fürs erste ganz wunderbarer Art und von keinem Manne wie auch von keinem Weibe gefürchtet, sondern im Gegenteil der Gipfelpunkt der allerseligsten Erscheinungen bei ihnen.

[NS.01_071,09] Von einer Krankheit ist da nie die Rede. Wenn aber jemand dem Leibe nach absterben soll, so weiß er solches schon längere Zeit voraus und bereitet in dieser, für ihn seit seinem ganzen Leben hellsten Zeitperiode alles gehörig und zweckmäßig für diejenige Zeit vor, in welcher er in das rein Geistige übergehen wird. – Wenn die Zeit schon sehr naht, dann wird gewöhnlich ein großes Dankfest bereitet, und diesem Dankfeste folgt ein freundschaftliches Mahl. Sodann steht derjenige, dessen Zeit herbeigekommen ist, auf, grüßt alle seine Verwandten und sodann die ganze Nachbarschaft, welche da in einem Baumzirkel beisammen wohnt. Darauf verläßt er dann behende die Gesellschaft und begibt sich ganz eilig auf eine Anhöhe, welche von der ganzen Gesellschaft gesehen werden kann. Wenn er sich allda befindet, so legt er sich mit dem Gesichte aufwärtsgekehrt auf den Boden nieder; und im Zeitraume von wenigen Minuten verschwindet er so ganz und gar, daß von ihm nicht die allerleiseste Spur zurückbleibt.

[NS.01_071,10] Bald nach solchem Verschwinden kommt er völlig im Geiste wieder zu den Hinterlassenen zurück, da ihn dann ein jeder durch sein inneres Gesicht sieht. Diese Anschauung währt ebenfalls nur einige Minuten. Sodann aber wird dieser Geist alsbald entrückt, und von ihm ist dann nie mehr etwas zu sehen auf diesem Platze.

[NS.01_071,11] Wenn dann solches alles vorübergegangen ist, sodann begibt sich die ganze Gesellschaft auf einen solchen Berg und bringt Gott einstimmiges Lob und Dank. Darauf begeben sie sich wieder nach Hause und sind fröhlichen und heitern Mutes der großen Gnade wegen, welche da Gott einem Bruder aus ihnen hat zukommen lassen. – Dieser Akt des Sterbens ist im ganzen Gürtel gleich, sowohl auf den Inseln als auf dem großen, festen Lande.

[NS.01_071,12] Als merkwürdig kann allenfalls noch das von euch beachtet werden, daß der Mann eher verschwindet als das Weib, und im ganzen der größte Riese eher als die kleineren Menschen. – Das wäre sonach auch das Ganze über den Akt des Sterbens der Menschen dieses siebenten Gürtels.

[NS.01_071,13] Daß auf den beiden Gürteln in allem bisher Gesagten ein und derselbe Fall ist, braucht kaum erwähnt zu werden. – Da wir sonach mit der ganzen, bewohnbaren Sonnenoberfläche zu Ende sind, so wollen wir uns fürs nächste Mal in das Innere der Sonne begeben. – Und somit gut für heute!

 

72. Kapitel – Die inneren Sonnen und ihre Bewohner. – Ordentliches und unordentliches Aufsteigen der Sonnen-Grundlichtgeister.

[NS.01_072,01] Wir haben schon im Anfange vernommen, daß die Sonne nicht ein vollkommen kompakter Körper ist, sondern daß sie aus sieben inneren Sonnen besteht, zwischen welchen immerwährend ein hohler Raum von mehreren tausend Meilen sich befindet.

[NS.01_072,02] Es ist auch schon erwähnt worden, daß auch diese Inn-Sonnen bewohnt sind. Nun fragt es sich: mit was für Bewohnern? – Sind diese Bewohner wirklich leibliche Menschen, oder haben sie etwa nur Ähnlichkeit mit euren Bergmännlein und den sogenannten Luft-, Feuer-, Wasser- und Erdgeistern? Oder ist das etwa gar eine ganz besondere Art von Wesen, die sonst nirgends als eben allein nur in der Sonne vorkämen? – Das wären somit drei Möglichkeiten, von denen weder die eine noch die andere ganz verworfen und eben auch nicht ganz bestätigt werden kann. Dem Anscheine nach hat solches wohl freilich viele Ähnlichkeit mit dem, was da erwähnt wurde, aber der Wirklichkeit, wie der innern Bedeutung nach hat es keine.

[NS.01_072,03] Denn ihr müßt bei der Sonne immer vor Augen haben, daß es auf ihr stets nur Wesen primitiver oder solarer Art gibt, – während sie auf den Planeten sekundärer oder antisolarer Art sind. Wenn ihr die Form betrachten wollet, so spricht sich diese freilich wohl auf dieselbe Weise aus wie auf den Planeten; was aber dann die innere Beschaffenheit und deren Grund betrifft, so ist dieses im schroffsten Gegensatze gegen alles das, was auf den Planeten sich in dieser Art vorfindet.

[NS.01_072,04] Somit können wir schon einen Blick auf die Bewohner dieser inneren Sonnen werfen. – Sie sind untereinander gerade also verschieden wie die Farben eines Regenbogens. Also haben wir demnach im eigentlichen Sinne weder Bergmännlein, noch Luft-, Wasser-, Erd- und Feuergeister und noch weniger wirklich naturmäßig leibhaftige Menschen, sondern Geistermenschen, welche mit der Zeit erst ins naturmäßige Leben entweder auf der Oberfläche der Sonne oder, im ungünstigeren Falle, auch in das Leben der Außenheit auf die Planeten übergehen können.

[NS.01_072,05] Wer diese Geisterwesen mit einem allgemeinen Namen bezeichnet haben möchte, der tut am besten, so er sie mit dem Ausdrucke Sonnen-Grundlichtgeister benennt. Diese Geister sind unter sich selbst sich erscheinlich wie naturmäßige Menschen untereinander und können sich zu diesem Zweck auch aus der dortigen Luft einen Leib bilden, wie und wann sie wollen; und solches können sie tun bezüglich ihrer vollen Freiheit auf dem Raume, den sie, als von Mir aus angewiesen, zur Bewohnung innehaben.

[NS.01_072,06] Machen sie von diesem Zustand ihrer Selbständigkeit und ihrer vollen Freiheit einen gerechten Gebrauch, so werden sie mit der Zeit fester und haltbarer in ihrer ganzen Wesenheit und können sodann alsogleich im Wege der Zeugung und Geburt auf die Oberfläche der Sonne übergehen. Und von da steht ihnen dann schon die fernere geistige Reise, die da schon besprochen worden ist, zur endlichen Vollendung offen.

[NS.01_072,07] Gebrauchen aber diese Geister der innern Sonne diesen intelligenten Freiheitszustand auf eine Meiner Ordnung nicht angemessene Weise, so gestalten sie sich auch unordentlich, und ihre Formen sind dann von unaussprechlich verschiedener Art. Wenn sie dann den günstigen Ausgang der Ordentlichen sehen, da rotten sich die Unordentlichen zu Trillionen und Trillionen haufenweise, wollen sich dann ebenfalls erheben und mit Gewalt das erreichen, was die Ordentlichen auf dem kurzen und gerechten Wege erreichen, – nämlich die endliche Oberfläche der Sonne und mit dieser die von ihnen gewohnte allerabsoluteste Freiheit.

[NS.01_072,08] Am ärgsten oder am grellsten zeigen sich diese Unterschiede auf der letzten innern Sonne, welche da die erste ist nach der eigentlichen, sichtbaren Sonne. Denn in den noch weiter innen befindlichen Sonnen sind die Unterschiede bei weitem nicht so auffallender Art, das heißt, sie sind wenigstens dem Anscheine nach gleichartiger als auf der letzten innern Sonne.

[NS.01_072,09] Am wenigsten auffallend sind die Unterschiede auf der allerinnersten, kompakten Sonne, welche gewisserart das Herz der Sonne ausmacht. – Von diesem Herzen aus strömen diese geistigen Wesen in allerlei Formen bis zur obersten Sonne hinauf – also wie das Blut vom Herzen ausgeht in alle Teile des Leibes, das Nahrhafte allenthalben absetzt und das weniger Nahrhafte wieder zurückführt.

[NS.01_072,10] Also geschieht es auch nicht selten, ja im allgemeinen betrachtet beständig, daß die unordentlichen Geister, wenn sie auch bis zur Oberfläche der Sonne gedrungen sind, daselbst unter allerlei Formen wieder umkehren müssen, – und das zwar durch die Pole. Sie werden auf diese Weise dann wieder mit dem Herzen der Sonne vereinigt und fangen nach langer Zeit wieder an, von da entweder ordentlicher- oder unordentlicherweise auszugehen und aufzusteigen.

[NS.01_072,11] Solches wüßten wir nun. – Wie geschieht denn nun das Aufsteigen? – Was das Aufsteigen durch die inneren Sonnen betrifft, so ist dieses mehr ein geistiges und somit auch zum größten Teil unverspürbares Aufsteigen. Es ist darum auch mit keinen Eruptionen verbunden. – Was aber dann das Aufsteigen von der letzten innern Sonne auf die eigentliche Oberfläche der Sonne betrifft, so äußert sich dieses allezeit auf eine überaus gewalttätige Weise.

[NS.01_072,12] Den Effekt einer solchen gewaltsamen Aufsteigung habt ihr schon bei der Erklärung der Sonnenflecken gesehen. Es wäre hernach nur noch zu erörtern übrig, wie solches von innen aus geschieht, – und das nicht allein auf dem uns schon bekannten mehr naturmäßigen, sondern vielmehr auf dem intelligent-geistigen Wege.

[NS.01_072,13] Diese geistigen Wesen der unordentlichen Art sammeln sich, wie schon bemerkt, zu zahllos vielen Trillionen etwa zumeist auf einer Äquatorgegend der letzten innern Sonne. Wenn sie sich gehörig stark fühlen, dann erheben sie sich in Massen und Massen und dringen also hinauf bis an die innere Fläche der eigentlichen Sonne und lavieren allda durch ihr Gefühl, wo diese am schwächsten sein möchte. Haben sie eine solche Stelle gefunden, die auch zugleich nach allen möglichen Seiten eine Menge Adern und Kanäle hat, so dringen sie da bald ein, fangen dann an, sich stets mehr und mehr allerintensivst zu entzünden und erglühen dadurch auch nach und nach die Fläche, wo sie sich angesetzt haben, vergesellschaften sich noch dazu mit den in dieser Materie gebundenen Geistern und üben nach und nach, sich stets mehr und mehr entzündend, eine solche Gewalt aus, daß ihnen am Ende die einige tausend Meilen dicke äußere Sonnenkruste weichen, sich von ihnen auf die euch schon bekannte Art auftreiben und endlich gar durchbrechen lassen muß.

[NS.01_072,14] Da sie durch ihr höchst unordentliches Bestreben auch gewisserart ein materielles Gewicht bekommen, so kommt ihnen dieses zu ihrer Tätigkeit sehr wohl zustatten, indem sie dadurch sich auch den großartig schnellen Umschwung der Sonne um ihre Achse zunutze machen. Und es heißt da bei ihnen im buchstäblichen Sinne: Nun helfe, was da mag und kann; unsern Zweck müssen wir erreichen!

[NS.01_072,15] Wenn ihr nun dieses mit der ersten Erläuterung der Sonnenflecken vergleichet, so wird euch daraus so manches klar werden, was euch sonst etwas dunkel geblieben wäre, – wenigstens wäret ihr mit der Zeit auf einen Widerspruch geraten, den ihr nicht leichtlich gelöst hättet; und so mancher gelehrte Fuchs hätte da eine gute Nahrung für seine spitzigen Zähne und scharfen Augen und Krallen bekommen.

[NS.01_072,16] Ich will euch nur einen solchen Widerspruch andeuten (und dieser wäre folgender): Entstünden die euch bekannten Geschwülste am Äquator der Sonne lediglich durch die Wurfkraft des Umschwunges der Sonne um ihre Achse, da möchte Ich den kennen, der da imstande wäre, einen Tempel, noch dazu auf einem Berge, zu erbauen, wo die Wurfkraft noch größer ist als in der Tiefe, – ohne daß dann ein solcher Tempel samt den Bewohnern nicht alsogleich hintangeschleudert werden würde! Wenn es überhaupt möglich zu denken wäre, bei oberwähnten Umständen irgendeinen solchen Tempel zu erbauen! – Die Schwungkraft der Sonne ist somit an und für sich im gerechten Verhältnis zu deren großer anziehender Kraft; kann aber dessenungeachtet solchen geistigen Unternehmungen gut zustatten kommen und ist ihrer Gewalttat somit förderlich und nicht hinderlich.

 

73. Kapitel – Schicksale der Sonnenmeuterer. – Kometen- und Planetenentwicklung. – Das ewige, unermeßliche Schöpfungswerk. – Schluß.

(Beendet am 21. November 1842)

[NS.01_073,01] Daß auf diesem Wege solche Geister einesteils ihren Zweck erreichen, das haben wir schon bei der Erklärung der Sonnenflecken gesehen. – Wozu sie aber die Erreichung dieses Zweckes danach verordnet, solches wird sobald noch erschaulicher als bisher dargestellt werden.

[NS.01_073,02] Wenn diese Geister auf diese gewaltige Weise ihre erwünschte Freiheit erlangen, dann schwärmen sie zu Millionen und Millionen hinaus in den unermeßlichen Raum. – Die erste Folge dieses gewaltigen Ausflugs ist zwar eine für kurze Dauer wohltätige; denn sämtliche Geister werden in diesem Raume gewisserart abgekühlt und somit auch in ihrem Bestreben ruhiger.

[NS.01_073,03] Was ist aber die zweite Folge dieses Zustandes einer absoluten Freiheit? – Solches kann nicht eher begriffen werden als dann erst, wenn ihr wißt, daß ein jeder Geist, welcher Art er auch immer sein mag, für seine kräftige und behagliche Fortdauer eine Nahrung haben muß. Hat er diese nicht, so wird er endlich stets schwächer und schwächer, so zwar, daß er am Ende in eine Art bewußtlosen Zustandes gerät, welcher einem tiefen Schlafe gleicht. – Ein solcher Zustand ist demnach auch die Folge der gewonnenen absoluten Freiheit solcher unordentlicher, gewalttätiger Geister aus der Sonne.

[NS.01_073,04] Was wird aber wohl die Folge dieses zweiten Zustandes sein? – Diese Folge zu erraten, wird niemandem großes Kopfzerbrechen verursachen. Denn so jemand imstande wäre, selbst einen Tiger auszuhungern und dann vollends tiefst einschlafen zu lassen, so wird es ihm dann mit dem Fangen dieses wütenden Tieres sicher nicht schwer werden, – da es zufolge seiner Schwäche sich nicht zur Wehr wird setzen können, und zufolge seines Schlafes aber auch nicht merken wird, wann es einem Jäger zur Beute wird. – Sehet, das ist auch ungefähr die sichere Folge für solche absolut freigewordene Geister aus der Sonne! Sie werden ebenfalls zur Beute der überall auf sie lauernden Anziehungskraft der Planeten, denen sie sonach zur willkommenen Sättigung dienen.

[NS.01_073,05] Ein Teil solcher geistigen Absolutisten aber wird schon bei ihrem Durchbruch wieder von der Kraft der Sonnengeisterwelt zur Umkehr genötigt, allda dann ein Teil zur Besänftigung und Abkühlung in die großen Sonnenmeere zurückfällt; ein noch größerer Teil aber, welcher sich etwas weiter von der Sonne hinweg wagte, wird von der mächtigen Polarität der Sonne ergriffen und durch diese wieder in den Urzustand geführt, das heißt, in das eigentliche Herz der Sonne. Auch derjenige Teil, der von den Gewässern der Sonne aufgenommen wird, macht mit der Zeit durch die vielen Poren, Adern und Kanäle eine rückgängige Bewegung, manchmal bis zur letzten innern Sonne, welche, wie ihr wißt, eigentlich die erste nach der Oberfläche der Sonne ist. Manche solche in die Gewässer zurückgefallenen Geister aber werden wohl auch zur Nahrung und Auszeitigung der äußern Sonnenoberfläche verwendet.

[NS.01_073,06] Diejenigen Geister der innern Sonne, welche eine solche rückgängige Bewegung schon zu öfteren Malen gemacht haben, verbinden sich nicht leicht wieder mit jenen Geistern, welche wieder einen neuen Äquatorialdurchbruch unternehmen wollen, sondern sie suchen auf Seitenwegen gegen die Polargegenden hin sich gewisserart mehr heimlich aus dem Staube zu machen. Da sie aber allda ebenfalls auf Widerstände stoßen, so geschieht es denn auch, daß sie in kleineren Partien zu Gewalttätigkeiten ihre Zuflucht nehmen und kommen dann bald auf einem, bald auf dem andern, zumeist aber dennoch gegen die Polargegenden hin befindlichen Gürtel zur Erreichung ihres Zweckes. Ich darf euch nur auf die euch schon bekannten Vulkane aufmerksam machen, und ihr werdet daraus leicht ersehen, wo für diese Wesen, wie ihr zu sagen pflegt, der Zimmermann das Loch gelassen hat. Aber auch dieses Loch nützt ihnen nicht viel; denn dadurch können sie sich oft kaum so weit von der Sonne entfernen, als die Oberfläche ihrer Glanzluft vom festen Boden absteht. Bald nach einem solchen, sich fast fortwährend wiederholenden Versuch werden solche liberal gesinnte Geister wieder von den Polen der Sonne sehr stark eingeladen, sich die Mühe nicht gereuen zu lassen, wieder einen kleinen Besuch der innersten Sonne oder eigentlich dem Sonnenherzen, abzustatten, wo sie dann wieder eine hinreichende Zeit darüber nachdenken sollen, was da besser ist: der guten Ordnung zu folgen, oder sich eigenmächtig-ohnmächtig zu verderben und den ordentlichen Zustand auf lange Zeiten der Zeiten gewaltigst zu verschlimmern.

[NS.01_073,07] Sehet, also verhalten sich die Sachen. Nur fragt es sich noch, ob das die einzigen Geister sind, denen die fatale Ehre zuteil wird, von den Sonnenpolen wieder aufgenommen zu werden, – oder gibt es auch noch andere? – Ja, es gibt auch noch allerlei andere! – Und diese sind zum Teil Ausreißer aus den die Sonne umgebenden Planeten, zum Teil aber auch ähnliche Gewaltstreichausführer anderer Sonnen. Solche Geister werden nämlich, wenn sie in das Planetengebiet dieser Sonne geraten, von der Polarkraft der Sonne gar bald ergriffen und von derselben zu der Sonne selbst hingezogen. Nur wenn sie sich auf eine euch schon bekannte Weise in irgendeiner weiten Sphäre der Sonne vergesellschaften und sodann der Erscheinlichkeit nach zu Kometen werden, können sie manchmal sich längere Zeiten hindurch um die Sonne ungeschickt planetarisch bewegen. Kommen sie aber der Sonne unbehilflicher- und ungeschicktermaßen zu nahe, so werden sie auf jeden Fall von der Sonne, wie ihr zu sagen pflegt, bei Butz und Stengel verzehrt. Wenn manche auch mit der Zeit zu wirklichen Planeten werden, so sind sie aber als solche dennoch nicht ausgenommen, dereinst der Sonne zur Speise zu werden. Denn was die Sonne einmal mit ihrer polarischen Kraft ergriffen hat, das ist schon so gut wie eine vollkommene Beute für sie. Denn fürs erste zehrt sie dann beständig durch ihre Kraft an einem solchen Gaste, schwächt ihn von Jahrtausend zu Jahrtausend und zieht ihn endlich dennoch in ihren weiten Feuerschoß.

[NS.01_073,08] Solches könnt ihr schon aus der gegenwärtigen Stellung der Planeten erkennen. Denn einstens, vor vielen Millionen Jahren, war der Planet Merkur noch an der Stelle eurer Erde, der Planet Venus ungefähr an der Stelle des gegenwärtigen Planeten Mars und eure Erde ungefähr an der Stelle des Jupiter. Nun rechnet nach, um wie vieles die Sonne mit ihrer Kraft sich diesen Planeten genähert hat! Und ihr könnt daraus gar leicht ersehen, daß die Sonne, wenn auch nach vielen Jahrtausenden, sich dieser gegenwärtig noch freischwebenden Planeten bemächtigen wird, – allwo und allwann dann die hartnäckigsten Geister solcher Weltkörper erst wieder zu ihrer ordentlichen, manchmal auch wieder, zufolge ihrer wiedererlangten intelligenten Freiheit, zu ihrer unordentlichen Löse gelangen werden.

[NS.01_073,09] Daß an die Stelle solcher, von der Sonne völlig aufgenommener Planeten wieder andere treten, könnt ihr schon aus dem Umstande ersehen, daß um eure Sonne allein ein Heer von wenigstens zehntausend Millionen Kometen schwärmt, aus welcher nicht unbedeutenden Zahl dann auch immer ein und der andere mehr ausgebildete Komet wieder in den Stand eines Planeten übergehen kann. Ja es gibt schon gegenwärtig eine große Menge wohlausgebildeter Kometen in dem weiten Gebiete eurer Sonne, welche sogar schon zum größten Teile bewohnt sind, – wenn auch noch nicht von Menschen, so aber doch von Pflanzen und mannigfaltigen Vortieren.

[NS.01_073,10] Sehet, also ist demnach diese Ordnung. Für eure Begriffe ist ihre Zeitdauer unendlich zu nennen, vor Meinen Augen aber ist der Anfang wie das Ende gestellt. – Wie aber die Sonne ihre Planeten wieder löset, also können auch Zentralsonnen ihre Nebensonnen lösen und endlich die Hauptzentralsonne ganze Heere von Sonnengebieten und Sonnenallen. – An der Stelle der verzehrten werden dann wieder neue gesetzt, also, daß dadurch der Gang in der Ordnung Meiner Dinge für ewig nimmerdar abgebrochen werden kann. Denn solches müßt ihr zu all dem annehmen, daß Ich ewig nimmer aufhören werde, zu erschaffen, – weil Ich als Gott ewig nimmer zu denken aufhören kann. Denn Meine Gedanken sind die Wesen.

[NS.01_073,11] Aber es wird mancher sagen: Wohin denn am Ende mit solcher unendlichen Vielheit der Geschöpfe? – Ich aber frage dagegen: Wie verhielte sich denn eine, wenn an und für sich noch so große, aber am Ende dennoch begrenzte Zahl der Geschöpfe und Wesen zu einem unendlichen Gott?

[NS.01_073,12] Daher soll darob niemandem bange werden. Denn in Meiner Unendlichkeit hat auch sicher Unendliches Platz und wird dieselbe ewig nimmer erfüllen, – wenn auch der beständige Wesenzuwachs noch unaussprechlichmal größer und zahlloser wäre, als er der bestehenden Ordnung zufolge ist.

[NS.01_073,13] Dieser Überblick aber soll euch eben auch die Beruhigung geben, daß euer guter, heiliger Vater größer, mächtiger und vollkommener ist, als sich Ihn ein schwacher Erdengeist selbst in seinen feierlich hellsten Augenblicken vorzustellen vermag.

[NS.01_073,14] Somit wären wir denn auch mit der materiellen Sonne zu Ende und wollen darum fürs nächste Mal uns in die geistige oder vielmehr himmlisch geartete Sonne begeben. – Und so lassen wir es für heute wieder gut sein!